Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B7-0500/2012Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B7-0500/2012

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Menschenrechtslage in Iran, insbesondere die Massenhinrichtungen und der Tod des Bloggers Sattar Behesthi

21.11.2012 - (2012/2877(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 110 Absätze 2 und 4 der Geschäftsordnung
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
Verts/ALE (B7‑0500/2012)
EFD (B7‑0501/2012)
S&D (B7‑0502/2012)
ECR (B7‑0505/2012)
PPE (B7‑0508/2012)
GUE/NGL (B7‑0510/2012)
ALDE (B7‑0515/2012)

José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Tunne Kelam, Elmar Brok, Cristian Dan Preda, Bernd Posselt, Filip Kaczmarek, Roberta Angelilli, Mario Mauro, Eija-Riitta Korhola, Sergio Paolo Francesco Silvestris, Zuzana Roithová, Monica Luisa Macovei, Sari Essayah, Giovanni La Via, Laima Liucija Andrikienė, Jarosław Leszek Wałęsa, Lena Kolarska-Bobińska, Elena Băsescu, Philippe Boulland, Tadeusz Zwiefka, Eduard Kukan, Potito Salatto im Namen der PPE-Fraktion
Véronique De Keyser, María Muñiz De Urquiza, Ana Gomes, Kathleen Van Brempt, Josef Weidenholzer, Pino Arlacchi, Liisa Jaakonsaari im Namen der S&D-Fraktion
Marietje Schaake, Edward McMillan-Scott, Sarah Ludford, Alexander Graf Lambsdorff, Leonidas Donskis, Anneli Jäätteenmäki, Marielle de Sarnez, Louis Michel, Kristiina Ojuland, Jelko Kacin, Johannes Cornelis van Baalen, Ivo Vajgl, Hannu Takkula, Robert Rochefort, Ramon Tremosa i Balcells, Izaskun Bilbao Barandica, Sonia Alfano, Annemie Neyts-Uyttebroeck im Namen der ALDE-Fraktion
Tarja Cronberg, Isabelle Durant, Barbara Lochbihler, Rui Tavares, Nicole Kiil-Nielsen, Raül Romeva i Rueda im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Charles Tannock im Namen der ECR-Fraktion
Fiorello Provera, Oreste Rossi, Jaroslav Paška im Namen der EFD-Fraktion
Cornelia Ernst, Alfreds Rubiks, Marie-Christine Vergiat im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Verfahren : 2012/2877(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B7-0500/2012
Eingereichte Texte :
RC-B7-0500/2012
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Menschenrechtslage in Iran, insbesondere die Massenhinrichtungen und der Tod des Bloggers Sattar Behesthi

(2012/2877(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Iran, insbesondere jene zu den Menschenrechten,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) vom 23. Oktober 2012 zu den zehn letzten Hinrichtungen in Iran,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers der HR/VP vom 11. November 2012 zum Tod des inhaftierten iranischen Bloggers Sattar Beheshti,

–   unter Hinweis auf den Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen vom 13. September 2012 zur Lage der Menschenrechte in Iran,

–   unter Hinweis auf die Haftentlassung des Pastors Youcef Nadarkhani im September 2012,

–   unter Hinweis auf die Resolutionen 62/149 vom 18. Dezember 2007 und 63/168 vom 18. Dezember 2008 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu einem Moratorium für die Todesstrafe,

–   unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung sowie das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, zu deren Vertragsstaaten Iran gehört,

–   gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die gegenwärtige Menschenrechtslage im Iran durch ein stetiges Muster systematischer Verletzungen von Grundrechten gekennzeichnet ist; in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger (insbesondere Aktivisten, die sich für die Rechte der Frauen, der Kinder und der Minderheiten einsetzen), Journalisten, Blogger, Künstler, Führer studentischer Gruppen, Rechtsanwälte sowie Gewerkschafts- und Umweltaktivisten fortwährend unter starkem Druck und in der ständigen Gefahr leben, verhaftet zu werden;

