Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B9-0138/2019Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B9-0138/2019

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Ägypten

23.10.2019 - (2019/2880(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 der Geschäftsordnung
anstelle der folgenden Entschließungsanträge:
B9-0138/2019 (Verts/ALE)
B9-0139/2019 (GUE/NGL)
B9-0141/2019 (Renew)
B9-0143/2019 (S&D)

Kati Piri, Maria Arena
im Namen der S&D-Fraktion
Petras Auštrevičius, Atidzhe Alieva Veli, Phil Bennion, Izaskun Bilbao Barandica, Olivier Chastel, Anna Júlia Donáth, Valter Flego, Luis Garicano, Barbara Ann Gibson, Klemen Grošelj, Svenja Hahn, Martin Hojsík, Antony Hook, Irena Joveva, Karin Karlsbro, Elsi Katainen, Ondřej Kovařík, Ilhan Kyuchyuk, Karen Melchior, Javier Nart, Jan Christoph Oetjen, Urmas Paet, Maite Pagazaurtundúa, Frédérique Ries, María Soraya Rodríguez Ramos, Michal Šimečka, Susana Solís Pérez, Ramona Strugariu, Viktor Uspaskich, Hilde Vautmans
im Namen der Renew-Fraktion
Hannah Neumann, Monika Vana, Gina Dowding, Katrin Langensiepen, Salima Yenbou, Erik Marquardt, Ernest Urtasun, Pär Holmgren, Alice Kuhnke, Mounir Satouri, Ellie Chowns
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Miguel Urbán Crespo, Marisa Matias, Idoia Villanueva Ruiz, Eugenia Rodríguez Palop, Anne Sophie Pelletier, Manuel Bompard
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Rosa D’Amato, Fabio Massimo Castaldo, Laura Ferrara, Ignazio Corrao, Daniela Rondinelli, Piernicola Pedicini


Verfahren : 2019/2880(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B9-0138/2019
Eingereichte Texte :
RC-B9-0138/2019
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Ägypten

(2019/2880(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Ägypten, insbesondere diejenigen vom 17. Juli 2014 zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Ägypten[1], vom 15. Januar 2015 zur Lage in Ägypten[2], vom 10. März 2016 zu Ägypten, insbesondere dem Fall Giulio Regeni[3], vom 8. Februar 2018 zu den Hinrichtungen in Ägypten[4] und vom 13. Dezember 2018 zu Ägypten, insbesondere der Lage von Menschenrechtsverteidigern[5],

 unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom August 2013 und vom Februar 2014 zu Ägypten,

 unter Hinweis auf das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ägypten von 2001, das 2004 in Kraft trat und durch den Aktionsplan von 2007 konsolidiert wurde; unter Hinweis auf die Partnerschaftsprioritäten EU-Ägypten für den Zeitraum 2017–2020, die am 25. Juli 2017 offiziell angenommen wurden, auf die gemeinsame Erklärung, die im Anschluss an die Tagung des Assoziationsrats EU-Ägypten von 2017 abgegeben wurde, und auf die gemeinsame Erklärung über die sechste Sitzung des Unterausschusses für politische Fragen, Menschenrechte und Demokratie im Rahmen der Beziehungen zwischen der EU und Ägypten im Juni 2019,

 unter Hinweis auf die Erklärung der EU zu Punkt 4 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vom 19. September, in der Ägypten genannt wird,

 unter Hinweis auf den neuen Strategischen Rahmen der EU und den EU-Aktionsplan für Menschenrechte, mit dem der Schutz und die Kontrolle der Achtung der Menschenrechte in den Mittelpunkt aller EU-Strategien gerückt werden sollen,

 unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zur Todesstrafe, zu Folter, zur Freiheit der Meinungsäußerung und zu Menschenrechtsverteidigern,

 unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, die allesamt von Ägypten ratifiziert worden sind,

 unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, vom 27. September 2019 zu den Protesten in Ägypten,

 unter Hinweis auf die Verfassung Ägyptens, insbesondere auf Artikel 52 (zum Verbot aller Arten und Formen von Folter), Artikel 73 (zur Versammlungsfreiheit) und Artikel 93 (zur Verbindlichkeit der internationalen Menschenrechtsnormen),

 unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker von 1981, die Ägypten am 20. März 1984 ratifiziert hat,

 unter Hinweis auf die Arabische Menschenrechtscharta, der Ägypten als Vertragspartei angehört,

 unter Hinweis auf die im Juni 2019 angenommene Resolution 2473 (2019) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, in der Maßnahmen zur Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen verlängert wurden,

 gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Berichten zufolge die ägyptischen Behörden in den vergangenen Wochen als Reaktion auf friedliche Demonstrationen, die am 20. September 2019 begannen, über 4 300 Personen willkürlich festgenommen haben (von denen sich noch fast 3 000 in Untersuchungshaft befinden), darunter mindestens 114 Frauen – und nach Angaben von Amnesty International und der Belady-Stiftung mindestens 111 Minderjährige; in der Erwägung, dass die Polizei und die Sicherheitsdienste dem Vernehmen nach übermäßige Gewalt anwandten, um die Demonstranten zu zerstreuen;

B. in der Erwägung, dass auf den Demonstrationen gegen die Regierung gegen Sparmaßnahmen, endemische staatliche Korruption und systematische Unterdrückung protestiert und der Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi gefordert wurde;

C. in der Erwägung, dass die jüngsten Handlungen der ägyptischen Behörden die Grundfreiheiten, nämlich das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, die alle in der ägyptischen Verfassung sowie in internationalen Menschenrechtsnormen verankert sind, untergraben; in der Erwägung, dass dies Teil eines umfassenderen scharfen Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft und die Grundrechte in Ägypten ist, insbesondere des Rechts auf freie Meinungsäußerung, sowohl online als auch offline, der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, des politischen Pluralismus und der Rechtsstaatlichkeit;

D. in der Erwägung, dass der ägyptische Staat unter Verletzung der Rechte auf Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten und auf freie Meinungsäußerung weiterhin scharf gegen friedliche demokratische Oppositionsparteien in Ägypten vorgeht, wozu auch die willkürliche Festnahme von Dutzenden von Bürgern im Fall „Hope“ und die Inhaftierung von Dutzenden weiterer Mitglieder friedlicher politischer Parteien seit September 2019 gehören;

E. in der Erwägung, dass Menschenrechtsanwälte, Journalisten, Aktivisten und Mitglieder der Opposition unter schweren Anschuldigungen, wozu auch mit Terrorismus zusammenhängende Straftaten gehören, inhaftiert wurden; in der Erwägung, dass friedliche Andersdenkende, prodemokratische Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger dadurch gefährdet werden, dass sie als Terroristen abgestempelt werden; in der Erwägung, dass sich diese Inhaftierungen alleine auf ihre friedliche und legitime Arbeit zur Verteidigung der Menschenrechte beziehen;

F. in der Erwägung, dass das Verschwindenlassen von Menschenrechtsverteidigern zu einer systematischen Praxis des ägyptischen Staats wird, ehe die meisten in der Gewalt der staatlichen Strafverfolgung wieder auftauchen, wie es bei Alaa Abdel Fattah, Asmaa Daabes, Israa Abdel Fattah, Iman al-Helw, Mohamed Ibrahim, Abdelrahman Tarek, Izzat Ghunaim, Haitham Mohamadin und Ibrahim Metwally Hegazy der Fall ist; in der Erwägung, dass weitere, zu denen auch Ibrahim Ezz el-Din gehört, immer noch nicht wieder aufgetaucht sind;

G. in der Erwägung, dass übermäßig auf Vorbeugehaft im Vorfeld eines Verfahrens und auf Vorsorgemaßnahmen zurückgegriffen wird, um Menschenrechtsverteidiger und ihre Anwälte wie etwa Mahinur al-Masri, Mohamed al-Baqr, Israa Abdel Fattah und Mohamed Ramadan daran zu hindern, in Ägypten ihrer legitimen Menschenrechtsarbeit nachzugehen;

