GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Deportation ukrainischer Zivilisten nach Russland und der Zwangsadoption ukrainischer Kinder in Russland
14.9.2022 - (2022/2825(RSP))
anstelle der folgenden Entschließungsanträge:
B9‑0388/2022 (Verts/ALE)
B9‑0390/2022 (S&D)
B9‑0399/2022 (Renew)
B9‑0402/2022 (ECR)
B9‑0407/2022 (PPE)
Željana Zovko, Michaela Šojdrová, Ewa Kopacz, Gheorghe Falcă, Eugen Tomac, Rasa Juknevičienė, Tomáš Zdechovský, Radosław Sikorski, David McAllister, Magdalena Adamowicz, Sara Skyttedal, Antonio López‑Istúriz White, Tom Vandenkendelaere, Peter Pollák, José Manuel Fernandes, Adam Jarubas, Elżbieta Katarzyna Łukacijewska, Vangelis Meimarakis, Paulo Rangel, Christian Sagartz, Krzysztof Hetman, Inese Vaidere, Sandra Kalniete, Seán Kelly, Benoît Lutgen, Vladimír Bilčík, Stelios Kympouropoulos, Loránt Vincze, Miriam Lexmann, Andrius Kubilius, Michael Gahler, Isabel Wiseler‑Lima, Ivan Štefanec, Jiří Pospíšil, Stanislav Polčák, Arba Kokalari, Janina Ochojska, Romana Tomc, Andrey Kovatchev, Andrzej Halicki, Jerzy Buzek, Traian Băsescu
im Namen der PPE-Fraktion
Pedro Marques, Andrea Cozzolino, Evin Incir, Raphaël Glucksmann, Radka Maxová, Juozas Olekas
im Namen der S&D-Fraktion
Petras Auštrevičius, Nicola Beer, Izaskun Bilbao Barandica, Dita Charanzová, Olivier Chastel, Vlad Gheorghe, Klemen Grošelj, Bernard Guetta, Svenja Hahn, Karin Karlsbro, Moritz Körner, Ilhan Kyuchyuk, Nathalie Loiseau, Karen Melchior, Urmas Paet, Frédérique Ries, María Soraya Rodríguez Ramos, Michal Šimečka, Nicolae Ştefănuță, Ramona Strugariu, Dragoş Tudorache, Hilde Vautmans
im Namen der Renew-Fraktion
Viola von Cramon‑Taubadel
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Raffaele Fitto, Anna Fotyga, Karol Karski, Jadwiga Wiśniewska, Witold Jan Waszczykowski, Jacek Saryusz‑Wolski, Alexandr Vondra, Ladislav Ilčić, Beata Kempa, Elżbieta Kruk, Assita Kanko, Valdemar Tomaševski, Tomasz Piotr Poręba, Hermann Tertsch, Roberts Zīle, Zbigniew Kuźmiuk, Adam Bielan, Dominik Tarczyński, Andżelika Anna Możdżanowska, Beata Mazurek, Eugen Jurzyca, Angel Dzhambazki, Bogdan Rzońca, Elżbieta Rafalska, Ryszard Czarnecki, Patryk Jaki, Veronika Vrecionová, Nicola Procaccini
im Namen der ECR-Fraktion
Fabio Massimo Castaldo, Carlo Fidanza
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Deportation ukrainischer Zivilisten nach Russland und der Zwangsadoption ukrainischer Kinder in Russland
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Ukraine und zu Russland, insbesondere die Entschließungen vom 7. April[1], vom 5. Mai[2] und vom 19. Mai[3] 2022,
– unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf die Haager Übereinkommen,
– unter Hinweis auf die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle,
– unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH),
– unter Hinweis auf das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes und die dazugehörigen Zusatzprotokolle,
– unter Hinweis auf die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Ukraine vom 30. Mai 2022,
– unter Hinweis auf die Berichte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom 13. April 2022 und vom 14. Juli 2022 über die in der Ukraine begangenen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
– unter Hinweis auf die Berichte des Menschenrechtskommissars des ukrainischen Parlaments,
– unter Hinweis auf die Aussprache im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vom 7. September 2022 über die Zwangsumsiedelung und Verbringung ukrainischer Staatsangehöriger sowie über Zwangsadoptionen ukrainischer Kinder in Russland,
– unter Hinweis auf den Bericht von Human Rights Watch mit dem Titel „‚We Had No Choice‘: ‚Filtration‘ and the Crime of Forcibly Transferring Ukrainian Civilians to Russia“ („Wir hatten keine Wahl“: „Filtration“ und das Verbrechen der zwangsweisen Überführung ukrainischer Zivilisten nach Russland) vom 1. September 2022,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Russische Föderation am 24. Februar 2022 einen unprovozierten, ungerechtfertigten und rechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat; in der Erwägung, dass Russland seit Beginn seiner umfassenden Invasion der Ukraine massive und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen hat – darunter Massenmorde an Zivilisten und Kriegsgefangenen, Folter, sexuelle Gewalt, Verschwindenlassen, zwangsweise Überführungen, Plünderung und Behinderung von Evakuierungen und humanitären Konvois –, die allesamt nach dem Völkerrecht verboten sind und strafrechtlich verfolgt werden müssen;
