Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B9-0250/2022Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B9-0250/2022

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den Berichten über die fortgesetzte Organentnahme in China

4.5.2022 - (2022/2657(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 der Geschäftsordnung
anstelle der folgenden Entschließungsanträge:
B9‑0250/2022 (Verts/ALE)
B9‑0251/2022 (S&D)
B9‑0252/2022 (Renew)
B9‑0253/2022 (ECR)
B9‑0254/2022 (PPE)

Željana Zovko, Peter van Dalen, Michael Gahler, David McAllister, Sandra Kalniete, Isabel Wiseler‑Lima, David Lega, Sara Skyttedal, Radosław Sikorski, Tom Vandenkendelaere, Eugen Tomac, José Manuel Fernandes, Adam Jarubas, Elżbieta Katarzyna Łukacijewska, Miriam Lexmann, Antonio López‑Istúriz White, Tomáš Zdechovský, Peter Pollák, Stanislav Polčák, Eva Maydell, Christian Sagartz, Vangelis Meimarakis, Gheorghe‑Vlad Nistor, Michaela Šojdrová, Paulo Rangel, Seán Kelly, Ivan Štefanec, Luděk Niedermayer, Vladimír Bilčík, Krzysztof Hetman, Arba Kokalari, Inese Vaidere, Traian Băsescu, Romana Tomc
im Namen der PPE-Fraktion
Pedro Marques, Andrea Cozzolino, Maria Arena
im Namen der S&D-Fraktion
Hilde Vautmans, Petras Auštrevičius, Izaskun Bilbao Barandica, Dita Charanzová, Olivier Chastel, Engin Eroglu, Vlad Gheorghe, Klemen Grošelj, Bernard Guetta, Svenja Hahn, Karin Karlsbro, Moritz Körner, Ilhan Kyuchyuk, Javier Nart, Dragoş Pîslaru, Frédérique Ries, María Soraya Rodríguez Ramos, Nicolae Ştefănuță, Ramona Strugariu, Dragoş Tudorache
im Namen der Renew-Fraktion
Reinhard Bütikofer
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Raffaele Fitto, Anna Fotyga, Charlie Weimers, Adam Bielan, Angel Dzhambazki, Assita Kanko, Elżbieta Kruk, Hermann Tertsch, Jadwiga Wiśniewska, Ladislav Ilčić, Nicola Procaccini, Roberts Zīle, Valdemar Tomaševski, Veronika Vrecionová, Witold Jan Waszczykowski, Zbigniew Kuźmiuk, Carlo Fidanza
im Namen der ECR-Fraktion
Fabio Massimo Castaldo


Verfahren : 2022/2657(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B9-0250/2022
Eingereichte Texte :
RC-B9-0250/2022
Aussprachen :
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Berichten über die fortgesetzte Organentnahme in China

(2022/2657(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den Beziehungen zwischen der EU und China,

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 2013 zu Organentnahmen in China[1],

 unter Hinweis auf die von seiner Generaldirektion Interne Politikbereiche am 12. April 2016 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Ergebnisse des Seminars zur Organentnahme in China“[2],

 unter Hinweis auf die Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe[3],

 unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union von 2009, insbesondere auf Artikel 3 über das Recht auf Unversehrtheit,

 unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, die von China am 4. Oktober 1988 ratifiziert wurden,

 unter Hinweis auf die Konvention des Europarats gegen den Organhandel,

 unter Hinweis auf die Erklärung von Istanbul zu Organhandel und Transplantationstourismus,

 unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, das von China 1949 unterzeichnet wurde,

 unter Hinweis auf die Erklärung von Sachverständigen der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 14. Juni 2021 zu Berichten über angebliche Organentnahmen, von denen Minderheiten in China betroffen sind,

 unter Hinweis auf die von seinem Unterausschuss Menschenrechte organisierte Anhörung vom 29. November 2021 zum Thema Organentnahme in China,

 unter Hinweis auf das am 1. März 2020 ergangene abschließende Urteil des Unabhängigen Gerichts für erzwungene Organentnahme von Gefangenen aus Gewissensgründen in China (China-Tribunal),

 gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Förderung und Achtung der universellen Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit im Mittelpunkt der Beziehungen der EU zu China stehen, was mit der Verpflichtung der EU, diesen Werten in ihrem auswärtigen Handeln Rechnung zu tragen, und mit Chinas Zusage, diese Werte im Rahmen seiner eigenen Entwicklungszusammenarbeit und internationalen Zusammenarbeit zu achten, im Einklang steht;

B. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage in China seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping im März 2013 weiter verschlechtert hat; in der Erwägung, dass die chinesische Regierung gegenüber den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit zunehmend feindselig eingestellt ist;

C. in der Erwägung, dass weltweit jährlich 10 000 illegale Organtransplantationen bei Menschen durchgeführt werden; in der Erwägung, dass mit dem Organhandel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge jährlich mehr als 1 Mrd. EUR an Gewinn erwirtschaftet wird;

D. in der Erwägung, dass in der Volksrepublik China aufgrund überlieferter Vorstellungen der Anteil der Personen, die in Organspenden einwilligen, äußerst gering ist; in der Erwägung, dass China im Jahr 1984 Bestimmungen eingeführt hat, nach denen die Organentnahme von hingerichteten Gefangenen erlaubt ist; in der Erwägung, dass China nach eigenen Angaben 2015 die Verwendung von Organen hingerichteter Gefangener eingestellt und ein nationales Organspendensystem eingeführt hat, ohne diese Praxis jedoch jemals vollständig zu verbieten, sodass sie nach wie vor legal ist;

E. in der Erwägung, dass das Organtransplantationssystem in China nicht den Anforderungen der WHO im Hinblick auf Transparenz und Rückverfolgbarkeit der Organe entspricht und dass sich die chinesische Regierung einer unabhängigen Kontrolle des Systems widersetzt; in der Erwägung, dass die freie Einwilligung der Betroffenen nach vorheriger Aufklärung die Voraussetzung für eine ethisch vertretbare Organspende darstellt;

F. in der Erwägung, dass unter erzwungener Organentnahme die Tötung einer Person ohne ihre Zustimmung zu verstehen ist, damit ihre Organe entfernt und in den Körper einer anderen Person verpflanzt werden können; in der Erwägung, dass diese Praxis als eklatante und nicht hinnehmbare Verletzung des Grundrechts auf Leben betrachtet werden muss;

G. in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter und der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ihre Besorgnis angesichts der Berichte über Organentnahmen von Gefangenen zum Ausdruck gebracht und die Regierung der Volksrepublik China aufgefordert haben, die Rechenschaftspflicht und Transparenz des Organtransplantationssystems zu erhöhen und diejenigen, die für dessen Missbrauch verantwortlich sind, zu bestrafen;

H. in der Erwägung, dass das China-Tribunal[4] im März 2020 sein abschließendes Urteil gefällt hat, in dem es feststellte, dass die erzwungene Organentnahme in ganz China seit Jahren in erheblichem Umfang praktiziert wird und dass die Anhänger von Falun Gong eine – und wahrscheinlich die wichtigste – Quelle der Versorgung mit menschlichen Organen waren; in der Erwägung, dass sich die chinesische Regierung weigerte, vor dem China-Tribunal auszusagen;

I. in der Erwägung, dass die starke Abhängigkeit von hingerichteten und lebenden Gefangenen als Quelle von Organen für Transplantationen eine Vielzahl von inakzeptablen Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen der ärztlichen Ethik zur Folge hat;

J. in der Erwägung, dass laut einer Erklärung von Sachverständigen der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 10. Juni 2021 glaubwürdige Informationen darüber vorliegen, dass an Häftlingen, die ethnischen, sprachlichen oder religiösen Minderheiten in China angehören, ohne deren freie, freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilte Einwilligung medizinische Untersuchungen vorgenommen wurden, darunter Bluttests und Untersuchungen der Organe mittels Ultraschall und Röntgenstrahlen, wie sie für die Feststellung der Eignung von Organen für Transplantation unerlässlich sind;

K. in der Erwägung, dass Sachverständige der Vereinten Nationen für Menschenrechte den Sachverhalt bereits 2006 und 2007 gegenüber der chinesischen Regierung zur Sprache gebracht haben; in der Erwägung, dass die Antworten der chinesischen Regierung weder Angaben über die Herkunft der für Transplantationen verwendeten Organe noch über die Systeme für den Informationsaustausch enthielten, die zur Identifizierung und zum Schutz von Opfern des Organhandels und zur wirksamen Ermittlung und strafrechtlichen Verfolgung von Organhändlern beitragen könnten;

