GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu El Salvador: Fälle aufgrund von Fehlgeburten strafrechtlich verfolgter Frauen
13.12.2017 - (2017/3003(RSP))
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
ECR (B8-0691/2017)
PPE (B8-0702/2017)
Cristian Dan Preda, Gabriel Mato, David McAllister, Tomáš Zdechovský, Jaromír Štětina, Claude Rolin, Jarosław Wałęsa, Bogdan Brunon Wenta, Tunne Kelam, Patricija Šulin, Csaba Sógor, Ivan Štefanec, Laima Liucija Andrikienė, László Tőkés, Ivana Maletić, Milan Zver, Agnieszka Kozłowska-Rajewicz, Adam Szejnfeld, Eduard Kukan, Manolis Kefalogiannis, Dubravka Šuica, Ramona Nicole Mănescu, Sandra Kalniete, Marijana Petir, Andrey Kovatchev, Seán Kelly, Deirdre Clune, Roberta Metsola, Inese Vaidere, Jeroen Lenaers, Stanislav Polčák, Anna Záborská, Elmar Brok im Namen der PPE-Fraktion
Charles Tannock, Valdemar Tomaševski, Karol Karski, Jan Zahradil, Ruža Tomašić im Namen der ECR-Fraktion
Entschließung des Europäischen Parlaments zu El Salvador: Fälle aufgrund von Fehlgeburten strafrechtlich verfolgter Frauen
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption und das Interamerikanische Übereinkommen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gegen die Bestechlichkeit,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW),
– unter Hinweis auf das 2016 verabschiedete salvadorianische Gesetz zur Gleichstellung, Gleichheit und Beseitigung der Diskriminierung von Frauen, das 2012 verabschiedete Gesetz zum gewaltfreien Leben von Frauen und das im April 2009 verabschiedete Gesetz zum umfassenden Schutz von Kindern und Jugendlichen („LEPINA“),
– unter Hinweis auf den Bericht 2014 der Arbeitsgruppe für die allgemeine regelmäßige Überprüfung zu El Salvador,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Menschenrechte Binnenvertriebener vom 18. August 2017,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 17. November 2017 am Ende seiner Reise nach El Salvador,
– gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass El Salvador auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International unter 176 Ländern den 95. Rang belegt; in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwaltschaft Mitte Juli 2016 berichtete, dass in 93 Korruptionssachen ermittelt werde, wobei es nur in sieben Fällen zu Verurteilungen gekommen ist;
B. in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwaltschaft im August 2016 die strafrechtliche Verfolgung des ehemaligen Präsidenten Mauricio Funes wegen Korruption eingeleitet hat, dem in Nicaragua von Daniel Ortega, dem Präsidenten des Landes, politisches Asyl gewährt wurde; in der Erwägung, dass er und sein Sohn im November 2017 der illegalen Bereicherung für schuldig befunden wurden; in der Erwägung, dass der ehemalige Präsident Elías Antonio Saca im Oktober 2016 aufgrund der mutmaßlichen Veruntreuung öffentlicher Gelder in Höhe von mehreren Millionen Dollar festgenommen wurde;
C. in der Erwägung, dass El Salvador aufgrund der weit verbreiteten Bandenkriminalität als eines der gefährlichsten Länder der Welt gilt; in der Erwägung, dass bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und mutmaßlichen Bandenmitgliedern zwischen Januar 2015 und Februar 2017 mehr als 1 000 Zivilisten sowie 45 Polizeibeamte getötet wurden; in der Erwägung, dass das hohe Maß an Gewalt das Leben der Menschen stark beeinträchtigt und zu einem Anstieg der Vertreibung und Migration in El Salvador geführt hat;
D. in der Erwägung, dass der Staat die Haftanstalten des Landes über außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen vollständig kontrolliert und dass diese Maßnahmen seit April 2016 dazu geführt haben, dass sich Tausende Menschen über lange Zeiträume und unter unmenschlichen Bedingungen in Einzelhaft befinden und über lange Zeit keinen Familienbesuch empfangen dürfen;
E. in der Erwägung, dass bei Totgeburten und Fehlgeburten oft angenommen wird, dass die Frauen absichtlich einen Schwangerschaftsabbruch herbeigeführt haben, selbst wenn dafür keine Beweise vorliegen; in der Erwägung, dass im Zeitraum 2000–2014 gegen 147 Frauen Mordanklagen erhoben wurden und dass 49 von ihnen verurteilt wurden – 26 wegen Mordes und 23 wegen Abtreibung –, nachdem sie Totgeburten oder Fehlgeburten erlitten hatten;
