Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B9-0277/2021Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B9-0277/2021

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Kriegsgefangenen nach dem jüngsten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan

19.5.2021 - (2021/2693(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 der Geschäftsordnung
anstelle der folgenden Entschließungsanträge:
B9-0277/2021 (The Left)
B9-0278/2021 (Verts/ALE)
B9-0279/2021 (S&D)
B9-0281/201 (Renew)
B9-0288/2021 (PPE)

Michael Gahler, Andrey Kovatchev, Isabel Wiseler-Lima, Sandra Kalniete, Tom Vandenkendelaere, Andrius Kubilius, Peter van Dalen, Miriam Lexmann, Loránt Vincze, Krzysztof Hetman, Vladimír Bilčík, Róża Thun und Hohenstein, Elżbieta Katarzyna Łukacijewska, David Lega, Seán Kelly, Romana Tomc, Tomáš Zdechovský, Peter Pollák, Christian Sagartz, Adam Jarubas, Janina Ochojska, José Manuel Fernandes, Paulo Rangel, Stanislav Polčák, Loucas Fourlas, Eva Maydell, Michaela Šojdrová, Stelios Kympouropoulos, Luděk Niedermayer, Jiří Pospíšil
im Namen der PPE-Fraktion
Pedro Marques, Andrea Cozzolino, Isabel Santos
im Namen der S&D-Fraktion
Petras Auštrevičius, Malik Azmani, Dita Charanzová, Olivier Chastel, Katalin Cseh, Vlad Gheorghe, Klemen Grošelj, Svenja Hahn, Irena Joveva, Karin Karlsbro, Moritz Körner, Nathalie Loiseau, Karen Melchior, María Soraya Rodríguez Ramos, Nicolae Ştefănuță, Ramona Strugariu
im Namen der Renew-Fraktion
Viola Von Cramon-Taubadel, Hannah Neumann
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
ernando Barrena Arza, Idoia Villanueva Ruiz
im Namen der ECR-Fraktion
Fabio Massimo Castaldo, Charlie Weimers, Emmanouil Fragkos, Assita Kanko

Verfahren : 2021/2693(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B9-0277/2021
Eingereichte Texte :
RC-B9-0277/2021
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Kriegsgefangenen nach dem jüngsten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan

(2021/2693(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Armenien und Aserbaidschan,

 unter Hinweis auf das Treffen des Partnerschaftsrates EU-Armenien vom 17. Dezember 2020 und das Treffen des Kooperationsrates EU-Aserbaidschan vom 18. Dezember 2020 sowie auf die entsprechenden Schlussfolgerungen,

 unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, die Europäische Menschenrechtskonvention und das III. Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen,

 unter Hinweis auf die Waffenstillstandsvereinbarung zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland vom 9. November 2020, die am 10. November 2020 in Kraft trat,

 unter Hinweis auf den Bericht von Human Rights Watch vom 19. März 2021 mit dem Titel „Azerbaijan: Armenian POWs Abused in Custody“ (Aserbaidschan: Misshandlung von in seinen Händen befindlichen armenischen Kriegsgefangenen),

 unter Hinweis auf die Erklärung der EU vom 28. April 2021 zu den Gefangenen im Rahmen des jüngsten Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan,

 unter Hinweis auf die Erklärungen der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE vom 25. Oktober 2020, 30. Oktober 2020, 14. Dezember 2020, 13. April 2021 und 5. Mai 2021,

 unter Hinweis auf die Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2021 gemäß Artikel 39 seiner Verfahrensordnung an das Ministerkomitee des Europarates über vorläufige Maßnahmen im Zusammenhang mit dem jüngsten bewaffneten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan,

 gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft seit dem ersten Krieg um Bergkarabach zwischen 1988 und 1994 versucht, unter der Federführung der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE eine dauerhafte, umfassende Friedensregelung für den Bergkarabach-Konflikt auszuhandeln;