L. in der Erwägung, dass die chinesische Regierung die Anschuldigungen der Organentnahme zurückgewiesen hat, vornehmlich in ihrer Antwort an das Amt der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, und wiederholt und kategorisch bestritten hat, dass Falun-Gong-Anhänger wegen ihrer Organe getötet wurden;

1. ist zutiefst besorgt über die Berichte über anhaltende, systematische, unmenschliche und staatlich sanktionierte Organentnahme von Gefangenen in der Volksrepublik China und insbesondere von Falun-Gong-Anhängern;

2. weist darauf hin, dass China das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert hat, wonach ein absolutes und ausnahmsloses Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gilt;

3. ist der Ansicht, dass die Praxis, in der Volksrepublik China lebende zum Tode verurteilte Gefangene und Gefangene aus Gewissensgründen für die Organentnahme zu nutzen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs darstellen kann; fordert die Volksrepublik China nachdrücklich auf, das Römische Statut zu unterzeichnen und ihm beizutreten;

4. fordert die chinesischen Staatsorgane auf, unverzüglich auf die Vorwürfe der Organentnahme zu reagieren und eine unabhängige Kontrolle durch internationale Menschenrechtsmechanismen, einschließlich des Amtes der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, zu ermöglichen;

5. bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass es keine unabhängige Kontrolle darüber gibt, ob Gefangene oder Häftlinge eine gültige Einwilligung zu einer Organspende geben; verurteilt den Mangel an Informationen vonseiten der chinesischen Staatsorgane über Berichte, wonach die sterblichen Überreste verstorbener Häftlinge und Gefangener den Hinterbliebenen nicht ausgehändigt werden;

6. fordert die chinesischen Staatsorgane nachdrücklich auf, die freie und in Kenntnis der Sachlage erteilte Einwilligung von Gefangenen oder Häftlingen zu medizinischen Untersuchungen einzuholen und diese sicherzustellen sowie einen Regelungsrahmen für ein freiwilliges und transparentes Organspendensystem gemäß internationalen Übereinkommen einzuführen;

7. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, das Thema Organentnahme in China bei jedem Menschenrechtsdialog zur Sprache zu bringen; besteht darauf, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten den Missbrauch im Zusammenhang mit Organtransplantationen in China öffentlich verurteilen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Transplantationstourismus ihrer Bürger nach China zu unterbinden und ihre Bürger, die nach China reisen, für dieses Problem zu sensibilisieren;

8. begrüßt den Besuch der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte Michelle Bachelet in China; fordert die Vereinten Nationen nachdrücklich auf, mit ihrer Untersuchung des Organhandels während dieses Besuchs fortzufahren;

9. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, das Problem der erzwungenen Organentnahme im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit Drittländern zur Sprache zu bringen, insbesondere mit ihren Partnern in der Golfregion, wo chinesische Transplantationskliniken Werbung für Organe von Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten in China machen, die „halal“ sind;

10. fordert China auf, die Anforderungen der WHO in Bezug auf Transparenz und Rückverfolgbarkeit bei der Beschaffung von Organen in vollem Umfang zu erfüllen;

11. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass in ihren Übereinkommen und Kooperationsabkommen mit Drittländern, einschließlich China, in den Bereichen Gesundheit und Forschung die ethischen Grundsätze der EU in Bezug auf Organspende und die Verwendung von Bestandteilen und Produkten des menschlichen Körpers für wissenschaftliche Zwecke geachtet werden; fordert die einschlägigen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten auf, die Regeln ihrer Zusammenarbeit mit chinesischen Einrichtungen in den Bereichen Transplantationsmedizin, Forschung und Ausbildung zu bewerten und zu überdenken;

12. fordert, dass die chinesischen Staatsorgane der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und den Mandatsträgern der Sonderverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen einen offenen, ungehinderten und wirksamen Zugang zu Xinjiang gewähren; fordert die chinesische Regierung auf, mit den Organisationen der Vereinten Nationen in dieser Angelegenheit zusammenzuarbeiten; fordert den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen nachdrücklich auf, sich vorrangig mit der Frage der erzwungenen Organentnahme zu befassen;

13. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China sowie der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 4. Mai 2022
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