B.  in der Erwägung, dass der Blogger Sattar Beheshti, der das iranische Regime im Internet kritisiert hat, am 30. Oktober 2012 von der Sondereinheit der Polizei zur Bekämpfung der Cyberkriminalität, der FATA, wegen angeblicher Cyber-Straftaten verhaftet wurde und anschließend im Gefängnis verstarb; in der Erwägung, dass bislang die genauen Umstände seines Todes noch unbekannt sind und aus zahlreichen Berichten hervorgeht, dass sein Tod durch Folterung in einer iranischen Haftanstalt verursacht wurde;

C. in der Erwägung, dass den in Iran lebenden Mitgliedern der Familie von Sattar Beheshti Haftstrafen angedroht wurden, falls sie mit den Medien über seinen Tod sprechen oder eine Klage gegen die mutmaßlichen Folterer einreichen sollten;

D. in der Erwägung, dass der Tod von Sattar Beheshti ein weiteres tragisches Beispiel dafür ist, dass in Iran aus Gewissensgründen inhaftierte Personen nach wie vor regelmäßig gefoltert und misshandelt und ihnen grundlegende Rechte verweigert werden, während Angehörige der Sicherheitskräfte und Nachrichtendienste in einem Umfeld vollständiger Straffreiheit agieren können;

E.  in der Erwägung, dass nach mehreren Tagen des Schweigens nach dem Tod von Sattar Beheshti der Menschenrechtsrat der iranischen Justiz sich verpflichtet hat, alle mit dem Fall verbundenen Aspekte zu überprüfen und alle in den Fall verstrickten Personen mit Nachdruck strafrechtlich zu verfolgen;

F.  in der Erwägung, dass der stellvertretende Sprecher des iranischen Parlaments, Hasan Abutorabifard, am 11. November 2012 erklärt hat, dass der parlamentarische Ausschuss für nationale Sicherheit und Außenpolitik den Fall untersuchen wird;

G. in der Erwägung, dass die Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Lage der Menschenrechte in Iran, zu Massenhinrichtungen, zu Folter und zur Meinungsfreiheit die Beschlüsse des iranischen Parlaments und der iranischen Justiz, den Fall von Sattar Beheshti zu untersuchen, begrüßt haben, wobei sie auch darauf hingewiesen haben, dass über eine Reihe von Fällen berichtet wurde, in denen mutmaßlich Häftlinge an den Folgen von Misshandlung, Folter, fehlender medizinischer Versorgung oder unterlassener Hilfeleistung verstorben sind;

H. in der Erwägung, dass am 22. Oktober 2012 Saeed Sedighi und zehn weitere Personen wegen Drogendelikten hingerichtet wurden; in der Erwägung, dass diese Personen kein faires Strafverfahren erhielten und im Gefängnis gefoltert wurden;

I.   in der Erwägung, dass nach der Hinrichtung von Saeed Sedighi die Staatsorgane Mitglieder seiner Familie davor gewarnt haben, mit den Medien zu sprechen, und ihnen untersagt haben, nach seinem Begräbnis eine öffentliche Trauerfeier abzuhalten;

J.   in der Erwägung, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Hinrichtungen – auch Jugendlicher – erheblich angestiegen ist und seit Anfang 2012 mehr als 300 Personen hingerichtet wurden; in der Erwägung, dass die Todesstrafe regelmäßig in Fällen, in denen den Angeklagten ihre angemessenen Verfahrensrechte verweigert werden, und für Verbrechen, die nach internationalen Standards nicht unter die Kategorie „schwerste Straftaten“ fallen, verhängt wird;