H. in der Erwägung, dass die ägyptischen Behörden die Untersuchung der Entführung, Folter und Tötung des italienischen wissenschaftlichen Mitarbeiters Giulio Regeni und die Enthüllung der Wahrheit darüber behindert haben, sodass diese nicht vorangekommen sind; in der Erwägung, dass das italienische Parlament seine diplomatischen Beziehungen zum ägyptischen Parlament ausgesetzt hat und die Parlamente der Mitgliedstaaten aufgefordert hat, es ihm aus Solidarität gleichzutun;

I. in der Erwägung‚ dass Reporter ohne Grenzen Fälle von mindestens 31 Medienschaffenden dokumentiert hat, die derzeit in Ägypten auf der Grundlage politischer Verfolgung und mehrfacher Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren wegen ihrer Tätigkeit inhaftiert sind; in der Erwägung, dass sechs dieser Journalisten im Zusammenhang mit den jüngsten Protesten inhaftiert wurden; in der Erwägung, dass auch ausländische Medienmitarbeiter ins Visier genommen werden und dass mehrere internationale Medienkorrespondenten aus Ägypten abgeschoben wurden oder ihnen die Einreise nach Ägypten verweigert wurde; in der Erwägung, dass internationale Organisationen die Sperrung der Websites von Nachrichtenmedien und die Sperrung oder Einschränkung des Zugangs zu Online-Nachrichtenversandanwendungen dokumentiert haben, insbesondere während der letzten Wochen;

J. in der Erwägung, dass zwar im ägyptischen Gesetz über nichtstaatliche Organisationen von 2019 Hafturteile abgeschafft werden und auch die sicherheitslastige Behörde, die zuvor dazu bestimmt war, ausländische Finanzierung zu genehmigen und zu kontrollieren, entfällt, es aber dennoch die Zivilgesellschaft erheblich einzuschränken droht, weitere problematische Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit enthält und die Tätigkeiten sowohl einheimischer als auch ausländischer nichtstaatlicher Organisationen erheblich einschränkt;

K. in der Erwägung, dass Menschenrechtsaktivistinnen in Ägypten weiterhin verschiedenen Formen staatlich gesteuerter Schikanierung, vor allem in Form von Diffamierungskampagnen und gerichtlicher Verfolgung, ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass Aktivisten, die die Rechte von LGBTQI-Personen und Frauen verteidigen, ständiger Unterdrückung, auch unter dem Deckmantel der Bewahrung der „öffentlichen Moral“, ausgesetzt sind;

L. in der Erwägung, dass in Ägypten nach wie vor schwere Verstöße gegen das Recht auf Leben seitens der Justiz begangen werden, die so viele Todesurteile wie nie zuvor gegen zahlreiche Menschen – sogar gegen Kinder – verhängt und vollstreckt hat, auch nach Militär- und Massenprozessen, denen es an den Mindestgarantien eines fairen Verfahrens fehlte; in der Erwägung, dass Straf- und Militärgerichte seit 2014 über 3000 Todesurteile ausgesprochen haben und 50 Personen kurzfristig die Hinrichtung droht;

M. in der Erwägung, dass das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) erklärt hat, dass bei den Gerichten mehrere Fälle gegen Personen anhängig sind, die auf der Grundlage von Indizien überführt wurden, die angeblich unter Folter erzwungen wurden, und denen die Todesstrafe droht; in der Erwägung, dass mit diesen Urteilen offenbar sowohl ägyptisches als auch internationales Recht und entsprechende Verfahren unmittelbar missachtet wird;

N. in der Erwägung, dass die Rechenschaftspflicht der ägyptischen Sicherheitskräfte für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen nach wie vor fast vollständig inexistent ist und dass es keinerlei ordnungsgemäße Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gegen das Militär gibt;

O. in der Erwägung, dass während der Proteste auf dem Rabaa-Platz 2013 mindestens 900 Menschen von ägyptischen Sicherheitskräften getötet wurden; in der Erwägung, dass zwar während des anschließenden Gerichtsverfahrens zahlreiche Unregelmäßigkeiten kritisiert wurden und der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte es als schweres massives Scheitern der Justiz beschrieb, allerdings niemand von den für das Massaker Verantwortlichen bisher vor Gericht gestellt wurde;

