GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens EU-Russland (31. Mai - 1. Juni 2010)
15.6.2010
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
S&D (B7‑0296/2010)
GUE/NGL (B7‑0297/2010)
ECR (B7‑0298/2010)
PPE (B7‑0299/2010)
ALDE (B7‑0300/2010)
Elmar Brok, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Ioannis Kasoulides, Ria Oomen-Ruijten, Filip Kaczmarek, Bogusław Sonik, Cristian Dan Preda, Andrzej Grzyb, Joachim Zeller, Krzysztof Lisek, Alojz Peterle, Sławomir Witold Nitras im Namen der PPE-Fraktion
Adrian Severin, Hannes Swoboda, Knut Fleckenstein, Kristian Vigenin im Namen der S&D-Fraktion
Kristiina Ojuland, Alexander Graf Lambsdorff im Namen der ALDE-Fraktion
Michał Tomasz Kamiński, Charles Tannock, Tomasz Piotr Poręba, Ryszard Czarnecki, Adam Bielan, Jacek Olgierd Kurski, Konrad Szymański, Paweł Robert Kowal, Marek Henryk Migalski, Roberts Zīle, Mirosław Piotrowski im Namen der ECR-Fraktion
Helmut Scholz im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens EU-Russland (31. Mai – 1. Juni 2010)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das derzeit geltende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits[1] sowie auf die 2008 eingeleiteten Verhandlungen über ein neues Abkommen zwischen der EU und Russland,
– unter Hinweis auf das in der Gemeinsamen Erklärung im Anschluss an das 11. Gipfeltreffen von St. Petersburg vom 31. Mai 2003 formulierte Ziel der EU und Russlands, einen Gemeinsamen Wirtschaftsraum, einen Gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, einen Gemeinsamen Raum der äußeren Sicherheit und einen Gemeinsamen Forschungs-, Bildungs- und Kulturraum (die „vier gemeinsamen Räume“) aufzubauen,
– unter Hinweis auf seine früheren Berichte und Entschließungen zu Russland und zu den Beziehungen EU-Russland, insbesondere auf seine Entschließungen vom 12. November 2009 zu den Vorbereitungen auf das Gipfeltreffen EU-Russland am 18. November 2009[2], vom 17. September 2009 zur Ermordung von Menschenrechtsaktivisten in Russland[3] und vom 17. September 2009 zu externen Aspekten der Energieversorgungssicherheit[4],
– unter Hinweis auf die Menschenrechtskonsultationen zwischen der EU und Russland,
– unter Hinweis auf die auf dem Gipfeltreffen EU-Russland in Rostow am Don am 31. Mai und 1. Juni 2010 unterzeichneten Abkommen und abgegebenen gemeinsamen Erklärungen,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die EU sich weiterhin um eine Vertiefung und Fortentwicklung ihrer Beziehungen zu Russland bemüht, was sich in ihrer Verpflichtung zeigt, sich nachdrücklich um die Aushandlung eines neuen Rahmenabkommens für die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Russland zu bemühen,
B. in der Erwägung, dass die EU und Russland, das Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist, gemeinsam Verantwortung für die Erhaltung der weltweiten Stabilität tragen, sowie in der Erwägung, dass eine engere Zusammenarbeit und gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen der EU und Russland für die Stabilität, die Sicherheit und den Wohlstand Europas von besonderer Bedeutung sind,
C. in der Erwägung, dass der Abschluss eines Abkommens über strategische Partnerschaft zwischen der EU und der Russischen Föderation weiterhin allergrößte Bedeutung für eine Fortentwicklung und Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten hat,
D. in der Erwägung, dass es wichtig ist, dass die EU mit einer Stimme spricht, sich solidarisch zeigt und Einigkeit in ihren Beziehungen zur Russischen Föderation an den Tag legt und sich diese Beziehungen auf gegenseitige Interessen und gemeinsame Werte stützen,
E. in der Erwägung, dass die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und Russland ihre stetig wachsende gegenseitige Abhängigkeit beweisen, die gemeinsame Anstrengungen und ein gemeinsames Engagement erforderlich macht, um ein dauerhaftes Wachstum sicherzustellen,
