GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu autonomen Waffensystemen
10.9.2018 - (2018/2752(RSP))
anstelle der folgenden Entschließungsanträge:
B8-0308/2018 (Verts/ALE)
B8-0309/2018 (PPE)
B8-0355/2018 (ALDE)
B8-0360/2018 (EFDD)
B8-0361/2018 (GUE/NGL)
B8-0362/2018 (S&D)
Michael Gahler, Bogdan Andrzej Zdrojewski, Cristian Dan Preda, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, David McAllister, Sandra Kalniete, Laima Liucija Andrikienė, Elmar Brok, Tunne Kelam, Eduard Kukan, Julia Pitera, Fernando Ruas im Namen der PPE-Fraktion
Ana Gomes, Victor Boştinaru, Knut Fleckenstein, Arne Lietz, Clare Moody im Namen der S&D-Fraktion
Norica Nicolai, Petras Auštrevičius, Beatriz Becerra Basterrechea, Gérard Deprez, Ivan Jakovčić, Ilhan Kyuchyuk, Patricia Lalonde, Louis Michel, Urmas Paet, Maite Pagazaurtundúa Ruiz, Jozo Radoš, Frédérique Ries, Marietje Schaake, Ramon Tremosa i Balcells, Johannes Cornelis van Baalen, Hilde Vautmans, Ivo Vajgl im Namen der ALDE-Fraktion
Sabine Lösing, Javier Couso Permuy, Kateřina Konečná, Dimitrios Papadimoulis, Stelios Kouloglou, Kostadinka Kuneva im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Philippe Lamberts, Ernest Urtasun, Bodil Valero, Max Andersson, Klaus Buchner im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Fabio Massimo Castaldo, Dario Tamburrano im Namen der EFDD-Fraktion
Entschließung des Europäischen Parlaments zu autonomen Waffensystemen
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Titel V Artikel 21 und Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– unter Hinweis auf die Martens´sche Klausel, die in das Zusatzprotokoll I von 1977 zu den Genfer Konventionen aufgenommen wurde,
– unter Hinweis auf Teil IV der Agenda der Vereinten Nationen von 2018 zur Abrüstung mit dem Titel „Securing Our Common Future“ (Sicherung unserer gemeinsamen Zukunft),
– unter Hinweis auf seine Studie vom 3. Mai 2013 zu den Folgen des Einsatzes von Drohnen und unbemannten Robotern in der Kriegsführung für die Menschenrechte,
– unter Hinweis auf seine verschiedenen Standpunkte, Empfehlungen und Entschließungen, in denen ein internationales Verbot letaler autonomer Waffensysteme (LAWS) gefordert wurde, etwa seine Empfehlung vom 5. Juli 2018 an den Rat zur 73. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen[1], das am 13. März 2018 im Plenum angenommene Mandat, Verhandlungen im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich aufzunehmen, seine Entschließung vom 13. Dezember 2017 zu dem Jahresbericht 2016 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich[2], seine Empfehlung an den Rat vom 7. Juli 2016 zur 71. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen[3] und seine Entschließung vom 27. Februar 2014 zum Einsatz von bewaffneten Drohnen[4],
– unter Hinweis auf den Jahresbericht von Christof Heyns, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen vom 9. April 2013 (A/HRC/23/47),
– unter Hinweis auf die Erklärungen der EU zu letalen autonomen Waffensystemen, die gegenüber der Gruppe von Regierungssachverständigen der Vertragsstaaten des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen in deren Sitzungen vom 13. bis 17. November 2017, vom 9. bis 13. April 2018 und vom 27. bis 31. August 2018 in Genf abgegeben wurden,
– unter Hinweis auf die Beiträge verschiedener Staaten, darunter Mitgliedstaaten der EU, im Vorfeld der Sitzungen der Gruppe von Regierungssachverständigen in den Jahren 2017 und 2018,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 31. Mai 2017, in dem er einen Ansatz für künstliche Intelligenz, bei dem die Steuerung durch einen Menschen erfolgt, und ein Verbot letaler autonomer Waffensysteme forderte,
– unter Hinweis auf die Forderung des Heiligen Stuhls nach einem Verbot letaler autonomer Waffen,
