Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B8-0546/2015Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B8-0546/2015

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Paraguay: die rechtlichen Aspekte in Bezug auf Kinderschwangerschaft

10.6.2015 - (2015/2733(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 der Geschäftsordnung
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
PPE (B8‑0546/2015)
ECR (B8‑0583/2015)

Cristian Dan Preda, Giovanni La Via, Jiří Pospíšil, Lara Comi, David McAllister, Bogdan Brunon Wenta, Dubravka Šuica, Kinga Gál, Jarosław Wałęsa, Therese Comodini Cachia, Ramona Nicole Mănescu, Luděk Niedermayer, Tomáš Zdechovský, József Nagy, Jeroen Lenaers, Ivan Štefanec, Tunne Kelam, Thomas Mann, Róża Gräfin von Thun und Hohenstein, Joachim Zeller, Jaromír Štětina, Roberta Metsola, Seán Kelly, Elmar Brok, Stanislav Polčák im Namen der PPE-Fraktion
Charles Tannock, Branislav Škripek, Ruža Tomašić im Namen der ECR-Fraktion

Verfahren : 2015/2733(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B8-0546/2015
Eingereichte Texte :
RC-B8-0546/2015
Aussprachen :
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Paraguay: die rechtlichen Aspekte in Bezug auf Kinderschwangerschaft

(2015/2733(RSP))

Das Europäische Parlament,

–       unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,

–       unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes,

–       unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1993 über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen,

–       unter Hinweis auf das interregionale Rahmenabkommen von 1999 über Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Mercosur,

–       unter Hinweis auf Artikel 54 der Verfassung Paraguays über den Schutz des Kindes (ECR),

–       unter Hinweis auf das Strafgesetzbuch Paraguays (Gesetz Nr. 1160/97) vom 26. November 1997,

–       gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.     in der Erwägung, dass die Beziehungen der EU mit den Ländern Lateinamerikas auf gemeinsamen Werten basieren und in diesem Rahmen nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit gesucht wird, um multilaterale Lösungen für gemeinsame globale Herausforderungen wie sexuelle Gewalt und den Schutz von Frauen und Mädchen zu finden;

B.     in der Erwägung, dass frühe Mutterschaft in den Ländern Lateinamerikas eng mit kulturellen Standards, dem Bildungsgrad und der sozialen Stellung verknüpft ist;

C.     in der Erwägung, dass den Vereinten Nationen zufolge das Risiko für Müttersterblichkeit in Lateinamerika bei jungen Frauen im Alter von unter 16 Jahren um das Vierfache erhöht ist und obstetrische Fisteln in 65 % der Fälle bei Schwangerschaften von Jugendlichen auftreten, sowie in der Erwägung, dass frühe Schwangerschaften auch für die Säuglinge gefährlich sind und die Sterblichkeitsrate in diesen Fällen 50 % höher als im Durchschnitt ist;

D.     in der Erwägung, dass nach Artikel 3 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleich viel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig zu berücksichtigen ist;

E.     in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen, unabhängig davon, ob es sich um körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt handelt, die am weitesten verbreitete Menschenrechtsverletzung darstellt und alle Gesellschaftsschichten betrifft, es sich dabei jedoch gleichzeitig um eine der Straftaten handelt, die am seltensten angezeigt werden;

F.     in der Erwägung, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation in den Ländern Lateinamerikas – insbesondere in Argentinien, El Salvador, Nicaragua, Bolivien und Paraguay – häufiger sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder verübt wird als im weltweiten Durchschnitt; in der Erwägung, dass bis zu 40 % der Frauen in diesen Ländern bereits Opfer von sexueller Gewalt geworden sind;

G.     in der Erwägung, dass die steigende Anzahl von Frauen und Kindern, die in Argentinien getötet werden, Anlass zu großer Sorge bereitet; in der Erwägung, dass am 11. April 2015 eine 14‑jährige schwangere Argentinierin von ihrem 16-jährigen Freund ermordet und mit der Unterstützung seiner Eltern begraben wurde;

H.     in der Erwägung, dass nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) in neun von zehn Fällen des sexuellen Missbrauchs von Frauen in El Salvador Mädchen im Alter von 18 Jahren oder jünger betroffen sind; in der Erwägung, dass ein leitender Lehrer an einer öffentlichen Schule in El Salvador am 16. März 2015 Schülerinnen sexuell missbraucht und vergewaltigt hat;

I.      in der Erwägung, dass die für Frauen und Kinder zuständige Polizeieinheit in Nicaragua im ersten Halbjahr des Jahres 2014 1862 Fälle von sexueller Gewalt verzeichnet hat; in der Erwägung, dass 1048 Opfer 14 Jahre alt oder jünger waren und dass 80 % aller Opfer 17 Jahre oder jünger waren;

J.      in der Erwägung, dass gemäß dem Center for Human Rights and Humanitarian Law [Zentrum für Menschenrechtsfragen und humanitäres Recht] fast 44 % der jungen Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren in Bolivien bereits Opfer körperlicher Gewalt geworden sind und mindestens 70 % der Frauen in Bolivien sexuelle Gewalt oder eine andere Form von Missbrauch erfahren haben, wohingegen nur 0,5 % der Männer, gegen die wegen des Verübens sexueller Gewalt rechtlich vorgegangen wurde, schuldig gesprochen worden sind;

