GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Burundi, insbesondere zum Fall Pierre Claver Mbonimpa
17.9.2014 - (2014/2833(RSP))
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
ECR (B8‑0086/2014)
EFDD (B8‑0087/2014)
ALDE (B8‑0088/2014)
S&D (B8‑0089/2014)
PPE (B8‑0092/2014)
GUE/NGL (B8‑0094/2014)
Verts/ALE (B8‑0106/2014)
Cristian Dan Preda, Davor Ivo Stier, Maurice Ponga, Bogdan Brunon Wenta, Tunne Kelam, Philippe Juvin, Giovanni La Via, Mariya Gabriel, Jeroen Lenaers, Monica Luisa Macovei, Petri Sarvamaa, Seán Kelly, Jaromír Štětina, Pavel Svoboda, Dubravka Šuica, Francesc Gambús, Andrej Plenković im Namen der PPE-Fraktion
Josef Weidenholzer, Norbert Neuser, Maria Arena, Kashetu Kyenge, Linda McAvan, Elena Valenciano Martínez-Orozco, Kati Piri, Liisa Jaakonsaari, Andi Cristea, Marc Tarabella, Hugues Bayet, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Silvia Costa, Luigi Morgano, Goffredo Maria Bettini im Namen der S&D-Fraktion
Charles Tannock, Mark Demesmaeker, Jan Zahradil im Namen der ECR-Fraktion
Louis Michel, Marielle de Sarnez, Marietje Schaake, Pavel Telička, Gérard Deprez, Johannes Cornelis van Baalen, Ramon Tremosa i Balcells, Juan Carlos Girauta Vidal, Alexander Graf Lambsdorff, Izaskun Bilbao Barandica, Fredrick Federley, Jozo Radoš, Javier Nart im Namen der ALDE-Fraktion
Marie-Christine Vergiat im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Judith Sargentini, Bart Staes, Michèle Rivasi, Barbara Lochbihler, Heidi Hautala im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Fabio Massimo Castaldo, Ignazio Corrao im Namen der EFDD-Fraktion
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Burundi, insbesondere zum Fall Pierre Claver Mbonimpa
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Burundi,
– unter Hinweis auf das Abkommen von Cotonou,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Delegation der Europäischen Union in Burundi vom 10. September 2014,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. April 2014 zur Lage in Burundi,
– unter Hinweis auf das Abkommen von Arusha für Frieden und Aussöhnung in Burundi,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 22. Juli 2014 zur Region der Großen Seen, insbesondere Ziffer 7,
– unter Hinweis auf die Berichte des Büros der Vereinten Nationen in Burundi,
– unter Hinweis auf die Erklärung von Ivan Šimonović, beigeordneter Generalsekretär mit Zuständigkeit für Menschenrechte, vom Mittwoch, 9. Juli 2014, beim Burundi Configuration of Peacebuilding Fund,
– unter Hinweis auf die Missionsberichte und Schwerpunktbereiche für Maßnahmen (2010–2014) von Welternährungsorganisation und Unicef in Burundi, insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung von Hunger und Unterernährung,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker,
– gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Pierre Claver Mbonimpa, ein bedeutender Menschenrechtsaktivist und Vorsitzender der Vereinigung für den Schutz der Menschenrechte und den Schutz inhaftierter Personen (Association pour la protection des droits humains et des personnes détenues, APRODH), am 15. Mai 2014 zum wiederholten Male festgenommen und später wegen „Bedrohung der äußeren Sicherheit des Landes” und „Bedrohung der inneren Sicherheit des Landes durch Störung der öffentlichen Ordnung” angeklagt wurde und sich seit seiner diesbezüglichen Vernehmung in Untersuchungshaft befindet;
B. in der Erwägung, dass die über zwanzigjährige Arbeit von Pierre Claver Mbonimpa zum Schutz von Demokratie und Menschenrechten in Burundi ihm mehrere internationale Auszeichnungen und breite Anerkennung im In- und Ausland eingebracht haben;
C. in der Erwägung, dass die gegen ihn gerichtete Anklage sich auf Äußerungen bezieht, die er am 6. Mai 2014 auf Radio Publique Africaine (RPA) gemacht hatte, und zwar dahingehend, dass die Jugendorganisation der Regierungspartei CNDD-FDD, auch bekannt als Imbonerakure, mit Waffen ausgerüstet und zur militärischen Ausbildung in die Demokratische Republik Kongo geschickt werde, sowie in der Erwägung, dass das Büro der Vereinten Nationen in Burundi dieselben Bedenken geäußert und betont hat, die Militarisierung dieser jungen Menschen stelle eine „ernsthafte Bedrohung für den Frieden in Burundi” dar;
