Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B9-0434/2022Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B9-0434/2022

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Tod von Mahsa Dschina Amini und zur Unterdrückung der Demonstranten für Frauenrechte im Iran

5.10.2022 - (2022/2849(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 132 Absätze 2 und 4 der Geschäftsordnung
anstelle der folgenden Entschließungsanträge:
B9‑0434/2022 (S&D)
B9‑0435/2022 (Renew)
B9‑0436/2022 (Verts/ALE)
B9‑0439/2022 (The Left)
B9‑0442/2022 (PPE)
B9‑0455/2022 (ECR)

David Lega, Michael Gahler, Željana Zovko, Rasa Juknevičienė, David McAllister, Antonio López‑Istúriz White, Isabel Wiseler‑Lima, Arba Kokalari, Javier Zarzalejos
im Namen der PPE-Fraktion
Pedro Marques, Tonino Picula, Eva Kaili, Evin Incir, Thijs Reuten
im Namen der S&D-Fraktion
María Soraya Rodríguez Ramos, Abir Al‑Sahlani, Petras Auštrevičius, Izaskun Bilbao Barandica, Dita Charanzová, Olivier Chastel, Bernard Guetta, Moritz Körner, Ilhan Kyuchyuk, Nathalie Loiseau, Urmas Paet, Dragoş Pîslaru, Samira Rafaela, Frédérique Ries, Michal Šimečka, Nicolae Ştefănuță, Ramona Strugariu, Dragoş Tudorache, Hilde Vautmans
im Namen der Renew-Fraktion
Ernest Urtasun
im Namen der Verts/ALE Group
Raffaele Fitto, Anna Fotyga, Charlie Weimers, Adam Bielan, Witold Jan Waszczykowski, Dominik Tarczyński, Jadwiga Wiśniewska, Bogdan Rzońca, Elżbieta Rafalska, Ryszard Czarnecki, Valdemar Tomaševski, Assita Kanko, Carlo Fidanza, Patryk Jaki, Ladislav Ilčić, Beata Mazurek, Joachim Stanisław Brudziński
im Namen der ECR-Fraktion
Manon Aubry, Cornelia Ernst
im Namen der Fraktion The Left
Fabio Massimo Castaldo, Marco Campomenosi


Verfahren : 2022/2849(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B9-0434/2022
Eingereichte Texte :
RC-B9-0434/2022
Aussprachen :
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Tod von Mahsa Dschina Amini und zur Unterdrückung der Demonstranten für Frauenrechte im Iran

(2022/2849(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zum Iran,

 unter Hinweis auf die im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters vom 25. September 2022 und die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Diensts vom 19. September 2022 zum Tod von Mahsa Amini,

 unter Hinweis auf die Erklärung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran vom 22. September 2022, in der er Rechenschaft für den Tod von Mahsa Amini und ein Ende der Gewalt gegen Frauen forderte,

 unter Hinweis auf die Berichte des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran vom 18. Juni 2022, 13. Januar 2022 und 11. Januar 2021,

 unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 16. Juni 2022 über die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran,

 unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres, vom 27. September 2022,

 unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 (IPBPR) und seine Ratifizierung durch den Iran im Juni 1975,

 unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,

 unter Hinweis auf die Leitlinien der EU vom 8. Dezember 2008 betreffend Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen,

 unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

 gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die 22-jährige kurdische Iranerin Mahsa Dschina Amini am 13. September 2022 in Teheran von der iranischen „Sittenpolizei“ festgenommen wurde, weil sie angeblich gegen die gesetzliche Verschleierungspflicht verstoßen hatte; in der Erwägung, dass Mahsa Dschina Amini Augenzeugen zufolge von der „Sittenpolizei“ in einen Kleintransporter gestoßen und während ihrer Verbringung ins Vozara-Gefängnis in Teheran geschlagen wurde, wo sie kurz darauf ins Koma fiel, und am 16. September 2022 in einem nahegelegenen Krankenhaus in Polizeigewahrsam verstarb; in der Erwägung, dass die iranischen Staatsorgane geltend machen, dass sie eines natürlichen Todes gestorben sei; in der Erwägung, dass keine ordnungsgemäße Untersuchung durchgeführt wurde, und in der Erwägung, dass sich die Behörden geweigert haben, der Familie des Opfers ihre Patientenakte und den Autopsiebericht auszuhändigen;

