GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Belarus
9.9.2015 - (2015/2834(RSP))
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
PPE (B8-0866/2015)
ECR (B8-0872/2015)
EFDD (B8-0874/2015)
Verts/ALE (B8-0878/2015)
S&D (B8-0879/2015)
ALDE (B8-0880/2015)
Cristian Dan Preda, Arnaud Danjean, Bogdan Andrzej Zdrojewski, Jacek Saryusz-Wolski, Sandra Kalniete, Elmar Brok, Andrej Plenković, Jaromír Štětina, Gabrielius Landsbergis, Jerzy Buzek, Michael Gahler, Tunne Kelam, Andrzej Grzyb, David McAllister, Barbara Kudrycka, Agnieszka Kozłowska-Rajewicz, Jiří Pospíšil, Pavel Svoboda, Ramón Luis Valcárcel Siso im Namen der PPE-Fraktion
Victor Boştinaru, Richard Howitt, Eric Andrieu, Nikos Androulakis, Zigmantas Balčytis, Hugues Bayet, Brando Benifei, José Blanco López, Vilija Blinkevičiūtė, Nicola Caputo, Andi Cristea, Viorica Dăncilă, Nicola Danti, Monika Flašíková Beňová, Doru-Claudian Frunzulică, Enrico Gasbarra, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Neena Gill, Ana Gomes, Maria Grapini, Roberto Gualtieri, Cătălin Sorin Ivan, Liisa Jaakonsaari, Afzal Khan, Jeppe Kofod, Kashetu Kyenge, Marlene Mizzi, Sorin Moisă, Alessia Maria Mosca, Victor Negrescu, Pier Antonio Panzeri, Emilian Pavel, Vincent Peillon, Tonino Picula, Kati Piri, Miroslav Poche, Inmaculada Rodríguez-Piñero Fernández, Daciana Octavia Sârbu, Jutta Steinruck, Tibor Szanyi, Claudia Tapardel, Elena Valenciano, Julie Ward, Josef Weidenholzer, Andrejs Mamikins im Namen der S&D-Fraktion
Charles Tannock, Angel Dzhambazki, Kazimierz Michał Ujazdowski, Marek Jurek, Beata Gosiewska, Ryszard Czarnecki, Mark Demesmaeker, Zdzisław Krasnodębski, Zbigniew Kuźmiuk, Jadwiga Wiśniewska im Namen der ECR-Fraktion
Urmas Paet, Petras Auštrevičius, Fernando Maura Barandiarán, Javier Nart, Marietje Schaake, Pavel Telička, Ivo Vajgl, Johannes Cornelis van Baalen, Valentinas Mazuronis im Namen der ALDE-Fraktion
Heidi Hautala, Rebecca Harms im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Fabio Massimo Castaldo, Ignazio Corrao im Namen der EFDD-Fraktion
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Belarus
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen und Empfehlungen zu Belarus,
– unter Hinweis auf das Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft im Mai 2015 in Riga und die dort abgegebene Erklärung,
– unter Hinweis auf den Menschenrechtsdialog zwischen der Europäischen Union und der Republik Belarus vom 28. Juli 2015,
– unter Hinweis auf die Freilassung von sechs politischen Gefangenen durch die belarussischen Stellen am 22. August 2015 und die folgende Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und des für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zuständigen Mitglieds der Kommission, Johannes Hahn, vom 22. August 2015 zur Freilassung von politischen Gefangenen in Belarus,
– unter Hinweis auf die anstehende Präsidentschaftswahl, die am 11. Oktober 2015 stattfinden soll,
– gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass es trotz einer merkbaren Intensivierung der Kontakte zwischen Belarus und der EU und den Vereinigten Staaten weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen in Belarus kommt, einschließlich der Einschüchterung von Menschenrechtsverfechtern, Polizeirazzien bei Menschenrechtsorganisationen und der Beschlagnahme ihrer Geräte und Materialien sowie Zwangsausweisungen aus Belarus, wie im Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zur Lage der Menschenrechte in Belarus bestätigt wird;
