GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Ägypten
16.7.2014 - (2014/2728(RSP))
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
ECR (B8‑0007/2014)
PPE (B8‑0008/2014)
ALDE (B8‑0009/2014)
Verts/ALE (B8‑0011/2014)
S&D (B8‑0013/2014)
GUE/NGL (B8‑0015/2014)
Cristian Dan Preda, Mariya Gabriel, Bogdan Brunon Wenta, Tunne Kelam, Jarosław Leszek Wałęsa, Seán Kelly, Petri Sarvamaa, Monica Luisa Macovei, Pavel Svoboda, Jaromír Štětina, László Tőkés, Pál Csáky, Eduard Kukan, Agnieszka Kozłowska-Rajewicz, Andrej Plenković, Davor Ivo Stier, Franck Proust, Andrzej Grzyb, Lars Adaktusson im Namen der PPE-Fraktion
Josef Weidenholzer, Victor Boştinaru, Pier Antonio Panzeri, Marc Tarabella, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Liisa Jaakonsaari, Goffredo Maria Bettini, Michela Giuffrida, Corina Creţu, Demetris Papadakis, Luigi Morgano, Ana Gomes im Namen der S&D-Fraktion
Charles Tannock, Tomasz Piotr Poręba, Ryszard Czarnecki im Namen der ECR-Fraktion
Marietje Schaake, Alexander Graf Lambsdorff, Izaskun Bilbao Barandica, Marielle de Sarnez, Jean-Marie Cavada, Charles Goerens, Louis Michel, Frédérique Ries, Ramon Tremosa i Balcells im Namen der ALDE-Fraktion
Javier Couso Permuy, Marina Albiol Guzmán, Marie-Christine Vergiat, Lola Sánchez Caldentey, Pablo Echenique Robba im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Judith Sargentini, Tamás Meszerics, Michel Reimon, Klaus Buchner, Barbara Lochbihler, Margrete Auken, Ernest Maragall, Ulrike Lunacek im Namen der Verts/ALE‑Fraktion
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Ägypten
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Ägypten, insbesondere die Entschließung vom 6. Februar 2014 zur Lage in Ägypten[1],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Dezember 2012 zu einer Strategie für digitale Freiheiten in der Außenpolitik der EU[2],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Juni 2013 über die Presse- und Medienfreiheit in der Welt[3],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zum Thema „Die Europäische Nachbarschaftspolitik: für eine Vertiefung der Partnerschaft“. Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu den Berichten für 2012[4],
– unter Hinweis die auf EU‑Leitlinien zur freien Meinungsäußerung online und offline vom 12. Mai 2014,
– unter Hinweis auf die EU‑Leitlinien betreffend den Schutz von Menschenrechtsverteidigern,
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, zu Ägypten und insbesondere ihre Äußerungen nach der Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 23. Juni 2014 zu der Verurteilung von Journalisten von Al Jazeera und den Todesurteilen gegen über 180 Menschen in Minya,
– unter Hinweis auf die vorläufige Erklärung der EU-Wahlbeobachtungsmission bei den Präsidentschaftswahlen vom 29. Mai 2014 in Ägypten,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Leiters der Delegation des Europäischen Parlaments zu der EU-Wahlbeobachtungsmission bei den Präsidentschaftswahlen vom 29. Mai 2014 in Ägypten,
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-moon und der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte Navi Pillay vom 23. Juni 2014 zu den Gefängnisstrafen gegen mehrere Journalisten und der Bestätigung der Todesurteile gegen mehrere Mitglieder und Unterstützer der Muslimbruderschaft,
– unter Hinweis auf das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ägypten von 2001, das 2004 in Kraft getreten ist und durch den Aktionsplan von 2007 gestärkt wurde, und auf den Fortschrittsbericht der Kommission vom 20. März 2013 über die Umsetzung dieses Abkommens,