B. in der Erwägung, dass infolge der Tötung Mahsa Dschina Aminis landesweite Proteste in über 120 Städten in fast allen 31 Provinzen des Iran ausbrachen, an denen sich Hunderttausende iranische Bürgerinnen und Bürger aus allen Teilen der Gesellschaft beteiligen; in der Erwägung, dass die Proteste von Frauen initiiert wurden, die Rechenschaft für den Tod von Mahsa Dschina Amini verlangen und ein Ende der Gewalt gegen Frauen im Iran und ihrer Diskriminierung in Form insbesondere der Verschleierungspflicht fordern; in der Erwägung, dass die Proteste der Frauen auch Männer dazu veranlasst haben, sich mit ihnen zu solidarisieren, was eine Reform- und Protestbewegung ausgelöst hat, die das ganze Land ergreift; in der Erwägung, dass Studierende an zahlreichen Universitäten im gesamten Land protestieren, insbesondere an der Scharif-Universität für Technologie in Teheran, indem sie ihren Unterricht boykottieren und gegen die Unterdrückung demonstrieren;

C. in der Erwägung, dass die iranischen Sicherheits- und Polizeikräfte gewaltsam, wahllos und hemmungslos gegen die Proteste vorgehen, wobei viele Menschen ums Leben kommen oder verletzt werden; in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen bestätigt haben, dass die iranischen Streitkräfte scharfe Munition, Schrot, Tränengas und Metallprojektile gegen die Demonstranten eingesetzt haben; in der Erwägung, dass die iranischen Sicherheitskräfte seit dem 2. Oktober 2022 Berichten zufolge Hunderte friedliche Demonstranten getötet haben, die gegen die Tötung von Mahsa Dschina Amini protestierten, und Hunderte weitere verletzt und festgenommen wurden, darunter Menschenrechtsverteidiger, Studierende, Rechtsanwälte, Aktivisten der Zivilgesellschaft und mehr als 20 Journalisten, insbesondere Nilufar Hamedi, die Journalistin, die als Erste über die Festnahme Mahsa Dschina Aminis und ihre Einlieferung ins Krankenhaus berichtete;

D. in der Erwägung, dass Amnesty International dokumentiert hat, wie die staatlichen Stellen die aktuellen Proteste durch den Einsatz der Revolutionsgarden, der paramilitärischen Bassidsch-Milizen, der Ordnungskräfte der Islamischen Republik Iran, der Bereitschaftspolizei und von Sicherheitsbeamten in Zivil niederschlagen wollen; in der Erwägung, dass Hinweise darauf vorliegen, dass das Hauptquartier der Streitkräfte alle Befehlshaber in sämtlichen Provinzen angewiesen hat, friedlichen Demonstranten mit dem umfassenden Einsatz von tödlicher Gewalt und Schusswaffen durch Sicherheitskräfte zu begegnen;

E. in der Erwägung, dass Berichten zufolge in den letzten Tagen zahlreiche Ausländer, darunter auch Unionsbürger, wegen ihrer angeblichen Beteiligung an den Protesten festgenommen wurden;

F. in der Erwägung, dass die iranischen Staatsorgane vorsätzlich Internetanbindungen und den Mobilfunk unterbrechen und Social-Media-Plattformen massiv einschränken, damit die iranischen Bürgerinnen und Bürger nicht in der Lage sind, sicher und im Einklang mit dem Datenschutz auf Kommunikationstechnologien zurückzugreifen und friedliche Versammlungen zu organisieren; in der Erwägung, dass Meldungen zufolge SMS-Nachrichten blockiert wurden, in denen der Wortlaut „Mahsa Amini“ auf Farsi vorkam; in der Erwägung, dass das Regime durch die Störung und Abschaltung des Internets in weiten Teilen des Iran versucht, die Übertragung und Verbreitung von Nachrichten und Bildern von den Protesten zu verhindern sowie internationale und lokale Organisationen daran zu hindern, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren;

