GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur politischen Krise in Sudan
19.1.2022 - (2022/2504(RSP))
anstelle der folgenden Entschließungsanträge:
B9‑0068/2022 (The Left)
B9‑0070/2022 (Verts/ALE)
B9‑0078/2022 (Renew)
B9‑0080/2022 (S&D)
B9‑0081/2022 (ECR)
B9‑0082/2022 (PPE)
Željana Zovko, Tomáš Zdechovský, Michael Gahler, David McAllister, Andrey Kovatchev, Paulo Rangel, Isabel Wiseler‑Lima, Miriam Lexmann, Stelios Kympouropoulos, Gheorghe‑Vlad Nistor, Inese Vaidere, Krzysztof Hetman, Janina Ochojska, Stanislav Polčák, David Lega, Ivan Štefanec, Christian Sagartz, Antonio López‑Istúriz White, Vladimír Bilčík, Adam Jarubas, José Manuel Fernandes, Elżbieta Katarzyna Łukacijewska, Vangelis Meimarakis, Romana Tomc, Peter Pollák, Tom Vandenkendelaere, Loránt Vincze, Jiří Pospíšil, Seán Kelly, Michaela Šojdrová, Luděk Niedermayer
im Namen der PPE-Fraktion
Pedro Marques, Andrea Cozzolino, Jytte Guteland
im Namen der S&D-Fraktion
Jan‑Christoph Oetjen, Petras Auštrevičius, Malik Azmani, Nicola Beer, Izaskun Bilbao Barandica, Dita Charanzová, Olivier Chastel, Vlad Gheorghe, Andreas Glück, Klemen Grošelj, Bernard Guetta, Svenja Hahn, Karin Karlsbro, Moritz Körner, Ilhan Kyuchyuk, Karen Melchior, Javier Nart, Frédérique Ries, María Soraya Rodríguez Ramos, Michal Šimečka, Nicolae Ştefănuță, Ramona Strugariu, Dragoş Tudorache, Hilde Vautmans
im Namen der Renew-Fraktion
Katrin Langensiepen
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Anna Fotyga, Assita Kanko, Ryszard Antoni Legutko, Adam Bielan, Alexandr Vondra, Angel Dzhambazki, Bogdan Rzońca, Carlo Fidanza, Elżbieta Rafalska, Eugen Jurzyca, Evžen Tošenovský, Jadwiga Wiśniewska, Ladislav Ilčić, Raffaele Fitto, Ryszard Czarnecki, Valdemar Tomaševski, Veronika Vrecionová, Vincenzo Sofo, Witold Jan Waszczykowski
im Namen der ECR-Fraktion
Marisa Matias
im Namen der Fraktion The Left
Fabio Massimo Castaldo
Entschließung des Europäischen Parlaments zur politischen Krise in Sudan
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Sudan,
– unter Hinweis auf die Debatte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über Sudan vom 12. Januar 2022,
– unter Hinweis auf die Erklärung der EU, des Vereinigten Königreichs, Norwegens und der USA vom 4. Januar 2022 nach dem Rücktritt des sudanesischen Ministerpräsidenten,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sondergesandten des Generalsekretärs für Sudan vom 8. Januar 2022 zur Ankündigung von Gesprächen über einen politischen Übergang in Sudan,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union vom 21. November 2021 zu der in Sudan erzielten politischen Einigung,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) vom 18. Januar 2022 zu der aktuellen Lage in Sudan,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 18. November 2021, in der sie die Tötung friedlicher Demonstranten in Sudan verurteilte,
– unter Hinweis auf die Resolution 2524 (2020) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Einrichtung der integrierten Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Übergang in Sudan (UNITAMS),
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, zu dessen Vertragsparteien Sudan gehört,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker,
– unter Hinweis auf den Verhaltenskodex der Vereinten Nationen für Beamte mit Polizeibefugnissen,
– unter Hinweis auf die sudanesische Verfassungserklärung vom August 2019,
– unter Hinweis auf das Cotonou-Abkommen[1],
– unter Hinweis auf das Friedensabkommen von Juba für Sudan vom Oktober 2020,
– unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Strategie Afrika-EU,