– in Kenntnis der ägyptischen Verfassung, die am 14. und 15. Januar 2014 per Referendum angenommen wurde, insbesondere auf deren Artikel 65, 70, 73, 75 und 155,
– in Kenntnis des ägyptischen Gesetzes 107 vom 24. November 2013 über das Recht auf öffentliche Zusammenkünfte, Prozessionen und friedliche Demonstrationen,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, zu dessen Vertragsparteien Ägypten gehört,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. unter Hinweis darauf, dass Rede- und Versammlungsfreiheit unentbehrliche Säulen einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft sind, dass Presse- und Medienfreiheit unerlässliche Elemente der Demokratie und einer offenen Gesellschaft sind und dass in der im Jahre 2014 angenommenen ägyptischen Verfassung Grundfreiheiten verankert sind, einschließlich der Rede- und Versammlungsfreiheit;
B. in der Erwägung, dass Verstöße gegen die Grundfreiheiten und die Menschenrechte –einschließlich Gewaltakte, Aufstachelungen, Hassreden, Schikanierungen, Einschüchterungen oder Zensuren von politischen Gegnern, friedlichen Demonstranten, Journalisten, Bloggern, Gewerkschaftern, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Minderheiten – durch staatliche Stellen, Sicherheitskräfte und Dienste und andere Gruppen in Ägypten weiterhin weit verbreitet sind, dass die Bereiche Versammlungs-, Vereinigungs- und Redefreiheit seit Juli 2013 besonderen Anlass zur Besorgnis geben und dass Ägypten in dem von der Organisation Freedom House veröffentlichten Bericht zur Pressefreiheit für das Jahr 2014 als „nicht frei“ eingestuft wird;
C. in der Erwägung, dass die Presse- und Medienfreiheit sowie die digitale Freiheit wiederholt und zunehmend von der ägyptischen Regierung angegriffen werden, dass Journalisten und Vertriebsstellen für Nachrichten, soziale Medien und das Internet attackiert bzw. zensiert werden, dass eine extreme Polarisierung der ägyptischen Medien in einen Flügel der Morsi‑Unterstützer und einen Flügel der Morsi‑Gegner besteht, was die Polarisierung der ägyptischen Gesellschaft verstärkt, dass laut Reporter ohne Grenzen mindestens 65 Journalisten festgenommen worden sind und sich 17 noch in Haft befinden, dass in Ägypten seit Juli 2013 mindestens sechs Journalisten ums Leben gekommen sind;
D. in der Erwägung, dass am 23. Juni 2014 20 ägyptische und ausländische Journalisten, einschließlich dreier Journalisten von Al-Jazeera – des Australiers Peter Greste, des Kanadiers/Ägypters Mohamed Fahmy und des Ägypters Baher Mohamed – so wie in Abwesenheit der niederländischen Staatsangehörigen Rena Netjes, zu Haftstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt wurden; unter Hinweis darauf, dass sie beschuldigt wurden, „Nachrichtenmaterial verfälscht zu haben“ und Mitglied einer Terrorzelle zu sein oder eine solche zu unterstützen, dass Journalisten eingesperrt und als „Terroristen“ gebrandmarkt werden, nur weil sie ihre Arbeit tun und dass Rena Netjes fälschicherweise beschuldigt wurde, für Al Jazeera zu arbeiten;
E. in der Erwägung, dass zahlreichen Zeugenangaben zufolge während des Gerichtsverfahrens unterschiedliche Unregelmäßigkeiten und Beispiele für Unfähigkeit beobachtet wurden, dass internationale Beobachter, einschließlich der Botschaften einiger EU‑Mitgliedstaaten, der Gerichtsverhandlung beigewohnt haben, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte Navi Pillay dieses Gerichtsverfahren als ein Verfahren „voller Prozessunregelmäßigkeiten, das gegen internationale Menschenrechtsnormen verstößt“, verurteilt hat, dass der ägyptische Präsident Abdul Fattah al Sisi kürzlich eingeräumt hat, dass diese Gerichtsurteile negative Auswirkungen gehabt hätten, und er wünsche, die Angeklagten wären unmittelbar nach ihrer Festnahme ausgewiesen worden, anstatt vor Gericht gestellt zu werden, und dass gegen diese Urteile Rechtsmittel eingelegt werden können, in einem Verfahren, dass Monate dauern könnte;