B. in der Erwägung, dass Schätzungen des Menschenrechtskommissars (Bürgerbeauftragten) des ukrainischen Parlaments zufolge seit dem 24. Februar 2022 mehr als eine Million Ukrainer gewaltsam in die Russische Föderation verbracht wurden – oft bis in den Fernen Osten Russlands; in der Erwägung, dass verschiedene Quellen darauf hinweisen, dass diese Zahl zu niedrig angesetzt wurde – wobei die höchsten Schätzungen sich auf 2,5 Millionen belaufen – und dass die Zahl ständig steigt; in der Erwägung, dass die Deportationen aus der Ukraine, denen durch sogenannte Filtrationslager Vorschub geleistet wird, klare historische Parallelen zu den Massendeportationen durch die Sowjetunion und zu den Konzentrationslagern des Gulag-Systems aufweisen; in der Erwägung, dass eine zwangsweise Überführung ein Kriegsverbrechen und ein potenzielles Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt;
C. in der Erwägung, dass die massive Deportation ukrainischer Zivilisten in die Russische Föderation von internationalen Organisationen wie der OSZE und den Vereinten Nationen als einer der schwersten Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht bezeichnet wurde, den die Russische Föderation in ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine begangen hat;
D. in der Erwägung, dass sich das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) vergewissert hat, dass die sogenannten Filtration tatsächlich stattfindet, die groß angelegte, obligatorische, repressive und missbräuchliche Sicherheitsüberprüfungen umfasst, die zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen gegen ukrainische Staatsangehörige geführt haben; in der Erwägung, dass ukrainische Zivilisten faktisch interniert waren, während sie warteten, um diesen Prozess zu durchlaufen, der von wenigen Stunden bis zu fast einem Monat dauern kann; in der Erwägung, dass ukrainische Staatsangehörige während der „Filtration“ einer eingehenden Vernehmung, Leibesvisitation – manchmal mit erzwungener Nacktheit – und Folter ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass ukrainische Frauen und Mädchen unter diesen Umständen der Gefahr sexueller Ausbeutung ausgesetzt sind;
E. in der Erwägung, dass die „Filtration“ systematisch erfolgt und eine massenhafte illegale Erhebung von Daten darstellt, wodurch die russischen Staatsorgane riesige Mengen an personenbezogenen Daten über ukrainische Zivilisten – einschließlich ihrer biometrischen Daten – erhalten; in der Erwägung, dass dies eine eindeutige Verletzung des Rechts auf Privatsphäre darstellt und die Betroffenen Gefahr laufen könnten, in Zukunft ins Visier genommen zu werden;
F. in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane während dieses Prozesses häufig ukrainische Pässe konfiszieren und ukrainische Staatsangehörige dazu zwingen, Vereinbarungen über den dauerhaften Verbleib in Russland zu unterzeichnen, wodurch sie an der Rückkehr in ihre Heimat gehindert werden, womit offensichtlich die Absicht verfolgt wird, die demografische Zusammensetzung der Ukraine zu verändern; in der Erwägung, dass Russland über die Deportationen und Adoptionen hinaus nach seinem geopolitischen Konzept „Russki mir“ („Russische Welt“) in den besetzten Gebieten der Ukraine eine beschleunigte Russifizierung vorantreibt;
G. in der Erwägung, dass ukrainische Staatsangehörige, die das „Filtrationsverfahren“ „nicht bestehen“, inhaftiert und in russische Haftanstalten und Strafkolonien verbracht werden und Gefahr laufen, schweren Schaden, einschließlich Folter und Misshandlung, zu erleiden oder zu verschwinden; in der Erwägung, dass das OHCHR glaubwürdige Berichte über die Trennung von Kindern von ihren Familien dokumentiert hat, falls der begleitende Erwachsene das „Filtrationsverfahren“ nicht erfolgreich durchlaufen hat;
H. in der Erwägung, dass Kinder, die vor dem Krieg fliehen, insbesondere wenn sie unbegleitet sind, einem erhöhten Risiko von Gewalt, Misshandlung und Ausbeutung ausgesetzt sind, sowie dem Risiko, zu verschwinden und Opfer von Menschenhandel zu werden, insbesondere wenn sie sich über die Grenzen hinweg bewegen, und dass insbesondere Mädchen dem Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind;
