Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B7-0304/2012Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B7-0304/2012

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Ausmerzung der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen

12.6.2012 - (2012/2684(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 110 Absätze 2 und 4 der Geschäftsordnung
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
ECR (B7‑0304/2012)
S&D, Verts/ALE, GUE/NGL, ALDE (B7‑0307/2012)
PPE (B7‑0310/2012)

Mariya Nedelcheva, Roberta Angelilli, Cristiana Muscardini, Joanna Katarzyna Skrzydlewska im Namen der PPE-Fraktion
Ana Gomes, Véronique De Keyser, Sylvie Guillaume, Britta Thomsen, Claude Moraes, Emine Bozkurt, Minodora Cliveti, Zita Gurmai im Namen der S&D-Fraktion
Renate Weber, Cecilia Wikström, Sophia in ‘t Veld, Antonyia Parvanova, Edward McMillan-Scott, Sarah Ludford, Gesine Meissner, Frédérique Ries, Izaskun Bilbao Barandica im Namen der ALDE-Fraktion
Rebecca Harms, Isabelle Durant, Marije Cornelissen, Raül Romeva i Rueda, Franziska Katharina Brantner, Nicole Kiil-Nielsen, Ana Miranda, Ulrike Lunacek, Jean Lambert, Malika Benarab-Attou, Barbara Lochbihler, Catherine Grèze im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Marina Yannakoudakis, Andrea Češková im Namen der ECR-Fraktion
Mikael Gustafsson, Inês Cristina Zuber, Kartika Tamara Liotard, Patrick Le Hyaric, Willy Meyer, Marisa Matias, Alda Sousa im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Verfahren : 2012/2684(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B7-0304/2012

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Ausmerzung der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen

(2012/2684(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die im Rahmen des VN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen (CEDAW) und des diesbezüglichen Fakultativprotokolls ausgearbeiteten Berichte sowie das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. März 2009 zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung bei Frauen in der Europäischen Union[1],

–   unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 5. Dezember 2011 zum Thema „Ending female genital mutilation“ (Ausmerzung der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen),

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) (EPSCO) vom 8. März 2010 zur Ausmerzung der Gewalt gegen Frauen in der Europäischen Union und dessen Appell für einen internationalen Ansatz zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen,

–   unter Hinweis auf die Konvention des Europarates vom 12. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt,

–   unter Hinweis auf die vom Rat (Allgemeine Angelegenheiten) am 8. Dezember 2008 angenommenen „Leitlinien der EU betreffend Gewalt gegen Frauen und die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von Frauen“,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. April 2011 zu den Prioritäten und Grundzügen einer neuen EU-Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen[2],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. April 2012 über den Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte in der Welt und über die Politik der EU zu diesem Thema, einschließlich der Auswirkungen auf die strategische Menschenrechtspolitik der EU[3],

–   gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen ein nicht wiedergutzumachender Übergriff ist, durch den aus nicht medizinischen Gründen an den weiblichen Genitalien vorsätzlich Veränderungen vorgenommen oder ihnen Verletzungen zugefügt werden mit irreversiblen Folgen, unter denen derzeit 140 Millionen Frauen und Mädchen leiden; in der Erwägung, dass jedes Jahr weitere 3 Millionen Mädchen Gefahr laufen, diesem Eingriff unterzogen zu werden;

B.  in der Erwägung, dass nach Schätzungen der WHO mindestens 500 000 Frauen und Mädchen in Europa leben, die Opfer einer Genitalverstümmelung wurden, und 180 000 Mädchen ein solcher Eingriff droht; in der Erwägung, dass Sachverständigen zufolge diese Schätzwerte zu niedrig sind und Migrantinnen der zweiten Generation und solche ohne Ausweispapiere nicht mitgezählt wurden;

C. in der Erwägung, dass jegliche Form der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen eine gesundheitsschädliche traditionelle Praxis darstellt, die nicht als Bestandteil einer Religion betrachtet werden kann, sondern ein Akt der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist, der einen Verstoß gegen ihre Grundrechte, insbesondere ihr Recht auf persönliche Sicherheit und Unversehrtheit sowie auf körperliche und geistige Gesundheit, sowie einen Angriff auf ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und bei minderjährigen Mädchen einen Fall von Kindesmissbrauch darstellt; in der Erwägung, dass solche Verstöße unter keinen Umständen unter Berufung auf unterschiedliche kulturelle Traditionen oder Initiationsrituale gerechtfertigt werden können;

D. in der Erwägung, dass die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen, die an sich schon eine Verletzung der Menschenrechte darstellt, kurz- und langfristig den betroffenen Frauen und Mädchen sehr gravierende und irreparable Verletzungen der seelischen und körperlichen Gesundheit zufügt sowie deren Rechte missachtet und einen schwerwiegenden Angriff auf ihre Person und ihre Unversehrtheit darstellt und in einigen Fällen sogar zu ihrem Tod führen kann; in der Erwägung, dass die Verwendung primitiver Instrumente und das Fehlen antiseptischer Vorsorgemaßnahmen zu zusätzlichen Gesundheitsschäden führen, sodass Geschlechtsverkehr und Geburten schmerzhaft sein können, die betreffenden Organe irreparabel geschädigt und Komplikationen (beispielsweise Blutungen, Schockzustand, Infektionen, Übertragung des Aids-Virus, Tetanus, gutartige Tumore) sowie gravierende Komplikationen während der Schwangerschaft und der Geburt auftreten können;

