Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B6-0619/2006/REV1Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B6-0619/2006/REV1

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

27.11.2006

eingereicht gemäß Artikel 103 Absatz 4 der Geschäftsordnung von
anstelle der Entschließungsanträge folgender Fraktionen:zu AIDS

Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B6-0619/2006
Eingereichte Texte :
RC-B6-0619/2006
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu HIV/AIDS (Weltaidstag)

Das Europäische Parlament,

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Juli 2006 zu „HIV/AIDS – Zeit zu handeln“ und seine Entschließung vom 2. Dezember 2004 zum HIV/AIDS-Tag,

– unter Hinweis auf den Weltaidstag am 1. Dezember 2006, der unter dem Motto „Gemeinsam gegen Aids: Wir übernehmen Verantwortung – für uns selbst und andere“ steht,

– unter Hinweis auf den am 21. November 2005 veröffentlichten Bericht der WHO/UNAIDS über den aktuellen Stand der Aids-Epidemie („AIDS epidemic update“),

– unter Hinweis auf die Tagung der UN-Generalversammlung vom 31. Mai und 1. Juni 2006, auf der die Fortschritte bei der Umsetzung der Verpflichtungserklärung zu HIV/AIDS geprüft wurden,

– unter Hinweis auf die XVI. Internationale AIDS-Konferenz im August 2006 in Toronto,

– unter Hinweis auf das von der Kommission im April 2005 verabschiedete Europäische Aktionsprogramm zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose (2007-2011)[1], das sämtliche Entwicklungsländer abdeckt,

– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 15. Dezember 2005 über die Bekämpfung von HIV/AIDS in der Europäischen Union und in ihren Nachbarländern (2006-2009)[2],

– unter Hinweis auf die auf dem G8-Gipfel in Gleneagles und von den Vereinten Nationen im Jahr 2005 eingegangene Verpflichtung, bis 2010 den universalen Zugang zu Prävention, Behandlung und Pflege zu verwirklichen,

– gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass seit dem ersten festgestellten Fall von Aids vor 25 Jahren mehr als 25 Millionen Menschen an der Krankheit gestorben sind,

B. in der Erwägung, dass es dem UNAIDS-Bericht vom 21. November 2006 zufolge im Jahr 2006 4,3 Millionen Neuinfektionen gegeben hat, davon 2,8 Millionen (65%) allein in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara,

C. in der Erwägung, dass 95% der weltweit 39,5 Millionen HIV-Infizierten in Entwicklungsländern leben,

D. in Kenntnis der Angaben, dass die Infektionsraten in Osteuropa und Zentralasien seit 2004 um mehr als 50% gestiegen sind und es nur wenige Beispiele von Ländern gibt, in denen die Zahl der Neuinfektionen tatsächlich zurückgegangen ist,

E. in der Erwägung, dass nur 24% der 6,8 Millionen HIV-Infizierten in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen Zugang zu der notwendigen antiretroviralen Therapie haben,

F. in der Erwägung, dass es weltweit schätzungsweise 15 Millionen HIV/Aids-Waisen gibt, davon 12,3 Millionen allein in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara,

G. in der Erwägung, dass nur 5% der HIV-positiven Kinder medizinische Hilfe erhalten und weniger als 10% der bereits 15 Millionen durch Aids zu Waisen gewordenen Kinder finanzielle Unterstützung zuteil wird,

H. in der Erwägung, dass ältere Geschwister und Großeltern die Verantwortung für oft zahlreiche Aids-Waisen übernehmen und dass das Wegsterben einer Generation von HIV/AIDS-infizierten jungen Erwachsenen dazu führt, dass in einigen Ländern Engpässe bei Lehrern, Krankenschwestern, Ärzten und anderen wichtigen Berufsgruppen auftreten,

I. in der Erwägung, dass die Generation der wirtschaftlich aktiven junger Menschen überproportional von Aids betroffen ist,

J. in der Erwägung, dass 50% aller HIV-Infizierten weltweit und fast 60% der HIV-Infizierten in Afrika mittlerweile Frauen sind,

K. in der Erwägung, dass sexuelle und reproduktive Gesundheit eng mit der Prävention von HIV/Aids und anderen armutsbedingten Krankheiten zusammenhängen,

L. in der Erwägung, dass HIV-Infizierte besondere Bedürfnisse im Hinblick auf ihre reproduktive Gesundheit (Familienplanung, sichere Geburt und Stillen) haben, welche trotz des Anstiegs der Infektionsrate bei Frauen oft übersehen werden,