I. in der Erwägung, dass der ukrainische Bürgerbeauftragte am 3. September 2022 angegeben hat, dass bereits mehr als 200 000 Kinder zur Adoption durch russische Familien in die Russische Föderation entführt wurden, und dass er die Umstände der Deportation von 7 000 ukrainischen Kindern überprüfen konnte; in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane ukrainische Kinder bewusst von ihren Eltern trennen und weitere Kinder aus Waisenhäusern, anderen Kinderheimen und Kinderkrankenhäusern entführen, bevor sie sie zur Adoption in Russland freigeben; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen der Russischen Föderation systematisch und in großem Stil durchgeführt werden und dabei neben anderen Straftaten auch alle Angaben zur Identität der deportierten Kinder vernichtet werden;
J. in der Erwägung, dass die Ukraine das Portal „Children of War“ (Kinder des Krieges) eingerichtet hat, um es den Eltern vermisster, zwangsumgesiedelter und deportierter Kinder zu ermöglichen, alle verfügbaren Daten auszutauschen;
K. in der Erwägung, dass der Prozess der Ausreise oder der erneuten Zusammenführung mit ihren Erziehungsberechtigten unglaublich komplex ist, sobald sich Kinder in den von Russland besetzten Gebieten oder in Russland selbst befinden; in der Erwägung, dass der Prozess mangels formeller Verfahren für die Rückführung ukrainischer Kinder in die Ukraine oder die erneute Zusammenführung mit ihren Erziehungsberechtigten und Betreuungspersonen weitgehend auf Einzelpersonen mit Unterstützung durch Freiwillige vor Ort, nichtstaatliche Organisationen und Verhandlungen über inoffizielle Kanäle beruht;
L. in der Erwägung, dass Präsident Wladimir Putin am 25. und am 30. Mai 2022 Dekrete zur Vereinfachung der Verfahren zur Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft an ukrainische Staatsangehörige – darunter Kinder ohne elterliche Fürsorge – und zur Adoption ukrainischer Kinder durch russische Familien unterzeichnet hat, wodurch die Rückkehr dieser Personen in die Ukraine weiter erschwert und der Zwangsassimilation ukrainischer Kinder Vorschub geleistet wird; in der Erwägung, dass seither Hunderte von ukrainischen Kindern die russische Staatsbürgerschaft erhalten und zu neuen Eltern in den verschiedenen Regionen Russlands verbracht wurden;
M. in der Erwägung, dass das Völkerrecht die Deportation innerhalb eines besetzten Gebiets oder aus einem besetzten Gebiet in das Gebiet der Besatzungsmacht eindeutig verbietet, was einen schweren Verstoß gegen die Genfer Abkommen und ein Kriegsverbrechen im Sinne des Römischen Statuts des IStGH darstellt; in der Erwägung, dass nach dem Völkerrecht und internationalen Gepflogenheiten Adoptionen in Notfällen oder unmittelbar danach verboten sind; in der Erwägung, dass die Ukraine zu Beginn des Krieges ein Moratorium für internationale Adoptionen verabschiedet hat; in der Erwägung, dass es Besatzungsmächten nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und dem IV. Genfer Abkommen untersagt ist, den persönlichen Status von Kindern, einschließlich ihrer Staatsangehörigkeit, ändern;
N. in der Erwägung, dass gemäß Artikel II der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes die gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe mit der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, einen Völkermord darstellt;
O. in der Erwägung, dass ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und andere schutzbedürftige Gruppen offenbar besonders gefährdet sind, in den von Russland besetzten Gebieten oder in Russland festgesetzt zu werden, da sie häufig gegen ihren Willen in Einrichtungen wie Pflegeheime in Russland oder den von Russland besetzten Gebieten untergebracht werden; in der Erwägung, dass es sich bei diesen Einrichtungen um geschlossene Einrichtungen handelt und dass durch die Unterbringung schutzbedürftiger Menschen deren Recht auf Freizügigkeit grundlegend verletzt wird;