F. unter Hinweis darauf, dass in Ägypten seit der Machtergreifung der ägyptischen Armee im Juli 2013 Tausende Demonstranten und politische Gegner inhaftiert worden sind, dass seit der Wahl des Präsidenten Al Sisi im Mai 2014 unverändert Festnahmen und Fälle willkürlicher Inhaftierung stattgefunden haben; unter Hinweis darauf, dass am 11. Juni 2014 ein Gericht Alaa Abdul Fattah – einen bekannten Aktivisten, der bei der Revolution von 2011 eine führende Rolle gespielt hat – und weitere Personen zu 15 Jahren Haft wegen Verstößen gegen das Gesetz 107 über das Recht auf öffentliche Zusammenkünfte, Prozessionen und friedliche Demonstrationen (Demonstrationsgesetz) verurteilt hat, dass weitere bekannte Aktivisten, zu denen Mohamed Adel, Ahmed Douma, Mahienour El‑Massry und Ahmed Maher gehören, und führende Frauenrechtsaktivisten, wie Yara Sallam und Sana Seif, inhaftiert wurden und dass am 28. April 2014 durch ein Urteil des Gerichts für dringende Angelegenheiten in Kairo die Jugendbewegung des 6. April verboten wurde;
G. in der Erwägung, dass Regierungsbeamte eingeräumt haben dass die Behörden mindestens 16 000 Personen, einschließlich 1 000 Demonstranten, seit Januar 2014 inhaftiert haben und dass viele der Inhaftierten verhaftet wurden, weil sie ihre Rechte auf freie Versammlung, Vereinigung und Rede ausgeübt haben oder weil man ihnen vorwarf, der Muslimbruderschaft anzugehören; in der Erwägung, dass auch Hunderte von Studenten während der Demonstrationen und Zusammenstöße verhaftet wurden;
H. in der Erwägung, dass schätzungsweise 1 400 Demonstranten seit Juli 2013 durch übermäßigen und willkürlichen Gewalteinsatz durch Sicherheitskräfte zu Tode gekommen sind; in der Erwägung, dass nicht ein einziger Sicherheitsbeamter für solche Akte oder andere Missbräuche gegen Demonstranten im vergangenen Jahr zur Rechenschaft gezogen wurde; in der Erwägung, dass die Meinung weit verbreitet ist, dass es der im Dezember 2013 eingesetzten Untersuchungskommission bislang nicht gelungen sei, eine gründliche, glaubwürdige und unparteiische Untersuchung der gewalttätigen Zwischenfälle seit Juli 2013 durchzuführen;
I. in Kenntnis des Artikels 65 der ägyptischen Verfassung, in dem erklärt wird, dass die Gedanken- und Meinungsfreiheit gewährleistet ist und dass jede Person das Recht hat, ihre Meinung mündlich, schriftlich, durch Bilder oder durch jedes andere Ausdrucks- und Publikationsmittel auszudrücken; in Kenntnis der vorläufigen Erklärung der EU-Wahlbeobachtungsmission bei den Präsidentschaftswahlen vom Mai 2014 in Ägypten, in der es heißt, dass die neue Verfassung zwar einen weit reichenden Katalog von Menschenrechten enthalte, die Achtung dieser Rechte aber nicht den Verfassungsgrundsätzen entspreche und dass ein allgemeines Klima eingeschränkter Redefreiheit in dem Land zu beobachten sei, das zur Selbstzensur der Journalisten führe;