unter Hinweis auf die Entschließung der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP) und der EU vom 11. März 2021 zu Demokratie und der Achtung der Verfassungen in den EU- und den AKP-Ländern,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass vor dem Staatsstreich vom 25. Oktober 2021 das sudanesische Militär und die zivile Führung die Macht seit August 2019 geteilt hatten, nachdem der autoritäre Staatschef Omar al-Baschir nach Demonstrationen, die eine zivile Regierung forderten, gestürzt worden war; in der Erwägung, dass die Vereinbarung über die Teilung der Macht zwischen den militärischen und zivilen Akteuren zur Einsetzung des Souveränitätsrats als kollektives Staatsoberhaupt des Landes geführt hat;
B. in der Erwägung, dass sich der Souveränitätsrat ursprünglich aus fünf Zivilisten, die von den Kräften der Freiheit und des Wandels (FFC) ausgewählt wurden, fünf Militärvertretern, die vom Militärischen Übergangsrat (TMC) ausgewählt wurden, und einem Zivilisten, der im Einvernehmen zwischen FFC und TMC ausgewählt wurde, zusammensetzte; in der Erwägung, dass gemäß der sudanesischen Verfassungserklärung von 2019 der Vorsitz des Souveränitätsrates in den ersten 21 Monaten der 39-monatigen Übergangszeit von den fünf militärischen Mitgliedern des Rates und in den darauffolgenden 18 Monaten von den fünf vom FFC ausgewählten zivilen Mitgliedern gewählt werden sollte; in der Erwägung, dass der Übergang vom derzeitigen Vorsitzenden, General Abdel Fattah al-Burhan, zur zivilen Regierung am 9. Dezember 2021 erfolgen sollte; in der Erwägung, dass im Einklang mit dem Verfassungsdokument, das die Übergangszeit regelt, im Juli 2023 allgemeine Wahlen in Sudan stattfinden sollen;
C. in der Erwägung, dass die Vereinbarung über die Teilung der Macht aus dem Jahr 2019 am 25. Oktober 2021 durch einen Staatsstreich von Militärführer General Abdel Fattah al-Burhan zunichte gemacht wurde, der den Ausnahmezustand ausrief, den Souveränitätsrat, in dem die Macht geteilt wurde, auflöste, die Zivilregierung entließ und Ministerpräsident Abdalla Hamdok und sein Ministerteam sowie andere Aktivisten und politische Persönlichkeiten vorübergehend inhaftierte, was internationale Verurteilung und breite Proteste in Sudan zur Folge hatte; in der Erwägung, dass dieser Staatsstreich die Übergabe an einen von Zivilisten geführten Souveränitätsrat beendete;
D. in der Erwägung, dass Hamdok am 21. November 2021 eine Vereinbarung mit General al-Burhan unterzeichnete, die ihn aus dem Hausarrest entließ und ihm erlaubte, sein Amt als Ministerpräsident weiterzuführen; in der Erwägung, dass sich Hamdok bereit erklärt hat, sein Amt wieder zu übernehmen, um die demokratischen Reformen fortzusetzen und ein neues technokratisches Kabinett zu führen, bis Wahlen abgehalten werden können; in der Erwägung, dass viele pro-demokratische Aktivisten, zivilgesellschaftliche Gruppen und zivile Führungspersönlichkeiten diese Vereinbarung ablehnten; in der Erwägung, dass Ministerpräsident Hamdok am 2. Januar 2022 im Anschluss an landesweite Pro-Demokratie-Proteste unter Hinweis auf den Widerstand der Militärgeneräle gegen eine verstärkte zivile Herrschaft zurücktrat;
E. in der Erwägung, dass General al-Burhan Personen, die mit dem al-Baschir-Regime in Verbindung stehen, in Schlüsselpositionen ernannt hat, u. a. in den staatseigenen Medien und der Zentralbank, und den Generalstaatsanwalt und die Leiter eines Ausschusses entlassen hat, der illegale finanzielle Gewinne untersucht, die während der drei Jahrzehnte währenden Herrschaft von al-Baschir erzielt wurden; in der Erwägung, dass al-Burhan am 24. Dezember 2021 den Nachrichtendiensten, den Rapid Support Forces und der Armee die Befugnis erteilte, Personen zu durchsuchen, zu verhaften, zu verhören und Eigentum zu beschlagnahmen, Befugnisse, die zuvor nur der Polizei und der Staatsanwaltschaft zustanden; in der Erwägung, dass den Mitgliedern dieser Kräfte auch Immunität vor Strafverfolgung gewährt wurde, die nur von den Führern des Souveränitätsrates selbst aufgehoben werden kann;
F. in der Erwägung, dass die Bürger seit dem Militärputsch vom 25. Oktober 2021 weiterhin friedliche Massendemonstrationen gegen das Militär organisieren, das weiterhin mit Gewalt und extremer Brutalität, einschließlich des Einsatzes von scharfer Munition, Tränengas und Betäubungsgranaten, reagiert hat, was zum Tod von mindestens 70 Demonstranten und zu Hunderten von Verletzten und Inhaftierten führte;
