Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B6-0462/2007Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B6-0462/2007

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

14.11.2007

eingereicht gemäß Artikel 103 Absatz 4 der Geschäftsordnung von
anstelle der Entschließungsanträge folgender Fraktionen: zu der Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten

Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B6-0462/2007
Eingereichte Texte :
RC-B6-0462/2007
Aussprachen :
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 2, 6, 13 und 29 des Vertrags über die Europäische Union,

–  gestützt auf Artikel 61, 62 und 64 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

–  gestützt auf Artikel 6, 19 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten,

–  unter Hinweis auf das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Freizügigkeit und zur Bekämpfung von Diskriminierungen sowie insbesondere seine Entschließung zur Lage der Roma in der Europäischen Union (RE-B6-0272/2005),

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Freizügigkeit eine unveräußerliche Grundfreiheit ist, die den Bürgern der Union durch die Verträge sowie durch die Charta der Grundrechte zuerkannt wird, und dass sie einen der Pfeiler der Unionsbürgerschaft darstellt,

B.  in der Erwägung, dass aus diesem Grund in der Richtlinie 2004/38/EG über die Freizügigkeit der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen für einen Mitgliedstaat zwar das Recht vorgesehen ist, einen Unionsbürger auszuweisen, für diese Möglichkeit jedoch genaue Grenzen vorgegeben werden, um die Grundfreiheiten zu gewährleisten,

C.  in der Erwägung, dass Sicherheit und Freiheit Grundrechte sind und dass es Ziel der Europäischen Union ist, für ihre Bürger ein hohes Sicherheitsniveau in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sicherzustellen,

D.  in der Erwägung, dass das organisierte Verbrechen und der Menschenhandel Herausforderungen von transnationaler Dimension darstellen und dass die Freizügigkeit im europäischen Raum sich auch auf eine Verstärkung der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in Bezug auf Untersuchungen und Strafverfolgung mit der Unterstützung von Eurojust und Europol gründet,

E.  in der Erwägung, dass die Einhaltung der Gesetze jedes Mitgliedstaats eine wesentliche Bedingung für die Koexistenz und die soziale Integration in der Union ist, dass jeder Mensch die Pflicht hat, das Recht der Europäischen Union und die Gesetze, die in dem Mitgliedstaat, in dem er sich aufhält, gelten, zu beachten, dass die strafrechtliche Verantwortung stets persönlich ist, dass die Unionsbürger nicht nur die ihnen durch den Vertrag eingeräumten Rechte und Freiheiten in Anspruch nehmen können, sondern darüber hinaus auch die mit der Wahrnehmung dieser Rechte verbundenen Formalitäten erfüllen müssen, was besonders das europäische Recht und das Recht des Aufnahmemitgliedstaats betrifft,

F.  in der Erwägung, dass in allen nationalen Rechtsvorschriften die in der Richtlinie definierten Grundsätze und Bestimmungen eingehalten werden müssen,

G.  in der Erwägung, dass die Bekämpfung jeglicher Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie jeglicher Form von Diskriminierung zu den grundlegenden Prinzipien gehört, auf denen die Europäische Union basiert,

H.  in der Erwägung, dass gemäß dem Grundsatz, dass keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfolgen darf, alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich frei und rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, in diesem Mitgliedstaat die gleiche Behandlung wie Inländer genießen müssen,

I.  in der Erwägung, dass die Roma im Hoheitsgebiet der Europäischen Union weiterhin Opfer von Diskriminierung und Missbrauch sind und dass Integration, soziale Eingliederung und Schutz dieser Minderheit Ziele sind, die leider immer noch nicht erreicht wurden,

J.  entsetzt über den brutalen Angriff auf eine Frau in Rom und ihre Ermordung, deren ein rumänischer Staatsangehöriger beschuldigt wird,

K.  in Erwägung der rassistischen Übergriffe, deren Opfer rumänische Bürger nach diesem Zwischenfall waren,

L.  mit der Erwartung, dass in der Öffentlichkeit stehende Personen von Erklärungen absehen, die als Ermutigung zur Stigmatisierung von bestimmten Gruppen der Bevölkerung verstanden werden könnten,

M.  in Erwägung der gemeinsamen Initiative des italienischen und des rumänischen Ministerpräsidenten sowie des gemeinsamen Schreibens, das sie an den Präsidenten der Europäischen Kommission gerichtet haben,

1.  bekräftigt erneut den Wert der Freizügigkeit als Grundprinzip der Europäischen Union, integraler Bestandteil der Unionsbürgerschaft und grundlegendes Element des Binnenmarkts;

2.  bekräftigt das Ziel, die Union und die Gebietskörperschaften zu einem Lebensraum zu machen, in dem für alle Menschen Sicherheit, Freiheit und Recht auf hohem Niveau gewährleistet sind;

3.  weist darauf hin, dass in der Richtlinie 2004/38/EG für die Möglichkeit einer Ausweisung eines Unionsbürgers sehr genaue Grenzen vorgegeben sind und dass darin insbesondere vorgesehen ist:

