GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
25.4.2007
- –Martine Roure und Michael Cashman im Namen der PSE-Fraktion
- –Sophia in 't Veld, Alexander Alvaro, Sarah Ludford und Jeanine Hennis-Plasschaert im Namen der ALDE-Fraktion
- –Monica Frassoni, Kathalijne Maria Buitenweg und Raül Romeva i Rueda im Namen der Verts/ALE-Fraktion
- –Giusto Catania, Mary Lou McDonald, Eva-Britt Svensson, Miguel Portas, Gabriele Zimmer, Vittorio Agnoletto und André Brie im Namen der GUE/NGL-Fraktion
- –ALDE (B6‑0167/2007)
- –PSE (B6‑0168/2007)
- –Verts/ALE und GUE/NGL (B6‑0171/2007)
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Homophobie in Europa
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die internationalen Instrumente, die die Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleisten und Diskriminierung verbieten, insbesondere die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK),
– unter Hinweis auf die Artikel 6 und 7 des Vertrags über die Europäische Union und Artikel 13 des EG-Vertrags, die die EU und ihre Mitgliedstaaten zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten verpflichten und wonach die Union sich mit den Mitteln ausstattet, die zur Bekämpfung von Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen erforderlich sind,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere deren Artikel 21, der Diskriminierungen wegen des Geschlechts untersagt,
– unter Hinweis auf die Maßnahmen der Europäischen Union zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung und der Homophobie, insbesondere die Anti-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sowie das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle 2007,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Homophobie, Minderheitenschutz und Antidiskriminierungspolitik, und insbesondere die Entschließungen zu Homophobie in Europa sowie zur Zunahme von rassistischer Gewalt und von Gewalt gegen Homosexuelle in Europa,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in einigen europäischen Ländern beobachtet hat, dass Hasstiraden gegen die LGBT-Gemeinschaft (Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender) um sich greifen,
B. in der Erwägung, dass Erklärungen und Maßnahmen führender Politiker und Kirchenvertreter die öffentlichen Meinung wesentlich beeinflussen und diese somit in erheblichem Maße in der Verantwortung stehen, positiv zu einem Klima der Toleranz und der Gleichstellung beizutragen,
C. in der Erwägung, dass diese Entschließung sowie die Entschließung zu Homophobie in Europa und die Entschließung zur Zunahme rassistischer Gewalt und von Gewalt gegen Homosexuelle in Europa durch diese und andere Besorgnis erregenden Zwischenfälle ausgelöst wurden, wie z.B. das Verbot einiger Kommunen, Demonstrationen für Gleichstellung und Homosexuellen-Paraden abzuhalten, die Tatsache, dass führende Politiker und religiöse Oberhäupter aufstachelnde oder drohende Ausdrucksweisen verwenden oder sich zu Hasstiraden hinreißen lassen, das Versagen der Polizei, angemessenen Schutz vor gewalttätigen Demonstrationen durch homophobe Gruppierungen zu gewährleisten, und sei es auch nur bei der Auflösung friedlicher Demonstrationen,
D. in der Erwägung, dass in den bevorstehenden Monaten Gleichstellungs- und Homosexuellenveranstaltungen in ganz Europa und weltweit geplant sind, bei denen die Teilnehmer und die Organisatoren möglicherweise von körperlicher Gewalt bedroht sind, trotz ihres Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit, das auch vom Menschenrechtskommissar des Europarates bekräftigt wurde
E. in der Erwägung, dass ein 16-jähriger Italiener namens Matteo aus Turin Selbstmord begangen und zwei Briefe hinterlassen hat, in denen er seine Tat damit begründet, dass er wegen seiner sexuellen Ausrichtung schikaniert wurde; in der Erwägung, dass Bürgerorganisationen im Vereinigten Königreich auf die Zunahme von Schikanen aufgrund von Homophobie in weiterführenden Schulen im gesamten Vereinigten Königreich hingewiesen haben; in der Erwägung, dass ein Homosexueller in den Niederlanden nur wegen seiner sexuellen Ausrichtung und seiner weiblichen Erscheinung zu Tode geknüppelt wurde,
F. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament wiederholt die Vollendung des Gesetzespakets über Antidiskriminierung auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags gefordert und die Kommission regelmäßig ersucht, eine Richtlinie über ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung in allen Bereichen einzuführen,
G. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 15. Juni 2006 zur Zunahme von rassistischer Gewalt und von Gewalt gegen Homosexuelle in Europa bereits seine tiefe Besorgnis über die Lage in Europa und besonders in Polen zum Ausdruck gebracht und die Erklärungen der Spitzenpolitiker der Partei der Liga der Polnischen Familien und besonders des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Ministers für Bildung verurteilt hat, in denen zu Hass und Gewalt aufgerufen wird,