B. in der Erwägung, dass im Zuge des jüngsten bewaffneten Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan vom 27. September bis zum 10. November 2020 mehr als 5000 Soldaten getötet, Hunderte Zivilisten verletzt und getötet und Tausende Zivilisten vertrieben wurden; in der Erwägung, dass die Bevölkerung weiterhin leidet, weil Informationen über den Verbleib von Angehörigen fehlen, nur einige wenige Kriegsgefangene und andere gefangene Personen heimgekehrt sind, Probleme bei der Rückgabe menschlicher Überreste bestehen, der Zugang zu humanitärer Hilfe eingeschränkt ist und grundlegende Infrastruktur zerstört wurde;

C. in der Erwägung, dass die von diesem langjährigen Konflikt betroffenen Menschen bereits übermäßiges Leid erfahren haben; in der Erwägung, dass der Konflikt insgesamt zu umfangreichen und inakzeptablen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung geführt hat;

D. in der Erwägung, dass die Feindseligkeiten nach 44 Tagen eingestellt wurden, nachdem sich Armenien, Aserbaidschan und Russland auf einen vollständigen Waffenstillstand in und um Bergkarabach geeinigt hatten und die entsprechende Vereinbarung am 9. November 2020 unterzeichnet wurde und am 10. November 2020 in Kraft trat;

E. in der Erwägung, dass gemäß Ziffer 8 der trilateralen Waffenstillstandsvereinbarung ein Austausch der Kriegsgefangenen, Geiseln und anderen Gefangenen sowie der sterblichen Überreste der Getöteten erfolgen muss; in der Erwägung, dass dieser Austausch nach dem Grundsatz „alle für alle“ erfolgen sollte;

F. in der Erwägung, dass sowohl Armenien als auch Aserbaidschan Vertragsparteien des III. Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen sind, in dessen Artikel 118 festgelegt ist, dass die Kriegsgefangenen nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten ohne Verzug freigelassen und heimgeschafft werden müssen; in der Erwägung, dass in Artikel 13 des III. Genfer Abkommens festgelegt ist, dass die Kriegsgefangenen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden müssen und jede rechtwidrige Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in seinen Händen befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, untersagt ist und als schwere Verletzung des Abkommens gilt; in der Erwägung, dass das Abkommen die Kriegsgefangenen auch vor Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, Beleidigungen und öffentlicher Neugier schützt;

G. in der Erwägung, dass Angehörige des Militärs und Zivilisten, die vor bzw. nach dem Waffenstillstand festgenommen wurden, nach dem Völkerrecht unterschiedlichen Status genießen; in der Erwägung, dass einerseits Angehörige des Militärs, die vor und nach dem Waffenstillstand gefangen genommen werden, als Kriegsgefangene anerkannt und gemäß den Genfer Abkommen geschützt werden sollten; in der Erwägung, dass andererseits Zivilisten, die während des Konflikts festgenommen wurden, als geschützte Personen anerkannt werden müssen und ebenfalls im Rahmen der Genfer Abkommen geschützt sind; in der Erwägung, dass Zivilisten, die nach dem Waffenstillstand festgenommen werden, hingegen nach den internationalen Menschenrechtsnormen geschützt sind;

H. in der Erwägung, dass seit der Aussetzung der Feindseligkeiten mehrere Gefangenenaustausche sowohl von Angehörigen des Militärs als auch von Zivilisten durchgeführt wurden, wobei der letzte am 4. Mai 2021 stattfand;

I. in der Erwägung, dass sich besorgniserregenden Berichten zufolge etwa 200 Armenier in aserbaidschanischer Gefangenschaft befinden; in der Erwägung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erklärte, er habe Beschwerden im Zusammenhang mit 249 Armeniern erhalten, die von Aserbaidschan gefangen genommen wurden; in der Erwägung, dass der EGMR im Zusammenhang mit 229 Armeniern vorläufige Maßnahmen ergriffen hat, von denen 183 nach wie vor in Kraft sind; in der Erwägung, dass der EGMR am 9. März 2021 zu dem Schluss kam, dass Aserbaidschan den Maßnahmen nicht nachgekommen ist, und die beigebrachten Informationen als zu allgemein und zu begrenzt beurteilte; in der Erwägung, dass die Staatsorgane Aserbaidschans eingeräumt haben, dass sich 72 Armenier in ihren Händen befinden; in der Erwägung, dass Aserbaidschan dem EGMR in Bezug auf weitere 112 Personen keine Informationen übermittelt hat; in der Erwägung, dass über das Schicksal der übrigen armenischen Kriegsgefangenen nichts bekannt ist; in der Erwägung, dass seit der Einstellung der Feindseligkeiten 73 armenische Kriegsgefangene und Zivilisten nach Armenien heimgeschafft wurden;