G. in der Erwägung, dass Sicherheitskräfte Berichten zufolge sexuelle Gewalt angewendet haben, wobei die Vereinten Nationen derzeit Aussagen von 13 Frauen und Mädchen nachgehen, die Berichten zufolge Opfer von Vergewaltigungen oder Gruppenvergewaltigungen wurden, während andere Frauen während der Demonstrationen in Khartum am 19. Dezember 2021 von Sicherheitskräften sexuell belästigt wurden; in der Erwägung, dass es weit verbreitete Internetabschaltungen und Unterbrechungen der Kommunikation gibt, zusätzlich zu Berichten über Journalisten, die gezielt und willkürlich verhaftet und angegriffen wurden;
H. in der Erwägung, dass sudanesische Frauen und junge Menschen eine Schlüsselrolle auf dem Weg des Landes zur Demokratie gespielt haben; in der Erwägung, dass Frauen, insbesondere in den ersten Tagen der Demokratiebewegung, wiederholt Opfer von Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, geworden sind und dass die Urheber dieser unmenschlichen Verbrechen noch immer nicht bestraft worden sind;
I. in der Erwägung, dass es alarmierende Berichte darüber gibt, dass Sicherheitskräfte in Krankenhäuser eingedrungen sind, um Demonstranten festzunehmen, zu verhindern, dass Verletzte behandelt wurden, und das medizinische Personal zu bedrohen und einzuschüchtern; in der Erwägung, dass die Weltgesundheitsorganisation seit November 2021 15 Angriffe auf medizinisches Personal und Gesundheitseinrichtungen gemeldet hat;
J. in der Erwägung, dass die Reaktion auf die Proteste gegen das Recht auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, das Recht auf persönliche Freiheit und das Verbot von Folter und Misshandlung sowie gegen andere Grundrechte verstößt, die in regionalen und internationalen Verträgen, denen Sudan beigetreten ist, garantiert werden;
K. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage in Sudan weiter verschlechtert und Aktivisten der sudanesischen Zivilgesellschaft in den letzten Monaten zunehmend ins Visier genommen wurden; in der Erwägung, dass Berichten zufolge mehrere Aktivisten verschwunden sind und ihre sterblichen Überreste später mit deutlichen Anzeichen von Folter gefunden wurden; in der Erwägung, dass Zivilisten, Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, Journalisten und politische Führer willkürlich verhaftet und in Isolationshaft gehalten werden;
L. in der Erwägung, dass die UNITAMS am 8. Januar 2022 Konsultationen zur Wiederherstellung des demokratischen Übergangs mit dem Ziel eingeleitet hat, das Militär, die Rebellengruppen, die politischen Parteien, die Protestbewegungen, die Zivilgesellschaft und die Frauengruppen einzuladen, sich an dem Prozess zu beteiligen; in der Erwägung, dass dies zwar sowohl in Sudan als auch auf internationaler Ebene weitgehend begrüßt wurde, dass aber einige Teile der Gesellschaft nach wie vor jede Vereinbarung über die Teilung der Macht mit den Militärs entschieden ablehnen;
M. in der Erwägung, dass die sudanesischen Bürger nach wie vor mit einer steigenden Inflation konfrontiert sind, wobei das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) einen Anstieg um mehr als 300 % im Vergleich zum Vorjahr meldet, und dass die Preise für Treibstoff und Grunderzeugnisse extrem gestiegen sind, was zusammen mit dem Mangel an grundlegenden Dienstleistungen dazu führt, dass viele Menschen nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, was die Frustration unter den Demonstranten noch verstärkt; in der Erwägung, dass Ministerpräsident Hamdok eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen über den Schuldenerlass spielte und die USA davon überzeugte, Sudan von der Liste der staatlichen Förderer des Terrorismus zu streichen; in der Erwägung, dass zahlreiche Militärbefehlshaber Berichten zufolge rund 250 Unternehmen in wichtigen Bereichen der sudanesischen Wirtschaft wie Gold-, Gummi- und Fleischexporte kontrollieren;
