Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2001) (2001/2014(INI))
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Entschließungsanträge von
a)
Cristiana Muscardini zu offiziellen Übersetzerverzeichnissen bei den kriminalpolizeilichen Stellen der Mitgliedstaaten (B5-0677/2001),
b)
Cristiana Muscardini, Roberta Angelilli, Roberto Felice Bigliardo, Sergio Berlato, Antonio Mussa, Nello Musumeci, Mauro Nobilia, Adriana Poli Bortone und Francesco Turchi zur Bereitstellung von medizinischer Soforthilfe für Bürger von Drittländern auf dem Gebiet der Union (B5-0678/2001),
– unter Hinweis auf seine vorhergehenden Jahresberichte über die Lage der Menschenrechte in der Europäischen Union, insbesondere seine Entschließung vom 5. Juli 2001 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union(1), mit der ein neuer Ansatz unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Bezugsrahmen eingeleitet wurde,
– unter Hinweis auf Artikel 6 und 7 des EU-Vertrags,
– gestützt auf den dritten Jahresbericht der Europäischen Union über die Menschenrechte 2001, vom Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ am 8. Oktober 2001(2) veröffentlicht,
– unter Hinweis auf die Erkenntnisse der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) sowie auf seine eigenen Entschließungen zu diesem Thema, insbesondere auf seine Empfehlung vom 16. Mai 2001 zum Standpunkt der Europäischen Union auf der Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz(3),
– unter Hinweis auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die anzuwendenden internationalen Verträge, insbesondere auf die 2001 von den Begleitausschüssen der wichtigsten Verträge der Vereinten Nationen und des Europarates veröffentlichten Beobachtungen(4),
– unter Hinweis auf die Berichte der internationalen und europäischen Nichtregierungsorganisationen, die sich mit den Menschenrechten beschäftigen,
– unter Hinweis auf die Berichte über die Länder der Union, die die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz 2001 im Rahmen des Europarats angenommen hat(5),
– in Kenntnis der öffentlichen Anhörung des Europäischen Parlaments vom 17. April 2002 über die Achtung der Grundrechte in der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 163 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, NRAdes Ausschusses für die Rechte der Frau und Chancengleichheit und des Petitionsausschusses (A5-0451/2002),
Einleitung
1. weist darauf hin, dass in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Grundwerte zusammengefasst sind, auf die sich die Union stützt und auf die in Artikel 6 Absatz 2 sowie in Artikel 7 und 29 des EU-Vertrags immer wieder verwiesen wird, nämlich die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts;
2. weist darauf hin, dass es im Anschluss an die Proklamierung der Charta angesichts der mit der Unterzeichnung des Vertrags von Nizza am 27. Februar 2001 eingegangenen Verpflichtungen, insbesondere im Hinblick auf den neuen Artikel 7 Absatz 1 nun Aufgabe der EU-Organe ist, die für die Ausübung ihrer Kontrollfunktion in Bezug auf die Achtung der Grundrechte in den Mitgliedstaaten notwendigen Initiativen zu ergreifen;
3. sieht es als seine grundlegende Aufgabe an, die Einhaltung der Grundrechte sowohl durch die Institutionen und Organe der Union – unter anderem gemäß Artikel 58 seiner Geschäftsordnung – als auch durch die Mitgliedstaaten gemäß den Verträgen und Artikel 108 seiner Geschäftsordnung zu prüfen;
4. ist der Auffassung, dass der Jahresbericht des Europäischen Parlaments zur Achtung der Menschenrechte innerhalb der Europäischen Union durch eine bessere Abstimmung und engere Verknüpfung mit den externen Menschenrechtsaktivitäten des Europäischen Parlaments sowie durch die Verstärkung der Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments gegenüber der Kommission und dem Rat an Bedeutung gewinnen könnte; fordert, den Jahresbericht jedes Jahr spätestens während der Plenartagung im Juli anzunehmen;
5. empfiehlt, den Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union in den in Artikel 6 und 7 des EU-Vertrags vorgesehenen Frühwarnmechanismus einzubeziehen, insbesondere indem es den federführenden Ausschuss mit der ständigen Überwachung der Einhaltung der Charta beauftragt, an der sich die anderen zuständigen Ausschüsse beteiligen, die dem federführenden Ausschuss während des ganzen Jahres ihre Beobachtungen mitteilen;
6. weist darauf hin, dass es insbesondere dem Europäischen Parlament kraft der ihm durch den neuen Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags von Nizza übertragenen Rolle und seinem zuständigen Ausschuss obliegt, in Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten und den Parlamenten der Beitrittsländer darauf zu achten, dass die in den Kapiteln der Charta niedergelegten Rechte sowohl von den europäischen Organen als auch von den Mitgliedstaaten geachtet werden;