J. in der Erwägung, dass beim EGMR auch Beschwerden im Zusammenhang mit 16 Aserbaidschanern eingegangen sind, die angeblich von Armenien gefangen genommen wurden und von denen 12 im Dezember 2020 heimgeschafft wurden; in der Erwägung, dass der EGMR angesichts der Art der Informationen, die er von der armenischen Regierung erhalten hat, die Prüfung gemäß Artikel 39 seiner Verfahrensordnung im Zusammenhang mit den übrigen vier Personen ausgesetzt hat;

K. in der Erwägung, dass glaubwürdige Berichte darüber vorliegen, dass auch nach der Einstellung der Feindseligkeiten am 10. November 2020 noch armenische Militärangehörige und Zivilisten gefangen genommen wurden; in der Erwägung, dass die Staatsorgane Aserbaidschans behaupten, diese Geiseln und Gefangenen seien Terroristen und verdienten den Status als Kriegsgefangene im Sinne des Genfer Abkommens nicht;

L. in der Erwägung, dass Human Rights Watch am 19. März 2021 berichtete, aserbaidschanische Sicherheits- und Streitkräfte hätten armenische Kriegsgefangene missbraucht und sie im Zuge ihrer Gefangennahme, während ihrer Überstellung oder während ihrer Inhaftierung in verschiedenen Hafteinrichtungen grausamer und erniedrigender Behandlung und Folter ausgesetzt; in der Erwägung, dass die aserbaidschanischen Streitkräfte bei der Festnahme von Zivilisten Gewalt angewendet und sie Folter sowie unmenschlichen und erniedrigenden Haftbedingungen ausgesetzt haben, was dazu geführt hat, dass mindestens zwei Inhaftierte in aserbaidschanischer Gefangenschaft gestorben sind; in der Erwägung, dass die aserbaidschanischen Streitkräfte diese Zivilisten in Gewahrsam nahmen, obwohl es keine Beweise dafür gab, dass sie eine wie auch immer geartete Sicherheitsbedrohung darstellten, die nach dem humanitären Völkerrecht ihre Inhaftierung rechtfertigen könnte; in der Erwägung, dass Aserbaidschan Vorwürfe zurückweist, armenische Kriegsgefangene seien auf eine Art und Weise behandelt worden, die gegen die Genfer Abkommen verstößt;

M. in der Erwägung, dass im Internet und in sozialen Medien Videos verbreitet wurden, die belegen sollen, dass Angehörige der Streitkräfte beider Seiten Gefangene verletzt und misshandelt haben; in der Erwägung, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass die Staatsorgane Aserbaidschans oder Armeniens rasche, öffentliche und konkrete Ermittlungen zu diesen Vorfällen durchgeführt haben oder dass die Ermittlungen, sofern sie stattgefunden haben, zu strafrechtlichen Verfolgungen geführt haben; in der Erwägung, dass es Mutmaßungen gibt, Kriegsgefangene und andere geschützte Personen seien außergerichtlich hingerichtet worden, man habe sie gewaltsam verschwinden lassen und ihre Leichen seien geschändet worden;

N. in der Erwägung, dass die Kommission am 17. Mai 2021 die Bereitstellung von zusätzlichen 10 Mio. EUR an humanitärer Hilfe für die vom jüngsten Konflikt in und um Bergkarabach betroffene Zivilbevölkerung angekündigt hat, sodass die Hilfe der EU für Menschen in Not seit Beginn der Feindseligkeiten im September 2020 inzwischen bei über 17 Mio. EUR liegt;

O. in der Erwägung, dass alle Seiten aktuelle Karten der Minenfelder zur Verfügung stellen sollten, um Zivilisten die Rückkehr in ehemalige Konfliktgebiete zu ermöglichen;