H. in der Erwägung, dass der stellvertretende Ministerpräsident und Minister für Bildung der polnischen Regierung einen Gesetzentwurf angekündigt hat, der ‚homosexuelle Propaganda‘ in Schulen unter Strafe stellt, und den Inhalt dieses Gesetzentwurfs erläutert hat, wonach Schulleiter, Lehrer und Schüler entlassen oder Geld- oder Gefängnisstrafen gegen sie verhängt werden sollen, wenn sie sich an den Schulen aktiv für die Rechte von Homosexuellen, Lesben, Bisexuellen oder Transgendern (GLBT) einsetzen,
I. in der Erwägung, dass der stellvertretende Minister für Bildung der polnischen Regierung bestätigt hat, dass die Behörden derzeit ein solches Gesetz ausarbeiten, und dass er erklärt hat, Lehrer, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, würden entlassen, in der Erwägung, dass diverse Mitglieder der Regierung unterschiedlich reagierten und es daher unklar war, ob das Gesetz tatsächlich vorgelegt wird;
J. in der Erwägung, dass der stellvertretende Ministerpräsident und Minister für Bildung der polnischen Regierung erklärt hat, er wolle die Verabschiedung vergleichbarer Gesetze auf europäischer Ebene fördern,
K. in der Erwägung, dass der Gesetzentwurf vom polnischen Ministerpräsidenten unterstützt wurde, der erklärte, die Propagierung eines homosexuellen Lebensstils gegenüber Jugendlichen in den Schulen als Alternative zu einem normalen Leben gehe zu weit, und derartigen Initiativen an Schulen müsse Einhalt geboten werden, und der somit eine verzerrte Auslegung von Bildung und Toleranz gab,
L. in der Erwägung, dass die polnische Kinderbeauftragte erklärt hat, sie bereite eine Liste der Arbeitsplätze vor, für die Homosexuelle ungeeignet seien,
M. in der Erwägung, dass die Durchführung des ‚Europäischen Jahres der Chancengleichheit 2007‘ der Europäischen Union dadurch ernsthaft verzögert wird, dass die polnische Regierung und die Behörden noch nicht entschieden haben, welche Vorhaben gefördert werden sollen, und dass zu diesen Vorhaben auch solche gehören, die von LGBT-Organisationen vorgeschlagen wurden, was im Klartext dazu führt, dass dieses Projekt in Polen blockiert wird,
N. in der Erwägung, dass die polnische Staatsanwaltschaft im Juni 2006 eine Überprüfung der Finanzierung von LGBT-Organisationen im Zusammenhang mit ‚kriminellen Bewegungen‘ sowie in Bezug auf ihre Präsenz an Schulen angeordnet hat, um Spuren krimineller Aktivitäten festzustellen, jedoch ohne Erfolg,
O. in der Erwägung, dass die polnische Regierung am 8. Juni 2006 den Leiter des Zentrums für Lehrerfortbildung entlassen und die Verteilung eines offiziellen Handbuchs des Europarates zur Bekämpfung der Diskriminierung verboten hat, sowie in der Erwägung, dass der neue Leiter des Zentrums am 9. Oktober 2006 erklärt hat, unangemessene Rollenvorbilder dürfe es an den Schulen nicht geben, denn die Schule habe die Aufgabe, den Unterschied zwischen Gut und Böse, Schönheit und Hässlichkeit zu erklären; die Schule müsse erläutern, dass homosexuelle Praktiken zu Tragödien, Leere und Degenerierung führten,
P. in der Erwägung, dass Terry Davis, Generalsekretär des Europarates, auf diese Zwischenfälle reagiert hat, indem er erklärte, der polnischen Regierung stehe es frei, zu entscheiden, ob sie das Material des Europarates zu Aufklärung über die Menschenrechte nutzen wolle, wenn jedoch die Unterrichtsmaterialien lediglich fakultativ seien, so seien die Werte und die Grundsätze, die darin enthalten sind, dies jedoch mit Sicherheit nicht, und sich besorgt darüber geäußert hat, dass einige Maßnahmen, mit denen Homophobie (…) und homophobem Verhalten Vorschub geleistet wird, von der Regierung akzeptiert werden,
Q. in der Erwägung, dass die polnische Regierung ebenfalls die Finanzierung von Projekten abgelehnt hat, die von LGBT-Organisationen im Rahmen des Europäischen Jugendprogramms gesponsert werden, und diesen Beschluss in einem Schreiben an diese Organisationen erläutert hat, indem sie erklärt, die Politik des Ministeriums unterstütze keine Maßnahmen, die darauf abzielen, homosexuelle und ähnliche Verhaltensweisen bei Jugendlichen zu verbreiten; die Rolle des Ministeriums sei es ebenso wenig, die Zusammenarbeit mit Homosexuellen-Organisationen zu unterstützen,
R. in der Erwägung, dass auch eine Reihe von positiven Entwicklungen festgestellt werden können, z.B. die erfolgreiche Homosexuellen-Veranstaltung in Warschau im Juni 2006, die große Demonstration für Toleranz und Demokratie in Warschau im November 2006 nach dem Verbot einer Demonstration für Toleranz in Posen (Poznán), den Schutz für die Parade für die Rechte von Homosexuellen in Krakau im April 2007 und die Tatsache, dass Homosexuellen-Paraden nicht länger grundsätzlich verboten sind,
S. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament die Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beauftragt hat, eine Untersuchung über die zunehmende Tendenz zu rassistischer, fremdenfeindlicher und homophober Intoleranz in Polen durchzuführen, und die Kommission ersucht hat, zu prüfen, ob die Maßnahmen und Erklärungen des polnischen Bildungsministers mit Artikel 6 des EU-Vertrags vereinbar sind, während es gleichzeitig auf die Sanktionen hingewiesen hat, die bei Verstößen gegen diesen Artikel vorgesehen sind, sowie in der Erwägung, dass diesen Aufforderungen bisher nicht nachgekommen wurde,
1. weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Europäische Union zuallererst eine Wertegemeinschaft ist, in der die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, der Gleichstellung und der Nichtdiskriminierung zu den Werten gehören, denen die größte Wertschätzung entgegengebracht wird;
2. bekräftigt, dass die Institutionen der EU und die Mitgliedstaaten die Pflicht haben, zu gewährleisten, dass die Rechte der Menschen, die in der Europäischen Union leben, geachtet, geschützt und gefördert werden, im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Europäischen Charta der Grundrechte, Artikel 6 EUV und der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG;
3. wiederholt seine Forderung an die Kommission, zu gewährleisten, dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung in allen Bereichen verboten ist, und dazu das Anti-Diskriminierungspaket auf der Grundlage von Artikel 13 des Vertrags fertig zu stellen, ohne das Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle und andere Menschen, die mehrfach diskriminiert werden, weiterhin diskriminierend behandelt werden können; fordert eine weltweite Entkriminalisierung der Homosexualität;
4. wird den 17. März jedes Jahres zum Internationalen Tag gegen Homophobie ausrufen;
5. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien schneller zu überprüfen und die Mitgliedstaaten im Falle des Verstoßes gegen EU-Verpflichtungen vor Gericht zu bringen;
6. erinnert alle Mitgliedstaaten daran, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sogar dann ausgeübt werden darf, wenn die Ansichten die Mehrheit der Gesellschaft herausfordern, und st der Auffassung, dass diskriminierende Verbote von Homosexuellen-Paraden sowie die Unterlassung, denjenigen, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen, nicht angemessenen Schutz zu gewährleisten, daher gegen die von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verteidigten Grundsätze verstoßen; fordert alle zuständigen Behörden und insbesondere die örtlichen Behörden auf, diese Veranstaltungen zu genehmigen und die Teilnehmer angemessen zu schützen;
7. verurteilt die diskriminierenden Bemerkungen von führenden politischen und religiösen Persönlichkeiten gegen Homosexuelle, da sie Hass und Gewalt Vorschub leisten, auch wenn sie im Nachhinein zurückgezogen werden, und fordert die jeweiligen Führungsstrukturen der Organisationen auf, diese zu verurteilen;
8. bekräftigt seine Aufforderung an alle Mitgliedstaaten, Rechtsvorschriften zur Überwindung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare vorzulegen, und fordert die Kommission auf, Vorschläge vorzulegen, um zu gewährleisten, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auch in diesem Bereich angewandt wird, damit die Freizügigkeit aller Personen in der EU ohne Diskriminierung gewährleistet ist;
9. bekundet seine Solidarität mit den Menschen, die sich für die Grundrechte und die Gleichbehandlung von Lesben, Homosexuellen, Bisexuellen und Transgendern einsetzen und sagt ihnen seine Unterstützung zu;
10. fordert die zuständigen polnischen Behörden eindringlich auf, davon abzusehen, ein Gesetz wie das vom stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten und Minister für Bildung beschriebene Gesetz vorzuschlagen oder zu verabschieden, sowie auf Einschüchterungsmaßnahmen gegen LGBT-Organisationen zu verzichten;
11. fordert die zuständigen polnischen Behörden auf, die Erklärungen öffentlicher Personen, die zu Diskriminierung und Hass wegen der sexuellen Ausrichtung aufrufen, öffentlich zu verurteilen und Maßnahmen dagegen zu ergreifen; ist der Auffassung, dass jedes andere Verhalten einen Verstoß gegen Artikel des EU-Vertrags darstellen würde;
12. fordert die polnischen Behörden auf, die Durchführung des Jahres der Chancengleichheit 2007 zu fördern, und fordert die Kommission auf, die Durchführung des Jahres der Chancengleichheit 2007 zu überwachen, insbesondere die Klausel, wonach die Finanzierung davon abhängt, dass gewährleistet ist, dass alle Gründe für Diskriminierung in den nationalen Programmen gleich angegangen werden,
13. ersucht die Konferenz der Präsidenten, eine Delegation nach Polen zu einer Vor-Ort-Mission entsenden, um ein genaues Bild der Lage zu bekommen und einen Dialog mit allen Beteiligten einzuleiten;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten, der Bewerberländer und der Beitrittsländer sowie dem Europarat zu übermitteln.