– unter Hinweis auf den von über 3 000 im Bereich der künstlichen Intelligenz und Robotik tätigen Forschern unterzeichneten offenen Brief vom Juli 2015 zu künstlicher Intelligenz und auf den von 116 Gründern führender im Bereich der Robotik und der künstlichen Intelligenz tätigen Unternehmen unterzeichneten offenen Brief vom 21. August 2017, in denen vor den Gefahren letaler autonomer Waffensysteme gewarnt wird, und unter Hinweis auf den Brief, in dem sich 240 Technologieunternehmen und 3 049 Einzelpersonen verpflichteten, sich zu keinem Zeitpunkt an der Entwicklung oder Herstellung letaler autonomer Waffensysteme zu beteiligen oder diese einzusetzen,
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und auf Initiativen der Zivilgesellschaft, wie etwa die Kampagne „Stop Killer Robots“, in der 70 Organisationen aus 30 Ländern vertreten sind, darunter Human Rights Watch, Article 36, PAX und Amnesty International,
– gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die politischen Strategien und Maßnahmen der EU auf den Grundsätzen der Menschenrechte, der Achtung der Menschenwürde und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und dem Völkerrecht beruhen; in der Erwägung, dass diese Grundsätze Anwendung finden sollten, um den Frieden zu wahren, Konflikte zu verhindern und die internationale Sicherheit zu stärken;
B. in der Erwägung, dass sich der Begriff „letale autonome Waffensysteme“ auf Waffensysteme bezieht, bei denen es keine bedeutende Steuerung durch den Menschen gibt, was die kritischen Funktionen bei der Auswahl und dem Angriff von Einzelzielen betrifft;
C. in der Erwägung, dass Berichten zufolge eine unbekannte Zahl von Ländern, öffentlich finanzierten Unternehmen und privaten Unternehmen letale autonome Waffensysteme erforscht und entwickelt, die von Raketen, die zu selektiver Zielauswahl fähig sind, bis hin zu lernfähigen Maschinen reichen, die auf der Grundlage kognitiver Fähigkeiten entscheiden, wer, wann und wo bekämpft wird;
D. in der Erwägung, dass nicht autonome Systeme, wie automatisierte, ferngesteuerte und teleoperierte Systeme, nicht als letale autonome Waffensysteme eingestuft werden sollten;
E. in der Erwägung, dass letale autonome Waffensysteme die Kriegsführung grundlegend verändern könnten, indem sie ein beispielloses und unkontrolliertes Wettrüsten auslösen;
F. in der Erwägung, dass der Einsatz von letalen autonomen Waffensystemen grundlegende ethische und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Steuerung durch den Menschen, insbesondere im Hinblick auf kritische Funktionen, etwa die Auswahl und Bekämpfung des Ziels, aufwirft; in der Erwägung, dass Maschinen und Roboter nicht wie Menschen Entscheidungen auf der Grundlage der Rechtsgrundsätze der Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zielen, der Verhältnismäßigkeit und der gebotenen Vorsicht treffen können;
G. in der Erwägung, dass es von zentraler Bedeutung ist, dass der Mensch an dem mit tödlichen Folgen einhergehenden Entscheidungsprozess beteiligt ist und ihn überwacht, da er nach wie vor für die Entscheidungen über Leben und Tod verantwortlich ist;
H. in der Erwägung, dass das Völkerrecht, einschließlich des humanitären Rechts und der Menschenrechtsnormen, für alle Waffensysteme und ihre Bediener uneingeschränkt gilt, und in der Erwägung, dass die Einhaltung des Völkerrechts eine zentrale Anforderung ist, die die Staaten erfüllen müssen, insbesondere wenn es darum geht, Grundsätze wie den Schutz der Zivilbevölkerung zu wahren oder Vorsichtsmaßnahmen bei Angriffen zu ergreifen;
I. in der Erwägung, dass der Einsatz letaler autonomer Waffensysteme wichtige Fragen zur Umsetzung der internationalen Menschenrechtsnormen, des humanitären Völkerrechts sowie europäischer Normen und Werte im Rahmen künftiger militärischer Maßnahmen aufwirft;
J. in der Erwägung, dass 116 Gründer führender internationaler Unternehmen, die im Bereich der Robotik und der künstlichen Intelligenz tätig sind, im August 2017 den Vereinten Nationen einen offenen Brief übermittelten, in dem sie die Regierungen aufforderten, ein Wettrüsten bei diesen Waffen zu verhindern und der destabilisierenden Wirkung dieser Technologien vorzubeugen;