B. in der Erwägung, dass am 18. und 19. Juni 2015 in Minsk der erste offizielle Besuch der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu Belarus seit 2002 stattgefunden hat; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament derzeit keine offiziellen Beziehungen zum belarussischen Parlament unterhält;
C. in der Erwägung, dass die Beziehungen zwischen der EU und Belarus nur dann verbessert werden können, wenn die Meinungsfreiheit und die Medienfreiheit erheblich verbessert, die politischen Rechte der Zivilgesellschaft und der Aktivisten der Opposition in gleichem Maße geschützt und die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte geachtet werden; in der Erwägung, dass sich die Europäische Union weiterhin entschieden für die Verteidigung der Menschenrechte einschließlich der Meinungs- und Medienfreiheit in Belarus einsetzt;
D. in der Erwägung, dass in einigen Bereichen der sachbezogenen Zusammenarbeit Fortschritte erzielt worden sind, beispielsweise in den Bereichen Hochschulbildung, berufliche Aus- und Weiterbildung, digitaler Markt, Energiewirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Kultur, was sich positiv auf die Aufnahme einer konstruktiven Debatte innerhalb der belarussischen Gesellschaft über notwendige Reformen im Land und auf die Sensibilisierung bezüglich der EU ausgewirkt hat; in der Erwägung, dass die EU jedoch dafür sorgen muss, dass ihre Ressourcen nicht für die Unterdrückung von Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverfechtern, freien Journalisten und Oppositionsführern eingesetzt werden;
E. in der Erwägung, dass in Belarus seit 1994 keine freien und fairen Wahlen gemäß Wahlgesetzen in Übereinstimmung mit den internationalen Normen mehr durchgeführt wurden, und in der Erwägung, dass die gegenwärtigen Rechtsvorschriften dem amtierenden Präsidenten erhebliche Vorteile verschaffen; in der Erwägung, dass OSZE und BDIMR ihre langfristige Wahlbeobachtungsmission nach ganz Belarus entsandt haben und die Arbeit der Kurzzeitwahlbeobachter koordinieren werden;
F. in der Erwägung, dass Präsident Lukaschenka am 2. April 2015 das Dekret Nr. 3 über die Verhinderung der Ausnutzung der Sozialsysteme unterzeichnet hat, das Pflichtarbeit für Erwerbslose unter Androhung der Zahlung einer Sonderabgabe an den Staat oder eine Verwaltungsstrafe in Form einer Geldbuße oder von Verwaltungshaft vorsieht;
G. in der Erwägung, dass am 1. Januar 2015 ein neues Gesetz zur Regulierung aller Arten von Medien in Kraft getreten ist; in der Erwägung, dass dieses Gesetz der Regierung ermöglicht, alle Massenmedien, einschließlich Online-Medien, zu schließen, wenn sie Inhalte veröffentlichen, die der Regierung „unpassend“ erscheinen;
H. in der Erwägung, dass die Staatsorgane von Belarus endlich alle sechs politischen Gefangenen, darunter ehemalige Präsidentschaftskandidaten, freigelassen haben, nachdem deren Existenz jahrelang geleugnet worden war;
I. in der Erwägung, dass der Rat am 13. und 31. Juli 2015 die restriktiven Maßnahmen gegenüber Belarus überarbeitet und Änderungen an der Visumsperrliste und der Liste der blockierten Vermögenswerte vorgenommen hat, von denen einige Amtsträger und Unternehmen gestrichen wurden; in der Erwägung, dass derzeit für 175 Einzelpersonen, darunter Aljaksandr Lukaschenka, Einreiseverbote gelten und dass ihre Gelder sowie die Vermögenswerte weiterer 18 Wirtschaftssubjekte in der EU eingefroren sind; in der Erwägung, dass in den kommenden Monaten die restriktiven Maßnahmen der EU bewertet werden sollen, wobei den jüngsten Entwicklungen und allen übrigen Faktoren Rechnung getragen werden soll, auf deren Grundlage diese Maßnahmen ergriffen wurden;