F. in der Erwägung, dass sich Russland als Mitglied des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verpflichtet hat, die Menschenrechte, die Grundfreiheiten und die Rechtstaatlichkeit zu schützen und zu fördern sowie die Souveränität seiner europäischen Nachbarn zu achten, und in der Erwägung, dass die Beziehungen EU-Russland in den vergangenen Jahren von einer Reihe erheblicher Herausforderungen gekennzeichnet sind, insbesondere in Bezug auf die Besorgnis über Demokratie und Menschenrechte in Russland,
G. unter Hinweis darauf, dass der Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO) wesentlich zur weiteren Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Russland beitragen würde, sofern Russland verbindlich zusagt, die WTO-Auflagen und ‑Verpflichtungen in vollem Umfang einzuhalten und umzusetzen, und dem Abschluss eines weit reichenden, umfassenden Abkommens über die wirtschaftliche Integration auf der Grundlage echter Gegenseitigkeit zwischen den beiden Partnern den Weg ebnen würde, und in der Erwägung, dass Russland am 1. Januar 2010 eine Zollunion mit Kasachstan und Belarus eingerichtet hat,
H. in der Erwägung, dass die Unterzeichnung des neuen Vertrags über die Verminderung strategischer Waffen (START) zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten vom 8. April 2010 und die Annäherung in Bezug auf die Nichtverbreitung von Atomwaffen und das Iran-Problem, den Nahost-Friedensprozess sowie Afghanistan und Pakistan einen Beweis für das verbesserte Klima des Dialogs mit Russland bei bestimmten Aspekten der Außen- und Sicherheitsbeziehungen darstellt,
I. in der Erwägung, dass es klare und objektive Kriterien für die Einführung einer Regelung zur Visafreiheit gibt, und in der Erwägung, dass europäische und russische Bürger ein legitimes Interesse daran haben, dass ihnen das Recht auf freien Personenverkehr sowohl in ihren Ländern als auch über die Grenzen hinweg gewährt wird,
1. bekräftigt seine Überzeugung, dass Russland weiterhin einer der wichtigsten Partner der EU beim Aufbau einer nachhaltigen Zusammenarbeit ist, sowie die Verpflichtung, bei der Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen im Rahmen eines ausgewogenen und ergebnisorientierten Ansatzes auf der Grundlage von Demokratie und Rechtstaatlichkeit zusammenzuarbeiten, da Russland nicht nur Wirtschafts- und Handelsinteressen mit der Europäischen Union verbinden, sondern auch das Ziel, auf der internationalen Bühne und in bzw. mit den Ländern in der gemeinsamen Nachbarschaft auf der Grundlage des Völkerrechts eng zusammenzuarbeiten;
2. fordert die EU und Russland auf, die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu intensivieren, und bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für ein umfassendes, weit gefasstes, rechtsverbindliches Abkommen, das über eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit hinausgehen und als wesentliche Bestandteile auch die Bereiche Demokratie, Rechtstaatlichkeit sowie Achtung der Menschenrechte und der Grundrechte umfassen muss; nimmt das Abkommen über die Partnerschaft für Modernisierung zur Kenntnis und unterstützt eine Diversifizierung der russischen Wirtschaft und der Handelsbeziehungen zwischen der EU und Russland; fordert die Kommission und die russische Regierung auf, die Partnerschaft für Modernisierung detaillierter auszugestalten; betont, dass unverzüglich ein konkretes Arbeitsprogramm ausgearbeitet werden muss, das sich an den bisherigen Ergebnissen im Rahmen der vier gemeinsamen Räume zwischen der Europäischen Union und Russland orientiert; betont, dass es wichtig ist, für ein effizientes Arbeiten der Justiz zu sorgen und die Korruptionsbekämpfung zu intensivieren;
3. begrüßt die Unterzeichnung des Protokolls über den Schutz von Verschlusssachen und die Gemeinsame Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, und des russischen Außenministers, Sergei Lawrow, zu Gaza;