K. in der Erwägung, dass es bei allen letalen autonomen Waffensystemen aufgrund von fehlerhaften Codes oder von Cyberangriffen durch feindliche Staaten oder nichtstaatliche Akteure zu Fehlfunktionen kommen könnte;
L. in der Erwägung, dass das Parlament wiederholt gefordert hat, dringend einen gemeinsamen Standpunkt zu letalen autonomen Waffensystemen auszuarbeiten und anzunehmen, auf internationaler Ebene die Entwicklung, Herstellung und den Einsatz letaler autonomer Waffensysteme, die Angriffe ohne bedeutende Steuerung durch den Menschen ermöglichen, zu untersagen und wirkungsvolle Verhandlungen über ihr Verbot aufzunehmen;
1. weist erneut auf den Anspruch der EU hin, weltweit für Frieden einzutreten, und fordert, dass sich die EU stärker für weltweite Abrüstung engagiert und ihre Bemühungen um Nichtverbreitung intensiviert, dass sie bei ihren Maßnahmen und Strategien darauf bedacht ist, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, und dabei für die Achtung des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen sowie für den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastrukturen sorgt;
2. fordert die Vizepräsidentin der Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR), die Mitgliedstaaten und den Europäischen Rat auf, umgehend und vor dem Treffen der Hohen Vertragsparteien des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen im November 2018 einen gemeinsamen Standpunkt zu letalen autonomen Waffensystemen auszuarbeiten und anzunehmen, durch den eine bedeutende Steuerung der kritischen Funktionen von Waffensystemen durch den Menschen – auch während des Einsatzes – sichergestellt wird, sowie in den einschlägigen Gremien geschlossen aufzutreten und entsprechend zu handeln; fordert die VP/HR, die Mitgliedstaaten und den Rat in diesem Zusammenhang auf, sich über bewährte Verfahren auszutauschen und Meinungen von Sachverständigen, Wissenschaftlern und der Zivilgesellschaft einzuholen;
3. fordert die VP/HR, die Mitgliedstaaten und den Rat nachdrücklich auf, auf die Aufnahme internationaler Verhandlungen über ein rechtsverbindliches Instrument hinzuarbeiten, mit dem letale autonome Waffensysteme untersagt werden;
4. betont in diesem Sinne, dass die Entwicklung und Herstellung letaler autonomer Waffensysteme, bei denen die kritischen Funktionen, wie die Auswahl und Bekämpfung von Zielen, keiner Steuerung durch den Menschen unterliegen, unbedingt verhindert werden müssen;
5. weist erneut auf seinen Standpunkt vom 13. März 2013 zu der Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich und insbesondere deren Artikel 6 Absatz 4 (Förderfähige Maßnahmen) hin und hebt seine Bereitschaft hervor, im Hinblick auf das geplante Programm für Verteidigungsforschung, das Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich und andere einschlägige Komponenten des Europäischen Verteidigungsfonds für die Zeit nach 2020 einen ähnlichen Standpunkt einzunehmen;
6. betont, dass keine der Waffen oder Waffensysteme, die derzeit von den Streitkräften in der Europäischen Union genutzt werden, letale autonome Waffensysteme sind; weist erneut darauf hin, dass Waffen und Waffensysteme, die speziell zur Verteidigung der eigenen Plattformen und Streitkräfte und der eigenen Bevölkerung gegen hochdynamische Bedrohungen wie Raketen, Munition und Luftfahrzeuge des Feindes entwickelt wurden, nicht als letale autonome Waffensysteme gelten; betont, dass die Entscheidung, bemannte Luftfahrzeuge anzugreifen, von menschlichen Bedienern getroffen werden sollte;
7. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie den Vereinten Nationen und dem Generalsekretär der NATO zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0312.
- [2] Angenommene Texte, P8_TA(2017)0494.
- [3] ABl. C 101 vom 16.3.2018, S. 166.
- [4] ABl. C 285 vom 29.8.2017, S. 110.