D. in der Erwägung, dass die Festnahme von Pierre Claver Mbonimpa symbolisch ist für das immer höhere Risiko, dem Menschenrechtsaktivisten ausgesetzt sind, und zwar in Form der Schikanierung von Aktivisten und Journalisten und der willkürlichen Festnahme von Mitgliedern der Oppositionspartei, wobei diese Taten nach Angaben von Menschenrechtsgruppen und des für Menschenrechte zuständigen beigeordneten Generalsekretärs der Vereinten Nationen größenteils von den Imbonerakure ausgeübt wurden;
E. in der Erwägung, dass nach einer friedlichen Veranstaltung der Oppositionspartei am 8. März 2014 70 Personen festgenommen wurden, von denen 48 später zu Haftstrafen, darunter auch zu lebenslanger Haft, verurteilt wurden;
F. in der Erwägung, dass die Regierung von Burundi in den letzten Wochen friedliche Proteste und Demonstrationen zur Unterstützung Mbonimpas verboten und Radiosender davor gewarnt hat, Informationen auszustrahlen, mit denen Mbonimpas Forderungen unterstützt werden;
G. in der Erwägung, dass die Achtung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, und zwar auch für Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, eine Voraussetzung für freie und faire Wahlen im Jahr 2015 sowie für die allgemeine Anerkennung des Wahlergebnisses darstellt;
H. in der Erwägung, dass die EU Burundi vor kurzem 432 Mio. EUR aus dem Europäischen Entwicklungsfonds für den Zeitraum 2014–2020 zur Verfügung gestellt hat, unter anderem um einen Beitrag zu verbesserter Staatsführung und zur Stärkung der Zivilgesellschaft zu leisten;
I. in der Erwägung, dass mindestens jeder zweite Einwohner von Burundi und fast zwei Drittel (58 %) aller Kinder unter fünf Jahren unter chronischer Unterernährung leiden, sowie in der Erwägung, dass Burundi im Welthunger-Index für 2012 von den berücksichtigten 120 Ländern am schlechtesten abgeschnitten hat;
J. in der Erwägung, dass Burundi zu den fünf ärmsten Ländern der Welt gehört und eines der niedrigsten Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukte aufweist; in der Erwägung, dass viele Burundier angesichts der steigenden Kosten für Lebensmittel, Wasser und Brennstoff, des großen Ausmaßes der Korruption und der nicht vorhandenen Rechenschaftspflicht der politisch Verantwortlichen immer frustrierter werden;
K. in der Erwägung, dass Burundi derzeit die schlimmste politische Krise seit dem Ende des zwölfjährigen Bürgerkriegs im Jahr 2005 durchlebt, sowie in der Erwägung, dass dies erneut nicht nur eine Bedrohung der inneren Stabilität des Landes, sondern auch eine Bedrohung der Stabilität der Nachbarländer in einer ohnehin schon gefährdeten Region Afrikas darstellt;
1. verurteilt aufs schärfste die Inhaftierung des Menschenrechtsaktivisten Pierre Claver Mbonimpa und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung; ist besorgt angesichts des immer schlechteren gesundheitlichen Zustands Mbonimpas und fordert, dass ihm umgehend ärztliche Hilfe gewährt wird;
2. erklärt sich insbesondere besorgt über die Lage von Mitgliedern der Oppositionspartei MSD, die infolge der Ereignisse vom 8. März 2014 inhaftiert wurden; fordert die staatlichen Stellen Burundis auf, die entsprechenden Urteile aufzuheben und diejenigen erneut vor Gericht zu stellen, gegen die glaubhafte Anschuldigungen im Einklang mit internationalen Standards vorgebracht werden, wobei das Recht auf Verteidigung geachtet und die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müssen;
3. fordert die burundische Regierung auf, Maßnahmen zur Kontrolle der Jugendorganisation der CNDD-FDD zu ergreifen und deren Mitglieder davon abzuhalten, Menschen, die als Oppositionelle angesehen werden, einzuschüchtern und anzugreifen; fordert die Regierung ferner auf zu gewährleisten, dass diejenigen, die für Übergriffe verantwortlich sind, vor Gericht gestellt werden; fordert eine unabhängige internationale Untersuchung der Vorwürfe, dass die CNDD-FDD ihre Jugendorganisation bewaffnet und militärisch ausbildet; fordert die Führer der Oppositionsparteien auf, dafür Sorge zu tragen, dass keine Gewalt gegen ihre Gegner ausgeübt wird;