P. in der Erwägung, dass der Prozess der Allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Ägyptens vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, der im November 2019 beginnt, der internationalen Gemeinschaft eine einmalige Gelegenheit bietet, die Menschenrechtsbilanz Ägyptens genau zu untersuchen und Empfehlungen für Verbesserungen vorzutragen;

Q. in der Erwägung, dass viele Menschenrechtsaktivisten repressiven Maßnahmen ausgesetzt sind, manche von ihnen wegen ihrer Teilnahme an der Allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Ägyptens 2014; in der Erwägung, dass zehn Menschenrechtsverteidigern und sieben nichtstaatlichen Organisationen, die in der Rechtssache 173/2011 (dem Fall „Finanzierung aus dem Ausland“) genannt sind, das Vermögen so eingefroren wurde, dass sie handlungsunfähig sind; in der Erwägung, dass für mindestens 31 Menschenrechtsverteidiger und Mitarbeiter an der Rechtssache 173/2011 beteiligter unabhängiger ägyptischer nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen weiterhin Reisebeschränkungen gelten, obwohl 43 Mitarbeiter ausländischer zivilgesellschaftlicher Organisationen , die 2013 in derselben Sache verurteilt wurden, seither freigesprochen wurden;

R. in der Erwägung, dass Ägypten seit der Revolution von 2011 mehrere schwierige Entwicklungen durchlebt hat und die internationale Gemeinschaft das Land damit unterstützt, dass sie seine vielfältigen Probleme anspricht; in der Erwägung, dass die Sicherheitslage in Ägypten fragil ist und dass auf der Halbinsel Sinai und landesweit in großen Städten ein hohes Risiko terroristischer Angriffe verschiedener islamistischer Organisationen besteht, obwohl die Regierung zu ihrer Bekämpfung aggressive und zeitweise brutale Taktiken einsetzt; in der Erwägung, dass bei Terroranschlägen eine große Zahl unschuldiger Zivilisten, auch Kopten, ums Leben kam; in der Erwägung, dass die Militäroperationen im Norden Sinais seit Ende 2013 weiter eskaliert sind und die Regierung Massenzerstörungen und Zwangsvertreibungen Zehntausender Einwohner durchgeführt hat, wobei sie unabhängige Berichterstattung dadurch verhinderte, dass sie innerhalb und außerhalb Sinais für die Medien eine fast vollständige Nachrichtensperre und Einschränkungen der Freizügigkeit verhängte;

S. in der Erwägung, dass seitens der EU und ihrer Mitgliedstaaten noch keine offizielle, nachdrückliche und öffentliche Reaktion auf die Unterdrückung im September und Oktober 2019 in Ägypten ergangen ist; in der Erwägung, dass die im Juni 2017 beschlossenen Partnerschaftsprioritäten EU-Ägypten 2017–2020 auf dem gemeinsamen Bekenntnis zu den universellen Werten der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte beruhen und einen neuen Rahmen für politisches Engagement und eine verstärkte Zusammenarbeit, beispielsweise in den Bereichen Sicherheit, Justizreformen und Terrorismusbekämpfung, auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten bilden; in der Erwägung, dass europäische Bemühungen, Ägypten dazu zu verpflichten, die schlimmsten Aspekte von Menschenrechtsverletzungen in Angriff zu nehmen, noch keine nennenswerten Ergebnisse hervorgebracht haben;

T. in der Erwägung, dass Ägypten für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten in vielen Bereichen, zu denen auch Handel, Sicherheit und zwischenmenschliche Kontakte gehören, ein wichtiger Partner ist; in der Erwägung, dass der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) die Hohe Vertreterin am 21. August 2013 mit der Aufgabe betraute, die Unterstützung der EU für Ägypten zu überprüfen; in der Erwägung, dass der Rat beschlossen hat, die Zusammenarbeit der EU mit Ägypten entsprechend den Entwicklungen vor Ort neu auszurichten; in der Erwägung, dass die EU und Ägypten im Juni 2017 Partnerschaftsprioritäten angenommen haben, die darauf abzielen, unter gebührender Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten die Zusammenarbeit in vielen Bereichen, unter anderem der Terrorismusbekämpfung, zu verstärken;