G. in der Erwägung, dass die iranische Regierung 1983 eine Verschleierungspflicht eingeführt hat; in der Erwägung, dass der obligatorische Hidschab zu einem Instrument der Unterdrückung von Frauen im Iran geworden ist, durch das sie ihrer Freiheit und ihrer Rechte beraubt werden; in der Erwägung, dass Frauen, die sich ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit zeigen, häufig belästigt, festgenommen, gefoltert, ausgepeitscht oder gar getötet werden, da sie diese repressiven Vorschriften missachten;

H. in der Erwägung, dass die Schikanierung von und die Gewalt gegen Frauen und Mädchen vonseiten der „Sittenpolizei“ seit dem Amtsantritt von Präsident Ebrahim Raisi im Jahr 2021 zugenommen haben; in der Erwägung, dass die Regierung des Iran auf Rechtsvorschriften und Gesetzesentwürfe gedrängt hat, die zur Unterdrückung von Frauen aufrufen; in der Erwägung, dass die Tötung Mahsa Dschina Aminis Teil einer generellen Vorgehensweise ist, die ohnehin bereits stark eingeschränkten Rechte der Frauen im Iran weiter zu beschneiden und einzuschränken, unter anderem durch ein neues, im Jahr 2021 verabschiedetes Gesetz, das den Zugang von Frauen zu Rechten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit stark einschränkt, was einen unmittelbaren Verstoß gegen die im Völkerrecht verankerten Menschenrechte von Frauen darstellt; in der Erwägung, dass die Einführung des „Hidschab- und Keuschheitsprojekts“ bedeuten würde, dass Überwachungskameras für die Überwachung und Bestrafung nicht verschleierter Frauen eingesetzt werden;

I. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage im Iran zunehmend verschlechtert; in der Erwägung, dass die Tötung von Mahsa Dschina Amini ein Symbol für die derzeitige Menschenrechtskrise im Iran darstellt, die durch die systematische Straffreiheit der iranischen Regierung und ihres Sicherheitsapparats, der verbreitet Folter, außergerichtliche Hinrichtungen und andere unrechtmäßige Tötungen zulässt, verstetigt wird; in der Erwägung, dass seit dem 18. September 2022 mehr als 40 Menschenrechtsverteidiger verhaftet wurden und dass im Zuge dieser Verhaftungen, Übergriffe und Razzien durch die iranischen Streitkräfte insbesondere Menschenrechtsverteidigerinnen gewaltsam ins Visier genommen wurden; in der Erwägung, dass die iranischen LGBTQI-Menschenrechtsverteidigerinnen Zahra Sedighi Hamedani – 31 Jahre alt – und Elham Chubdar – 24 Jahre alt – vom Revolutionsgericht Urmia wegen „Korruption auf Erden durch Förderung von Homosexualität“ zum Tode verurteilt wurden;

J. in der Erwägung, dass die EU im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen restriktive Maßnahmen erlassen hat, zu denen das Einfrieren von Vermögenswerten und Visumsperren gegen Personen und Organisationen, die für schwere Menschrechtsverletzungen verantwortlich sind, sowie das Verbot gehören, Geräte und Vorrichtungen, die für die interne Repression oder für die Überwachung der Telekommunikation genutzt werden können, in den Iran auszuführen; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen erstmals am 12. April 2011 in Kraft traten, in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden und nach wie vor gültig sind;

K. in der Erwägung, dass der Vizepräsident der Kommission und Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) Josep Borrell in seiner Erklärung vom 25. September 2022 die Tötung von Mahsa Dschina Amini und den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch die iranischen Sicherheitskräfte verurteilt und angekündigt hat, dass die Europäische Union vor der nächsten Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) alle zur Verfügung stehenden Optionen prüfen werde, um auf die Tötung von Mahsa Dschina Amini und die Art und Weise, wie die iranischen Sicherheitskräfte mit den anschließenden Demonstrationen umgegangen sind, zu reagieren;

1. verurteilt aufs Schärfste den Tod von Mahsa Dschina Amini, nachdem sie von der iranischen „Sittenpolizei“ gewaltsam festgenommen, missbraucht und misshandelt wurde; spricht ihrer Familie und ihren Freunden sowie den Familien all derjenigen, die bei den jüngsten Protesten im Iran getötet wurden, sein Beileid aus;