M. in der Erwägung, dass auf der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) im Jahr 1994 und anlässlich der ICPD-Folgekonferenzen in den Jahren 1999 und 2004 bekräftigt wurde, wie wichtig es ist, die Beteiligung von Frauen zu fördern und ihnen durch einen verbesserten Zugang zu Bildung, Information und Betreuung auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit mehr Wahlmöglichkeiten zu geben,

N. in der Erwägung, dass die reichen Länder fünf Jahre nach der Doha-Erklärung immer noch nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen sind, dafür zu sorgen, dass preisgünstigere lebensrettende Medikamente in den Entwicklungsländern zur Verfügung stehen,

O. in der Erwägung, dass fünf Jahre nach der Doha-Erklärung, der zufolge „jeder Mitgliedstaat der WTO das Recht hat, Zwangslizenzen zu erteilen und die Bedingungen festzulegen, unter denen derartige Lizenzen erteilt werden“, die WHO warnend feststellt, dass 74% der AIDS-Medikamente immer noch einem Monopol unterliegen und 77% der Afrikaner immer noch keinen Zugang zu einer AIDS-Behandlung haben,

P. in der Erwägung, dass der harte Wettbewerb im Bereich der Generika dazu beigetragen hat, dass die Preise für Aids-Medikamente der ersten Generation seit dem Jahr 2000 um 99 % (von 10.000 auf etwa 130 USD jährlich pro Patient) gesunken sind, dass aber die Preise für Aids-Medikamente der zweiten Generation, welche die Patienten angesichts der natürlich steigenden Resistenz benötigen, vor allem aufgrund der höheren Patentschutzschranken in wichtigen Erzeugerländern von Generika immer noch hoch sind,

Q. in der Erwägung, dass es bei der Aushandlung bilateraler Handelsabkommen keine Vereinbarungen geben sollte, mit denen der Rückgriff von Ländern auf Vorkehrungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit eingeschränkt wird,

HIV/Aids in der Welt

1. bekundet seine tiefe Besorgnis über die Ausbreitung von HIV/AIDS und anderen Epidemien unter den ärmsten Bevölkerungsgruppen in der Welt und die mangelnde Schwerpunktsetzung auf die Prävention von HIV/AIDS, die Unzugänglichkeit von wichtigen Medikamenten, die unzureichende Finanzierung und die mangelnden Forschungsanstrengungen bezüglich der großen Epidemien;

2. unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Regierungen, Dienstleistungserbringer im Gesundheitswesen, die pharmazeutische Industrie, NRO und die Zivilgesellschaft sowie andere Akteure im Bereich Prävention, Behandlung und Pflege Verantwortung übernehmen;

3. fordert alle internationalen Geber auf, dafür zu sorgen, dass die HIV-Präventionsprogramme die Menschen erreichen, bei denen das größere Infektionsrisiko besteht, da aus den Schlussfolgerungen von UNAIDS hervorgeht, dass man sich um diese gefährdeten Bevölkerungsgruppen nicht kümmert;

4. betont, dass die EU gezielte Programme finanzieren muss, damit die durch den Verlust eines Elternteils oder beider Elternteile bzw. durch direkte Ansteckung von der Aids-Epidemie betroffenen Kinder auch weiterhin Zugang zur Bildung haben und unterstützt werden;

5. fordert, dass bei allen Hilfsprogrammen sichergestellt wird, dass nach dem Beginn der Behandlung eines Patienten die Finanzierung für eine anhaltende, ununterbrochene Behandlung zur Verfügung steht, um erhöhte Arzneimittelresistenz zu verhindern, die Folge einer unterbrochenen Behandlung ist;

6. unterstreicht die Notwendigkeit, dass die EU Programme finanziert, um Frauen vor allen Formen der Gewalt zu schützen, die mit einer Aids-Infektion einhergehen, und sicherzustellen, dass sie, wenn sie zu Opfern solcher Formen von Gewalt werden, Zugang zu Gesundheitsdiensten haben und ihnen die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft geboten wird; fordert ferner, dass gegen die Stigmatisierung vorgegangen wird, unter der die Opfer solcher Straftaten häufig leiden;

7. fordert den IWF auf, von monetären Auflagen und Haushaltsplafonds abzusehen, die die Länder zwingen, ihre Ausgaben für öffentliche Gesundheit und Bildung einzuschränken;

Sexuelle und reproduktive Gesundheit

8. unterstreicht, dass die erforderlichen Strategien zur wirksamen Bekämpfung der HIV/Aids-Epidemie einen umfassenden Ansatz für Prävention, Aufklärung, Pflege und Behandlung beinhalten und den Einsatz der derzeit gebräuchlichen Technologien, einen besseren Zugang zur Behandlung und die dringend notwendige Entwicklung von Impfstoffen umfassen müssen;