P. in der Erwägung, dass im „Park der militärischen Trophäen“, der am 12. April 2021 in Baku eingeweiht wurde, armenische Militärausrüstung, Wachspuppen, die tote und sterbende armenische Soldaten darstellen, und Darstellungen armenischer Kriegsgefangener, die in einer Zelle angekettet sind, ausgestellt sein sollen, was als Verherrlichung von Gewalt aufgefasst werden kann und die Gefahr birgt, dass die feindselige Stimmung weiter angeheizt und zu Hetze oder sogar zu unmenschlicher Behandlung der verbleibenden Kriegsgefangenen und anderer gefangener armenischer Zivilisten angestachelt wird und somit die Atmosphäre des Hasses aufrechterhalten und allen offiziellen Erklärungen zur Versöhnung widersprochen wird;

Q. in der Erwägung, dass Streitkräfte aus Aserbaidschan am 12. Mai 2021 vorübergehend in das Hoheitsgebiet Armeniens eingedrungen sind, was eine Verletzung der territorialen Integrität Armeniens und des Völkerrechts darstellt; in der Erwägung, dass dieser Verletzung des souveränen armenischen Hoheitsgebiets besorgniserregende Äußerungen aserbaidschanischer Vertreter, einschließlich des Präsidenten, vorangegangen waren, in denen offenbar territoriale Ansprüche erhoben und mit der Anwendung von Gewalt gedroht wurde, wodurch die Bemühungen um Sicherheit und Stabilität in der Region gefährdet werden;

R. in der Erwägung, dass in den vergangenen Monaten menschliche Überreste in die Heimat zurückgebracht wurden und für die von dem Konflikt schwer betroffene Bevölkerung humanitäre Hilfe bereitgestellt wurde;

S. in der Erwägung, dass es erneuter Anstrengungen bedarf, um zwischen den beiden Ländern Vertrauen aufzubauen und auf dem Weg zu dauerhaftem Frieden Fortschritte zu erzielen;

1. fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller armenischen Militär- und Zivilpersonen, die während des Konflikts und nach dem Konflikt gefangen- bzw. festgenommen wurden, und fordert Aserbaidschan auf, künftig von willkürlichen Gefangen- bzw. Festnahmen abzusehen; fordert die Parteien nachdrücklich auf, die trilaterale Waffenstillstandsvereinbarung vom 9. November 2020 uneingeschränkt umzusetzen, die den Austausch von Kriegsgefangenen, Geiseln und anderen Häftlingen sowie der sterblichen Überreste der Getöteten vorsieht;

2. bedauert die Gewalt während des jüngsten Krieges zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach; bekundet den Opfern und ihren Familien seine Solidarität; bedauert die Verletzung des Waffenstillstands, was zu weiterem menschlichem Leid und zu weiteren Todesfällen und Zerstörungen geführt hat; verurteilt alle Angriffe auf Zivilisten und weist erneut darauf hin, dass die Staaten nach dem humanitären Völkerrecht verpflichtet sind, das Leben von Zivilisten zu schützen;

3. fordert die Regierung Aserbaidschans nachdrücklich auf, vollständige Listen aller Personen vorzulegen, die sich im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in aserbaidschanischer Gefangenschaft befinden, und Informationen über deren Verbleib und Gesundheitszustand sowie über Personen, die in Gefangenschaft gestorben sind, bereitzustellen;

4. weist darauf hin, dass das Unterlassen der Offenlegung von Informationen über das Schicksal und den Verbleib vermisster Personen dem Verschwindenlassen gleichkommen kann, zu dessen Verhinderung sich sowohl Aserbaidschan als auch Armenien verpflichtet haben; fordert alle Seiten auf, das Schicksal und den Verbleib der Verschwundenen zu klären und Leichname würdevoll zu behandeln;

5. fordert, dass die Regierung Aserbaidschans die Rechtsgarantien achtet, Anwälten, Ärzten und Menschenrechtsverteidigern Zugang zu armenischen Gefangenen gewährt und diesen die Kommunikation mit ihren Angehörigen ermöglicht;

