GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
14.11.2007
- –Mario Mauro, Laima Liucija Andrikienė, Charles Tannock, Bernd Posselt, Esther De Lange, Bogusław Sonik, Anna Záborská, Rodi Kratsa-Tsagaropoulou und Antonio Tajani im Namen der PPE-DE-Fraktion
- –Pasqualina Napoletano und Glyn Ford im Namen der PSE-Fraktion
- –Marco Cappato, Frédérique Ries und Marios Matsakis im Namen der ALDE-Fraktion
- –Cristiana Muscardini, Adam Bielan, Mario Borghezio, Ryszard Czarnecki, Hanna Foltyn-Kubicka, Konrad Szymański und Mieczysław Edmund Janowski im Namen der UEN-Fraktion
- –Bastiaan Belder im Namen der IND/DEM-Fraktion
- –Vittorio Agnoletto und Giusto Catania
- –PPE-DE (B6‑0449/2007)
- –PSE (B6‑0450/2007)
- –UEN (B6‑0455/2007)
- –IND/DEM (B6‑0459/2007)
- –ALDE (B6‑0467/2007)
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den schwerwiegenden Vorfällen, die die Existenz christlicher und anderer religiöser Gemeinschaften gefährden
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948,
– unter Hinweis auf Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950,
– unter Hinweis auf Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) von 1966,
– unter Hinweis auf die UN-Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung von 1981,
– unter Hinweis auf die Berichte der UN Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit und insbesondere ihre Berichte vom 8. März 2007, vom 20. Juli 2007 und vom 20. August 2007,
– unter Hinweis auf seine Jahresberichte über die Lage der Menschenrechte in der Welt und seine früheren Entschließungen zu den religiösen Minderheiten in der Welt,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 25. Oktober 2007 zu Pakistan sowie zum Iran,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. April 2005 zu dem Jahresbericht zu den Menschenrechten in der Welt 2004 und der Menschenrechtspolitik der EU,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Juli 2005 zu der Europäischen Union und dem Irak – Rahmenkonzept für ein zunehmendes Engagement,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. April 2006 zum Irak: die assyrische Gemeinschaft, die Lage in irakischen Gefängnissen,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Mai 2007 zu den Reformen in der arabischen Welt: Welche Strategie für die EU?,
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. unter Hinweis darauf, dass die Europäische Union in ihren internationalen Beziehungen ihre Werte bekräftigt und propagiert sowie zur gegenseitigen Achtung der Völker und zum Schutz der Menschenrechte beiträgt,
B. unter Hinweis darauf, dass es sich mehrfach für die Rechte religiöser Gemeinschaften und den Schutz ihrer Identität überall auf der Welt ausgesprochen hat, ebenso wie für die uneingeschränkte Anerkennung und den uneingeschränkten Schutz religiöser Minderheiten,
C. tief besorgt in diesem Zusammenhang über die Tatsache, dass sich die Fälle von Intoleranz und Unterdrückung christlicher Gemeinschaften vor allem in den Ländern Afrikas, Asiens und im Nahen Osten häufen,
D. unter Hinweis darauf, dass es sich den Grundsätzen der Gedankenfreiheit, der Gewissensfreiheit und der Religionsfreiheit sowie der freien Ausübung des Glaubens überall auf der Welt verpflichtet fühlt, aber auch dem Grundsatz, dass der Staat und seine Institutionen säkular sein sollten; unter Hinweis darauf, dass es Aufgabe der öffentlichen Behörden ist, überall auf der Welt diese Freiheiten zu garantieren, einschließlich der Freiheit, die Religion zu wechseln,
E. unter Hinweis darauf, dass der Dialog zwischen den Religionen der Förderung des Friedens und der Völkerverständigung dient,
F. unter Hinweis darauf, dass es die Pflicht der führenden Vertreter von Politik und Religion ist, Extremismus auf allen Ebenen zu bekämpfen und die gegenseitige Achtung zu fördern,