U. in der Erwägung, dass es in den Schlussfolgerungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 21. August 2013 heißt, die „Mitgliedstaaten sind ferner übereingekommen, die Genehmigungen für die Ausfuhr von Ausrüstungen, die zur internen Repression genutzt werden könnten, nach Ägypten auszusetzen und von Ausrüstungen, die unter den Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP fallen, zu überprüfen und ihre Unterstützung für Ägypten in Sicherheitsfragen auf den Prüfstand zu stellen“; in der Erwägung, dass in mehreren EU-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen weiterhin Waffen, Überwachungstechnologie und andere Sicherheitsausrüstung nach Ägypten exportiert und damit Hacken und Malware sowie weitere sowohl physische als auch online begangene Formen von Angriffen gegen Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten der Zivilgesellschaft ermöglicht haben; in der Erwägung, dass dadurch die Meinungsfreiheit im Internet unterdrückt wird;

1. verurteilt aufs Schärfste das derzeitige repressive Vorgehen und die fortwährenden Einschränkungen der Grundrechte in Ägypten, insbesondere des Rechts auf freie Meinungsäußerung, sowohl online als auch offline, der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, des politischen Pluralismus und der Rechtsstaatlichkeit; verurteilt die übermäßige Gewaltanwendung gegen Demonstranten und erinnert Ägypten daran, dass die Reaktion der Sicherheitskräfte stets mit internationalen Normen und Standards sowie mit der eigenen Verfassung im Einklang stehen sollte;

2. fordert ein Ende aller gegen Menschenrechtsverteidiger, Anwälte, Demonstranten, Journalisten, Blogger, Gewerkschafter, Studierende, Minderjährige, Frauenrechtsaktivisten, LGBTI-Personen, Organisationen der Zivilgesellschaft, politische Gegner und Minderheiten gerichteten Fälle von Gewalt, Aufstachelung, Hetze, Schikanen, Einschüchterungen, Verschwindenlassen und Zensur durch staatliche Stellen, Sicherheitskräfte und -dienste und andere Gruppen in Ägypten; fordert, dass alle Menschenrechtsverletzungen unabhängig und transparent untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden; unterstreicht, dass die Achtung der Menschenrechte der einzige Weg sind, um in Ägypten langfristig für Stabilität und Sicherheit zu sorgen;

3. fordert die ägyptischen Behörden auf, alle Menschenrechtsverteidiger, die allein aufgrund ihres rechtmäßigen und friedlichen Einsatzes für die Menschenrechte festgenommen oder verurteilt wurden, umgehend und bedingungslos freizulassen, darunter Iman al-Helw, Mohamed Ibrahim, Mohamed Ramadan, Abdelrahman Tarek, Izzat Ghunaim, Haitham Mohamadin, Alaa Abdel Fattah, Ibrahim Metwally Hegazy, Mahinur al-Masri, Mohamed al-Baqr und Israa Abdel Fattah, und den Aufenthaltsort von Ibrahim Ezz el-Din unverzüglich festzustellen; fordert des Weiteren, dass Menschenrechtsverteidiger, Akademiker und weitere Untersuchungshäftlinge im Fall „Coalition Hope“ freigelassen werden, darunter Sijad el-Elaimi, Hassan Barbari und Rami Shaath, sowie Mitglieder der Parteien „Brot und Freiheit“ und Al-Dustur sowie der Ägyptischen Sozialdemokratischen Partei, die unlängst festgenommen wurden, ohne dass glaubwürdige Gründe für eine Strafanzeige vorgelegen hätten; fordert Ägypten auf, bis zu ihrer Freilassung ihren Aufenthaltsort zu nennen, ihnen den uneingeschränkten Kontakt zu ihren Familien und Rechtsanwälten ihrer Wahl und angemessene medizinische Versorgung zu gewähren und seriöse Untersuchungen sämtlicher Misshandlungs- und Foltervorwürfe zu veranlassen;