7. begrüßt die Tatsache, dass die Kommission am 16. Oktober 2002 das Netz von Menschenrechtsexperten eingerichtet hat, und fordert die Kommission auf, die auf der Grundlage des multidisziplinären Materials verfassten Berichte des Netzes über die Lage der Menschenrechte in der Europäischen Union und in den Mitgliedstaaten dem Rat und dem Parlament vorzulegen; damit soll dem Europäischen Parlament eine Beurteilung der Umsetzung jedes einzelnen der in der Charta festgelegten Rechte übermittelt werden, wobei Entwicklungen bei den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, der Rechtsprechung der Luxemburger und Straßburger Gerichte sowie bei jeder richtungsweisenden Rechtsprechung der Verfassungs- und sonstigen Gerichte der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden;
8. ist der Auffassung, dass die Gründe, aus denen die Kommission den Vorschlag zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Menschenrechte („EU Human Rights Monitoring Agency“) abgelehnt hat, nicht stichhaltig sind; wünscht, dass dieser Vorschlag auf der Tagesordnung belassen wird, und ersucht die Kommission zu klären, wie sich das Netz von Menschenrechtsexperten zu einem derartigen Beobachtungszentrum entwickeln könnte;
9. begrüßt den Beschluss der Kommission (SEK(2001) 380/3 vom 13. März 2001), fortan Gesetzesvorschläge und andere Beschlüsse im Vorhinein auf ihre Vereinbarkeit mit der Charta der Grundrechte zu prüfen und dies in einer Sonderklausel festzulegen; ersucht die Kommission, ihm eine Übersicht zur Anzahl ihrer Gesetzentwürfe und anderer Beschlüsse vorzulegen, die mittlerweile eine solche Klausel beinhalten, sowie mitzuteilen, welchen Prozentsatz aller Beschlüsse diese insgesamt ausmachen;
10. fordert den Europäischen Konvent erneut auf, die Grundrechte-Charta in den Entwurf einer Verfassung der Union einzubeziehen;
11. begrüßt das Vorhaben des Rates, die interne und externe Menschenrechtspolitik der Europäischen Union besser aufeinander abzustimmen und die Frage der Entwicklung entsprechender Mittel und Wege auszuloten (Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ vom 25. Juni 2001), ist jedoch besorgt, dass dies bislang nicht konkretisiert wurde; ersucht den Rat, das Parlament vor dem 1. Juli 2003 hierüber zu informieren;
12. fordert seine zuständigen Organe nachdrücklich auf, die Zusammenarbeit und die Abstimmung zwischen den mit Fragen der Menschenrechte in der Europäischen Union bzw. den Drittländern betrauten Parlamentsausschüssen rasch zu verbessern, insbesondere um klarzustellen, welche Ausschüsse in den Bewerberländern Menschenrechtsfragen behandeln werden;
13. fordert Kommission und Rat eindringlich auf, die jährlich stattfindenden Menschen- und Bürgerrechtsforen (deren Ziel es ist, dem Dialog mit den Nichtregierungsorganisationen mehr Kontinuität zu verleihen) nicht auf Menschenrechtsfragen außerhalb der Europäischen Union zu beschränken, sondern auch Fragen der Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union zu thematisieren und dabei übergreifende Fragestellungen zu diskutieren; ersucht die zuständigen Organe des Europäischen Parlaments zu prüfen, wie das Europäische Parlament intensiver in diese Treffen bzw. ihre Vorbereitung einbezogen werden kann, um auch wirklich eine größere Effizienz zu gewährleisten;
14. fordert alle Mitgliedstaaten auf, ihre Defizite bei der Erfüllung ihrer Berichtspflicht in Bezug auf die Umsetzung der UN-Menschenrechtsübereinkommen(6) gegenüber den betreffenden Begleitausschüssen (monitoring bodies) der Vereinten Nationen abzubauen; ersucht den Rat und den Europäischen Konvent zur Zukunft der Europäischen Union, bei der Gestaltung der europäischen Menschenrechtspolitik größeres Gewicht auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Einhaltung der UN-Menschenrechtsverträge zu legen;
15. fordert die Mitgliedstaaten außerdem auf, ihrer Berichtspflicht gegenüber den zuständigen Ausschüssen des Europarates in vollem Umfang nachzukommen, sofern sie dies noch nicht getan haben;
16. erinnert daran, dass Demokratie auf der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten basiert sowie auf der uneingeschränkten Anwendung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit und der Rechtstaatlichkeit; fordert die Mitgliedstaaten und die Organe der Europäischen Union daher auf zu gewährleisten, dass die Bestimmungen der internationalen Verträge über die Menschenrechte, insbesondere die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und die dazugehörigen Protokolle sowie ihre betreffenden Verfassungen und Rechtvorschriften vollständig eingehalten werden;
Kapitel 1: Würde des Menschen Recht auf Leben
