Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Juli 2024 zu der Notwendigkeit der anhaltenden Unterstützung der EU für die Ukraine (2024/2721(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Ukraine und zu Russland und insbesondere auf jene, die seit dem Beginn der Besetzung der Krim am 27. Februar 2014 und der Eskalation des Krieges Russlands gegen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 angenommen wurden,
– gestützt auf Artikel 167 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Russland seit dem 24. Februar 2022 einen unrechtmäßigen, unprovozierten und ungerechtfertigten groß angelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, und somit das Vorgehen fortsetzt, dass im Jahr 2014 mit der Annexion der Krim und der anschließenden Besetzung von Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk begonnen wurde;
B. in der Erwägung, dass die Ukraine und das ukrainische Volk trotz des hohen Preises, den die zivilen und die militärischen Opfer bedeuten, unerschütterliche Entschlossenheit bei der erfolgreichen Verteidigung ihres Landes gezeigt haben; in der Erwägung, dass Russland vorsätzlich in großem Ausmaß und systematisch Gräueltaten in den besetzten Gebieten verübt und wahllos Wohngebiete und zivile Infrastruktur angreift, wie zuletzt bei der Bombardierung des Kinderkrankenhauses Ohmatdyt deutlich wurde; in der Erwägung, dass Millionen von Ukrainern vor den Angriffen Russlands geflohen sind und innerhalb der Ukraine und in andere Länder vertrieben wurden; in der Erwägung, dass dieses unmenschliche Vorgehen der Streitkräfte Russlands und ihrer Hilfstruppen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt;
C. in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten der Ukraine bislang finanzielle und militärische Unterstützung sowie humanitäre Hilfe und Flüchtlingshilfe in Höhe von rund 108 Mrd. EUR geleistet haben, darunter etwa 39 Mrd. EUR an militärischer Hilfe, wobei Berichten zufolge bis 2025 weitere 21 Mrd. EUR bereitgestellt werden sollen; in der Erwägung, dass im Rahmen der militärischen Unterstützungsmission der Europäischen Union zur Unterstützung der Ukraine (EUMAM Ukraine) mehr als 55 000 Angehörige der Streitkräfte der Ukraine sowohl im Rahmen der Ausbildung für das Gefecht Verbundener Kräfte als auch im Rahmen von spezialisierten Ausbildungen geschult wurden; in der Erwägung, dass die NATO der Ukraine einen jährlichen Finanzbeitrag in Höhe von 40 Mrd. EUR garantiert;
D. in der Erwägung, dass die EU offiziell Beitrittsverhandlungen aufgenommen und am 25. Juni 2024 ihre ersten Regierungskonferenzen mit der Ukraine und der Republik Moldau abgehalten hat;
E. in der Erwägung, dass Viktor Orbán, der Ministerpräsident Ungarns, das den turnusmäßig wechselnden Vorsitz im Rat innehat, am 5. bzw. 8. Juli 2024 ohne vorherige Konsultation und überraschend die Russische Föderation bzw. die Volksrepublik China besucht hat; in der Erwägung, dass diese Treffen weder von den Organen noch von den Mitgliedstaaten der Union gebilligt wurden;
1. bekräftigt seine Standpunkte zur fortgesetzten Unterstützung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen und zu dem unerschütterlichen Engagement der EU, politische, finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Unterstützung zu leisten, solange dies erforderlich ist, um den Sieg der Ukraine zu sichern; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, tatkräftig darauf hinzuarbeiten, eine möglichst breite internationale Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten und herbeizuführen;
2. bekräftigt, dass die Ukraine als Opfer der Aggression gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen das legitime Recht zur Selbstverteidigung hat; weist darauf hin, dass die beträchtliche, wenn auch noch unzureichende militärische Unterstützung durch die EU, die USA und gleichgesinnte Partner darauf abzielt, die Ukraine in die Lage zu versetzen, sich wirksam gegen einen Aggressorstaat zu verteidigen und die vollständige Kontrolle über ihr gesamtes international anerkanntes Hoheitsgebiet wiederherzustellen;
3. begrüßt, dass die EU kürzlich Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau aufgenommen hat; ist der Ansicht, dass ihre stetige Integration in die EU eine geostrategische Chance, eine Perspektive für die Demokratie und eine Investition in ein geeintes und starkes Europa darstellt; weist darauf hin, dass der Beitritt zur EU ein streng auf Verdiensten basierendes Verfahren ist, das die Erfüllung der Kriterien für die EU-Mitgliedschaft erfordert, einschließlich der Kriterien in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundwerte und Korruptionsbekämpfung; weist darauf hin, dass die EU das Beitrittsverfahren in angemessener Weise finanziell und technisch unterstützen muss;
