GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur anstehenden Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation (WCIT‑2012) der Internationalen Fernmeldeunion und zur möglichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Internationalen Telekommunikationsvorschriften
20.11.2012 - (2012/2881(RSP))
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
PPE, S&D (B7‑0498/2012)
ALDE, Verts/ALE (B7‑0499/2012)
Sabine Verheyen im Namen der PPE-Fraktion
Ivailo Kalfin, Catherine Trautmann, Petra Kammerevert im Namen der S&D-Fraktion
Marietje Schaake im Namen der ALDE-Fraktion
Amelia Andersdotter, Judith Sargentini im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Entschließung des Europäischen Parlaments zur anstehenden Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation (WCIT‑2012) der Internationalen Fernmeldeunion und zur möglichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Internationalen Telekommunikationsvorschriften
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009[1] zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, die Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und die Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009[2] zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/77/EG vom 16. September 2002[3] über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. November 2011 zu dem Thema „Offenes Internet und Netzneutralität in Europa“[4],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2010 zu dem Thema „Verwaltung des Internet: Die nächsten Schritte“[5],
– unter Hinweis auf die Resolution A/HRC/20/L13 des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung des Standpunkts der EU bezüglich der Überarbeitung der Internationalen Telekommunikationsvorschriften auf der Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation oder in vorbereitenden Instanzen (COM(2012)0430),
– gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Internationalen Telekommunikationsvorschriften (International Telecommunication Regulations, ITR) von der Weltkonferenz der Verwaltungen für Telegrafie und Telefonie in Melbourne 1988 verabschiedet und seither nicht überarbeitet wurden;
B. in der Erwägung, dass die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union diese Internationalen Telekommunikationsvorschriften unterzeichnet haben;
C. in der Erwägung, dass die Internationale Fernmeldeunion (ITU) für den 3. bis 14. Dezember 2012 eine Konferenz in Dubai einberufen hat, die Weltkonferenz für die internationale Telekommunikation (WCIT), um eine neue Fassung dieser Internationalen Telekommunikationsvorschriften zu vereinbaren;
1. fordert den Rat und die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass sämtliche Änderungen der Internationalen Telekommunikationsvorschriften mit dem Besitzstand der EU vereinbar sind sowie dem Ziel und den Interessen der Union förderlich sind, das Internet als wirklich öffentlichen Raum zu fördern, in dem die Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit, beachtet werden und sichergestellt wird, dass die Grundsätze des freien Marktes, die Netzneutralität und das Unternehmertum geachtet werden;
2. bedauert, dass es bei den Verhandlungen im Vorfeld der WCIT‑2012 an Transparenz und einer angemessenen Einbeziehung der Öffentlichkeit mangelt, zumal sich die Ergebnisse der Tagung in erheblichem Maße auf die Interessen der Öffentlichkeit auswirken könnten;
3. vertritt die Auffassung, dass weder die ITU noch irgendein anderes einzelnes zentrales internationales Gremium als Aufsichtsstelle für die Verwaltung des Internets oder für den Internetdatenverkehr geeignet ist;
4. betont, dass einige Vorschläge zur Reform der Internationalen Telekommunikationsvorschriften negative Auswirkungen auf das Internet und seine Architektur, die Vorgänge, den Inhalt, die Sicherheit und die Geschäftsbeziehungen im Internet, die Verwaltung des Internets und den freien Informationsfluss im Internet haben würden;
5. ist der Ansicht, dass einige der Vorschläge zur Folge haben, dass die ITU selbst die Zuständigkeit für die Regulierung bestimmter Elemente des Internets erlangen könnte, wodurch die jetzige Struktur, die durch Basisbeteiligung und Mitwirkung mehrerer Interessenträger geprägt ist, hinfällig wäre; äußert sich besorgt darüber, dass die Entwicklung von Online-Diensten, der Zugang der Endbenutzer zu diesen Diensten wie auch die gesamte Digitalwirtschaft durch diese Vorschläge, wenn sie denn angenommen würden, erheblich beeinträchtigt werden könnten; ist der Ansicht, dass die Verwaltung des Internets und die diesbezüglichen Regulierungsangelegenheiten auch künftig umfassend unter Mitwirkung mehrerer Interessenträger festgelegt werden sollten;
6. erklärt sich besorgt darüber, dass in den Vorschlägen für eine Reform der ITU auch die Einführung neuartiger Profiterzielungsmechanismen enthalten ist, wodurch der offene und wettbewerbsgeprägte Charakter des Internets im Zuge von Preissteigerungen, Innovationshemmnissen und Zugangsbeschränkungen erheblich gefährdet werden könnte; bekräftigt seine Forderung, dass das Internet ein freier und offener Raum bleiben sollte;
7. unterstützt sämtliche Vorschläge, den derzeitigen Anwendungsbereich der Internationalen Telekommunikationsvorschriften und das derzeitige Mandat der ITU beizubehalten; lehnt jegliche Vorschläge ab, mit denen der Anwendungsbereich dieser Vorschriften beispielsweise auf das Internet und damit auch auf Domänennamensräume, die Zuweisung von IP-Adressen, die Lenkung des Internetdatenverkehrs und inhaltsbezogene Fragen erweitert würde;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, alle Änderungen der Internationalen Telekommunikationsvorschriften zu verhindern, die sich nachteilig auf den offenen Charakter des Internets, die Netzneutralität, das Ende-zu-Ende-Prinzip, die Universaldienstverpflichtungen und die partizipatorische Verwaltung auswirken würden, die durch mehrere Akteure wie Regierungen, überstaatliche Einrichtungen, nichtstaatliche Organisationen, große wie kleine Unternehmen, die Technologiegemeinde sowie die Internetnutzer und die Verbraucher allgemein übernommen wird;
9. fordert den Rat auf, die Verhandlungen über die Überarbeitung der Internationalen Telekommunikationsvorschriften im Namen der Europäischen Union auf der Grundlage von Beiträgen mehrerer Interessenträger zu koordinieren und dabei niemanden auszuschließen, und zwar mit Hilfe einer Strategie, mit der hauptsächlich darauf abgezielt wird, den offenen Charakter des Internets zu sichern und zu wahren sowie die Rechte und Freiheiten der Nutzer im Internet zu schützen;
10. hält es nach wie vor für wichtig, einen zuverlässigen Internetzugang nach dem Best-Effort-Prinzip zuzusichern, durch den Innovationen und die Meinungsfreiheit begünstigt werden sowie für Wettbewerb gesorgt und das Entstehen einer neuen digitalen Kluft verhindert wird;
11. betont, dass in den Internationalen Telekommunikationsvorschriften niedergelegt werden sollte, dass die Empfehlungen der ITU nicht verbindliche Dokumente sind, mit denen bewährte Verfahren gefördert werden sollen;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.