J. in Kenntnis des Artikels 73 der ägyptischen Verfassung, in dem erklärt wird, dass die Bürger das Recht haben, öffentliche Zusammenkünfte, Märsche, Demonstrationen und alle Formen friedlichen Protests, bei denen sie keine Waffen irgendeiner Art tragen, zu organisieren, indem sie sie entsprechend der gesetzlichen Vorgaben anmelden, und dass das Recht auf friedliche und private Versammlung gewährleistet ist, ohne dass eine vorherige Anmeldung erforderlich ist, wobei die Sicherheitskräfte solche Zusammenkünfte weder aufsuchen, überwachen oder ausspionieren dürfen; in der Erwägung dass die Verabschiedung des Gesetzes 107 über das Recht auf öffentliche Zusammenkünfte, Prozessionen und friedliche Demonstrationen (Demonstrationsgesetz) im November 2013, durch das öffentliche Zusammenkünfte und Demonstrationen Beschränkungen unterworfen werden und den Sicherheitskräften die Erlaubnis erteilt wird, übermäßige Gewalt gegen Demonstranten einzusetzen, eine schwere Bedrohung der Versammlungsfreiheit darstellt;
K. in der Erwägung, dass in den letzten Monaten friedliche Demonstrationen aufgelöst und viele Demonstranten nach dem Demonstrationsgesetz verhaftet und inhaftiert wurden; in der Erwägung, dass die Polizei am 21. Juni 2014 einen friedlichen Marsch in Heliopolis, auf dem die Aufhebung des Demonstrationsgesetzes und die Freilassung der nach diesem Gesetz Inhaftierten gefordert wurde, aufgelöst und mehr als 50 Personen im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung am gleichen Tag verhaftet hat; in der Erwägung, dass mehr als 20 der Verhafteten weiterhin in Haft sind und vor Gericht gestellt werden sollen;
L. in Kenntnis des Artikels 75 der ägyptischen Verfassung, in dem erklärt wird, dass alle Bürger das Recht haben, nichtstaatliche Vereinigungen und Stiftungen auf einer demokratischen Grundlage zu gründen sich; in Kenntnis der von ägyptischen Organisationen der Zivilgesellschaft vor kurzen geäußerten ernsthaften Sorge über den letzten Entwurf des Gesetzes über NRO, durch das eine vollständige Kontrolle über bürgerliche Gruppen auferlegt würde und sie der Kontrolle und Verwaltungsgremien unterstellt würden, und durch das die Verurteilung von Menschenrechtsverteidigern erlaubt würde;
M. in der Erwägung, dass die ägyptischen Übergangsbehörden im September 2013 die Muslimbruderschaft verboten, ihre Führer inhaftiert, ihre Vermögenswerte beschlagnahmt ihre Medien zum Schweigen gebracht und ihre Mitgliedschaft unter Strafe gestellt haben; in der Erwägung, dass ein ägyptisches Gericht am 21. Juni 2014 die Todesurteile gegen 183 Mitglieder der Muslimbruderschaft und Unterstützer, die zuvor in einem Massenverfahren verurteilt worden waren, bestätigt hat; in der Erwägung, dass diese Urteile das letzte Glied in einer Reihe von Verfolgungen und Gerichtsverfahren sind, bei denen verfahrensrechtliche Unregelmäßigkeiten an der Tagesordnung waren und die einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellten;
N. in der Erwägung, dass jüngste gerichtliche Praktiken schwere Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz und ihrer Fähigkeit aufkommen lassen, für Rechenschaftspflicht zu sorgen; insbesondere in der Erwägung, dass diese Urteile, die zur Todesstrafe führen, das Risiko bergen, dass die Aussichten für langfristige Stabilität in Ägypten untergraben werden;
O. unter Hinweis auf Artikel 155 der ägyptischen Verfassung, nach dem der Präsident der Republik nach Anhörung des Kabinetts eine Begnadigung aussprechen oder ein Strafmaß vermindern kann;
P. in der Erwägung, dass die Rechtsstaatlichkeit, Grundfreiheiten und Menschenrechte sowie soziale Gerechtigkeit und ein höherer Lebensstandard für die Bürgerinnen und Bürger entscheidende Aspekte des Übergangs zu einer offenen, freien, demokratischen und wohlhabenden ägyptischen Gesellschaft sind; in der Erwägung, dass unabhängige Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft bei diesem Verfahren eine entscheidende Rolle spielen und dass freie Medien einen wichtigen Teil der Gesellschaften jeder Demokratie darstellen; in der Erwägung, dass ägyptische Frauen in der derzeitigen Phase des politischen und sozialen Umbruchs im Land weiterhin besonders gefährdet sind;