6. ist zutiefst besorgt angesichts glaubwürdiger Berichte, wonach armenische Kriegsgefangene und andere Festgenommene unter erniedrigenden Bedingungen festgehalten wurden und werden und bei ihrer Gefangennahme bzw. in Haft unmenschlicher Behandlung und Folter unterzogen wurden; verurteilt sämtliche Fälle von Folter und Verschwindenlassen – auch in bewaffneten Konflikten – sowie von Misshandlungen und Leichenschändungen;

7. fordert die Staatsorgane Aserbaidschans auf, dafür zu sorgen, dass Personen, die sich noch in Gefangenschaft bzw. Haft befinden, in vollem Umfang der Schutz gewährt wird, der nach den internationalen Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht erforderlich ist, wozu auch die Freiheit von Folter und unmenschlicher Behandlung zählt; fordert die Staatsorgane Armeniens und Aserbaidschans auf, unabhängige, zügige, öffentliche und konkrete Ermittlungen durchzuführen und allen glaubwürdigen Vorwürfen nachzugehen, die schwerwiegende Verstöße gegen die Genfer Abkommen und andere Verstöße gegen das Völkerrecht und Kriegsverbrechen betreffen, und diese Verstöße und Verbrechen gegebenenfalls strafrechtlich zu verfolgen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und den Opfern Wiedergutmachung zuteilwerden zu lassen, möglicherweise mit Unterstützung einer gezielten internationalen Mission; fordert die Regierung Aserbaidschans auf, uneingeschränkt mit dem EGMR zusammenzuarbeiten, um den Wahrheitsgehalt von Berichten über die entmenschlichende Behandlung armenischer Gefangener zu prüfen, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen;

8. weist darauf hin, dass derzeit keine öffentlich zugänglichen glaubwürdigen Informationen über aserbaidschanische Kriegsgefangene und Häftlinge in Armenien vorliegen;

9. erinnert alle Konfliktparteien an ihre Verpflichtung zur Achtung des humanitären Völkerrechts, das Folter und andere erniedrigende oder unmenschliche Behandlung verbietet, und bekräftigt, dass Folter und Misshandlung von Kriegsgefangenen Kriegsverbrechen darstellen;

10. verurteilt aufs Schärfste den Vorfall vom 9. April 2021, als die aserbaidschanische Staatsmacht statt eines Flugzeugs, mit dem armenische Gefangene in ihre Heimat hätten zurückgebracht werden sollen, ein leeres Flugzeug nach Armenien fliegen ließ; hält dieses Vorgehen für äußerst gefühllos und ist zudem der Ansicht, dass hierin eine allgemein herabwürdigende Haltung Aserbaidschans gegenüber armenischen Gefangenen und ihren Angehörigen deutlich zum Ausdruck kommt;

11. beharrt darauf, dass es dringend geboten ist, von feindseligen Äußerungen und Handlungen abzusehen, die als Aufstachelung zu Hass oder Gewalt oder als Förderung der Straflosigkeit aufgefasst werden können oder bei denen die Gefahr besteht, dass dadurch die Bemühungen beeinträchtigt werden, mit denen eine Atmosphäre geschaffen und begünstigt werden soll, die Vertrauen und Versöhnung, der Zusammenarbeit und dem dauerhaften Frieden dienlich ist;

12. fordert die Regierung Aserbaidschans auf, in der Frage der armenischen Gefangenen uneingeschränkt mit dem EGMR zusammenzuarbeiten und dessen vorläufigen Maßnahmen nachzukommen, in denen Aserbaidschan aufgefordert wurde, ausführliche Informationen über die Haftbedingungen der Gefangenen, ihren Gesundheitszustand und die zu ihrer Rückführung ergriffenen Maßnahmen vorzulegen;

13. ist der Überzeugung, dass ein vollständiger Gefangenenaustausch, die gegenseitige vollständige Rückgabe der sterblichen Überreste der Getöteten und die endgültige Beilegung dieser Angelegenheiten aus humanitärer Sicht vordringlich sind, insbesondere für die Angehörigen der Betroffenen, und dass dies eine erste vertrauensbildende Maßnahme wäre, die unbedingt notwendig ist, um rudimentäre Stabilität in dieser Region zu schaffen;