N. in der Erwägung, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) Sudan im Jahr 2021 ein Darlehen in Höhe von 2,5 Mrd. USD gewährte und gemeinsam mit der Weltbank den Antrag von Sudan auf Schuldenerlass im Rahmen der Initiative für hochverschuldete arme Länder genehmigte, was die Verabschiedung umfassender Wirtschaftsreformen, einschließlich der Abschaffung bestimmter Subventionen, voraussetzte; in der Erwägung, dass dies durch den Staatsstreich untergraben zu werden droht;
O. in der Erwägung, dass die Afrikanische Union Sudan nach dem Staatsstreich von allen ihren Aktivitäten ausgeschlossen hat; in der Erwägung, dass mehrere Staaten und multilaterale Organisationen, darunter der IWF, ihre Auslandshilfe ausgesetzt und die Auszahlungen eingestellt haben; in der Erwägung, dass die Europäische Union angekündigt hat, dass ihre Unterstützung für Sudan gefährdet sein wird, wenn die verfassungsmäßige Ordnung nicht wiederhergestellt wird; in der Erwägung, dass zahlreiche Nicht-EU-Länder aktiv in Sudan involviert sind, unter anderem durch Waffenlieferungen, politische Unterstützung und Finanzströme im Zusammenhang mit Rohstoffen und Gold; in der Erwägung, dass diese Länder eine Rolle hinsichtlich der Stabilität in der Region spielen und unterschiedliche Ziele und langfristige Strategien verfolgen; in der Erwägung, dass ihre gegensätzlichen Interessen eine Herausforderung für die weitere Entwicklung von Sudan und der Region darstellen und die ohnehin schon starken Spannungen am Horn von Afrika weiter verschärfen, was einer politischen Lösung der Situation in Äthiopien nicht förderlich sein wird;
P. in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage in ganz Sudan weiter verschlechtert, insbesondere in Ost-Darfur, wo Hunderte von Zivilisten getötet und Tausende vertrieben wurden, sowie in Südkordofan, wo es zu massiven Vertreibungen und Tötungen kam; in der Erwägung, dass nach Angaben der Vereinten Nationen im Jahr 2022 6,2 Millionen Zivilisten humanitäre Hilfe benötigen werden und nach Angaben des WFP 2,7 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind; in der Erwägung, dass sich die humanitäre Lage durch die COVID-19-Krise und den Zustrom von Flüchtlingen aus der Konfliktregion in Äthiopien noch verschärft hat;
Q. in der Erwägung, dass das sudanesische Kabinett am 4. August 2021 einstimmig beschlossen hat, dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) beizutreten, wobei die Zustimmung des Souveränitätsrates noch aussteht, und in der Erwägung, dass Sudan damit verpflichtet wäre, alle Verdächtigen auszuliefern, die wegen der in den Jahren 2003 bis 2004 in Darfur begangenen Verbrechen vor dem IStGH angeklagt sind, einschließlich des ehemaligen Präsidenten Omar al-Baschir; in der Erwägung, dass es bedauerlicherweise keine Fortschritte bei der Einrichtung des im Abkommen von Juba vorgesehenen Sonderstrafgerichts für Darfur gegeben hat;
R. in der Erwägung, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Mandat der UNITAMS, die die sudanesischen Staatsorgane beim Übergang zur Demokratie unterstützen soll, am 3. Juni 2021 bis Juni 2022 verlängert hat;
S. in der Erwägung, dass die EU seit September 2019 – in erster Linie im Rahmen des Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika – mehr als 88 Mio. EUR an Entwicklungshilfe zur Unterstützung politischer und wirtschaftlicher Reformen bereitgestellt hat, um zu Frieden und Stabilität in Sudan beizutragen;
T. in der Erwägung, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am 12. November 2021 Adama Dieng als Experten für Menschenrechte in Sudan benannt hat; in der Erwägung, dass Adama Dieng mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Berichts betraut ist, den die Hohe Kommissarin dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auf dessen 50. Tagung im Juni 2022 vorlegen wird;
