GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
3.9.2008
- –Pasqualina Napoletano, Véronique De Keyser und Proinsias De Rossa im Namen der PSE-Fraktion
- –Annemie Neyts-Uyttebroeck, Elizabeth Lynne, Jelko Kacin, Olle Schmidt, Chris Davies und Marian Harkin im Namen der ALDE-Fraktion
- –David Hammerstein, Hélène Flautre, Daniel Cohn-Bendit und Caroline Lucas im Namen der Verts/ALE-Fraktion
- –Kyriacos Triantaphyllides, Luisa Morgantini und Bairbre de Brún im Namen der GUE/NGL-Fraktion
- –Brian Crowley
- –GUE/NGL (B6‑0343/2008)
- –ALDE (B6‑0380/2008)
- –PSE (B6‑0381/2008)
- –Verts/ALE (B6‑0382/2008)
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten,
– in Kenntnis der Erklärung zur Lage der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen, die Kommissionsmitglied Ferrero-Waldner am 9. Juli 2008 abgegeben hat,
– unter Hinweis auf das Assoziationsabkommen zwischen der EU und Israel und die Ergebnisse des achten Treffens des Assoziationsrates EU-Israel vom 16. Juni 2008,
– unter Hinweis auf den Bericht seiner Ad-Hoc-Delegation über ihre Reise nach Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete vom 30. Mai bis 2. Juni 2008 und die darin enthaltenen Schlussfolgerungen,
– unter Hinweis auf die Genfer Konventionen, insbesondere die Vierte Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949, vor allem ihre Artikel 1 bis 12, 27, 29 bis 34, 47, 49, 51, 52, 53, 59, 61 bis 77 und 143,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt der Vereinten Nationen von 1966 über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf den Jahresbericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz 2007, insbesondere den Teil über die besetzten palästinensischen Gebiete,
– unter Hinweis auf die vom Öffentlichen Komitee gegen Folter in Israel in den Jahren 2006, 2007 und 2008 mit Hilfe von finanziellen Beiträgen der Europäischen Kommission und mehrerer Mitgliedstaaten veröffentlichten Berichte,
– unter Hinweis auf die einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen zum Nahost-Konflikt,
– gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Israel in den letzten Jahren unter vielen mörderischen Terroranschlägen gegen seine Zivilbevölkerung zu leiden hatte, und in der Erwägung, dass die israelischen Behörden eine Reihe von Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Terroranschläge getroffen und u.a. terrorverdächtige palästinensische Kämpfer verhaftet haben, dass jedoch die Bekämpfung des Terrorismus keine Rechtfertigung für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht ist,
B. in der Erwägung, dass sich derzeit über 11.000 Palästinenser, darunter Hunderte Frauen und Kinder, in israelischen Gefängnissen und Hafteinrichtungen befinden, und in der Erwägung, dass die meisten dieser Gefangenen in den besetzten palästinensischen Gebieten verhaftet wurden,
C. in der Erwägung, dass jeder Mensch unter 18 Jahren nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, das Israel unterzeichnet hat, ein Kind ist; in der Erwägung, dass palästinensische Kinder ab dem 16. Lebensjahr nach den israelischen Militärvorschriften, die in den besetzten palästinensischen Gebieten gelten, jedoch als Erwachsene betrachtet werden und oft unter unangemessenen Haftbedingungen festgehalten werden,
D. in der Erwägung, dass die israelische Regierung am 25. August 2008 als Zeichen ihres guten Willens und zur Schaffung gegenseitigen Vertrauens 198 Palästinenser freigelassen hat und dass beide Seiten weiter verhandeln, um zu einer umfassenderen Vereinbarung über die Freilassung von weiteren Gefangenen zu gelangen,
E. in der Erwägung, dass von der israelischen und der libanesischen Regierung kürzlich positive Schritte unternommen wurden, um Gefangene gegen die sterblichen Überreste israelischer Soldaten auszutauschen,
F. in der Erwägung, dass in Israel etwa 1.000 Gefangene auf der Grundlage von „Verwaltungshaftanordnungen“ mit der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, aber ohne Anklage, Gerichtsverhandlung und Verteidigungsrechte festgehalten werden; in der Erwägung, dass derartige „Verwaltungshaftanordnungen“ jahrelang verlängert werden können und dies in einigen Fällen auch geschieht,
G. in der Erwägung, dass aus Menschenrechtsberichten hervorgeht, dass palästinensische Gefangene misshandelt und gefoltert werden,
H. in der Erwägung, dass es für die große Mehrheit der in innerhalb Israels gelegenen Gefängnissen festgehaltenen palästinensischen Gefangenen häufig unmöglich oder sehr schwierig ist, von ihrem Recht auf Besuche von Familienangehörigen Gebrauch zu machen, obwohl das Internationale Komitee vom Roten Kreuz entsprechende Appelle an Israel gerichtet hat,