K. in der Erwägung, dass die iranischen Staatsorgane nach wie vor Anstrengungen unternehmen, um ein sogenanntes „Halal-Internet“ aufzubauen, mit dem den Iranern der Zugang zum World Wide Web entzogen wird, und Informations- und Kommunikationstechnologien einzusetzen, um gegen Grundfreiheiten wie die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit vorzugehen; in der Erwägung, dass Iran die Internetfreiheit einschränkt, indem es die verfügbaren Bandbreiten begrenzt, staatlich betriebene Server und spezifische Internetprotokolle, Internetanbieter und Suchmaschinen einrichtet und internationale und inländische Websites von sozialen Netzwerken blockiert;

L.  in der Erwägung, dass 2012 der Sacharow-Preis für geistige Freiheit an zwei iranische Aktivisten, die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh und den Filmregisseur Jafar Panahi, verliehen wurde; in der Erwägung, dass Nasrin Sotoudeh und Jafar Panahi Haftstrafen verbüßen, weil sie auf Menschenrechtsverletzungen in Iran aufmerksam gemacht haben; in der Erwägung, dass Nasrin Sotoudeh einen Hungerstreik begonnen hat, nachdem ihr Besuche von Familienmitgliedern verweigert worden waren;

1.  erklärt sich zutiefst besorgt über die sich laufend verschlechternde Menschenrechtslage in Iran, die wachsende Zahl politischer Häftlinge und von Häftlingen aus Gewissensgründen, die anhaltend hohe Zahl von Hinrichtungen – auch Jugendlicher –, die allgemein übliche Anwendung von Folterungen, unfairen Verfahren und krass überhöhten Kautionssummen sowie die starken Beschränkungen der Freiheit der Information, der Meinungsäußerung, der Versammlung, der Religionsausübung, der Bildung und der Wahl des Aufenthaltsorts;

2.  ist sehr besorgt über den Tod von Sattar Beheshti in Haft; fordert die iranischen Staatsorgane mit Nachdruck auf, den Fall genau zu untersuchen, damit die exakten Umstände seines Todes festgestellt werden können;

3.  ist sehr besorgt über Berichte, wonach Sattar Beheshti im Gefängnis gefoltert wurde; fordert die iranischen Staatsorgane mit Nachdruck auf, dafür zu sorgen, dass in jedem Fall, in dem es in einer Haftanstalt mutmaßlich zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung kam, Untersuchungen durchgeführt und die Täter für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden; weist darauf hin, dass die Anwendung körperlicher Strafen – die Folterungen gleichkommen – nicht mit Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vereinbar ist;

4.  missbilligt nachdrücklich die in Iran praktizierte Todesstrafe und fordert den iranischen Staat auf, gemäß den Resolutionen 62/149 und 63/138 der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Erwartung der Abschaffung der Todesstrafe ein Moratorium für Hinrichtungen auszusprechen; fordert die iranische Regierung mit Nachdruck auf, die Hinrichtung Jugendlicher zu verbieten und die Umwandlung aller derzeit anhängigen Todesurteile gegen Jugendliche zu prüfen; fordert die iranische Regierung mit Nachdruck auf, statistische Angaben zur Todesstrafe und Informationen über die Rechtspflege im Zusammenhang mit Todesurteilen zu veröffentlichen;

5.  bedauert zutiefst, dass in Gerichtsverfahren in Iran Fairness und Transparenz fehlen und angemessene Verfahrensrechte verweigert werden; fordert die iranischen Staatsorgane auf, für eine strikte Gewährleistung von fairen und angemessenen Verfahren für alle Inhaftierten zu sorgen, wie es im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verlangt wird;