F. in der Erwägung, dass Evelyn Beatriz Hernandez nach einer Totgeburt am 5. Juli 2017 wegen Mordes zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde; in der Erwägung, dass das Verfahren Berichten zufolge nicht ordnungsgemäß verlaufen sei, da der Richter den Standpunkt der Staatsanwaltschaft, dass Evelyn Beatriz Hernandez den Fötus absichtlich getötet habe, übernommen habe, obwohl es keine unmittelbaren und ausreichenden Beweise gegeben habe; in der Erwägung, dass das Urteil von einem Berufungsgericht bestätigt wurde;
G. in der Erwägung, dass Teodora del Carmen Vásquez 2007 eine Totgeburt erlitt und ohne ausreichende Beweise und ohne geeigneten Rechtsbeistand verurteilt wurde; in der Erwägung, dass sie die vergangenen 10 Jahre in Haft verbracht hat und nach wie vor darauf wartet, dass ihr Fall überprüft wird;
H. in der Erwägung, dass die als „Las 17“ (Die 17) bekannten Frauen, die zwischen 2000 und 2011 zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt wurden, am schwersten bestraft wurden; in der Erwägung, dass eine begrenzte Anzahl von ihnen freigelassen wurde, nachdem Gerichte die früheren Urteile aufgehoben hatten;
1. lehnt die Verurteilung und Inhaftierung von Frauen und Mädchen, die Totgeburten oder Fehlgeburten erleiden, entschieden ab, und fordert, dass sie unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden; ist der Auffassung, dass niemand aufgrund derartiger Urteile inhaftiert werden sollte;
2. fordert die Regierung auf, es Frauen, denen Totgeburten oder Fehlgeburten vorgeworfen werden, zu erlauben, die Zeit vor ihrem Verfahren in Freiheit zu verbringen, und in diesen Rechtssachen sowie den damit verbundenen Verfahren die Unschuldsvermutung zu achten und für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren zu sorgen; weist die Regierung und die Justiz darauf hin, dass sie verpflichtet sind, die internationalen Normen in Bezug auf den gleichberechtigten Zugang zur Justiz und den Grundsatz eines fairen Verfahrens für alle Personen zu achten, und dass die Schuldfeststellung gemäß dem Römischen Statut, das von El Salvador ratifiziert wurde, nur aufgrund konkreter und ausreichender Beweise erfolgen kann;
3. fordert die Regierung auf, dafür zu sorgen, dass das Berufsgeheimnis aller Gesundheitsfachkräfte geachtet und den Patienten Vertraulichkeit garantiert wird sowie dass die Qualität aller schwangerschaftsbezogenen Gesundheitsdienste sichergestellt ist;
4. fordert, dass ein Mechanismus zur Überwachung neu erlassener Rechtsvorschriften eingeführt wird, mit denen die Diskriminierung schwangerer Mädchen, der Missbrauch durch Familienangehörige und die Diskriminierung von Mädchen in Schulen verboten und bestraft werden;
5. ist zutiefst beunruhigt über die zunehmende Korruption, die der wirtschaftlichen Entwicklung, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie im Wege steht; fordert die unverzügliche Annahme eines internationalen Instruments zur Förderung und Erleichterung der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Korruption und insbesondere bei der Verabschiedung geeigneter Maßnahmen gegen Personen, die bei der Ausübung öffentlicher Ämter Korruptionshandlungen begehen; fordert El Salvador auf, das Übereinkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr zu unterzeichnen;
6. fordert die nationalen Behörden nachdrücklich auf, ihre Bemühungen um die Unterstützung und den Schutz von Menschen, die von Bandenkriminalität betroffen sind, zu intensivieren, um die Gewalt einzudämmen; fordert die Behörden auf, die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und Journalisten in El Salvador zu untersuchen, die bedroht, eingeschüchtert und diffamiert werden, und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Schutz sicherzustellen; fordert die Mitgliedstaaten und Organe der EU auf, Menschenrechtsverteidiger vor Ort und nichtstaatliche Organisationen, die sich für die Rechte von Frauen und Mädchen in El Salvador einsetzen, stärker zu unterstützen;
7. verurteilt den Einsatz unmenschlicher Vorgehensweisen – etwa Folter, Isolierung von Häftlingen und Untersagung von Familienbesuchen – in Haftanstalten; fordert die Regierung auf, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter zu ratifizieren, um in sämtlichen Haftanstalten und Arresteinrichtungen den Einsatz von Folter sowie die unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Häftlingen zu verhindern; fordert, dass unabhängige internationale Organisationen Zugang zu den Arresteinrichtungen erhalten;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, dem Europarat, dem Präsidenten, der Regierung sowie dem Parlament von El Salvador, dem Zentralamerikanischen Parlament, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten zu übermitteln.