4. betont, wie wichtig es ist, dass die Gleichheit aller Ägypter, unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Weltanschauung, gewährleistet wird; fordert Ägypten auf, seine Blasphemiegesetze zu überarbeiten, damit religiöse Minderheiten geschützt sind; begrüßt die Erklärungen, in denen eine Erneuerung des islamischen Diskurses gefordert wird, damit Extremismus und Radikalisierung hinterfragt werden; fordert die ägyptischen Behörden, einschließlich der Militär- und Sicherheitskräfte, auf, die Rechte von Christen zu achten, sie vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen für solche Vergehen strafrechtlich verfolgt werden;

5. unterstützt den Wunsch der Mehrheit der ägyptischen Bevölkerung nach einem freien, stabilen, wohlhabenden, inklusionsgeprägten und demokratischen Land, in dem die nationalen und internationalen Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte und Grundfreiheiten geachtet werden; bekräftigt, dass das Recht auf friedliche Meinungsäußerung und Kritik gewährleistet werden muss;

6. fordert die ägyptischen Behörden eindringlich auf, die Websites von lokalen und internationalen Nachrichtenagenturen und Menschenrechtsorganisationen nicht länger zu blockieren und alle Medienschaffenden freizulassen, die aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit festgenommen wurden;

7. zeigt sich zutiefst besorgt, dass gegen Personen, die mit internationalen Menschenrechtsorganisationen oder den Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen zusammenarbeiten oder eine solche Zusammenarbeit anstreben, Vergeltungsmaßnahmen eingeleitet wurden; fordert die ägyptischen Behörden auf, die Rechtssache 173/2011 (den Fall „Finanzierung aus dem Ausland“) zu schließen, sämtliche gegen mindestens 31 Menschenrechtsverteidiger und Mitarbeiter von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen in diesem Fall verhängten Reiseverbote – sowie auch alle anderen willkürlich verhängten Reiseverbote – aufzuheben und den in dem Land lebenden ägyptischen Menschenrechtsverteidigern das Reisen zu ermöglichen, sodass diese an der Allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Ägyptens, die am 13. November 2019 beginnt, persönlich teilnehmen können;

8. fordert, dass das unlängst erlassene Gesetz über nichtstaatliche Organisationen aufgehoben und durch einen neuen Legislativrahmen ersetzt wird, der bei einer authentischen Konsultation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen ausgearbeitet wird und mit der ägyptischen Verfassung und internationalen Normen im Einklang steht;

9. bedauert, dass die Entführung, Folter und Ermordung des italienischen wissenschaftlichen Mitarbeiters Giulio Regeni im Jahr 2016 nicht glaubwürdig untersucht und dass niemand dafür zur Verantwortung gezogen wurde; bekräftigt seine Forderung gegenüber den ägyptischen Behörden, die Umstände des Todes von Giulio Regeni und Eric Lang aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und dabei mit den Behörden der von diesen Fällen betroffenen Mitgliedstaaten uneingeschränkt zusammenzuarbeiten;

10. fordert die Behörden auf, Rechtsvorschriften abzuändern, zu erlassen und wirksam umzusetzen, um jede Form von Diskriminierung zu beseitigen und alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen unter Strafe zu stellen, auch indem das Personenstandsgesetz geändert wird und gesetzliche Bestimmungen eingeführt werden, damit geschlechtsspezifische Gewalt sowie sexuelle Belästigung, Übergriffe und Vergewaltigung verboten werden; fordert die Behörden überdies auf, die nationale Strategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft zusammen mit unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die über anerkanntes Fachwissen in diesem Bereich verfügen, wirksam umzusetzen;

11. ist besorgt darüber, dass die Verhängung der Todesstrafe in Ägypten seit der Machtübernahme von Präsident Sisi massiv angestiegen ist; fordert die ägyptischen Behörden mit Nachdruck auf, ein Moratorium für Hinrichtungen zu verfügen, damit die Todesstrafe in dem Land abgeschafft wird, und bekräftigt seine Forderung gegenüber Ägypten, das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

