Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B7-0056/2013Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B7-0056/2013

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den jüngsten Anschlägen auf medizinische Fachkräfte in Pakistan

6.2.2013 - (2013/2537(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 der Geschäftsordnung
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
Verts/ALE (B7‑0056/2013)
ECR (B7‑0069/2013)
S&D (B7‑0071/2013)
PPE (B7‑0074/2013)
ALDE (B7‑0075/2013)
GUE/NGL (B7‑0076/2013)

José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Thomas Mann, Elmar Brok, Cristian Dan Preda, Bernd Posselt, Filip Kaczmarek, Roberta Angelilli, Mario Mauro, Sergio Paolo Francesco Silvestris, Zuzana Roithová, Monica Luisa Macovei, Sari Essayah, Giovanni La Via, Philippe Boulland, Jean Roatta, Tunne Kelam, Mariya Gabriel, Elena Băsescu, Tadeusz Zwiefka, Petri Sarvamaa, Eduard Kukan, Jarosław Leszek Wałęsa, Anna Záborská, Bogusław Sonik im Namen der PPE-Fraktion
Véronique De Keyser, Ana Gomes, Richard Howitt, Pino Arlacchi, Mitro Repo, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Joanna Senyszyn, Liisa Jaakonsaari im Namen der S&D-Fraktion
Phil Bennion, Leonidas Donskis, Marietje Schaake, Louis Michel, Sarah Ludford, Alexander Graf Lambsdorff, Angelika Werthmann, Kristiina Ojuland, Marielle de Sarnez, Ramon Tremosa i Balcells, Robert Rochefort, Johannes Cornelis van Baalen, Sonia Alfano, Hannu Takkula, Edward McMillan-Scott, Izaskun Bilbao Barandica im Namen der ALDE-Fraktion
Jean Lambert, Barbara Lochbihler, Nicole Kiil-Nielsen, Rui Tavares, Raül Romeva i Rueda im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Charles Tannock, Sajjad Karim, Valdemar Tomaševski, Ryszard Czarnecki, Paweł Robert Kowal im Namen der ECR-Fraktion
Helmut Scholz, Marie-Christine Vergiat im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Verfahren : 2013/2537(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B7-0056/2013
Eingereichte Texte :
RC-B7-0056/2013
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den jüngsten Anschlägen auf medizinische Fachkräfte in Pakistan

(2013/2537(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Pakistan,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) vom 18. Dezember 2012,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Außenmaßnahmen der EU: Ein besonderer Platz für Kinder“ (COM(2008)0055),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. April 2012 zu dem Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte in der Welt und über die Politik der EU zu diesem Thema, einschließlich der Auswirkungen für die strategische Menschenrechtspolitik der EU[1],

–   unter Hinweis auf den auf fünf Jahre angelegten Plan für ein Engagement der EU zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit Pakistan vom März 2012, in dem Prioritäten wie verantwortungsvolle Staatsführung, die Zusammenarbeit im Bereich der Mitgestaltungsmacht der Frauen und der Dialog über Menschenrechte festgelegt wurden,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zu Pakistan vom 25. Juni 2012, in denen die Erwartungen der EU in Bezug auf die Förderung und Achtung der Menschenrechte bekräftigt werden,

–   unter Hinweis auf Pakistans nationales Programm zur Ausrottung der Kinderlähmung, das 1994 in die Wege geleitet wurde,

–   unter Hinweis auf die weltweite Initiative der WHO zur Ausrottung der Kinderlähmung (GPEI) und den neuen Strategieplan der WHO für die letzte Phase der Ausrottung der Kinderlähmung im Zeitraum 2013­–­2018 („Polio Eradication and Endgame Strategic Plan“),

–   unter Hinweis auf den Europäischen Konsens über die humanitäre Hilfe,

–   gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Pakistan zu den letzten drei Ländern gehört, in denen Kinderlähmung noch endemisch ist, und dass es dort im Jahr 2011 zu 198 Infektionen gekommen ist; in der Erwägung, dass nach Angaben der WHO ein Scheitern der Ausrottung der Kinderlähmung zu schweren Gesundheitsrisiken für die Region und darüber hinaus führen würde, da es sich bei Kinderlähmung um eine hoch ansteckende Krankheit handelt;

B.  in der Erwägung, dass am 1. Januar 2013 sechs medizinische Fachkräfte und ein Arzt auf dem Nachhauseweg von dem Gemeinschaftszentrum in der nordwestpakistanischen Region Swabi – rund 75 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Islamabad –, in dem sie als Mitarbeiter einer nichtstaatlichen Organisation tätig waren, niedergeschossen wurden;

C. in der Erwägung, dass vom 17. bis 19. Dezember 2012 in Karatschi und Peschawar neun medizinische Fachkräfte, die an der nationalen Kampagne zur Ausrottung der Kinderlähmung beteiligt waren, davon sechs Frauen, niedergeschossen wurden;

