Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Juli 2025 zu der dringenden Notwendigkeit, nach dem jüngsten Terroranschlag auf die St.-Elias-Kirche in Damaskus religiöse Minderheiten in Syrien zu schützen (2025/2798(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Syrien,
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Kommission und des Sprechers des EAD vom 11. März, 7. Mai und 23. Juni 2025 zu Syrien,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 23. Juni 2025 zu Syrien und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 26. Juni 2025 zum Nahen Osten,
– gestützt auf Artikel 150 Absatz 5 und Artikel 136 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die in religiöser und ethnischer Hinsicht vielfältige Gesellschaft Syriens über ein Jahrzehnt in den Fängen des gewalttätigen und das Gemeinwesen spaltenden Assad-Regimes und terroristischer Gruppen, insbesondere des Islamischen Staates (IS), war und in dieser Zeit viel Leid erfahren hat, wovon alle Bevölkerungsgruppen, wie etwa Araber, Kurden, Sunniten, Schiiten, Alawiten, Christen, Drusen und Jesiden, betroffen waren;
B. in der Erwägung, dass im März 2025 eine Welle massiver Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, entlang der syrischen Küste gegen die alawitische Religionsgemeinschaft ihren Anfang nahm, die nach wie vor andauert und mehr als 1 200 zivile Opfer gefordert hat; in der Erwägung, dass eine alarmierende Zunahme von Massenentführungen und sexueller Versklavung von alawitischen Frauen verzeichnet wird;
C. in der Erwägung, dass im April 2025 bei weit verbreiteten religiös motivierten Zusammenstößen mehr als zehn Zivilisten der Religionsgemeinschaft der Drusen getötet wurden;
D. in der Erwägung, dass am 22. Juni 2025 bei einem Selbstmordanschlag auf die griechisch-orthodoxe St.-Elias-Kirche in Damaskus mindestens 25 Menschen getötet und über 60 weitere verletzt wurden, was somit der blutigste Anschlag auf Christen seit Jahren ist; in der Erwägung, dass sich eine neu gegründete islamistische terroristische Gruppe namens „Saraya Ansar al-Sunna“ zu diesem Anschlag bekannt hat;
E. in der Erwägung, dass die syrische Übergangsregierung zwar den Schutz und die Inklusion religiöser Gemeinschaften zugesagt hat, durch die jüngsten Entwicklungen jedoch ein Klima der Angst geschürt und das Vermögen der Übergangsregierung, Religionsgemeinschaften angemessen zu schützen, in Frage gestellt wird;
1. verurteilt aufs Schärfste den verheerenden Terroranschlag auf die St.-Elias-Kirche und alle Drohungen gegen Gebetsstätten, von denen einige zudem von historischer Bedeutung sind; fordert die syrischen staatlichen Stellen nachdrücklich auf, die Sicherheitsmaßnahmen zu verbessern und die St.-Elias-Kirche wiederaufzubauen;
2. verurteilt aufs Schärfste alle Angriffe auf religiöse und ethnische Gemeinschaften und nimmt zur Kenntnis, dass die Furcht unter ihnen sieben Monate nach der politischen Wende im Land zunimmt; bekundet seine Solidarität mit allen Opfern;
3. stellt mit Besorgnis fest, dass viele Angehörigen von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) mit schweren Menschenrechtsverletzungen auf ihrem Konto nun in der Übergangsverwaltung Aufgaben übernommen haben, was sich möglicherweise auf die Religionsfreiheit auswirken könnte, wie die wiederholten Vorfälle belegen, an denen syrische Amtsträgern beteiligt waren;
4. fordert die syrische Übergangsregierung nachdrücklich auf, rasche, transparente und unabhängige Ermittlungen zu diesen Taten einzuleiten und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um religiös motivierte Gewalt im Keim zu ersticken, unter anderem durch die strafrechtliche Verfolgung aller, die – wie im Fall des Anschlags auf die St.-Elias-Kirche – Menschenrechtsverletzungen begangen oder ermöglicht haben, für Rechenschaftspflicht zu sorgen, die Religionsfreiheit zu wahren und alle Bevölkerungsgruppen zu schützen;
5. bekräftigt die Unterstützung der EU für einen menschenrechtsbasierten politischen Übergang in Syrien, auch durch die bedingte Aufhebung der Sanktionen, wobei eine Übergangsjustiz, die Bekämpfung der Straflosigkeit, das Verbot willkürlicher Gewalt, eine durch die Verfassung garantierte inklusive Regierungsführung mit einer angemessenen Vertretung religiöser und ethnischer Gemeinschaften, eine Volksversammlung sowie die Achtung des Völkerrechts die Voraussetzungen für den Erfolg dieses Neuanfangs sind; fordert die syrische Übergangsregierung auf, einen spezifischen Zeitplan für die Abhaltung glaubwürdiger, freier, fairer und inklusiver Wahlen vorzulegen; fordert die EU auf, in Abstimmung mit den einschlägigen internationalen Institutionen einen Fonds für den Wiederaufbau Syriens einzurichten, der von nachweislichen Fortschritten bei diesen Prioritäten abhängig gemacht wird und mit dem der interreligiöse Dialog, die Lösung von Konflikten und die Aussöhnung gefördert werden können; fordert die Europäische Kommission auf, der Konferenz mit der syrischen Zivilgesellschaft Vorrang einzuräumen;
6. fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst nachdrücklich auf, den Schutz von Religionsgemeinschaften und die Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu einem Gegenstand ihres Dialogs mit der syrischen Übergangsregierung zu machen;
7. weist auf die Schutzbedürftigkeit christlicher Gemeinschaften in Syrien und die ständigen Drohungen gegen Gläubige hin, deren Schutz von den staatlichen Stellen garantiert werden muss; hebt die große Vielfalt innerhalb der konfessionellen Gruppen Syriens hervor, zu denen beispielsweise die griechisch-orthodoxe Kirche, die syrisch-orthodoxe Kirche, die armenisch- apostolische Kirche, die chaldäisch-katholische Kirche und die maronitisch-katholische Kirche gehören; betont, wie wichtig es ist, den Beitrag ihrer und anderer Glaubensgemeinschaften zum religiösen und kulturellen Erbe Syriens zu bewahren und wertzuschätzen, und fordert, dass die neue politische Architektur Syriens dieser Vielfalt Rechnung trägt;
8. fordert die syrische Übergangsregierung auf, bei den noch offenen Fragen wie der Rückgabe von religiösem Eigentum, das vom Assad-Regime beschlagnahmt wurde, Fortschritte zu erzielen;
9. fordert den Rat auf, bestehende Sanktionen gegen Akteure, die für Verletzungen der Religionsfreiheit in Syrien verantwortlich sind, zielgerichteter einzusetzen und weitere solche Sanktionen zu verhängen;
10. fordert die syrische Übergangsregierung, die EU und die Mitgliedstaaten auf, die Maßnahmen gegen den islamistischen Terrorismus zu intensivieren, alle Bürgerinnen und Bürger des Landes zu schützen und sich der Lage in den Lagern Al-Hol und Roj anzunehmen; weist auf die ernste Gefahr für die internationale Sicherheit hin, die ein plötzlicher Rückzug der USA aus der Region angesichts der derzeit unsicheren Lage nach sich ziehen würde; fordert, dass die territoriale Unversehrtheit Syriens geachtet wird;
11. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Rat und den syrischen staatlichen Stellen zu übermitteln.