1. verurteilt, dass Sicherheitskräfte und andere bewaffnete Gruppen seit dem Militärputsch vom 25. Oktober 2021 zahlreiche sudanesische Demonstranten getötet und hunderte weitere verletzt haben, unter anderem indem sie sexuelle Gewalt ausübten; hebt das Recht des sudanesischen Volkes hervor, sich zu versammeln und seine Grundrechte wahrzunehmen, damit die Demokratie wiederhergestellt wird und seine grundlegenden Bedürfnisse befriedigt werden; fordert alle Interessenträger in Sudan auf, die in der Verfassungserklärung von 2019 verankerte Rechtsstaatlichkeit zu achten;
2. verurteilt den Militärputsch vom 25. Oktober 2021 und erinnert daran, dass sich die sudanesische Militärführung unbedingt wieder zum demokratischen Übergang des Landes bekennen und die Forderungen der sudanesischen Bevölkerung nach Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit erfüllen muss; fordert die sudanesische Militärführung auf, klare Zeitpläne und Verfahren für eine Rückkehr auf den Pfad des zuvor vereinbarten Übergangs vorzugeben, auch indem sie die Exekutive, die Legislative und die Judikative einsetzt, Rechenschaftsmechanismen einrichtet und die Voraussetzungen für Wahlen schafft;
3. verurteilt sämtliche Gewaltakte gegen friedliche Demonstranten, Aktivisten, Journalisten und alle anderen Personen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit friedlich wahrnehmen; fordert, dass alle Personen, die derzeit ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert sind, unverzüglich freigelassen werden, dass alle Angeklagten umfassenden Zugang zu einer rechtlichen Vertretung erhalten und dass der Ausnahmezustand unverzüglich aufgehoben wird; fordert die sudanesischen Staatsorgane auf, illegalen Festnahmen und Verschleppungen unverzüglich Einhalt zu gebieten; weist darauf hin, dass die sudanesischen Streitkräfte rechtlich nicht befugt sind, Zivilisten festzunehmen oder Strafverfolgungsaufgaben wahrzunehmen, da die Befugnis zur Festnahme und Inhaftierung von Zivilisten seit dem 21. Januar 2021 ausschließlich bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft liegt; verurteilt die andauernde Abschaltung von Internetdiensten;
4. verurteilt die gemeldeten Übergriffe auf medizinische Einrichtungen durch Sicherheitskräfte aufs Schärfste; fordert die sudanesischen Staatsorgane auf, allen Verletzten eine Behandlung zu ermöglichen; weist darauf hin, dass gezielte Übergriffe gegen medizinisches Personal, Patienten und medizinische Einrichtungen einen eklatanten Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen;
5. fordert, dass die Todesfälle und die damit verbundenen Gewalttaten unabhängig untersucht und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden; unterstützt die Forderungen nach einer unabhängigen internationalen Erkundungsmission, bei der den Berichten über Gewalt gegen Demonstranten seit dem Militärputsch im Oktober 2021 nachgegangen wird; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, gemeinsam mit regionalen und internationalen Organisationen hierbei Unterstützung zu leisten und die Ereignisse in dem Land intensiv zu verfolgen, sodass sichergestellt wird, dass allen Menschenrechtsverletzungen nachgegangen wird und die Täter strafrechtlich verfolgt werden können; hebt hervor, dass ähnlich gelagerte Untersuchungen der Verbrechen, die sowohl während der Herrschaft von Omar al-Baschir als auch während des Übergangszeitraums 2019 verübt wurden, weitergeführt werden müssen;
6. unterstützt mit Nachdruck die Bemühungen der UNITAMS um die Förderung des Dialogs zur Lösung der politischen Krise; fordert alle politischen Akteure Sudans auf, sich an diesem Dialog zur Wiederaufnahme des Übergangs zu einer zivilen Herrschaft im Einklang mit der Verfassungserklärung von 2019 zu beteiligen und dem Wunsch der sudanesischen Bürger nach mehr Freiheit, Demokratie, Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand nachzukommen; ist der festen Überzeugung, dass die Ernennung des neuen zivilen Ministerpräsidenten und Kabinetts unbedingt im Rahmen eines solchen internen Dialogs in Sudan stattfinden sollte, damit