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Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments
8. Wahlperiode - Januar 2015
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INHALT
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HINWEIS FÜR DIE LESER

TITEL I  : MITGLIEDER, ORGANE DES PARLAMENTS UND FRAKTIONEN
KAPITEL 1  : MITGLIEDER DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

Artikel 9  : Immunitätsverfahren

1.    Jeder an den Präsidenten gerichtete Antrag einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates, die Immunität eines Mitglieds aufzuheben, oder eines Mitglieds oder ehemaligen Mitglieds, Vorrechte und Immunität zu schützen, wird dem Parlament mitgeteilt und an den zuständigen Ausschuss überwiesen.

Das Mitglied oder ehemalige Mitglied kann durch ein anderes Mitglied vertreten werden. Der Antrag kann von einem anderen Mitglied nur mit Zustimmung des betroffenen Mitglieds gestellt werden.

2.    Der Ausschuss prüft die Anträge auf Aufhebung der Immunität oder auf Schutz der Vorrechte und der Immunität unverzüglich, aber unter Berücksichtigung ihrer relativen Komplexität.

3.    Der Ausschuss unterbreitet einen Vorschlag für einen mit Gründen versehenen Beschluss, in dem die Annahme oder Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Immunität oder auf Schutz der Vorrechte und der Immunität empfohlen wird.

4.    Der Ausschuss kann die betreffende Behörde um jede Information oder Auskunft ersuchen, die er für erforderlich hält, um sich eine Meinung darüber bilden zu können, ob die Immunität aufzuheben oder zu schützen ist.

5.    Das betreffende Mitglied erhält die Möglichkeit, gehört zu werden, und kann alle Schriftstücke vorlegen, die ihm in diesem Zusammenhang zweckmäßig erscheinen. Es kann sich durch ein anderes Mitglied vertreten lassen.

Das Mitglied ist während der Diskussionen über den Antrag auf Aufhebung oder Schutz seiner Immunität nicht anwesend, außer bei seiner eigenen Anhörung.

Der Vorsitz des Ausschusses lädt das Mitglied unter Angabe eines Datums und Zeitpunkts zur Anhörung. Das Mitglied kann auf das Anhörungsrecht verzichten.

Nimmt das Mitglied nicht an der Anhörung gemäß dieser Ladung teil, so wird davon ausgegangen, dass es auf das Anhörungsrecht verzichtet hat, es sei denn, das Mitglied hat unter Angabe von Gründen um Freistellung von der Anhörung zu diesem Datum und diesem Zeitpunkt gebeten. Der Vorsitz des Ausschusses entscheidet darüber, ob einem solchen Antrag auf Freistellung in Anbetracht der angegebenen Gründe stattzugeben ist; diesbezüglich sind keine Rechtsbehelfe zulässig.

Gibt der Vorsitz des Ausschusses dem Freistellungsantrag statt, lädt er das Mitglied zu einer Anhörung zu einem neuen Datum und Zeitpunkt. Kommt das Mitglied der zweiten Ladung zur Anhörung nicht nach, wird das Verfahren ohne die Anhörung des Mitglieds fortgesetzt. In diesem Fall können keine weiteren Anträge auf Freistellung oder Anhörung zugelassen werden.

6.    Wurde der Antrag auf Aufhebung der Immunität aufgrund von mehreren Anklagepunkten formuliert, so kann jeder davon Gegenstand eines gesonderten Beschlusses sein. In Ausnahmefällen kann im Bericht des Ausschusses vorgeschlagen werden, dass die Aufhebung der Immunität ausschließlich die Strafverfolgung betrifft, ohne dass gegen das Mitglied, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, Maßnahmen wie Festnahme, Haft oder sonstige Maßnahmen ergriffen werden können, die es an der Ausübung des Mandats hindern.

7.    Der Ausschuss kann eine mit Gründen versehene Stellungnahme zur Zuständigkeit der betreffenden Behörde und zur Zulässigkeit des Antrags abgeben, doch äußert er sich in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten, selbst wenn er durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt.

8.    Der Bericht des Ausschusses wird als erster Punkt auf die Tagesordnung der unmittelbar auf seine Vorlage folgenden Sitzung gesetzt. Änderungsanträge zu dem Vorschlag bzw. den Vorschlägen für einen Beschluss sind nicht zulässig.

Die Aussprache erstreckt sich nur auf die Gründe, die für und gegen die einzelnen Vorschläge für die Aufhebung oder Aufrechterhaltung der Immunität oder den Schutz eines Vorrechts oder der Immunität sprechen.

Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 164 darf ein Mitglied, dessen Vorrechte oder Immunität Gegenstand des Falls sind, in der Aussprache nicht das Wort ergreifen.

Über den in dem Bericht enthaltenen Vorschlag bzw. die Vorschläge für einen Beschluss wird in der ersten Abstimmungsstunde nach der Aussprache abgestimmt.

Nach Prüfung durch das Parlament findet eine gesonderte Abstimmung über jeden einzelnen in dem Bericht enthaltenen Vorschlag statt. Im Falle der Ablehnung eines Vorschlags gilt der gegenteilige Beschluss als angenommen.

9.    Der Präsident teilt den Beschluss des Parlaments unverzüglich dem betroffenen Mitglied und der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaates mit und ersucht darum, dass er über alle in dem betreffenden Verfahren eintretenden Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Gerichtsentscheidungen unterrichtet wird. Sobald der Präsident diese Information erhält, unterrichtet er das Parlament, gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem zuständigen Ausschuss, auf dem Wege, der ihm am angemessensten erscheint.

10.    Der Ausschuss behandelt den Vorgang und die eingegangenen Unterlagen mit größter Vertraulichkeit.

11.    Nach Anhörung der Mitgliedstaaten kann der Ausschuss eine als Hinweis dienende Liste der Behörden der Mitgliedstaaten erstellen, die für die Einreichung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds zuständig sind.

12.    Der Ausschuss legt die Grundsätze für die Anwendung dieses Artikels fest.

13.    Jede Anfrage einer zuständigen Behörde zum Geltungsbereich der Vorrechte oder Immunität der Mitglieder wird gemäß den vorstehenden Bestimmungen geprüft.

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