J. in der Erwägung, dass die EU und die Republik Belarus am 28. Juli 2015 in Brüssel einen Dialog über Menschenrechte geführt haben, in dessen Mittelpunkt zahlreiche Themen standen, etwa die Schaffung einer nationalen Menschenrechtseinrichtung, die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, die Todesstrafe, der Kampf gegen Folter und Misshandlungen und die Kinderrechte;
K. in der Erwägung, dass Belarus eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, eine Vereinbarung über eine Waffenruhe in der Ukraine herbeizuführen;
L. in der Erwägung, dass durch den Konflikt in der Ukraine Befürchtungen in der belarussischen Gesellschaft verschärft wurden, die innere Lage könnte infolge eines Machtwechsels instabil werden;
M. in der Erwägung, dass Belarus das einzige Land in Europa ist, das die Todesstrafe anwendet;
1. ist nach wie vor zutiefst besorgt über die Lage im Bereich der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Belarus, über die Mängel, die von unabhängigen internationalen Beobachtern bei der vorangegangenen Wahl festgestellt wurden, und über die konkrete Verfolgung von Oppositionsführern nach dieser Wahl;
2. begrüßt, dass die verbliebenen politischen Gefangenen unlängst freigelassen wurden; fordert die Regierung von Belarus auf, die freigelassenen politischen Gefangenen zu rehabilitieren und ihnen ihre bürgerlichen und politischen Rechte vollständig zurückzugeben; betont, dass dies ein möglicher erster Schritt zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Belarus sein könnte; weist jedoch darauf hin, dass ähnliche Schritte in der Vergangenheit eher eine symbolische Geste waren und weder zu einer Verbesserung der Lage der belarussischen Gesellschaft noch zu besseren Beziehungen zur EU beigetragen haben;
3. fordert Belarus auf, die anstehende Präsidentschaftswahl im Einklang mit den international anerkannten Standards durchzuführen, der Opposition uneingeschränkten Zugang zu allen staatlich kontrollierten Kommunikationsmitteln zu gewähren und ihr die gleichberechtigte Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen, insbesondere durch die Schaffung unabhängiger Wahlausschüsse und die Zulassung einer angemessenen Vertretung auf allen Ebenen dieser Ausschüsse sowie einer transparenten Stimmenauszählung;
4. hegt die Erwartung, dass die Staatsorgane der Praxis, unabhängige Medien aus politischen Gründen zu schikanieren, ein Ende setzen; fordert mit Nachdruck, die Praxis zu beenden, dass freie Journalisten wegen der Zusammenarbeit mit nicht akkreditierten ausländischen Medien verwaltungsrechtlich belangt werden, wobei willkürlich auf Artikel 22.9 Absatz 2 des Verwaltungsgesetzbuchs zurückgegriffen wird, durch den das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Verbreitung von Informationen eingeschränkt werden;
5. ist besorgt über die kürzlich erfolgten Inhaftierungen der jungen Aktivisten Maksim Pjakarski, Wadsim Scharomski und Wjatschaslau Kassinerau wegen des Verdachts auf „bösartigen Vandalismus“ und die gegen sie gerichteten unverhältnismäßigen Strafverfolgungsmaßnahmen und verurteilt entschieden die Gewalt, die sie erlitten haben;
6. erinnert daran, dass seit 2010 in Belarus zehn Menschen hingerichtet wurden, wobei allein 2014 drei Hinrichtungen vollzogen wurden und am 18. März 2015 erneut ein Todesurteil ergangen ist; fordert Belarus – das einzige Land in Europa, das nach wie vor die Todesstrafe anwendet – in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf, sich in einem ersten Schritt zur dauerhaften Abschaffung der Todesstrafe dem weltweiten Moratorium für deren Vollstreckung anzuschließen;
7. fordert die Regierung von Belarus auf, die Empfehlungen des Ausschusses der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zur Abschaffung von Elementen der Zwangsarbeit in Belarus zu befolgen;