12. spricht den Familien der Opfer von Terroranschlägen sein aufrichtiges Beileid aus; bekundet seine Solidarität mit dem ägyptischen Volk und bekräftigt, dass es entschlossen ist, gegen die Verbreitung radikaler Ideologien und terroristischer Vereinigungen vorzugehen; fordert die ägyptischen Behörden auf, sicherzustellen, dass ihre laufenden Militäreinsätze auf der Sinai-Halbinsel im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen durchgeführt werden, sämtliche Verstöße gründlich zu untersuchen und den Norden der Halbinsel umgehend für unabhängige Hilfsorganisationen sowie für unabhängige Beobachter und Journalisten zu öffnen;

13. bedauert, dass die jüngste Verhaftungswelle keine offizielle Reaktion der Hohen Vertreterin oder der Mitgliedstaaten auslöste; fordert die HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, auf das derzeitige repressive Vorgehen und die Menschenrechtsverletzungen einheitlich und entschlossen zu reagieren; erwartet, dass der EAD der Lage von Menschenrechtsverteidigern in Ägypten Priorität einräumt und dem Parlament über sein diesbezügliches Engagement gegenüber Kairo Bericht erstattet, auch was die einzelnen in dieser Entschließung angesprochenen Fälle betrifft; fordert die HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, auch bilaterale und multilaterale Instrumente, Handelsverhandlungen, die Europäische Nachbarschaftspolitik, Hilfen und – soweit erforderlich – gezielte restriktive Maßnahmen, um das repressive Vorgehen im Land zu stoppen und konkrete Fortschritte in der Menschenrechtsbilanz Ägyptens sicherzustellen;

14. fordert, dass die Beziehungen der EU zu Ägypten eingehend und umfassend überprüft werden; ist der Auffassung, dass die Menschenrechtslage in Ägypten eine ernsthafte Überarbeitung der Budgethilfen der Kommission erfordert, die in erster Linie auf die Unterstützung der Zivilgesellschaft beschränkt werden sollte;

15. fordert mit Nachdruck, dass die im Rahmen der Partnerschaftsprioritäten EU-Ägypten 2017–2020 eingegangenen Verpflichtungen eingehalten werden, und verlangt deren vollständige und ordnungsgemäße Umsetzung; fordert die EU auf, mit Blick auf die Aushandlung neuer Partnerschaftsprioritäten klare Zielvorgaben festzulegen, in deren Rahmen die weitere Zusammenarbeit mit Ägypten von Fortschritten bei der Reform der demokratischen Institutionen, der Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten abhängig gemacht wird, und Menschenrechtsbelange bei allen Gesprächen mit den ägyptischen Behörden durchgängig zu berücksichtigen; bekräftigt, dass die Menschenrechte nicht durch Maßnahmen der Migrationssteuerung oder der Terrorismusbekämpfung ausgehöhlt werden dürfen;

16. bekräftigt seine Forderung gegenüber den EU-Mitgliedstaaten, ihre Schlussfolgerungen vom 21. August 2013 umzusetzen, in denen gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP die Aussetzung der Genehmigungen für die Ausfuhr von Ausrüstungen, die zur internen Repression genutzt werden könnten, angekündigt wird, und verurteilt, dass die EU-Mitgliedstaaten diese Verpflichtungen fortlaufend missachten; fordert daher, dass die für Ägypten bestimmten Ausfuhren von Waffen, Überwachungstechnologien und sonstiger Sicherheitsausrüstung, die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und zivilgesellschaftliche Aktivisten, auch über soziale Medien, sowie sonstige Formen interner Repression womöglich erleichtern, auf Eis gelegt werden; fordert die HR/VP auf, über den aktuellen Stand der militärischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten mit Ägypten zu berichten; fordert die EU auf, ihre Kontrolle der Ausfuhr von Gütern nach Ägypten, die für Repression, Folter oder die Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden könnten, strikt durchzusetzen;

17. betont, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass bei jeder zwischen der EU und Ägypten geschlossenen Vereinbarung über Migration die internationalen Menschenrechtsnormen strikt eingehalten und die Grundrechte von Migranten und Flüchtlingen geachtet werden, und für ein adäquates Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht zu sorgen;

18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament Ägyptens und der Afrikanischen Kommission für die Menschenrechte und Rechte der Völker zu übermitteln.

 

 

Letzte Aktualisierung: 23. Oktober 2019
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