dafür gesorgt ist, dass diese Personen glaubwürdig sind und von der sudanesischen Zivilgesellschaft akzeptiert werden, die klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sie jegliche Form einer autoritären Regierung ablehnt und einen wirklichen und dauerhaften Übergang zur Demokratie wünscht; fordert alle regionalen Akteure auf, nach Treu und Glauben zu handeln, eine zivile Regierung zu unterstützen und nicht den Rapid Support Forces zur Seite zu stehen, deren Mitglieder im Interesse der öffentlichen Sicherheit in Sudan umgehend von Polizei- und Strafverfolgungsaufgaben abgezogen werden müssen;
7. hebt hervor, dass der Reformprozess gemäß der Verfassungserklärung von 2019 inklusiv sein und von Sudan selbst geführt werden muss, dass klare Zeitpläne und Verfahren für die Errichtung der Legislative und einer unabhängigen Justiz festgelegt werden müssen, dass Rechenschaftsmechanismen geschaffen werden müssen und dass schnellstmöglich inklusive, faire und transparente Wahlen abgehalten werden müssen; betont, dass der Dialog uneingeschränkt inklusiv sein muss und zuvor ausgegrenzte Gruppen, einschließlich Frauen, junger Menschen und Minderheiten, vertreten sein müssen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, diesen Prozess aktiv zu unterstützen;
8. verurteilt den äußerst besorgniserregenden Anstieg der Gewalt in Darfur und Südkordofan und bringt seine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck; fordert die internationalen Beobachter auf, ihre Aufmerksamkeit erneut Darfur und Südkordofan zuzuwenden, um die Bevölkerung vor Ort vor Gewalt, Leid und massenhafter Vertreibung zu schützen;
9. fordert die Sicherheitskräfte und andere bewaffnete Gruppen auf, ab sofort im ganzen Land und insbesondere in Darfur keine Gewalt gegen Zivilisten und humanitäre Helfer mehr anzuwenden; verurteilt die Plünderung des Lebensmittel-Lagerhauses des WFP in Al-Faschir in Nord-Darfur durch lokale Milizen am 29. Dezember 2021, da sich in diesem Lagerhaus Lebensmittel befanden, die für Hunderttausende Menschen in dem Gebiet, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, bestimmt waren, und betont nachdrücklich, dass humanitäre Hilfe niemals Ziel in einem Konflikt sein sollte;
10. fordert erneut, dass der ehemalige Präsident Omar al-Baschir für die Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen wird, die während seiner autoritären Herrschaft gegen sudanesische Zivilisten begangen wurden, wozu auch Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zählen; spricht sich für die Auslieferung von Omar al-Baschir und für die Auslieferung des ehemaligen Verteidigungsministers Abdel Rahim Mohammed Hussein und des ehemaligen Staatsministers für humanitäre Angelegenheiten Ahmad Harun an den IStGH aus, da sie am Krieg in Darfur beteiligt waren;
11. fordert Sudan erneut auf, das Römische Statut des IStGH zu ratifizieren, umfassend mit dem IStGH zusammenzuarbeiten und ausstehende Haftbefehle zu vollstrecken; fordert die sudanesischen Staatsorgane auf, Amtsträger und Offiziere der Sicherheitskräfte, die an schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beteiligt waren, ihres Amtes zu entheben; fordert alle politischen Akteure eindringlich auf, der Einrichtung des im Friedensabkommen von Juba von 2006 („Juba Declaration on Unity and Integration between the Sudan People’s Liberation Army And the South Sudan Defence Forces“) vorgesehenen Sonderstrafgerichts für Darfur Vorrang einzuräumen;
12. fordert die sudanesischen Staatsorgane auf, die Bemühungen des sudanesischen Militärs, das Eigentum an und die Kontrolle über strategisch wichtige Wirtschaftszweige und Unternehmen zu behalten – wodurch der Reformprozess umgekehrt wird –, zu verurteilen; fordert die Kommission auf, mit Blick auf den Umgang mit diesen Wirtschaftszweigen solide Sorgfaltspflichtmechanismen einzurichten und gegebenenfalls die Bestimmungen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte uneingeschränkt gegen Einzelpersonen anzuwenden;