14. fordert die Regierung Aserbaidschans auf, den einschlägigen internationalen Organisationen wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe freien und ungehinderten Zugang zu den Gefangenen zu gewähren;

15. betont, dass dringend dafür gesorgt werden muss, dass die Bedürftigen humanitäre Hilfe erhalten, dass die Sicherheit der armenischen Bevölkerung in Bergkarabach gewahrt und ihr dortiges Kulturerbe geschützt wird und dass Binnenvertriebenen und Flüchtlingen die Rückkehr an ihren früheren Wohnort gestattet wird;

16. beharrt nachdrücklich darauf, dass beide Parteien von jeglichen Handlungen absehen, mit denen armenisches Kulturerbe in Aserbaidschan und aserbaidschanisches Kulturerbe in Armenien zerstört würde; fordert den vollständigen Wiederaufbau zerstörter Stätten und eine stärkere Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft in den Schutz des Weltkulturerbes in der Region;

17. weist erneut darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft unter der Führung der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE bestrebt ist, eine friedliche, dauerhafte, umfassende und nachhaltige Lösung auf der Grundlage der Grundprinzipien der OSZE von 2009 (Gewaltverzicht, territoriale Integrität, Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker) mit dem Ziel zu finden, den künftigen Status der Region Bergkarabach festzulegen; bekräftigt, dass dieses Ziel nur durch eine auf dem Verhandlungsweg herbeigeführte politische Lösung verwirklicht werden kann, deren Verbindlichkeit alle betroffenen Parteien tatsächlich anerkennen; fordert die Parteien auf, den politischen Dialog auf hoher Ebene unter der Schirmherrschaft der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder aufzunehmen; fordert die Regierungen Armeniens und Aserbaidschans sowie die internationalen Vermittler auf, Frauen systematisch in den Friedensprozess einzubeziehen und Menschenrechtsverteidigerinnen zu konsultieren;

18. bedauert, dass die in der Minsk-Gruppe der OSZE vertretenen Mitgliedstaaten der EU nicht zugegen waren, als die Waffenstillstandsvereinbarung ausgehandelt wurde, und dass die EU keine Führungsstärke gezeigt hat, als es darum ging, zwei ihrer hochgeschätzten östlichen Partner an den Verhandlungstisch zu bringen;

19. bedauert die Eröffnung des sogenannten Parks der Trophäen in Baku, der seit dem 14. April 2021 für die Öffentlichkeit zugänglich ist, da mit dieser Einrichtung die langanhaltende feindselige Stimmung weiter verstärkt und das gegenseitige Vertrauen zwischen Armenien und Aserbaidschan ausgehöhlt wird; fordert daher nachdrücklich die sofortige Schließung des Parks;

20. fordert den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) und die Kommission auf, Armenien und Aserbaidschan sämtliche Hilfe anzubieten, die zur Festigung des Waffenstillstands erforderlich ist, alle Anstrengungen zu unterstützen, die zu Stabilität, Wiederaufbau, Vertrauensbildung und Instandsetzung nach dem Krieg führen, und die Umsetzung der Bestimmungen der Waffenstillstandsvereinbarung aufmerksam zu beobachten, insbesondere was den Überwachungsmechanismus betrifft; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger insbesondere angesichts der Einschränkungen ihrer Tätigkeit stärker zu unterstützen und enger mit ihnen zusammenzuarbeiten; ist der Ansicht, dass dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für den Südkaukasus in dieser Hinsicht eine wichtige Funktion zukommt;

21. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Bereitstellung dringender humanitärer Hilfe und die Arbeit internationaler Organisationen in diesem Bereich und für den Schutz des kulturellen und religiösen Erbes auch künftig zu unterstützen und Organisationen der Zivilgesellschaft in Armenien und Aserbaidschan, die wirklich zur Aussöhnung beitragen, Hilfestellung zu leisten;

22. fordert den VP/HR und die Mitgliedstaaten auf, auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft im Herbst 2021 auch die Themen Sicherheit, Stabilität und regionale Zusammenarbeit im Südkaukasus anzusprechen;

23. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Generalsekretärin der OSZE, den Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament Armeniens und dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament Aserbaidschans zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 20. Mai 2021
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