4. verurteilt den jüngsten Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in der Russischen Föderation; betont, dass Viktor Orbán während dieses Besuchs die EU nicht vertreten hat, und ist der Ansicht, dass der Besuch einen eklatanten Verstoß gegen die Verträge und die gemeinsame Außenpolitik der EU, insbesondere den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, darstellt; betont, dass der ungarische Ministerpräsident, wenn er gegen die gemeinsamen Standpunkte der EU verstößt, nicht den Anspruch erheben kann, er vertrete die EU; ist der Ansicht, dass dieser Verstoß Konsequenzen für Ungarn haben sollte; weist darauf hin, dass Russland unmittelbar nach der sogenannten Friedensmission des ungarischen Ministerpräsidenten das Kinderkrankenhaus Ohmatdyt in Kyjiw angegriffen hat, was die Sinnlosigkeit seiner vorgeblichen und von der ukrainischen Führung mit Skepsis aufgenommen Bemühungen zeigt; bekräftigt seine Unterstützung für die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorgestellte Friedensformel; bedauert, dass Ungarn missbräuchlich von seinem Vetorecht im Rat Gebrauch gemacht hat, um zu verhindern, dass der Ukraine unbedingt notwendige Hilfe geleistet wird; fordert Ungarn nachdrücklich auf, seine Blockade der Mittel aus der Europäischen Friedensfazilität für die Ukraine aufzuheben, einschließlich der vereinbarten Rückerstattung der von den Mitgliedstaaten bereits geleisteten militärischen Unterstützung;
5. weist erneut darauf hin, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine Teil eines breiten Bündels von Maßnahmen ist, die sich gegen den Westen sowie gegen die Demokratie in der EU und die Werte der EU richten; begrüßt das Ergebnis des NATO-Gipfels und bekräftigt seine Überzeugung, dass die Ukraine unumkehrbar auf dem Weg zur NATO-Mitgliedschaft ist; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre militärische Unterstützung für die Ukraine so lange wie nötig aufrechtzuerhalten und in jeder erforderlichen Form zu intensivieren; bekräftigt seinen früheren Standpunkt, dass alle EU-Mitgliedstaaten und NATO-Verbündeten gemeinsam und individuell ihre Zusage geben sollten, jährlich mindestens 0,25 % ihres BIP für die militärische Unterstützung der Ukraine aufzuwenden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Ausbildungsmaßnahmen für die Streitkräfte der Ukraine – wie die EUMAM Ukraine – auszuweiten, um ihre operativen Fähigkeiten weiter auszubauen; betont, dass die bisherigen Anstrengungen zunichtegemacht werden könnten, wenn Waffen und Munition nicht im erforderlichen Umfang oder nur verzögert geliefert werden, und fordert die Mitgliedstaaten daher nachdrücklich auf, ihre militärische Unterstützung erheblich aufzustocken und die entsprechende Bereitstellung deutlich zu beschleunigen und die Kapazitäten ihrer Rüstungsindustrie zu erhöhen; spricht sich nachdrücklich dafür aus, die Beschränkungen aufzuheben, die für den Einsatz von der Ukraine zur Verfügung gestellten westlichen Waffensystemen gegen militärische Ziele im Hoheitsgebiet Russlands gelten; begrüßt die Entscheidung der NATO, mit der garantiert wird, dass der Ukraine in naher Zukunft militärische Güter im Wert von mindestens 40 Mrd. EUR geliefert werden;
6. verurteilt den jüngsten barbarischen Angriff auf das Kinderkrankenhaus Ohmatdyt in Kyjiw; verleiht seiner uneingeschränkten Solidarität mit den Angehörigen der Opfer Ausdruck und spricht ihnen sein Mitgefühl aus; weist erneut darauf hin, dass Fälle von Folter, Vergewaltigung und Entführung von Kindern dokumentiert sind; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die Bemühungen tatkräftig zu unterstützen, mit denen sichergestellt werden soll, dass diejenigen, die Kriegsverbrechen begangen haben, vor bestehenden internationalen Gerichten und Institutionen sowie für das Verbrechen der Aggression – unter anderem durch die Einrichtung eines internationalen Sondergerichtshofs – zur Rechenschaft gezogen werden; bekräftigt seine feste Überzeugung, dass Russland für die in der Ukraine angerichteten massiven Schäden finanziell aufkommen muss; begrüßt daher den jüngsten Beschluss des Rates, die Kriegsanstrengungen der Ukraine mit den aus eingefrorenen russländischen Vermögenswerten generierten außerordentlichen Einnahmen zu unterstützen, und begrüßt außerdem den Beschluss der G7, der Ukraine ein durch eingefrorene staatliche Vermögenswerte Russlands besichertes Darlehen in Höhe von 50 Mrd. USD anzubieten; fordert die EU auf, eine tragfähige rechtliche Regelung für die Einziehung der von der EU eingefrorenen staatlichen Vermögenswerte Russlands auszuarbeiten;
7. verurteilt, dass Russland immer mehr hybride Angriffe auf die EU und ihre Mitgliedstaaten mit dem Ziel durchführt, die Unterstützung der EU für die Ukraine durch Informationsmanipulation, verdeckte Destabilisierungsversuche und Bestechung von Politikern zu schwächen; ist entsetzt über Berichte, wonach Russland versucht haben soll, den Vorstandsvorsitzenden eines europäischen Verteidigungsunternehmens zu ermorden;
8. fordert die Kommission auf, eine langfristige finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau der Ukraine vorzuschlagen und dabei auf den Erfahrungen mit der neu eingerichteten Ukraine-Fazilität aufzubauen;
9. fordert den Rat auf, seine Sanktionspolitik gegenüber Russland und Belarus fortzusetzen und auszuweiten und dabei die Wirksamkeit und Schlagkraft der Sanktionen zu überwachen, zu überprüfen und zu verstärken; fordert den Rat auf, das Problem der Umgehung der Sanktionen durch Unternehmen mit Sitz in der EU bzw. über Dritte und Drittstaaten systematisch anzugehen und restriktive Maßnahmen gegen alle Einrichtungen zu ergreifen und strikt umzusetzen, die die Umgehung von Sanktionen ermöglichen und den Militärkomplex Russlands mit Technologien und Gütern mit militärischem oder doppeltem Verwendungszweck versorgen;
10. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten, der Regierung und der Werchowna Rada der Ukraine, der Präsidentin, der Regierung und dem Parlament Moldaus, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und den Staatsorganen Russlands zu übermitteln.