4. stellt mit Befriedigung fest, dass der erste Gipfel EU-Russland seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in einer konstruktiven Atmosphäre stattfand und zum Teil Fortschritte zu verzeichnen waren;
5. bekräftigt seine Unterstützung für den Beitritt Russlands zur WTO, damit es Russland leichter gemacht wird, mehr Auslandsinvestitionen anzuziehen und seine Wirtschaft zu diversifizieren; ist der Ansicht, dass die Einrichtung einer Zollunion zwischen Russland, Belarus und Kasachstan zusätzliche Hindernisse für den Beitritt der Russischen Föderation zur WTO schaffen könnte; betont, dass der Verzicht auf jegliche protektionistische Maßnahme eine Voraussetzung für einen WTO-Beitritt ist;
6. begrüßt die vor kurzem erfolgte Ratifizierung des Protokolls Nr. 14 des Europäischen Übereinkommens über Menschenrechte und die Gesetzesänderungen zur Ausweitung von Gerichtsprozessen mit Geschworenen auf das ganze Land, schlägt jedoch vor, dass diese Prozessordnung auch bei Prozessen aufgrund terroristischer Betätigung zur Anwendung kommen sollte; begrüßt ferner die Bestätigung des Moratoriums für die Todesstrafe als weitere positive Entwicklung und hofft, dass dies der erste Schritt zu einer verbesserten Achtung der Menschenrechte ist, nachdem Russland erklärt hat, diese Verbesserung anzustreben; fordert die russischen Staatsorgane auf, allen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entsprechen;
7. begrüßt das Abkommen über den Schutz von Verschlusssachen, das die Zusammenarbeit beim Krisenmanagement erleichtern wird, fordert jedoch, dass das Parlament umfassend über den Inhalt und den Geltungsbereich dieses Abkommens informiert wird, und fordert eine rasche Bewertung der Frage, inwieweit seine Umsetzung auf Gegenseitigkeit beruht; fordert den Rat auf, zu diesem Zweck den mit der Interinstitutionellen Vereinbarung von 2002 eingerichteten GSVP-Sonderausschuss zu nutzen;
8. fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, um die Probleme beim Grenzübertritt zwischen der EU und Russland zu lösen, konkrete Vorhaben zu unterstützen und das Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument und die Interreg-Mittel vollständig für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verwenden und das bestehende Abkommen über die Überfluggenehmigungen für Sibirien vollständig umzusetzen;
9. begrüßt die Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der EU und Russland über die Einrichtung eines Frühwarnsystems im Bereich Energieversorgungssicherheit, die die Bekanntmachung, Konsultation und Umsetzung umfasst, und fordert den Rat und die Kommission auf, mit dem russischen Staat und Energieunternehmen zusammenzuarbeiten, damit die in den letzten Jahren aufgetretenen Lieferunterbrechungen sich nicht wiederholen;
10. bekräftigt, dass die Zusammenarbeit der EU und Russlands im Energiebereich auf den Grundsätzen der Energiecharta und des Transitprotokolls beruhen muss, die in das neue Rahmenabkommen zwischen der EU und Russland aufgenommen werden müssen, damit transparente und faire Bedingungen für gegenseitige Investitionen, ein gleichberechtigter Zugang und ein Regeln unterworfener Markt gewährleistet werden können;
11. nimmt mit Interesse die Diskussionen über den Klimawandel und die möglichen Formen konkreter Zusammenarbeit bei Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen für Energieeffizienz und für den Ausbau nachhaltiger Energieträger zur Kenntnis; betont, dass in der Frage der Fortführung des internationalen Verhandlungsprozesses zum Thema Klimawandel in Vorbereitung der Konferenz von Cancún (Dezember 2010) ein Konsens gefunden werden muss;