E.  in der Erwägung, dass Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen ein Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse und neben anderen gravierenden Formen geschlechtsbezogener Gewalt eine Form der Gewalt gegen Frauen ist, und in der Erwägung, dass der Kampf gegen die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen unbedingt in ein allgemeines kohärentes Konzept zur Bekämpfung geschlechtsbezogener Gewalt und von Gewalt gegen Frauen eingebunden werden muss;

1.  begrüßt die Entscheidung der Frauenrechtskommission, die auf ihrer 56. Tagung am 8. März 2012 getroffen wurde, wonach die Frage der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf ihrer bevorstehenden 67. Tagung behandelt werden sollte;

2.  fordert die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf, auf ihrer 67. Tagung eine Resolution zur weltweiten Ausmerzung der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen – entsprechend den Forderungen auf dem Gipfel der Afrikanischen Union vom 2. Juli 2011 – anzunehmen, mit der die Maßnahmen der Mitgliedstaaten harmonisiert werden und die Empfehlungen und Leitlinien für die Entwicklung und Stärkung regionaler und internationaler Rechtsinstrumente und nationaler Rechtsvorschriften enthält;

3.  stellt fest, dass die Verstümmelung weiblicher Genitalien eine Verletzung der Rechte des Kindes darstellt, da sie in den meisten Fällen bei jungen Mädchen zwischen dem Säuglingsalter und dem Alter von 15 Jahren durchgeführt wird; bekräftigt, dass alle 27 Mitgliedstaaten sich in der VN-Kinderrechtskonvention dazu verpflichtet haben, die Rechte des Kindes zu schützen;

4.  fordert die Mitgliedstaaten auf, auch künftig internationale Instrumente zu ratifizieren und sie über umfassende Rechtsvorschriften umzusetzen, durch die alle Formen der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen verboten werden und in denen wirksame Sanktionen gegen die Täter vorgesehen sind; stellt fest, dass die Rechtsvorschriften auch ein volles Spektrum von Präventions- und Schutzmaßnahmen umfassen sollten, einschließlich Mechanismen zur Abstimmung, Überwachung und Bewertung der Rechtsdurchsetzung, und dass sie die Bedingungen verbessern sollten, die es Frauen und Mädchen ermöglichen, Fälle von Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen anzuzeigen;

5.  fordert die einschlägigen Einrichtungen der Vereinten Nationen und die Zivilgesellschaft auf, über die Bereitstellung von Finanzmitteln gezielte innovative Programme aktiv zu unterstützen und bewährte Verfahren zu verbreiten, die den Bedürfnissen und Prioritäten von jungen Frauen in prekären Situationen, einschließlich Opfern von Genitalverstümmelung, die nur schwer Zugang zu entsprechenden Diensten und Programmen bekommen, gerecht werden;

6.  ersucht den Generalsekretär der Vereinten Nationen, dafür zu sorgen, dass alle einschlägigen Organisationen und Einrichtungen der Vereinten Nationen, insbesondere das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, die Weltgesundheitsorganisation, die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte – jede für sich und alle zusammen – dem Schutz vor Genitalverstümmelung und der Förderung der damit zusammenhängenden Rechte der Mädchen in ihren jeweiligen Länderprogrammen in geeigneter Weise und entsprechend den nationalen Prioritäten Rechnung tragen, damit so ihre diesbezüglichen Bemühungen weiter gestärkt werden;

7.  betont, dass die Zivilgesellschaft und insbesondere Frauenorganisationen unterstützt werden müssen, die sich in ihrer jeweiligen Gemeinschaft für ein Ende der Gewalt gegen Frauen, u. a. der Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen, einsetzen;

8.  fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass Maßnahmen, durch die geschlechtsbezogene Gewalt bekämpft und die Rolle der Frau gestärkt werden soll, über ihren Aktionsplan 2010 für die Gleichstellung durchgängig in alle Entwicklungsstrategien und -programme der EU einbezogen werden; betont, wie wichtig Sensibilisierung, Mobilisierung auf kommunaler Ebene, Ausbildung und Schulung sowie die Einbeziehung nationaler, regionaler und lokaler Behörden und der Zivilgesellschaft in Partnerländern sind; weist darauf hin, dass Bemühungen zur Eliminierung von Einstellungen und schädlichen Praktiken, die sich negativ auf Mädchen auswirken, nur Erfolg haben werden, wenn alle Hauptbeteiligten in vollem Umfang einbezogen werden, wozu religiöse Führer und Führer von Gemeinschaften sowie diejenigen gehören, die unmittelbar mit Mädchen arbeiten, einschließlich Eltern, Familien und Gemeinschaften;

9.  fordert die Kommission nachdrücklich auf, der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen im Rahmen einer umfassenden Strategie zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen besondere Aufmerksamkeit zu widmen und gemeinsame Aktionen gegen die Genitalverstümmelung vorzusehen;

10. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Ausmerzung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen als vorrangig anzusehen und über die Bereitstellung angemessener Finanzmittel zielgerichtete innovative Programme sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch in Drittländern zu unterstützen;

11. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, diese illegale Praxis mit entschlossenen Maßnahmen zu bekämpfen;

12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten zu übermitteln.