Q. in der Erwägung, dass Ausmaß und Umfang der EU-Hilfe für Ägypten in Einklang mit der überarbeiteten Europäischen Nachbarschaftspolitik und insbesondere dem Konzept „mehr für mehr“ anreizbasiert sein und somit von den Fortschritten abhängen sollten, die das Land im Hinblick auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Gleichstellung der Geschlechter erzielt;
1. verurteilt scharf alle Gewaltakte, Aufstachelungen, Hassreden, Schikanierungen, Einschüchterungen oder Zensuren von politischen Gegnern, Demonstranten, Journalisten, Bloggern, Gewerkschaftern, Frauenrechtsaktivisten, Akteuren der Zivilgesellschaft und Minderheiten durch staatliche Stellen, Sicherheitskräfte und Dienste und andere Gruppen in Ägypten und fordert ihr sofortiges Ende; erinnert die ägyptische Regierung an ihre Verantwortung, die Sicherheit und Unversehrtheit aller Bürger unabhängig von ihrer politischen Überzeugung, Zugehörigkeit oder Religion zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass die Versammlungs-, Vereinigungs- und Redefreiheit sowie die Pressefreiheit ohne willkürliche Einschränkungen und Zensuren in dem Land ausgeübt werden können; fordert die ägyptischen Behörden auf, sich zu Dialog und Gewaltfreiheit sowie zu einer integrativen Regierungsführung zu verpflichten;
2. äußert sich zutiefst besorgt über eine Reihe von Gerichtsentscheidungen in Ägypten aus jüngster Zeit, einschließlich der hohen Freiheitsstrafen, die am 23. Juni 2014 gegen drei Journalisten von Al Jazeera und elf weitere Angeklagte in Abwesenheit verhängt wurden, sowie über die Bestätigung der Todesurteile gegen 183 Personen;
3. ist bestürzt über das zunehmend brutale Vorgehen und die physischen Angriffe sowohl gegen die Medien als auch die Zivilgesellschaft in Ägypten, was sie an einer freien Tätigkeit hindert; verurteilt die Schikanierung, Inhaftierung und Verfolgung von nationalen und internationalen Journalisten und Akteuren der Zivilgesellschaft, einschließlich Blogger, nur weil sie ihre Arbeit tun; bekräftigt seine Forderung nach zügigen, unabhängigen, ernsthaften und unparteiischen Untersuchungen dieser Fälle von unverhältnismäßigem Gewalteinsatz gegen sie oder von willkürlichen Festnahmen durch Sicherheitskräfte und staatliche Stellen und fordert erneut, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden;
4. bedauert, dass die Medien und das Internet zensiert werden und dass einige Blogs und soziale Netzwerke nur beschränkt zugänglich sind; verurteilt die Schikanierung einiger Zeitungen und Vertriebstellen für audiovisuelle Medien;
5. fordert die ägyptischen Behörden auf, alle diejenigen, die in Haft sind, die verurteilt und/oder vor Gericht gestellt wurden, weil sie friedlich ihre Rechte auf Rede- und Versammlungsfreiheit ausgeübt haben, sowie alle Menschenrechtsverteidiger unverzüglich und bedingungslos freizulassen; fordert die ägyptische Justiz auf, dafür zu sorgen, dass alle Gerichtsverfahren im Land den Anforderungen eines freien und fairen Verfahrens genügen, und zu gewährleisten, dass die Rechte des Angeklagten geachtet werden; fordert die ägyptischen Behörden auf, unabhängige und unparteiische Untersuchungen aller Vorwürfe von Misshandlung anzuordnen und sicherzustellen, dass alle Häftlinge Zugang zu der medizinischen Versorgung haben, die sie benötigen;