I. in der Erwägung, dass das Problem der politischen Gefangenen wichtige politische, gesellschaftliche und humanitäre Auswirkungen hat, dass die Verhaftung von 48 gewählten Mitgliedern des Palästinensischen Legislativrates und von anderen gewählten Kommunalpolitikern schwerwiegende Auswirkungen auf die politischen Entwicklungen in den besetzten palästinensischen Gebieten hat und dass das im Mai 2006 von inhaftierten palästinensischen Spitzenpolitikern diverser Gruppierungen angenommene „Prisoners' Document“ als Grundlage für die nationale Aussöhnung diente und der Einsetzung einer Regierung der nationalen Einheit den Weg ebnete,
J. in der Erwägung, dass sich die Beziehungen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und Israel gemäß Artikel 2 des Assoziationsabkommens EU–Israel auf die Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie stützen, was ein wesentliches Element dieses Abkommens darstellt; in der Erwägung, dass in dem Aktionsplan EU/Israel ausdrücklich die Achtung der Menschenrechte und die Beachtung des humanitären Völkerrechts als gemeinsame Werte beider Parteien hervorgehoben werden,
1. begrüßt die von der israelischen Regierung kürzlich getroffene Entscheidung, einige palästinensische Gefangene freizulassen, als positives Zeichen für die Stärkung der Palästinensischen Behörde und die Wiederherstellung eines Klimas des gegenseitigen Vertrauens;
2. fordert, dass zwischen der Hamas und Israel Schritte unternommen werden, damit der israelische Unteroffizier Gilad Shalit umgehend freigelassen wird;
3. betont, dass das Problem der palästinensischen Gefangenen erhebliche Auswirkungen auf die palästinensische Gesellschaft und den israelisch-palästinensischen Konflikt hat, und vertritt die Auffassung, dass in diesem Zusammenhang die Freilassung palästinensischer Gefangener in großem Umfang sowie die sofortige Freilassung der inhaftierten Mitglieder des Palästinensischen Legislativrates, unter ihnen auch Marwan Barghouti, ein positiver Schritt zur Schaffung eines Klimas des gegenseitigen Vertrauens sein könnte, welches erforderlich ist, um wesentliche Fortschritte in den Friedensverhandlungen zu erzielen;
4. unterstützt das berechtigte Sicherheitsanliegen Israels; ist davon überzeugt, dass die Rechtsstaatlichkeit bei der Behandlung von Gefangenen uneingeschränkt beachtet werden muss, weil dies ein entscheidender Schritt für ein demokratisches Land ist;
5. fordert Israel auf, sicherzustellen, dass die Mindeststandards in Bezug auf die Haftbedingungen eingehalten werden, alle Gefangenen vor Gericht zu stellen, dem Gebrauch der „Verwaltungshaft“ ein Ende zu setzen und unter uneingeschränkter Beachtung der internationalen Normen, einschließlich des Übereinkommens über die Rechte des Kindes und des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, geeignete Maßnahmen für inhaftierte Minderjährige und Gefangenenbesuche durchzusetzen;
6. bringt seine Besorgnis über die Lage weiblicher und besonders gefährdeter palästinensischer Gefangener zum Ausdruck, die Berichten zufolge misshandelt werden und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben;
7. fordert die Palästinensische Behörde auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um Gewalt- oder Terrorakte zu verhindern, insbesondere von ehemaligen Gefangenen, vor allem von Kindern;
8. ist davon überzeugt, dass die Aufwertung der Beziehungen zwischen der EU und Israel im Zusammenhang damit betrachtet werden sollte, dass Israel allen Verpflichtungen im Rahmen des Völkerrechts nachkommt;
9. begrüßt die Entscheidung des Assoziationsrates EU-Israel auf seinem achten Treffen, anstelle der derzeitigen Arbeitsgruppe für Menschenrechte einen eigenständigen Unterausschuss für Menschenrechte einzurichten; fordert eine umfassende Konsultation und vollständige Einbeziehung der Menschenrechtsorganisationen und der NRO in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten in die Überwachung der Fortschritte Israels bei der Einhaltung seiner Verpflichtungen im Rahmen des Völkerrechts;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der israelischen Regierung, der Knesset, dem Präsidenten der Palästinensischen Behörde, dem Palästinensischen Legislativrat, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Sonderbeauftragten des Nahost-Quartetts, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zu übermitteln.