2. fordert die iranische Regierung auf, eine unparteiische und wirksame Untersuchung des tragischen Tods von Mahsa Dschina Amini und der Vorwürfe von Folter und Misshandlung zuzulassen, die von einer unabhängigen zuständigen Stelle durchgeführt wird;

3. bringt seine Solidarität mit den jungen Iranerinnen zum Ausdruck, die trotz der Schwierigkeiten und persönlichen Konsequenzen, die sie erleiden, die Proteste anführen und daran teilnehmen; unterstützt die friedliche Protestbewegung im gesamten Land, die gegen die Tötung von Mahsa Dschina Amini, die systemische und zunehmende Unterdrückung von Frauen und die schweren und massenhaften Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten demonstriert;

4. unterstützt nachdrücklich die Bestrebungen des iranischen Volkes, in einem freien, stabilen, von Inklusion geprägten und demokratischen Land zu leben, das seine nationalen und internationalen Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte und die Grundfreiheiten einhält; ist zutiefst besorgt über die Berichte über die Belagerung, die Verhaftung und den Beschuss einer großen Anzahl Studierender am 2. Oktober 2022, die in der Scharif-Universität für Technologie in Teheran eingeschlossen waren, durch das Korps der Islamischen Revolutionsgarde, die Bassidsch-Milizen und die Polizei;

5. verurteilt aufs Schärfste den weitverbreiteten, vorsätzlichen und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten durch die iranischen Sicherheitskräfte und fordert die iranischen Staatsorgane auf, ihre anhaltende, systematische und inakzeptable Gewalt gegen ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger einzustellen; fordert die iranischen Staatsorgane auf, eine auf Fakten beruhende, zügige, unparteiische und wirksame Untersuchung aller Tötungen von Demonstranten zuzulassen, wozu auch gehört, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;

6. fordert die iranischen Staatsorgane auf, alle Personen, die ausschließlich aus dem Grund festgenommen wurden, dass sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit und ihr Recht, sich friedlich zu versammeln, im Zusammenhang mit den Protesten friedlich wahrgenommen haben, umgehend und bedingungslos freizulassen und alle Anklagepunkte gegen sie fallen zu lassen; betont, dass Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit stets gewahrt werden müssen, und fordert die iranischen Staatsorgane auf, ihren internationalen Verpflichtungen, etwa aus dem IPBPR, nachzukommen; fordert die iranischen Staatsorgane eindringlich auf, alle festgenommenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der EU unverzüglich freizulassen und alle Anklagepunkte gegen sie fallen zu lassen; ist zutiefst besorgt über die Festnahme von mehr als 20 Journalistinnen und Journalisten und insbesondere von Nilufar Hamedi, der Journalistin, die als Erste über die Festnahme von Mahsa Dschina Amini und ihre Einweisung ins Krankenhaus berichtet hatte, und fordert die iranischen Staatsorgane auf, sie unverzüglich freizulassen; fordert den Iran auf, die Meinungs- und Weltanschauungsfreiheit aller im Iran lebenden Menschen und in erster Linie von Frauen und Mädchen, die in besonderem Maße unterdrückt werden, zu achten;

7. verurteilt die systemische Diskriminierung von Frauen und anderen schutzbedürftigen Gruppen in der Islamischen Republik Iran mittels Gesetzen und Verordnungen, mit denen ihre Freiheiten und Rechte stark beschnitten werden, einschließlich der entwürdigenden Verschleierungspflicht und ihrer missbräuchlichen Durchsetzung, der schwerwiegenden Einschränkungen der mit der sexuellen und reproduktiven Gesundheit verbundenen Rechte von Frauen und der Verletzungen der politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und persönlichen Rechte von Frauen; fordert die iranischen Staatsorgane auf, Rechtsvorschriften, mit denen Frauen und Mädchen eine Verschleierungspflicht auferlegt wird, rasch aufzuheben, die „Sittenpolizei“ aufzulösen und der systemischen Diskriminierung von Frauen in allen Lebensbereichen ein Ende zu setzen;