12. betont die Bedeutung der Beobachtermission der Europäischen Union in Georgien (EUMM), die gezeigt hat, dass die EU bereit und in der Lage ist, entschlossen zu handeln, um Frieden und Stabilität zu fördern, und die dazu beigetragen hat, die Voraussetzungen für die Umsetzung der Abkommen vom 12. August bzw. 8. September 2008 zu schaffen; bekräftigt, dass es an der territorialen Integrität Georgiens in den international anerkannten Grenzen festhält, und fordert alle Parteien auf, ihre Zusagen uneingeschränkt einzuhalten; weist darauf hin, dass die EUMM über ein landesweites Mandat verfügt, und fordert den sofortigen ungehinderten Zugang der EUMM zu Abchasien und Südossetien, der bisher verweigert wurde; bekräftigt erneut, dass es uneingeschränkt für die Genfer Gespräche und die Fortführung des gemeinsamen Vorsitzes von Europäischer Union, Vereinten Nationen und OSZE in diesem Gremium eintritt; bedauert die von der Grenzsicherungsabteilung des FSB angekündigte Entscheidung, eine moderne Grenzinfrastruktur mit Grenzsperren zwischen Südossetien und Georgien zu errichten;
13. betont, dass Russland in die EU-Strategie für den Ostseeraum einbezogen und dass bald gemeinsam mit Russland auf die Verbesserung des Schutzes der Meeresumwelt und ein hohes Maß an Umweltschutz in der empfindlichen Ostsee hingearbeitet werden muss;
14. begrüßt die Unterzeichnung des neuen Vertrags über die Verminderung strategischer Waffen (START) zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten vom 8. April 2010; stellt mit Befriedigung fest, dass im laufenden Dialog zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten über Sicherheitsprobleme einschließlich des Raketenabwehrschirms Fortschritte erzielt wurden;
15. fordert erneut eine Intensivierung des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Russland und verlangt, dass dieser Prozess für einen effektiven Beitrag des Europäischen Parlaments und der russischen Staatsduma unter Beteilung der zuständigen Generaldirektionen und Ministerien für Justiz und Inneres sowie auswärtige Angelegenheiten sowohl in Brüssel als auch in Moskau geöffnet wird; fordert, dass die Zivilgesellschaft, nichtstaatliche Organisationen und Menschenrechtsorganisationen stärker an den zweijährlichen Gipfeltreffen EU-Russland beteiligt werden;
16. bekräftigt das Eintreten für das langfristige Ziel des visafreien Reiseverkehrs zwischen der EU und Russland, das im Rahmen eines auf den Inhalt und die praktischen Fortschritte ausgerichteten Ansatzes Schritt für Schritt umgesetzt werden soll; betont, dass dieser Dialog mit den Visumerleichterungen für die Länder der Östlichen Partnerschaft im Einklang stehen sollte;
17. fordert den Rat und die Kommission auf, gemeinsame Initiativen mit der russischen Regierung zu verfolgen, um die Sicherheit und Stabilität in der Welt und insbesondere in der gemeinsamen Nachbarschaft zu stärken und im Rahmen des Völkerrechts eine friedliche Lösung der Konflikte in der Republik Moldau und im Südkaukasus herbeizuführen;
18. nimmt den von Russland am 29. November 2009 vorgelegten Entwurf eines Europäischen Sicherheitsvertrags zur Kenntnis, macht jedoch darauf aufmerksam, dass dieser neue Vorschlag die derzeitigen Sicherheitsverpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen darf, und fordert den Europäischen Rat auf, eine gemeinsame Position zu diesem Vorschlag zu entwickeln;
19. stellt mit Befriedigung fest, dass vor dem G20-Gipfeltreffen in Toronto zwischen der EU und Russland Konsens über die Reform des Finanzsystems hergestellt worden ist, und erwartet, dass auf dem Gipfeltreffen Mittel und Wege zur Verringerung systemischer Risiken erörtert und eine Einigung über den Grundsatz hergestellt wird, dass die Finanzinstitutionen die Kosten künftiger Finanzkrisen mittragen sollten;
20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation zu übermitteln.
- [1] ABl. L 327 vom 28.11.1997, S. 1.
- [2] Angenommene Texte, P7_TA(2009)0064.
- [3] Angenommene Texte, P7_TA(2009)0022.
- [4] Angenommene Texte, P7_TA(2009)0021.