D. in der Erwägung, dass am 29. Januar 2013 ein Polizist, der für die Sicherheit eines Teams zuständig war, das unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen Impfungen gegen Kinderlähmung durchführte, in der Nähe von Swabi ermordet wurde, sowie in der Erwägung, dass am 31. Januar 2013 zwei für Impfaktionen gegen Kinderlähmung zuständige Personen bei der Explosion einer Landmine im Nordwesten Pakistans getötet wurden, wobei nicht klar ist, ob es sich dabei um einen gezielten Anschlag handelte;

E.  in der Erwägung, dass bei einem weiteren Anschlag im Juli 2012 ein ghanaischer Arzt der WHO und dessen Fahrer, die bei der Bekämpfung der Kinderlähmung in Karatschi mitwirkten, verletzt wurden;

F.  in der Erwägung, dass bei all diesen Anschlägen der Verdacht besteht, dass sie einen Zusammenhang mit Kampagnen zur Impfung pakistanischer Kinder gegen Kinderlähmung aufweisen;

G. in der Erwägung, dass die letzte Serie von Anschlägen die WHO und UNICEF dazu veranlasst haben, ihre Impfkampagnen gegen Kinderlähmung in dem Land auszusetzen; in der Erwägung, dass die Regierung Pakistans und die Provinzen Sindh und Khyber ihre Impfkampagnen aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der medizinischen Fachkräfte ebenfalls ausgesetzt haben;

H. in der Erwägung, dass die Regierung Pakistans Kinderlähmung zu einem Thema von besonderer Dringlichkeit erklärt hat und derzeit eine Impfkampagne gegen Kinderlähmung mit dem Ziel der Ausrottung der Krankheit in Pakistan durchführt; in der Erwägung, dass diese Kampagne auf internationaler Ebene unter anderem von der WHO und UNICEF unterstützt wird und Teil der GPEI ist; in der Erwägung, dass die Kampagne die Impfung von 33 Millionen Kindern zum Ziel hat und mehrere hunderttausend medizinische Fachkräfte – viele davon Frauen – umfasst, die landesweit Impfungen durchführen;

I.   in der Erwägung, dass die Ausgaben für das Gesundheitswesen in Pakistan sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene der Provinzen weniger als 0,3 % der jährlichen Haushaltsmittel ausmachen;

J.   in der Erwägung, dass die meisten Anschläge auf medizinische Fachkräfte in den nordwestlichen Landesteilen, in der Nähe von Aufständischen-Hochburgen, stattgefunden haben und mutmaßlich mit den Taliban zusammenhängen;

K. in der Erwägung, dass durch solche Anschläge den Kindern in Pakistan ihr Recht auf grundlegende, lebensrettende medizinische Dienstleistungen verwehrt wird und die Kinder dem Risiko einer Krankheit ausgesetzt werden, die eine lebenslange Behinderung zur Folge hat;

L.  in der Erwägung, dass der Grund für die jüngsten Anschläge die Ablehnung der Impfkampagnen durch islamistische Gruppen zu sein scheint, die behaupten, dass mit der Impfung muslimische Kinder sterilisiert werden sollen;

M. in der Erwägung, dass die Taliban zur Rechtfertigung ihrer kriminellen Taten den Vorwand angeführt haben, dass in der Vergangenheit ausländische Geheimdienste überall in Pakistan örtliche Impfteams für die Gewinnung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse genutzt hätten;

N. in der Erwägung, dass Akteure im Bildungswesen und medizinische Fachkräfte in zunehmendem Maße das Ziel militanter islamischer Gruppen wie Tehrik-i-Taliban (TTP) oder Dschundollah sind, die Widerstand gegen die Bekämpfung der Kinderlähmung in Pakistan leisten, da sie diese als Mittel zur Verbreitung ausländischer, liberaler Ideen betrachten;

O. in der Erwägung, dass die tödlichen Anschläge die wachsende Unsicherheit widerspiegeln, der Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Pakistan ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass gemäß dem Jahresbericht 2012 der „Aid Worker Security Database“ Pakistan zu den fünf gefährlichsten Ländern für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gehört;

P.  in der Erwägung, dass nichtstaatliche Organisationen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in vielen Gebieten und Provinzen Pakistans eine wesentliche Rolle spielen, insbesondere in den Stammesgebieten, wo die Regierung nicht in der Lage ist, Dienstleistungen in Form von Kliniken oder Schulen bereitzustellen;

Q. in der Erwägung, dass es sich bei den meisten Opfern der Anschläge auf medizinische Fachkräfte um Frauen handelt, was im Einklang mit der Gewohnheit der Taliban steht, weibliches Personal anzugreifen, und mit der Botschaft verbunden ist, dass Frauen nicht außerhalb ihres Zuhauses arbeiten dürfen;