8. verurteilt die Vorgehensweise des Iran, das Internet und Mobilfunknetze während der Proteste in dem Land zu sperren, aufs Schärfste, da sie Kommunikation und den freien Informationsfluss für iranische Bürger verhindert; betont, dass derartige Maßnahmen einen eindeutigen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen; begrüßt die Entscheidung der USA, die es Unternehmen der Privatwirtschaft gestattet haben, ihre digitalen Dienste inmitten der derzeitigen Proteste den iranischen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stellen;

9. weist die von iranischen Amtsträgern und in den staatlich kontrollierten iranischen Medien geäußerten Anschuldigungen kategorisch zurück, wonach die diplomatischen Vertretungen Deutschlands und anderer europäischer Länder als mutmaßliche Anstifter der Proteste ausgemacht wurden;

10. verurteilt die stetige Verschlechterung der Menschenrechtslage im Iran erneut aufs Schärfste, auch und gerade für Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten wie etwa Kurden, Belutschen, Araber und religiöse Minderheiten, bei denen es sich nicht um Schiiten oder Muslime handelt, sowie Anhänger der Bahai-Religion und Christen; fordert die iranischen Staatsorgane nachdrücklich auf, die Grundrechte und ‑freiheiten ethnischer und religiöser Minderheiten zu achten; fordert die iranischen Staatsorgane auf, sämtliche Ausprägungen von Diskriminierung zu beseitigen;

11. fordert die iranische Regierung eindringlich auf, alle Menschenrechtsverteidiger, die aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und auf Weltanschauungsfreiheit festgenommen wurden, umgehend und bedingungslos freizulassen; fordert den Obersten Gerichtshof des Iran auf, die Urteile gegen die LGBTI-Menschenrechtsverteidigerinnen Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Chubdar auf der Grundlage von Verstößen gegen das Recht auf ein faires Verfahren aufzuheben; ersucht die iranische Regierung, die gezielte Verfolgung sämtlicher Menschenrechtsverteidiger im Iran einzustellen und stets dafür zu sorgen, dass sie ihre legitimen Menschenrechtsaktivitäten ohne Angst vor Repressalien und ohne jegliche Einschränkungen wie etwa Schikanierung durch die Justiz ausüben können;

12. missbilligt den systematischen Einsatz von Folter in iranischen Gefängnissen und fordert, dass Folter und Misshandlung von Gefangenen in all ihren Ausprägungen beendet werden; verurteilt die Verfahrensweise, Gefangene keine Telefonate führen zu lassen und ihnen Besuche durch Familienangehörige zu verweigern; bringt seine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass Inhaftierte in Vernehmungen keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand haben; fordert die iranische Regierung auf, Gefangene mit dem Respekt zu behandeln, der ihnen aufgrund ihrer innewohnenden Würde und ihres innewohnenden Werts als Menschen zusteht;

13. bedauert zutiefst die mangelnden Fortschritte in den Fällen, in denen Staatsangehörige der EU, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, im Iran in Haft sind, darunter Ahmadreza Djalali, der aufgrund von falschen Spionagevorwürfen zum Tode verurteilt wurde;

14. verurteilt aufs Schärfste, dass die iranischen Staatsorgane in den letzten Jahren immer öfter auf die Todesstrafe zurückgreifen, und missbilligt die besorgniserregende Steigerung bei der Zahl vollstreckter Todesstrafen gegen Demonstranten, Dissidenten und Angehörige von Minderheiten; fordert die Regierung des Iran erneut auf, als Schritt auf dem Weg zur Abschaffung der Todesstrafe umgehend ein Moratorium für ihre Vollstreckung einzuführen und alle Todesurteile umzuwandeln;

15. ersucht die iranischen Staatsorgane, Besuche von Vertretern der Sonderverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen zuzulassen, und insbesondere sicherzustellen, dass dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran die Einreise gestattet wird;

16. fordert die Vereinten Nationen und insbesondere ihren Menschenrechtsrat auf, unverzüglich eine umfassende Untersuchung der Ereignisse der letzten Wochen unter Leitung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran einzuleiten; ersucht den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, einen internationalen Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus für von der iranischen Regierung begangene Menschenrechtsverletzungen einzurichten;