K.     in der Erwägung, dass bei einem zehnjährigen Mädchen am 21. April 2015 eine Schwangerschaft in der 21. Woche festgestellt wurde, nachdem sie in Asunción, Paraguay, vergewaltigt worden war; in der Erwägung, dass der flüchtige Stiefvater des Mädchens wegen Vergewaltigung des Kindes angezeigt und am 9. Mai 2015 festgenommen wurde; in der Erwägung, dass nach aktuellen Daten der Vereinten Nationen 19 % der schwangeren Frauen in Paraguay minderjährig sind, jeden Tag zwei Mädchen im Alter von unter 14 Jahren ein Kind zur Welt bringen und 2,13 % der Frauen, die infolge ihrer Schwangerschaft sterben, zwischen 10 und 14 Jahre alt sind; in der Erwägung, dass in Paraguay, einem Land mit 6,8 Mio. Einwohnern, jedes Jahr etwa 600 Mädchen im Alter von 14 Jahren oder jünger schwanger werden und dass die Quote der Schwangerschaften im Kindesalter in anderen Ländern der Region sogar um das Zehnfache höher liegt;

L.     in der Erwägung, dass die Mutter des Mädchens den freiwilligen Abbruch der Schwangerschaft ihrer Tochter gefordert hat, da diese noch jung ist und hohe Risiken für ihre Gesundheit und ihr Leben bestehen; in der Erwägung, dass die Mutter des Mädchens festgenommen und inhaftiert wurde, da sie ihre Fürsorgepflicht nicht erfüllt habe; in der Erwägung, dass am 7. Mai 2015 ein interdisziplinärer Sachverständigenausschuss eingerichtet wurde, um den Zustand des Mädchens zu überwachen;

M.    in der Erwägung, dass es nach dem Strafgesetzbuch Paraguays explizit erlaubt ist, einen therapeutischen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, um das Leben einer Frau zu retten; in der Erwägung, dass ein Angehöriger eines Gesundheitsberufs, der einen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt hat, nach dem Strafgesetzbuch Paraguays nicht bestraft wird, wenn belegt werden kann, dass das Leben der Frau durch die Schwangerschaft oder die Geburt gefährdet war;

N.     in der Erwägung, dass einer am 19. Mai 2015 in Paraguay durchgeführten Umfrage zufolge Abtreibungen von 87 % der Bevölkerung abgelehnt werden;

O.     in der Erwägung, dass in der EU die Ausgestaltung und die Umsetzung der Maßnahmen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegen;

1.      verurteilt alle Umstände, unter denen die Rechte von Kindern verletzt werden;

2.      betont daher, dass es wichtig ist, dafür zu sorgen, dass bei allen ergriffenen Maßnahmen das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt wird und dass diese Maßnahmen mit den internationalen Übereinkünften und nationalen Verfassungen, durch die die Rechte von Frauen und Kindern geschützt werden, vereinbar sind; hebt in diesem Zusammenhang das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und Artikel 54 der Verfassung Paraguays über den Schutz des Kindes hervor;

3.      bringt seine tiefe Besorgnis über die hohe Anzahl von Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und von Kinderschwangerschaften in den Ländern Lateinamerikas zum Ausdruck; fordert die Behörden der Länder Lateinamerikas nachdrücklich dazu auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und die Integrität, Würde und Sicherheit von Frauen und Kindern zu schützen, indem sie dafür sorgen, dass die Betroffenen Zugang zu allen verfügbaren Informationen und zu angemessener medizinischer Betreuung und entsprechenden Leistungen haben, und indem sie einen gemeinsamen Rechtsrahmen auf der Grundlage der höchsten Standards anstreben und sie die Registrierung von Missbrauchsfällen verbessern;

4.      fordert die öffentlichen Stellen dazu auf, eine unabhängige und unparteiische Untersuchung über die Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen und Kinder in den Ländern Lateinamerikas – insbesondere in Argentinien, El Salvador, Nicaragua, Bolivien und Paraguay – durchzuführen und die Täter vor Gericht zu stellen; begrüßt den Vorschlag eines Kongressabgeordneten Paraguays, die maximale Haftstrafe für die Vergewaltigung von Minderjährigen von zehn auf dreißig Jahre anzuheben;

5.      bedauert, dass das zehnjährige Mädchen bisher nicht ausreichend physiologisch betreut wurde und betont, dass der emotionalen und medizinischen Betreuung des Kindes und seiner betroffenen Familienmitglieder nach diesem traumatischen Ereignis Priorität eingeräumt werden muss;

6.      begrüßt, dass der Täter inhaftiert wurde, betont jedoch, dass das physiologische Trauma des Kindes auch behandelt werden muss; fordert daher, dass ein geeignetes System zur Unterstützung und Beratung der Betroffenen eingerichtet wird;

7.      begrüßt, dass ein interdisziplinärer Sachverständigenausschuss eingerichtet wurde, um eine umfassende Bewertung des Zustands des Mädchens vorzunehmen und für die Achtung aller ihrer Menschenrechte – insbesondere ihres Rechts auf Leben, Gesundheit und körperliche und seelische Unversehrtheit – zu sorgen;

8.      verurteilt erneut jegliche Form von Misshandlung und Gewalt, die sich gegen Frauen und Mädchen richtet, insbesondere die Anwendung sexueller Gewalt im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt;

9.      fordert die Regierung Paraguays und andere regionale Regierungen auf, landesweite Programme zur Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen einzuführen, die Informationskampagnen zu den Rechten von Frauen und Mädchen umfassen und an denen unter anderen die Polizei, Rechtsprechungsorgane sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen beteiligt sind;

10.    fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, bewährte Verfahren zur Bekämpfung von Vergewaltigung und sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Drittländern festzulegen, um die Ursachen an der Wurzel des Problems zu bekämpfen;

11.    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika, dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten und den Regierungen von Argentinien, El Salvador, Nicaragua, Bolivien und Paraguay zu übermitteln.