8. weist auf die Lage der nationalen Minderheiten und ihrer Kulturverbände in Belarus hin, deren Vorsitzende oder Führungskräfte zuweilen von den Staatsorganen durch diesen genehmere Personen ersetzt werden, was einen Verstoß gegen eine der grundlegendsten Freiheiten, die Vereinigungsfreiheit, darstellt;
9. fordert die belarussischen Staatsorgane erneut auf, dafür zu sorgen, dass die demokratischen Grundsätze, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den von Belarus ratifizierten internationalen und regionalen Menschenrechtsübereinkünften unter allen Umständen gewahrt werden;
10. weist auf die sechste Runde der Konsultationen über Fragen der Modernisierung zwischen der EU und Belarus hin, die am 3. September 2015 in Brüssel stattfand und in deren Rahmen die Delegationen die Aussichten auf Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen auf der Grundlage der 2014 und 2015 erzielten Vereinbarungen erörtert haben; fordert den EAD und den Rat eindringlich auf, sicherzustellen, dass sich die Staatsorgane neben und auf gleicher Stufe mit der demokratischen Opposition und der Zivilgesellschaft unter uneingeschränkter Achtung der demokratischen Grundsätze am Dialog über Modernisierung beteiligen, um die Wirtschaft nachhaltig und wettbewerbsfähig zu machen und demokratische Reformen sowie eine pluralistische Gesellschaft und die Rechtsstaatlichkeit zu fördern;
11. unterstützt die Politik des kritischen Engagements der Kommission gegenüber den Staatsorganen von Belarus und bringt seine Bereitschaft zum Ausdruck, zu dieser Zusammenarbeit unter anderem über seine Delegation für die Beziehungen zu Belarus beizutragen; weist jedoch erneut darauf hin, dass die EU wachsam im Hinblick auf die Verwendung ihrer Ressourcen bleiben und sicherstellen muss, dass diese nicht dazu beitragen, die Lage der Opposition und der Zivilgesellschaft zu verschlechtern;
12. fordert die Kommission erneut auf, die Bemühungen der belarussischen Zivilgesellschaft sowie unabhängiger Medien und nichtstaatlicher Organisationen in Belarus um die Förderung der Demokratiebestrebungen der Bevölkerung von Belarus mit finanziellen und politischen Mitteln zu unterstützen;
13. begrüßt die bei der sektoralen Zusammenarbeit mit Belarus in den Bereichen Hochschulbildung, berufliche Aus- und Weiterbildung, digitaler Markt, Energiewirtschaft, Ernährungssicherheit und Kultur sowie in anderen Bereichen erzielten Fortschritte;
14. nimmt die Einleitung der Verhandlungen über Visaerleichterungen im Januar 2014 zur Kenntnis, die darauf abzielen, die Kontakte zwischen den Menschen zu verbessern und die Zivilgesellschaft zu ermutigen; unterstreicht, dass die Fortschritte in diesem Bereich beschleunigt werden müssen;
15. stellt fest, dass im öffentlichen Leben vermehrt die belarussische Sprache genutzt wird; nimmt zur Kenntnis, dass das Bildungsministerium der Republik Belarus die Verwendung der belarussischen Sprache im Bildungswesen fördern will und dass das Verfassungsgericht Rechtsakte sowohl in russischer als auch in belarussischer Sprache veröffentlicht;
16. fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Kommission auf, neue Möglichkeiten für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen in Belarus zu prüfen; betont in diesem Zusammenhang, dass alle unabhängigen Informationsquellen der belarussischen Gesellschaft unterstützt werden müssen, auch im Ausland produzierte Sendungen in belarussischer Sprache;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HV), dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten zu übermitteln.