17. ersucht die EU und ihre Mitgliedstaaten, alle Foren der Zusammenarbeit mit den iranischen Staatsorganen zu nutzen, um ein sofortiges Ende der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste, die bedingungslose Freilassung aller Personen, die aufgrund der Wahrnehmung ihres Rechts auf die Ausübung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit und ihres Rechts, sich friedlich zu versammeln, festgenommen wurden, und eine unabhängige Untersuchung des Todes von Mahsa Dschina Amini und Dutzender Demonstranten zu fordern, um die Staatsorgane dazu zu drängen, den Zugang zum Internet und zu Kommunikationskanälen wiederherzustellen, und um sie zu ersuchen, die Verschleierungspflicht für Frauen abzuschaffen; fordert die Mitgliedstaaten auf, vorliegende Beweismittel, die zu den Ermittlungen beitragen können, im Einklang mit den neuen Vorschriften von Eurojust zu speichern, zu sichern und weiterzugeben und dabei auch mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten und ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen;

18. fordert den Rat (Auswärtige Angelegenheiten) auf, iranische Amtsträger – unter anderem die der iranischen „Sittenpolizei“ –, die am Tod von Mahsa Dschina Amini und an der Gewalt gegen Demonstranten mitgewirkt haben oder dafür verantwortlich sind, auf die EU-Liste der Personen zu setzen, gegen die restriktive Maßnahmen im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran verhängt wurden; bekräftigt, dass die Sanktionen gegen die Führung des Korps der Iranischen Revolutionsgarde nicht aufgehoben werden dürfen; begrüßt, dass der Rat die globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte verabschiedet hat, die ein wichtiges Instrument für die EU ist, wenn es gilt, Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die gegen die Menschenrechte verstoßen;

19. fordert die EU einschließlich des HR/VP auf, auch künftig in bilateralen und multilateralen Foren Menschenrechtsanliegen gegenüber den iranischen Staatsorganen zur Sprache zu bringen und insbesondere im Rahmen des politischen Dialogs auf hoher Ebene zwischen der EU und dem Iran alle vorgesehenen Kontakte mit den iranischen Staatsorganen hierfür zu nutzen; bekräftigt, dass die Achtung der Menschenrechte ein wesentlicher Bestandteil des Ausbaus der Beziehungen zwischen der EU und dem Iran ist;

20. spricht sich dafür aus, dass sich die in Teheran akkreditierten Botschaften der EU-Mitgliedstaaten eng untereinander abstimmen; fordert alle Mitgliedstaaten mit einer diplomatischen Vertretung in Teheran nachdrücklich auf, die in den Leitlinien der EU zu Menschenrechtsverteidigern vorgesehenen Mechanismen für die Unterstützung und den Schutz dieser Personen heranzuziehen und hierbei besonderes Augenmerk auf Frauenrechtsaktivisten und EU-Bürger, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, zu richten, indem sie ihnen etwa Not-Finanzhilfen im Rahmen des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt und des Europäischen Fonds für Demokratie sowie Notfallvisa gewähren, öffentliche Erklärungen abgeben, Gerichtsverfahren beobachten und Gefangene in den Haftanstalten besuchen;

21. fordert die Kommission auf, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen – unter strikter Einhaltung der Grundsätze der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit –, Kommunikationsanbietern mit Sitz in der EU zu gestatten, dass sie den Menschen im Iran Tools unter anderem für Videokonferenzen, E-Learning-Plattformen, Web-Karten und Cloud-Dienste anbieten, damit sichergestellt ist, dass die Menschen Zugang zu den Online-Tools und -Plattformen haben, die sie benötigen, um ihre Menschenrechte wahrzunehmen;

22. ist besorgt darüber, dass reaktionäre islamistische Vereinigungen fortwährend Lobbyarbeit bei den europäischen Organen betreiben, die auf ausländische Einmischung in unsere Demokratien hinauslaufen könnte;

23. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Islamischen Beratenden Versammlung, der Regierung der Islamischen Republik Iran, dem Büro des Obersten Religionsführers der Islamischen Republik Iran und der Familie von Mahsa Dschina Amini zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 5. Oktober 2022
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