6.  fordert die iranischen Staatsorgane auf, alle politischen Häftlinge und alle Häftlinge aus Gewissensgründen freizulassen, so auch die Sacharow-Preisträger Nasrin Sotoudeh und Jafar Panahi, denen die Möglichkeit zu geben ist, im Dezember 2012 in das Europäische Parlament zu kommen, um ihre Preise entgegenzunehmen; zeigt sich besorgt über den sich verschlechternden Gesundheitszustand von Nasrin Sotoudeh; fordert die iranischen Justiz- und Strafvollzugsbehörden auf, die Misshandlung von Nasrin Sotoudeh zu beenden; bringt seine Sympathie und uneingeschränkte Solidarität im Zusammenhang mit den Forderungen von Nasrin Sotoudeh zum Ausdruck; fordert die iranischen Staatsorgane auf, allen Häftlingen Zugang zu Rechtsanwälten ihrer Wahl und angemessener medizinischer Versorgung zu ermöglichen und Besuche von Familienangehörigen zuzulassen, worauf sie nach internationalen Menschenrechtsnormen ein Anrecht haben, und sie mit Würde und Respekt zu behandeln;

7.  fordert die iranischen Staatsorgane auf, friedlichen Protest hinzunehmen und die zahlreichen Probleme in Angriff zu nehmen, vor denen die iranische Bevölkerung steht;

8.  fordert die iranischen Staatsorgane auf, im Einklang mit der iranischen Verfassung und dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte Religionsfreiheit zu garantieren;

9.  fordert die iranischen Staatsorgane auf, zu zeigen, dass sie voll und ganz bereit sind, mit der internationalen Gemeinschaft im Hinblick auf die Verbesserung der Menschenrechtslage im Iran zusammenzuarbeiten, und fordert die iranische Regierung auf, alle ihre Verpflichtungen aufgrund des Völkerrechts und der von ihr unterzeichneten internationalen Übereinkommen zu erfüllen;

10. ist der Ansicht, dass ein Besuch des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen dazu beitragen könnte, sich einen Überblick über die Menschenrechtslage in Iran zu verschaffen; stellt mit Besorgnis fest, dass Iran seit 2005 keine Besuche von Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen und des Hohen Kommissars für Menschenrechte zugelassen hat; fordert Iran auf, sein ausdrückliches Versprechen einzulösen, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Dr. Ahmed Shaheed, im Laufe des Jahres 2012 einen Besuch zu ermöglichen;

11. fordert die Kommission auf, in enger Zusammenarbeit mit dem Parlament das neue Instrument für Demokratie und Menschenrechte wirksam einzusetzen, damit die Demokratie und die Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Meinungsfreiheit im Internet, in Iran gefördert werden;

12. fordert die Vertreter der EU und die HR/VP auf, die iranischen Staatsorgane anzuhalten, den Dialog über Menschenrechte wieder aufzunehmen; bekräftigt seine Bereitschaft, mit Iran auf allen Ebenen einen Dialog über die Menschenrechte auf der Grundlage der in der VN-Charta und in internationalen Übereinkommen verankerten universellen Werte aufzunehmen;

13. unterstützt zwar die zweigleisige Strategie der EU gegenüber Iran (Verknüpfung von Sanktionen und diplomatischen Maßnahmen), ist jedoch besorgt darüber, dass sich weitreichende gegen Iran gerichtete Sanktionen auf die iranische Bevölkerung negativ auswirken und u. a. einen Anstieg der Inflation und eine Verknappung von lebensnotwendigen Gütern, insbesondere von Arzneimitteln, zur Folge haben könnten;

14. fordert den Rat auf, mehr gezielte Maßnahmen gegen Einzelpersonen und Einrichtungen, einschließlich staatlicher Institutionen, zu ergreifen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen und die Einschränkung der Grundfreiheiten verantwortlich oder an diesen beteiligt sind, insbesondere indem sie Informations- und Kommunikationstechnologien und das Internet missbrauchen und die Medien zensieren; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass alle Vermögenswerte, einschließlich Immobilien, die Iranern gehören, gegen die sich die restriktiven Maßnahmen richten, eingefroren bzw. beschlagnahmt werden;

15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und der Regierung und dem Parlament der islamischen Republik Iran zu übermitteln und diese Entschließung in Farsi übersetzen zu lassen.