13. verurteilt die Bestrebungen des Militärs, die Institutionen Sudans zu untergraben, indem es während des Übergangszeitraums ernannte Beamte absetzt und sie durch andere Beamte ersetzt, die mit dem früheren al-Baschir-Regime sympathisieren; hebt hervor, dass vom Regime entlassene Beamte wieder eingesetzt werden müssen;
14. unterstützt die Erklärung des VP/HR vom 18. November 2021, wonach die EU ernsthafte Konsequenzen mit Blick auf die finanzielle Unterstützung ziehen wird, wenn die verfassungsmäßige Ordnung nicht vollständig wiederhergestellt wird; hält es jedoch für geboten, dass die EU weiterhin Unterstützung bei der Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen etwa in den Bereichen Gesundheit und Bildung leistet; begrüßt deshalb den Beitrag in Höhe von 10 Mio. EUR, den die Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe der Kommission im Dezember 2021 dem WFP für lebensrettende Nahrungsmittelhilfe in Sudan zur Verfügung gestellt hat und der zu den 13. Mio. EUR hinzukommt, die Anfang 2021 bereitgestellt wurden;
15. ist besorgt darüber, dass die Zusammenarbeit der EU mit Sudan im Bereich Migration vom Militärregime als Vorwand zur Ausweitung seiner Möglichkeiten, Menschen zu kontrollieren und zu unterdrücken, benutzt wird, indem es beispielsweise die Überwachungskapazitäten unter anderem an den Grenzen stärkt und Ausrüstungsgegenstände bereitstellt; fordert die EU aus diesem Grund auf, bei Projekten im Bereich Sicherheit, an denen Sudan beteiligt ist, für umfassende Transparenz zu sorgen, etwa im Hinblick auf alle geplanten Maßnahmen und alle Begünstigten, die Fördermittel der EU oder einzelner Mitgliedstaaten erhalten; hält es für geboten, die Vorgehensweise der EU in den Bereichen Migration, nachhaltige Entwicklung, humanitäre Hilfe und verantwortungsvolle Staatsführung kontinuierlich zu überprüfen, die Zivilgesellschaft zu stärken und demokratische Reformen zu unterstützen, damit es zu einer inklusiven politischen Entwicklung in Sudan kommt;
16. bekräftigt seine Forderung, die Ausfuhr, den Verkauf, die Modernisierung und die Instandhaltung jeglicher Form von Sicherheitsausrüstung, die für die interne Repression verwendet werden kann oder wird, einschließlich Technologien für die Überwachung des Internets, in Staaten mit einer kläglichen Menschenrechtsbilanz, wie sie Sudan aufweist, EU-weit zu verbieten; fordert andere Staaten in der Region nachdrücklich auf, diesem Beispiel zu folgen;
17. fordert die internationale Gemeinschaft auf, gemeinsam mit der EU die Zivilgesellschaft und demokratische Akteure zu unterstützen, und erinnert Nicht-EU-Staaten – insbesondere die regionalen Akteure, die über eine starke Präsenz und einen ausgeprägten Einfluss in Sudan verfügen – an ihre internationale Verantwortung und den wichtigen Beitrag, den sie zu einem freien, friedlichen und demokratischen Sudan leisten könnten, was auch im langfristigen Interesse aller genannten Akteure läge;
18. fordert die Delegation der EU in Sudan und die Vertretung der Mitgliedstaaten in Sudan auf, die Leitlinien der EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern umfassend anzuwenden, indem sie beispielsweise Besuche in Gefängnissen beantragen, Gerichtsverfahren beobachten, öffentliche Erklärungen abgeben, bei Behörden auf allen Ebenen Fälle ansprechen und gegebenenfalls Notfallvisa ausstellen;
19. fordert, dass die Lage in Sudan in der nächsten Sitzung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) der EU am 24. Januar 2022 aktiv erörtert wird;
20. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, den sudanesischen Staatsorganen, der Afrikanischen Union, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung, dem Gemeinsamen Markt für das Östliche und Südliche Afrika, der Regierung und dem Parlament Ägyptens, dem Golf-Kooperationsrat, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU und dem Panafrikanischen Parlament zu übermitteln.
- [1] ABl. L 317 vom 15.12.2000, S. 3.