4. fordert die Länder in der Region der Großen Seen auf, die unrechtmäßigen Handlungen der Imbonerakure zu thematisieren und Probleme solcher Art zusammen mit der Regierung Burundis anzugehen; fordert diese Länder auf, sich weiterhin entschieden für die Förderung von Frieden und Stabilität im Rahmen bestehender regionaler Mechanismen einzusetzen und ihre Bemühungen um die wirtschaftliche Entwicklung der Region zu verstärken, wobei besonderes Augenmerk auf der Versöhnung, der Achtung der Menschenrechte, der Bekämpfung der Straflosigkeit und der Schaffung einer verbesserten Rechenschaftspflicht der Justiz liegen sollte;
5. weist erneut darauf hin, dass Burundi der Menschenrechtsklausel des Cotonou-Abkommens, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker verpflichtet ist und daher die allgemeinen Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, achten muss; fordert die Regierung Burundis auf, vor der Wahl im Jahr 2015 eine echte und offene politische Debatte ohne Angst vor Einschüchterung zu ermöglichen, indem sie es unterlässt, sich in die inneren Angelegenheiten der Oppositionsparteien einzumischen, Einschränkungen im Hinblick auf den Wahlkampf der Parteien – insbesondere in ländlichen Gebieten – vorzunehmen und die Justiz für die Ausschaltung politischer Konkurrenten zu missbrauchen;
6. erklärt sich tief besorgt, dass nach der Wahl 2010 in den Jahren 2010 und 2012 zahlreiche politische Morde nicht von der Justiz geahndet wurden; fordert die staatlichen Stellen Burundis auf, dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die diese Morde verübt haben, im Rahmen fairer Prozesse vor Gericht gestellt werden, und alle Anstrengungen zu unternehmen, um politisch motivierte Gewalt vor der Wahl im Jahr 2015 zu verhindern;
7. weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, wie wichtig die Einhaltung des Verhaltenskodexes für Wahlen (Code de bonne conduite en matière électorale) und des von den Vereinten Nationen vermittelten und 2013 von den politischen Akteuren unterzeichneten Zeitplans für die Wahl ist, und unterstützt uneingeschränkt die Tätigkeiten des Büros der Vereinten Nationen in Burundi, mit denen eine weitere Zunahme der politisch motivierten Gewalt im Vorfeld der Wahl 2015 verhindert und ein Beitrag zur Wiederherstellung dauerhafter Sicherheit und eines dauerhaften Friedens geleistet werden soll;
8. ist tief besorgt angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Lage, in der sich die Bevölkerung Burundis insgesamt befindet, von der jedoch vor allem Flüchtlinge und Vertriebene betroffen sind, deren Anzahl aufgrund der Sicherheitsprobleme im Land und der Spannungen in den Nachbarländern weiter steigen wird;
9. fordert alle Parteien auf, sich an ihre Verpflichtungen aus dem im Jahr 2000 geschlossenen Abkommen von Arusha für Frieden und Aussöhnung in Burundi zu halten, das dazu beigetragen hat, den zwölf Jahre andauernden Bürgerkrieg 2005 zu beenden; warnt davor, die Verfassung Burundis dahingehend zu ändern, dass die im Abkommen von Arusha festgelegten grundlegenden Bestimmungen zur Gewaltenteilung gestrichen werden;
10. fordert die Hohe Vertreterin und die Mitgliedstaaten der EU auf, dafür Sorge zu tragen, dass die EU Burundi gegenüber eine klare und auf Grundsätzen beruhende Politik betreibt, bei der im Einklang mit dem Strategischen Rahmen der EU für Menschenrechte die anhaltenden schweren Menschenrechtsverletzungen zur Sprache gebracht werden; fordert die Kommission auf, die Aufnahme von Konsultationen mit Burundi gemäß Artikel 96 des Cotonou-Abkommens zum Zwecke eines etwaigen vorübergehenden Ausschlusses des Landes aus dem Abkommen zu prüfen und während dieser Konsultationen alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, der Regierung Burundis und den Regierungen der Länder in der Region der Großen Seen, der Afrikanischen Union, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU sowie dem Panafrikanischen Parlament zu übermitteln.