9. fordert die Kommission und die Regierungen unserer Partnerländer auf, dafür Sorge zu tragen, dass Gesundheit und Bildung, insbesondere HIV/Aids sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit, Priorität in den Länderstrategiepapieren erhalten;

10. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Programme zur Bekämpfung von Homophobie und zum Abbau der Hindernisse für eine wirksame Eindämmung der Krankheit zu unterstützen, insbesondere in Kambodscha, China, Indien, Nepal, Pakistan, Thailand, Vietnam und überall in Lateinamerika, wo es immer mehr Anzeichen dafür gibt, dass die HIV-Seuche unter Männern ausbricht, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben;

11. begrüßt die Einbeziehung der HIV/Aids-Forschung in das 7. Forschungsrahmenprogramm und fordert, dass die Erforschung von Impfstoffen und Mikrobiziden, Diagnosemethoden und Überwachungsinstrumenten, die auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer zugeschnitten sind, und der Muster für die Übertragung der Epidemie sowie der Entwicklungen in der Gesellschaft und im Verhalten unterstützt wird; unterstreicht, dass Frauen in alle zweckdienlichen Vorhaben im Bereich der klinischen Forschung – einschließlich Testimpfungen – einbezogen werden müssen;

12. fordert Investitionen in die Entwicklung kontrollierter Verhütungsmethoden für Frauen, z.B. Mikrobizide, Kondome für Frauen und eine nachträgliche Prophylaxe für Opfer einer Vergewaltigung;

Zugang zu Medikamenten

13. hält die Regierungen dazu an, alle ihnen im Rahmen des TRIPs-Übereinkommens zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, wie z.B. obligatorische Lizenzen, zu nutzen, und ermutigt ferner die WHO und die WTO sowie deren Mitglieder, das gesamte TRIPs-Übereinkommen im Hinblick auf eine Verbesserung des Zugangs zu Medikamenten zu überprüfen;

14. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, fünf Jahre nach der Annahme der Doha-Erklärung zuzugeben, dass deren Anwendung ein Misserfolg war, da die WTO weder von einem Export- oder Importland noch aufgrund des Beschlusses vom 30. August 2003 irgendeine Mitteilung über Zwangslizenzen erhalten hat;

15. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gemeinsam mit den Entwicklungsländern innerhalb der WTO die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um das TRIPS-Übereinkommen und dessen auf dem Beschluss vom 30. August 2003 beruhenden Artikel zu ändern, insbesondere um das komplexe, zeitraubende Verfahren für die Genehmigung von Zwangslizenzen abzuschaffen;

16. hält alle von großen Epidemien heimgesuchten Länder dazu an, unverzüglich Artikel 30 des TRIPS-Übereinkommens anzuwenden, um Zugang zu den erforderlichen Medikamenten ohne Zahlung von Lizenzgebühren für Patente an deren Rechteinhaber zu erhalten;

17. fordert die Kommission auf, ihren Beitrag zu dem Globalen Fonds für die Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose – wie vom EP in seiner Entschließung vom Dezember 2004 eindeutig gefordert – auf 1 Milliarde Euro aufzustocken; fordert alle Mitgliedstaaten und die G8-Mitglieder auf, ihren Beitrag auf 7 Milliarden Euro für das Jahr 2006 und 8 Milliarden Euro für das Jahr 2008 aufzustocken, um UNAIDS die erforderlichen Ressourcen für die Eindämmung der Epidemie zur Verfügung zu stellen;

18. unterstützt die von den Staats- und Regierungschefs auf dem Weltgipfel 2005 der Vereinten Nationen eingegangene Verpflichtung, bis 2010 für den universalen Zugang zu HIV/Aids-Prävention, ‑Behandlung und ‑Betreuung Sorge zu tragen; ist jedoch der Ansicht, dass ein klarer Plan für die Finanzierung einer flächendeckenden Versorgung entwickelt und internationale sowie vorläufige Fortschrittsziele festgesetzt werden sollten;

19. weist darauf hin, dass leistungsstarke öffentliche Dienstleistungen im Gesundheitsbereich, einschließlich von Forschungseinrichtungen, für die Bekämpfung der Epidemie von wesentlicher Bedeutung sind, und widersetzt sich einer Konditionalität, die ihre Liberalisierung zur Folge hat;

20. fordert Unterstützung für stärkeres Wachstum der regionalen und nationalen Industrien für Generika in betroffenen Gebieten, um den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln zu erleichtern;

21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten der EU und der AKP-Staaten, dem IWF, der Regierung der Vereinigten Staaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie den Leitern von UNAIDS, UNDP und UNFPA zu übermitteln.