1.  verurteilt auf das Schärfste die zahlreichen Morde an medizinischen Fachkräften und für deren Schutz zuständigen Sicherheitskräften sowie die zahlreichen Anschläge auf diesen Personenkreis, die in den letzten Monaten stattgefunden haben; betont, dass durch diese Anschläge den schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen Pakistans – und insbesondere den Kindern – grundlegende und lebensrettende medizinische Dienstleistungen verwehrt bleiben;

2.  spricht den Familien der Opfer sein Mitgefühl aus;

3.  begrüßt die einmütige Verurteilung der Anschläge durch die Regierung und die Zivilgesellschaft Pakistans;

4.  fordert die Regierung Pakistans auf, die für die Anschläge der letzten Monate Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen;

5.  drückt seine Bewunderung für den Mut und die Entschlossenheit derjenigen medizinischen Fachkräfte – unter ihnen viele Frauen – aus, die sich trotz großer Gefahr selbstlos für die Ausrottung der Kinderlähmung einsetzen und weitere Gesundheitsdienstleistungen für Kinder in Pakistan erbringen;

6.  betont, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der Lage sein müssen, in einem sicheren Umfeld zu arbeiten; ist tief beunruhigt darüber, dass Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen von Gewaltbereiten in zunehmendem Maße mit westlichen Geheimdiensten und Streitkräften in Zusammenhang gebracht werden;

7.  betont, dass die Aussetzung des Impfprogramms gegen Kinderlähmung in Pakistan die weltweiten Bemühungen um die endgültige Ausrottung der Kinderlähmung in naher Zukunft ernsthaft gefährdet;

8.  begrüßt den Dringlichkeitsplan der pakistanischen Regierung zur Ausrottung der Kinderlähmung im Jahr 2012 und betont, wie wichtig es ist, dass dieser Plan erfolgreich weitergeführt wird, um eine Erhöhung der Anzahl von Infektionen zu vermeiden; stellt fest, dass seit Beginn der letzten Immunisierungskampagne die Anzahl der Infektionen einen historischen Tiefstand erreicht hat;

9.  begrüßt es, dass die WHO und andere internationale Organisationen zugesagt haben, die Regierung und die Bevölkerung Pakistans bei deren Bemühungen um die Ausrottung der Kinderlähmung und anderer Krankheiten in dem Land weiterhin zu unterstützen;

10. fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der WHO bei der Förderung des „Lady Health Worker Programme“ zu prüfen, mit dem eine bessere Zugänglichkeit zu grundlegenden präventiven Gesundheitsdienstleistungen für Frauen, insbesondere in ländlichen Gegenden, erreicht werden soll;

11. begrüßt die Anstrengungen, welche die Regierung Pakistans bereits unternommen hat, um bei medizinischen Kampagnen die Sicherheit zu gewährleisten und eine neue Strategie für den Schutz der humanitären Helfer zu entwickeln; fordert die Regierung Pakistans jedoch auf, die Sicherheitsmaßnahmen für Hilfsorganisationen und deren Mitarbeiter deutlich zu verbessern;

12. fordert die Regierungen weltweit auf, die Neutralität humanitärer Tätigkeiten zu sichern, da anderenfalls zehntausende Menschen schutzlos Krankheiten ausgeliefert sein könnten und diejenigen gefährdet werden könnten, die rechtmäßige und grundlegende Gesundheitsdienstleistungen erbringen;

13. ist tief besorgt angesichts der Lage der Frauen in Pakistan, und insbesondere derjenigen Frauen und Mädchen, die aktiv an der Gesellschaft teilhaben und Drohungen vonseiten der Taliban und anderer extremistischer Gruppen erhalten haben;

14. legt der Regierung Pakistans nahe, eine umfassende Informationskampagne durchzuführen, um innerhalb der pakistanischen Gesellschaft mehr Unterstützung zu erhalten, mehr Eigenverantwortung aufzubauen und das Vertrauen in die Impfkampagnen zu erhöhen; fordert die Regierung Pakistans in diesem Zusammenhang auf, einen Dialog mit den Führern der Volksgemeinschaften aufzunehmen, um die Hauptursachen des Problems anzugehen;

15. ist der Auffassung, dass sowohl die Medien als auch die Zivilgesellschaft Pakistans – in Zusammenarbeit mit internationalen und nichtstaatlichen Organisationen im humanitären Bereich – die Pflicht haben, das Bewusstsein für die wichtige und unabhängige Rolle medizinischer Fachkräfte bei der Hilfeleistung für die Bevölkerung zu schärfen;

16. weist erneut darauf hin, dass die EU bereit ist, Unterstützung für die bevorstehenden Wahlen in Pakistan zu leisten, die für die demokratische Zukunft des Landes und die Stabilität in der Region von entscheidender Bedeutung sein werden; stellt fest, dass die EU bislang keine diesbezügliche offizielle Einladung vonseiten der staatlichen Stellen Pakistans erhalten hat;

17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, UN Women, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, UNICEF, der WHO sowie der Regierung und dem Parlament Pakistans zu übermitteln.