P. in der Erwägung, dass ukrainische Staatsangehörige, sobald sie sich im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation befinden, mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sind – beispielsweise fehlen ihnen die Mittel, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sie können weder ukrainische Hrywnja umtauschen noch Bargeld mit Bankkarten abheben, es mangelt ihnen an Kleidung und Hygieneartikeln, und sie können keinen Kontakt zu Verwandten aufnehmen; in der Erwägung, dass ukrainische Zivilisten ohne Mittel zur Rückkehr in wirtschaftlich schwache oder isolierte Gebiete in Russland, oft in Sibirien, zwangsumgesiedelt werden; in der Erwägung, dass diejenigen, die versuchen, Russland zu verlassen, mangels ordnungsgemäßer Ausweispapiere, die sie bei ihrer Flucht vor dem Krieg in der Ukraine zurückgelassen haben oder die von den russischen Staatsorganen beschlagnahmt wurden, häufig Schwierigkeiten beim Überqueren der Grenze haben;
Q. in der Erwägung, dass die Propaganda des Kremls zur Rechtfertigung des aktuellen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf einer verzerrten Darstellung des Zweiten Weltkriegs beruht;
1. verurteilt auf das Allerschärfste den Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine und die Verstrickung von Belarus in diesen Krieg und fordert Russland auf, alle militärischen Aktivitäten in der Ukraine umgehend einzustellen und sämtliche Streitkräfte und das gesamte militärische Gerät bedingungslos aus dem gesamten international anerkannten Hoheitsgebiet der Ukraine abzuziehen; bekundet seine ungeteilte Solidarität mit der Bevölkerung der Ukraine, unterstützt uneingeschränkt die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen und unterstreicht, dass dieser Krieg eine schwerwiegende Völkerrechtsverletzung darstellt;
2. verurteilt aufs Schärfste die laut Berichten von den russischen Streitkräften, ihren Erfüllungsgehilfen und den verschiedenen Besatzungsbehörden begangenen Gräueltaten, insbesondere die Deportation ukrainischer Zivilisten, unter denen auch Kinder sind, nach Russland sowie die abscheulichen Praktiken Russlands in den sogenannten Filtrationslagern, in denen Familienmitglieder voneinander getrennt werden und diejenigen, die als „unzuverlässig“ eingestuft werden, verschwinden;
3. fordert Russland auf, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen uneingeschränkt nachzukommen und umgehend die Vertreibung und die zwangsweise Überführung ukrainischer Zivilisten nach Russland und in die von Russland besetzten Gebiete, alle erzwungenen Verbringungen von Kindern nach Russland und in die von Russland besetzten Gebiete sowie alle internationalen Adoptionen von Kindern, die aus dem gesamten international anerkannten Hoheitsgebiet der Ukraine in die Russische Föderation verbracht wurden, einzustellen; fordert Russland auf, sämtliche Rechtsvorschriften aufzuheben, die die Adoption von Kindern aus der Ukraine erleichtern;
4. hält es für dringend erforderlich, dass internationale und europäische Organisationen, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, die Internationale Organisation für Migration und das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte, ungehinderten Zugang zu den „Filtrationslagern“ und anderen Orten erhalten, wo sich ukrainische Staatsangehörige nach ihrer Verbringung nach Russland und in die von Russland besetzten Gebiete befinden, diese Einrichtungen kontrollieren und ukrainischen Staatsangehörigen behilflich sind – sowohl jenen, die in das Hoheitsgebiet der Ukraine zurückkehren möchten, als auch jenen, die in ein Drittland reisen möchten, um dort Asyl zu suchen und einen Antrag auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus und/oder Familienzusammenführung zu stellen, ohne dafür durch die Ukraine zu reisen;
5. fordert die Russische Föderation auf, umgehend Informationen über die Namen, den Aufenthaltsort und das Wohlergehen aller inhaftierten oder deportierten Ukrainer bereitzustellen und allen ukrainischen Zivilisten einschließlich Kindern die sichere Rückkehr zu gestatten und zu ermöglichen, insbesondere denjenigen, die gewaltsam in das Hoheitsgebiet der Russischen Föderation oder in die derzeit von der Russischen Föderation besetzten Gebiete der Ukraine verbracht wurden, und für diese Personen sichere Kommunikationskanäle und Reisewege zu schaffen;
