GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
12.3.2008
- –Pasqualina Napoletano und Michael Cashman im Namen der SPE-Fraktion
- –Marco Cappato, Marco Pannella, Sophia in 't Veld, Marios Matsakis und Jeanine Hennis-Plasschaert im Namen der ALDE-Fraktion
- –Jean Lambert und Raül Romeva i Rueda im Namen der Verts/ALE-Fraktion
- –Vittorio Agnoletto und Giusto Catania im Namen der GUE/NGL-Fraktion
- –Verts/ALE (B6‑0111/2008)
- –SPE (B6‑0117/2008)
- –GUE/NGL (B6‑0122/2008)
- –ALDE (B6‑0126/2008)
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Fall von Mehdi Kazemi
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und insbesondere deren Artikel 3, demzufolge niemand in Länder abgeschoben, ausgewiesen oder ausgeliefert werden darf, in denen eine ernsthafte Gefahr besteht, dass er der Todesstrafe, Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen würde,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte und insbesondere deren Artikel 18 und 19 betreffend das Recht auf Asyl und den Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung,
– unter Hinweis auf die Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 und das Protokoll vom 31. Januar 1967 betreffend den Status von Flüchtlingen,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Anerkennungsrichtlinie) und die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Verordnung von Dublin), sowie andere Rechtsakte der EU zum Asylrecht,
– unter Hinweis auf das Schreiben des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 10.9.2007 an den Premierminister des Vereinigten Königreichs zum Fall von Pegah Emambakhsh, einer lesbischen Frau aus Iran, die Gefahr lief, nach Ablehnung ihres Asylantrags in den Iran zurückgeschickt zu werden,
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. unter Hinweis darauf, dass Mehdi Kazemi, ein 19 jähriger homosexueller Staatsbürger Irans, Asyl im Vereinigten Königreich beantragt hat und sein Antrag abschlägig beschieden wurde; unter Hinweis darauf, dass er aus Furcht vor seiner Abschiebung in die Niederlande floh, wo er Asyl beantragte; unter Hinweis darauf, dass die niederländischen Behörden nach Prüfung seines Antrags beschlossen haben, ihn in das Vereinigte Königreich zurückzuschicken,
B. unter Hinweis darauf, dass die Regierungsstellen des Vereinigten Königreichs jetzt für den endgültigen Beschluss über seinen Asylantrag und seine mögliche Abschiebung nach Iran zuständig sind,
C. unter Hinweis darauf, dass die iranischen Regierungsstellen routinemäßig Personen inhaftieren, foltern und hinrichten, vor allem Homosexuelle; unter Hinweis darauf, dass der Partner von Mehdi bereits hingerichtet worden ist und sein Vater Todesdrohungen gegen ihn erhoben hat,
D. unter Hinweis darauf, dass die Regierungsstellen des Vereinigten Königreichs im vergleichbaren Fall von Pegah Emambakhsh auf internationalen Druck hin beschlossen haben, sie nicht nach Iran abzuschieben, dass ihr weiteres Schicksal jedoch noch immer unklar ist,
E. unter Hinweis darauf, dass der Sprecher des Premierministers zwar nicht auf den Fall von Mehdi Kazemi einging, jedoch allgemeine Zusicherungen dahin gehend abgab, dass die Asylverfahren des Vereinigten Königreichs im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen ablaufen und die Möglichkeit besteht, gegen Asylbeschlüsse vor einem unabhängigen Richter Berufung einzulegen, und die Behörden niemanden ausweisen würden, dem bei seiner Rückkehr Gefahr droht,
F. unter Hinweis darauf, dass der ordnungsgemäßen Anwendung der Asylrechtsbestimmungen der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die sexuelle Ausrichtung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte,
1. bekundet seine ernsthafte Sorge über das Schicksal von Mehdi Kazemi;
2. fordert die angemessene und uneingeschränkte Anwendung der Anerkennungsrichtlinie, in der die Verfolgung aufgrund der sexuellen Ausrichtung als Grund für die Gewährung von Asyl anerkannt und verfügt wird, dass die Mitgliedstaaten den Einzelfall und die Lage im Herkunftsland – einschließlich der Gesetze und Vorschriften und der Art und Weise ihrer Handhabung – zu prüfen haben;
3. glaubt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten nicht europäisches Recht sowie nationale Gesetze und Verfahren in einer Weise anwenden können, die zur Ausweisung von Personen in ein Drittland führt, in dem ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen würde, da dies auf einen Verstoß gegen europäische und internationale Verpflichtungen auf dem Gebiet der Menschenrechte hinauslaufen würde;
4. richtet an die beteiligten Mitgliedstaaten den Aufruf, eine gemeinsame Lösung zu finden, um sicherzustellen, dass Mehdi Kazemi Asyl oder Schutz auf dem Gebiet der Europäischen Union gewährt und er nicht nach Iran zurückgeschickt wird, wo er hingerichtet würde, und so sicherzustellen, dass Artikel 3 der EMRK von allen europäischen Regierungsstellen und im vorliegenden Falle insbesondere vom Vereinigten Königreich uneingeschränkt beachtet wird; fordert die Kommission und den Rat auf, in diesem Fall umfassend mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten;
5. fordert die Institutionen der Europäischen Union und die Mitgliedstaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, um im Wege der Zusammenarbeit und mit Hilfe von Leitlinien der Europäischen Union für Lösungen in vergleichbaren Fällen zu vermeiden, dass in Zukunft ähnliche Situationen auftreten; fordert die Kommission auf, die Anwendung der Asylrechtsbestimmungen der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten – unter besonderer Berücksichtigung der sexuellen Ausrichtung – zu überwachen und zu bewerten und dem Europäischen Parlament Bericht zu erstatten; unterstreicht, dass die Kommission für 2008 Änderungen an der Verordnung von Dublin und der Anerkennungsrichtlinie angekündigt hat, mit denen die in der vorliegenden Entschließung aufgeworfenen Fragen angegangen werden sollen;
6. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Mitgliedstaaten, dem Hochkommissariat der Vereinten Nationen für das Flüchtlingswesen und Mehdi Kazemi zu übermitteln.