  • in Artikel 27, dass die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken dürfen und dass diese Gründe nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden dürfen; bei allen Maßnahmen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, und es darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein, auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig,
  • in Artikel 28, dass vor einer Ausweisung eine Untersuchung notwendig ist, um die persönliche Situation des Betroffenen, insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine Integration im Aufnahmemitgliedstaat zu berücksichtigen,
  • in Artikel 30, dass jegliche Ausweisungsentscheidung dem Betroffenen schriftlich in einer Weise mitgeteilt werden muss, dass er deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann, dem Betroffenen die Gründe der Entscheidung genau und umfassend mitzuteilen sind und anzugeben ist, bei welchem Gericht oder bei welcher Verwaltungsbehörde der Betroffene einen Rechtsbehelf einlegen kann, innerhalb welcher Frist der Rechtsbehelf einzulegen ist und gegebenenfalls binnen welcher Frist er das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zu verlassen hat, wobei diese Frist mindestens einen Monat betragen muss,
  • in Artikel 31, dass die Betroffenen gegen eine gegen sie ergangene Ausweisungsentscheidung einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können müssen, dass sie einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen können, um die Vollstreckung dieser Entscheidung auszusetzen, und dass diesem außer in begründeten Ausnahmefällen stattzugeben ist,
  • in Artikel 36, dass die von den Mitgliedstaaten festgelegten Sanktionen wirksam und verhältnismäßig sein müssen,
  • in Erwägungsgrund 16 und Artikel 14, dass eine Ausweisung möglich ist, wenn der betroffene Bürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nimmt, wobei allerdings bekräftigt wird, dass eine eingehende Prüfung im Einzelfall erfolgen muss und dass allein aus diesem Grund keine automatische Ausweisung erfolgen darf;

4.  bekräftigt erneut, dass sämtliche nationalen Rechtsvorschriften diesen Beschränkungen und Garantien strikt Rechnung tragen müssen, was auch für die Möglichkeit der Klageerhebung gegen die Ausweisung und die Wahrnehmung der Rechte auf Verteidigung gelten muss, und dass jegliche in der Richtlinie festgelegte Ausnahme restriktiv interpretiert werden muss; weist darauf hin, dass kollektive Ausweisungen gemäß der Charta der Grundrechte und der Europäischen Menschenrechtskonvention verboten sind;

5.  begrüßt den Besuch des rumänischen Ministerpräsidenten in Italien und die gemeinsame Erklärung von Romano Prodi und Cặlin Tặriceanu; unterstützt den Appell der beiden Ministerpräsidenten bezüglich eines Engagements der Europäischen Union für die soziale Integration der am wenigsten begünstigten Bevölkerungen und in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur Steuerung der Migrationsbewegungen ihrer Bevölkerung, auch mittels Entwicklungsprogrammen und Sozialhilfe im Rahmen der Strukturfonds;

6.  ersucht die Kommission, unverzüglich eine umfassende Bewertung der Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG durch die Mitgliedstaaten sowie der Vorschläge gemäß deren Artikel 39 vorzulegen;

7.  beauftragt unbeschadet der Zuständigkeiten der Kommission seinen zuständigen Ausschuss, bis 1. Juni 2008 in Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten eine Bewertung der Probleme bei der Umsetzung dieser Richtlinie vorzunehmen, um die bewährtesten Praktiken hervorzuheben und die Maßnahmen offen zu legen, die zu Diskriminierungen zwischen europäischen Bürgern führen könnten;

8.  appelliert an die Mitgliedstaaten, jegliche Verzögerung zu vermeiden und die Verstärkung der Instrumente der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit im Strafrecht auf Ebene der Europäischen Union zu beschleunigen, um eine wirksame Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Menschenhandels, bei denen es sich um Phänomene von transnationaler Dimension handelt, zu gewährleisten und gleichzeitig einen einheitlichen Rahmen von Verfahrensgarantien sicherzustellen;

9.  weist den Grundsatz der kollektiven Verantwortung zurück und bekräftigt erneut entschieden die Notwendigkeit, jegliche Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie jegliche Form von Diskriminierung und Stigmatisierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und der ethnischen Herkunft zu bekämpfen, wie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt;

10.  weist die Kommission darauf hin, dass dringend ein Entwurf einer horizontalen Richtlinie gegen alle Diskriminierungen gemäß Artikel 13 EGV, wie im Gesetzgebungsprogramm 2008 vorgesehen, vorgelegt werden muss;

11.  vertritt die Auffassung, dass der Schutz der Rechte der Roma und ihre Integration eine Herausforderung für die gesamte Europäische Union darstellen, und ersucht die Kommission, unverzüglich tätig zu werden und eine globale Strategie für die soziale Eingliederung der Roma zu entwickeln, wozu insbesondere der Fonds für die Integration sowie die Strukturfonds genutzt werden sollten, um die nationalen, regionalen und lokalen Behörden bei ihren Anstrengungen, die soziale Eingliederung der Roma sicherzustellen, zu unterstützen;

12.  schlägt vor, ein Netz von Organisationen zu gründen, die sich mit der gesellschaftlichen Eingliederung der Gemeinschaft der Roma befassen, und Instrumente zu fördern, die dazu dienen, das Bewusstsein in Bezug auf Rechte und Pflichten der Gemeinschaft der Roma zu verstärken, und auch den Austausch bewährter Praktiken beinhalten; erachtet diesbezüglich eine intensive und strukturierte Zusammenarbeit mit dem Europarat als sehr wichtig;

13.  ist der Ansicht, dass die jüngsten Erklärungen von Franco Frattini, Vizepräsident der Europäischen Kommission, gegenüber der italienischen Presse anlässlich der gravierenden Zwischenfälle in Rom Geist und Buchstaben der Richtlinie 2004/38/EG entgegenstehen, die er uneingeschränkt einhalten sollte;

14.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.