6. fordert alle Staaten und internationalen Organisationen auf, Russland zu drängen, das Verbot der zwangsweisen Überführung zu achten, also auch das Verbot, Zivilisten gegen ihren Willen an einen anderen Ort zu verbringen, und Zivilisten und insbesondere schutzbedürftigen Gruppen die sichere Durchreise zu einem von ihnen gewählten Ziel zu ermöglichen;
7. fordert Russland auf, seinen Verpflichtungen uneingeschränkt nachzukommen und die systematische „Filtration“ zu beenden, alle laufenden Verfahren zur Erhebung und Speicherung biometrischer Daten einzustellen, unrechtmäßig erhobene Daten zu löschen und sicherzustellen, dass sich Zivilisten auf eigenen Wunsch sicher und unter internationaler Aufsicht in von der Ukraine kontrolliertes Gebiet begeben können;
8. betont, dass bei Kindern, die während eines Krieges oder in einer humanitären Notlage von ihren Eltern getrennt wurden, nicht davon ausgegangen werden darf, dass sie Waisen sind, sondern dass ihnen unverzüglich die Rückkehr zu und die Zusammenführung mit ihren Eltern oder gesetzlichen Vormunden gestattet und ermöglicht werden muss;
9. fordert die Staatsorgane der Russischen Föderation nachdrücklich auf, internationalen Organisationen wie dem OHCHR und dem UNICEF umgehend Zugang zu allen ukrainischen Kindern zu gewähren, die gewaltsam in die von Russland besetzten Gebiete und nach Russland verbracht wurden; fordert die Staatsorgane Russlands auf, die Sicherheit und das Wohlergehen ukrainischer Kinder in Russland und in den von Russland besetzten Gebieten zu gewährleisten und sie vor den Gefahren des Krieges und seiner Folgen zu schützen;
10. fordert, dass umgehend ein Kinderschutzpaket der Union geschaffen wird, um Kindern und Jugendlichen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, Schutz und Hilfe zu bieten, und dass dieses Paket die sichere Durchfahrt, Schutz vor Gewalt, Misshandlung, Ausbeutung und Menschenhandel sowie Nothilfe, Bemühungen um Familienzusammenführung und langfristige Unterstützung der Rehabilitation enthält;
11. fordert den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und die Mitgliedstaaten auf, in öffentlichen Erklärungen der Union zu zwangsweisen Überführungen auf die Notlage von schutzbedürftigen Gruppen wie Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen einzugehen und Aktivisten und nichtstaatliche Organisationen, die versuchen, sich um diese Personen zu kümmern und ihnen die sichere Rückkehr zu ermöglichen, vor Ort zu unterstützen;
12. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, mit den staatlichen Stellen der Ukraine, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um Mechanismen zur Dokumentation der Fakten zu zwangsweisen Überführungen (zu Zahl und Identität der Betroffenen einschließlich der Kinder, zum Verbleib von Personen, die das „Filtrationsverfahren“ nicht erfolgreich durchlaufen haben, zu den Bedingungen ihrer Unterbringung in Russland usw.) zu schaffen, auch um den Aufenthaltsort dieser Personen zu ermitteln, insbesondere vermisste Kinder zu repatriieren und bei der Familienzusammenführung und der Suche nach Familienangehörigen behilflich zu sein; betont, dass Informationen gesammelt werden müssen, z. B. zu den Namen von Personen, die im Zuge der „Filtration“ verschwunden sind oder interniert oder nach Russland verbracht wurden;
13. fordert die Mitgliedstaaten auf, über ihre diplomatischen Vertretungen in Russland die Ausstellung befristeter Reisedokumente zu unterstützen, mit denen ukrainische Staatsangehörige, die ohne Identitätsnachweis oder Reisedokumente in Russland festsitzen, auf eigenen Wunsch das Land verlassen können, und erforderlichenfalls Behelfsunterkünfte in der Union bereitzustellen;
14. verurteilt aufs Schärfste die Dekrete des russischen Präsidenten vom 25. Mai und 30. Mai 2022;
15. fordert Russland nachdrücklich auf, seine Strategie der Ausgabe russischer Pässe aufzugeben und es ukrainischen Staatsangehörigen zu gestatten, ihre ursprünglichen Ausweispapiere zu behalten;