G. in der Erwägung, dass gemäß dem internationalen Menschenrechtsgesetz und ganz konkret gemäß Artikel 18 des Internationalen Pakts für Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) „jedermann (…) das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit [hat]. Dieses Recht umfasst die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden“,
H. in der Erwägung, dass die UN-Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit Besorgnis erregende Situationen schildert, in denen die Freiheit, eine Religion oder einen Glauben anzunehmen, zu wechseln oder ihm abzuschwören, eingeschränkt wird, und über zahlreiche Fälle interreligiöser Diskriminierung und Gewalt, Morden und willkürlichen Festnahmen aus Gründen der Religion oder des Glaubens berichtet,
I. in der Erwägung, dass andere Bevölkerungsgruppen, beispielsweise Flüchtlinge, Binnenflüchtlinge, Asylsuchende, Migranten, Personen, die ihrer Freiheit beraubt wurden, ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten und Kinder von Gläubigen, ebenfalls einer wachsenden Anzahl von Verstößen gegen das Recht auf die Religions- bzw. Glaubensfreiheit ausgesetzt sind; verweist in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz der Nichtzurückweisung gemäß Artikel 33 der Genfer Konvention,
J. besorgt über die jüngsten Gewalttätigkeiten im Irak, darunter die Entführung zweier katholischer Priester am 14. Oktober 2007 in Mossul, Pater Pius Afas und Pater Mazen Ishoa, die Ermordung zweier assyrischer christlicher Mitglieder der Organisation „National Union of Bet-Nahrin“ am 28. Juni 2007 in Mossul, Zuhair Youssef Astavo Kermles und Luay Solomon Numan, die Ermordung eines chaldäischen Priesters am 3. Juni 2007 in Mossul, P. Ragheed Ganni, und dreier seiner Diakone,
K. im Bedauern über die Lage der assyrischen Dörfer im türkischen Grenzgebiet, wie beispielsweise des Dorfes Kani Masi,
L. besorgt über die jüngsten Gewalttätigkeiten in Pakistan, unter anderem den Angriff auf eine christliche Kirche am 10. Oktober 2007 in Godwinh in den Außenbezirken von Lahore, die Bombardierung der „Model School Saint John Bosco“ vom 15. September 2007, die große Schäden an der von den Mill Hill Missionaren im Bezirk von Bannu betriebenen Schule angerichtet hat, die Ermordung des protestantischen Bischofs Arif Khan und seiner Frau am 29. August 2007 in Islamabad.
M. die Ermordung von Rami Khader Ayyad am 7. Oktober 2007, des Eigentümers einer christlichen Bibliothek in Gaza anprangernd,
N. in Trauer wegen der Ermordung zweier junger Kopten, Wasfi Sadek Ishaq und Karam Klieb Endarawis, am 3. Oktober 2007 in Awlad Toq Garb in Ägypten,
O. entsetzt über die Angriffe auf den christlichen Verlag Zirve am 18. April 2007 in Malatya (Türkei), bei denen drei Christen, Tilmann Geske, Necati Aydin und Ugur Yuksel, ermordet wurden; unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2007 zu den Beziehungen EU-Türkei und seine einmütige Verurteilung der Ermordung von Hrant Dink und des katholischen Priesters Andrea Santoro,
P. im Bedauern über die Entführung des katholischen Priesters Giancarlo Bossi auf den Philippinen,
Q. unter besonderer Hervorhebung der schwierigen Lage der christlichen Gemeinschaften im Sudan, deren Mitglieder von den Behörden in Khartum nach wie vor unterdrückt werden,
R. in der Erwägung, dass in den letzten Jahren hunderte Familien assyrischer Christen, die in dem Viertel Dora im Süden Bagdads leben, die Stadt wegen Einschüchterungen, Bedrohungen und Gewalt verlassen haben,
S. in der Erwägung, dass der Exodus von Christen aus dem Irak Anlass zu großer Sorge gibt, die noch dadurch vergrößert wird, dass im Jahr 2006 24 % der insgesamt 38 000 Iraker, die vom UNHCR in Syrien registriert waren, christlichen Konfessionen angehörten, sowie in der Erwägung, dass von der Binnenvertreibung innerhalb des Iraks mehr als zwei Millionen Menschen betroffen sind, von denen die große Mehrheit christlichen Minderheiten angehört und die hauptsächlich in die Ebenen von Ninive ziehen,