6. betont, dass das ägyptische Gesetz gegen Terrorismus auch dazu benutzt wird, zu Verurteilungen in einigen Gerichtsverfahren zu gelangen; fordert den Präsidenten nachdrücklich auf, unverzüglich – auch durch sein verfassungsmäßiges Recht der Begnadigung – tätig zu werden um sicherzustellen, dass kein Todesurteil vollstreckt wird und dass niemand in Ägypten aufgrund einer Verurteilung in einem Gerichtsverfahren inhaftiert werden kann, das den vorstehend erwähnten Anforderungen nicht genügt; fordert die Behörden zu einem offiziellen Moratorium bei Hinrichtungen als einem ersten Schritt in Richtung Abschaffung auf;
7. fordert die zuständigen ägyptischen Behörden auf, das Demonstrationsgesetz aufzuheben oder zu ändern und das neue, vom Ministerium für soziale Solidarität vorgelegte Gesetz über NRO im Einklang mit den Artikeln 65, 73 und 75 der ägyptischen Verfassung, internationalen Standards und den internationalen Verpflichtungen des Landes zu überarbeiten und auch dafür zu sorgen, dass alle bestehenden und künftigen Rechtsvorschriften im Land im Einklang mit der Verfassung und diesen Standards und Verpflichtungen stehen;
8. erinnert daran, dass die vor kurzem verabschiedete ägyptische Verfassung den Weg zum Aufbau eines Landes geebnet hat, in dem Freiheit und Demokratie geachtet werden, und dass sie Rechte und Gerechtigkeit zu einem Rahmen macht, in dem gearbeitet und gelebt werden kann; erinnert die ägyptische Regierung daran, dass die Rede- und Pressefreiheit sowie die digitalen Freiheiten und das Recht, an friedlichen Demonstrationen teilzunehmen, grundlegende Menschenrechte in einer Demokratie sind, wie das auch von der neuen ägyptischen Verfassung anerkannt ist;
9. erinnert die zuständigen ägyptischen Behörden an ihre nationalen und internationalen Rechtspflichten und fordert Präsident Al Sisi und die ägyptische Regierung auf, dem Schutz und der Förderung von Menschenrechten Vorrang einzuräumen und dafür zu sorgen, dass Menschenrechtsverletzungen geahndet werden;
10. fordert die zuständigen ägyptischen Behörden nachdrücklich auf, umzudenken und konkrete Schritte zu unternehmen um zu gewährleisten, dass die Bestimmungen der neuen Verfassung zu Grundrechten und Grundfreiheiten, einschließlich der Rede- und Versammlungsfreiheit, uneingeschränkt umgesetzt werden, wodurch sie deutlich machen können, dass sie die Menschenrechte und die Rechtstaatlichkeit achten, wobei am Anfang die sofortige und bedingungslose Freilassung von Gefangenen aus Gewissensgründen stehen sollte;
11. betont, wie wichtig die Gewaltenteilung als einem Grundprinzip der Demokratie ist, und dass die Justiz nicht als Instrument politischer Verfolgung und Unterdrückung benutzt werden darf, und schlägt die Reform des Justizgesetzes vor, um eine echte Gewaltenteilung sicherzustellen, die zu einer unabhängigen und unparteiischen Rechtspflege führen würde;
12. legt den Vertretern der EU-Delegationen und Botschaften von EU-Mitgliedstaaten in Kairo nahe, politisch sensiblen Gerichtsverhandlungen von ägyptischen und ausländischen Journalisten, Bloggern, Gewerkschaftern und Aktivisten der Zivilgesellschaft im Land beizuwohnen;