16. beharrt darauf, dass diejenigen, die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und möglicherweise Genozid begangen haben oder in genozidaler Absicht handeln sowie die verantwortlichen Staatsbediensteten und Militärbefehlshaber zur Rechenschaft gezogen werden; stellt fest, dass die Zwangsumsiedlung und Deportation ukrainischer Kinder, einschließlich solcher aus Heimen, in die Russische Föderation und die von Russland besetzten Gebiete und ihre Zwangsadoption durch russische Familien einen Verstoß gegen ukrainisches Recht und das Völkerrecht darstellen, insbesondere gegen Artikel II der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes; fordert in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten auf, die Bemühungen ukrainischer und internationaler Behörden zu unterstützen, Beweise für die im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine begangenen Menschenrechtsverletzungen zu sammeln, zu dokumentieren und zu sichern;
17. fordert die Regierung der Ukraine auf, das Römische Statut des IStGH zu ratifizieren, um die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich Vertreibungen, zu erleichtern, und fordert alle Länder Europas auf, das Internationale Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen zu unterzeichnen oder zu ratifizieren;
18. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alle legitimen internationalen und nationalen Prozesse, auch nach dem Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit, zu unterstützen und mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu untersuchen, um alle Täter vor einem Gericht zur Rechenschaft zu ziehen, auch in Fällen der zwangsweisen Überführung, der Zwangsadoption und des Verschwindenlassens; begrüßt nachdrücklich die diesbezüglichen laufenden Untersuchungen des IStGH;
19. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, politische, rechtliche, technische, finanzielle und sonstige Unterstützung zu leisten, die für die Einrichtung eines Sondergerichtshofs erforderlich ist, der sich mit dem Verbrechen der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine befasst;
20. begrüßt die rasche Annahme von Sanktionen durch den Rat und fordert die Organe der EU und die Mitgliedstaaten auf, angesichts der Aggression Russlands gegen die Ukraine weiterhin Geschlossenheit an den Tag zu legen, und fordert außerdem ein hohes Maß an Koordinierung im Kreise der G7; fordert alle Partner, insbesondere die EU-Bewerberländer und die möglichen Bewerberländer, auf, sich den Sanktionspaketen anzuschließen; fordert, dass die Liste der Personen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, erweitert wird, insbesondere um alle Organisationen und Personen, die als Verantwortliche für die Vorbereitung und Durchführung von Deportationen und Zwangsadoptionen oder für den Betrieb der sogenannten Filtrationslager identifiziert wurden;
21. stellt fest, dass starke historische Parallelen zwischen den Verbrechen Russlands in der Ukraine und den Verbrechen der Sowjetunion in den sowjetisch besetzten Gebieten bestehen; erkennt die von dem kommunistischen Regime der Sowjetunion angeordneten, geplanten und durchgeführten Massendeportationen und das gesamte Gulag-System als Verbrechen gegen die Menschlichkeit an; betont, dass Erinnerung, historische Forschung und Aufklärung über die totalitäre Vergangenheit sehr wichtig sind, um das Bürgerbewusstsein zu stärken und sich gegen Desinformation zu wappnen; fordert eine gründliche historische und rechtliche Beurteilung der Verbrechen der Sowjetunion und eine transparente öffentliche Debatte darüber, vor allem in Russland selbst, damit es künftig unmöglich ist, erneut derlei Verbrechen zu begehen;
22. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, der Internationalen Organisation für Migration, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, dem Internationalen Strafgerichtshof, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine, den Staatsorganen von Belarus und dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.
- [1] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. April 2022 zu dem Schutz von Kindern und jungen Menschen, die aufgrund des Krieges in der Ukraine fliehen, durch die EU, Angenommene Texte, P9_TA(2022)0120.
- [2] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Mai 2022 zu den Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine auf Frauen, Angenommene Texte, P9_TA(2022)0206.
- [3] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zur Bekämpfung der Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen in der Ukraine, Angenommene Texte, P9_TA(2022)0218.