T. unter Hinweis auf den Ernst der Lage in Bezug auf die Religionsfreiheit in der Volksrepublik China, wo die Behörden nach wie vor jede religiöse Kundgebung, vor allem der katholischen Kirche, unterdrücken, und wo zahlreiche Katholiken und Bischöfe seit vielen Jahren im Gefängnis sitzen und manche dort sogar gestorben sind,
U. unter Hinweis darauf, dass auch in Vietnam die Aktivitäten der katholischen Kirche sowie anderer Religionen stark behindert werden, was anhand der ernsten Lage deutlich wird, in der sich die Gemeinschaften der vietnamesischen „Montagnards“ befinden,
V. unter Hinweis darauf, dass in bestimmten Fällen die künftige Existenz christlicher Gemeinschaften gefährdet ist, und dass ihr Verschwinden zum Verlust eines wichtigen Teils des religiösen Erbes dieser Länder führen würde,
1. verurteilt aufs Schärfste alle gewalttätigen Übergriffe gegen christliche Gemeinschaften, unabhängig davon, wo sie stattfinden, und fordert die betroffenen Regierungen eindringlich auf, diejenigen, die dieser Verbrechen begangen haben, vor Gericht zu stellen;
2. verurteilt schärfstens jegliche Form von Diskriminierung und Intoleranz aus Gründen der Religion und des Glaubens sowie gewalttätige Übergriffe gegen religiöse Gemeinschaften; fordert die betroffenen Länder eindringlich auf, dafür zu sorgen, dass ihre konstitutionellen und legislativen Systeme angemessene und wirksame Garantien für Religions- und Glaubensfreiheit sowie wirksame Rechtsmittel für die Opfer von Verstößen gegen die Religions- bzw. Glaubensfreiheit vorsehen;
3. weist darauf hin, dass das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, das in verschiedenen internationalen Rechtsinstrumenten garantiert ist; erinnert gleichzeitig daran, dass es sich dem grundlegenden Konzept der Interdependenz der Menschenrechte verpflichtet fühlt;
4. unterstützt nachdrücklich alle Initiativen zur Förderung des Dialogs zwischen den Religionen und ihrer gegenseitigen Achtung; appelliert an alle religiösen Autoritäten, sich für Toleranz einzusetzen und gegen den Hass sowie gegen die gewalttätige und extremistische Radikalisierung vorzugehen;
5. fordert die Regierungen der betroffenen Länder auf, die Sicherheitslage der christlichen Gemeinschaften zu verbessern; unterstreicht folglich, dass es Pflicht der staatlichen Behörden ist, alle religiösen Gemeinschaften, auch die christlichen Gemeinschaften, vor Diskriminierung und Unterdrückung zu schützen;
6. fordert die Kommission und den Rat auf, die Lage der christlichen Gemeinschaften im Rahmen des politischen Dialogs mit den Ländern, in denen sie bedroht sind, anzusprechen und sich dabei dafür einzusetzen, dass die betreffenden Länder auf der Grundlage der internationalen Verträge über Menschenrechte eine strategische Verpflichtung eingehen;
7. fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, weiter an der Stärkung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in allen außenpolitischen Instrumenten der EU mitzuwirken;
8. fordert die Kommission und den Rat auf, der Lage der religiösen Gemeinschaften, einschließlich der christlichen Gemeinden, in jenen Ländern, in denen diese bedroht sind, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, wenn sie die Entwicklungszusammenarbeit und die Hilfsprogramme für diese Länder ausarbeiten und umsetzen;
9. fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf, mehr Mittel für die Tätigkeiten des UNHCR und für die humanitäre Hilfe dieser Organisation bereitzustellen;
10. empfiehlt, dass seine zuständigen Ausschüsse die Lage der christlichen Gemeinschaften, vor allem im Nahen Osten, prüfen;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.