13. bedauert, dass trotz des neuen Gesetzes über sexuelle Belästigung die Gewalt gegen Frauen insbesondere im öffentlichen Raum zugenommen hat und dass es Dutzende von Fällen von Vergewaltigung und sexueller Gewalt bei Demonstrationen gab; fordert die ägyptischen Behörden nachdrücklich auf, damit aufzuhören, LGBT-Personen auf der Grundlage des „Gesetzes gegen Ausschweifungen“ zu kriminalisieren, weil sie ihre sexuelle Orientierung ausdrücken und ihr Versammlungsrecht in Anspruch nehmen, und alle nach diesem Gesetz verhafteten und inhaftierten LGBT-Personen freizulassen; fordert die ägyptische Regierung nachdrücklich auf, nationale Strategien zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und LGBT-Personen und zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung zu beschließen, wobei die wirksame Anhörung und Beteiligung von Gruppen, die für die Rechte von Frauen und LGBT-Personen eintreten, sowie anderer Organisationen der Zivilgesellschaft in dem gesamten Prozess sichergestellt werden müssen;
14. betont erneut, dass die Presse- und Medienfreiheit unverzichtbare Elemente der Demokratie und einer offenen Gesellschaft sind und dass sie als solche zu den Kernpunkten der Tätigkeit der EU mit Bezug auf Ägypten gehören sollten, und zwar als Teil einer breiter angelegten, kohärenten EU-Strategie, deren Schwerpunkt auf der Verbesserung der Rechte, Freiheiten und Möglichkeiten der Ägypter liegen sollte, wenn die EU die Beziehungen zu dem Land entwickelt;
15. drückt erneut seine starke Solidarität mit dem ägyptischen Volk in der derzeitigen Phase eines problematischen Übergangs in ihrem Land aus; fordert eine gemeinsame Strategie unter den Mitgliedstaaten gegenüber Ägypten; fordert erneut den Rat, die Vizepräsidentin/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und die Kommission nachdrücklich auf, aktiv auf der Basis des Grundsatzes der Auflagenbindung („mehr für mehr“) tätig zu werden und den schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen, mit denen Ägypten derzeit konfrontiert ist, bei den bilateralen Beziehungen der Union zu dem Land und seiner finanziellen Unterstützung durch die Union Rechnung zu tragen; wiederholt seine Forderung nach klaren und gemeinsam vereinbarten Richtwerten in diesem Bereich; bekräftigt seine Zusage, das ägyptische Volk auf dem Weg zu demokratischen und wirtschaftlichen Reformen zu unterstützen;
16. fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, die spezifischen Maßnahmen klarzustellen, die als Antwort auf den Beschluss des Rates (Auswärtige Angelegenheiten), die EU-Hilfe für Ägypten zu überprüfen, ergriffen wurden; fordert insbesondere eine Klarstellung (i) des geplanten Justizreformprogramms, (ii) des Programms zur Unterstützung aus dem EU-Haushalt, (iii) des Programms zur Belebung des Handels und der Binnennachfrage und (iv) der Teilnahme Ägyptens an EU-Regionalprogrammen, wie etwa Euromed Polizei und Euromed Justiz;
17. fordert ein EU-weites Verbot der Ausfuhr von Abhör- und Überwachungstechnologien nach Ägypten, die dazu benutzt werden könnten, Bürger auszuspionieren und zu unterdrücken, und ein Verbot – im Einklang mit der Vereinbarung von Wassenaar – der Ausfuhr von Sicherheitsausrüstung und von militärischer Hilfe, die dazu benutzt werden könnten, friedliche Proteste zu unterdrücken;
18. legt der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik nahe, die EU-Unterstützung zu Gunsten einer Resolution zur Lage in Ägypten auf der nächsten Sitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen zu bündeln, die unter anderem zur Einleitung einer internationalen Untersuchung der Tötung von Demonstranten und von mutmaßlichen Fällen der Folter und der Misshandlung durch Sicherheitskräfte im vergangenen Jahr führen würde;
19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten und seiner Übergangsregierung zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P7_TA(2014)0100.
- [2] Angenommene Texte, P7_TA(2013)0470.
- [3] Angenommene Texte, P7_TA(2013)0274.
- [4] Angenommene Texte, P7_TA(2013)0446.