17. begrüßt die Tatsache, dass Irland die Todesstrafe aus der Verfassung gestrichen hat; fordert Griechenland jedoch mit Nachdruck auf, die Todesstrafe gänzlich abzuschaffen, um die Menschenrechtsanforderungen eines Mitgliedstaats zu erfüllen;
18. empfiehlt Belgien, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien und Luxemburg, das UN-Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge sowie Belgien, Deutschland, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg und Portugal das UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus zu ratifizieren;
19. bekräftigt seine vorbehaltlose und uneingeschränkte Verurteilung des Terrorismus, der die grundlegenden Menschenrechte und das Recht auf Leben mit Füßen tritt, gleich in welcher Form er auftritt und unabhängig davon, ob sein Ursprung oder seine Aktivitäten innerhalb oder außerhalb der Union anzusiedeln sind;
20. erinnert daran, dass alle Ideologien legitim sind, sofern sie auf demokratischem Wege ihren Ausdruck finden, und bekundet deshalb entschiedene Ablehnung gegenüber terroristischen Organisationen, die Personen bedrohen oder töten, weil sie gewählte Vertreter und/oder aktive Mitglieder bestimmter politischer Gruppen sind;
21. betont, dass der Terrorismus seinen Opfern und deren Angehörigen nicht wieder gut zu machenden Schaden und unermessliches Leid zufügt und begrüßt und fordert deshalb Maßnahmen, die der besonderen Situation dieser Personen Rechnung tragen;
22. bekräftigt, dass der Terrorismus die Schwächung des Rechtsstaates zum Ziel hat und dass somit die Politik zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus vorrangig auf den Erhalt und die Stärkung des Rechtsstaates ausgerichtet sein muss;
23. bekräftigt erneut seine Unterstützung für Maßnahmen zur Bekämpfung und Verhütung des Terrorismus und erinnert daran, dass diese innerhalb der durch den Rechtsstaat vorgegebenen Grenzen und unter uneingeschränkter Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durchgeführt werden müssen;
24. stimmt den Leitlinien zu den Menschenrechten und der Bekämpfung des Terrorismus, die am 11. Juli 2002 vom Ministerkomitee des Europarates angenommen wurden, uneingeschränkt zu;
25. äußert sich besorgt über nachteilige Auswirkungen auf die Grundrechte, die mit den Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus einhergehen;
26. fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Bekämpfung des Terrorismus auf keinen Fall gegen die Grundrechte zu verstoßen und gegen alle Beschränkungen dieser Grundrechte vorzugehen;
27. empfiehlt den Mitgliedstaaten, eine Sunset-Klausel in ihre spezifischen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus aufzunehmen, die eine Bewertung und/oder Überprüfung der Rechtsvorschriften nach einem angemessenen Zeitraum vorsieht;
28. fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, 2003 eine Übersicht zu den nach dem 11. September 2001 von den Mitgliedstaaten eingeleiteten Maßnahmen zu erstellen und diese dem Parlament vorzulegen, wobei explizit zu prüfen ist, ob diese möglicherweise in Widerspruch zu den Grundrechten stehen;
Verbot der Folter und unmenschlicher Behandlung
29. weist darauf hin, dass nach Artikel 4 der Charta der Grundrechte niemand der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen werden darf, und fordert, dass dieser Artikel in allen EU-Mitgliedstaaten strikt eingehalten wird;
30. stellt mit Besorgnis fest, dass Fehlverhalten der Polizei und anderer Ordnungshüter sowie Missstände auf Polizeidienststellen und in Gefängnissen in nahezu allen Mitgliedstaaten ein stets wiederkehrendes Thema in Menschenrechtsberichten sind;
31. ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten ihre politischen Anstrengungen auf diesem Gebiet vor allem durch folgende Maßnahmen verstärken sollten:
–
gründliche Ermittlung in allen Fällen von Verstößen, und insbesondere beim Tod von Personen, die sich auf Polizeistationen, in Gefängnissen oder in Abschiebehaft befinden, und konsequente Bestrafung der Täter;
–
Verbesserung der Ausbildung der Führungskräfte bei der Polizei und anderen Ordnungsdiensten sowie des Gefängnispersonals,
–
Austausch bewährter Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten, Förderung des Meinungsaustausches zwischen europäischen Partnern und Veranstaltung von Workshops, auf denen das Strafvollzugspersonal der einzelnen Mitgliedstaaten seine Erfahrungen austauschen kann;
–
Anpassung von Gefängniseinrichtungen an die Erfordernisse der modernen Zeit, einschließlich hinreichender Möglichkeiten zur Bereitstellung von medizinischer Versorgung und juristischem Beistand und besondere Berücksichtigung schwacher Häftlinge, insbesondere Frauen, die oft von sexuellem Missbrauch oder Einschüchterung bedroht sind;
–
möglichst geringe Einschränkung des Rechts auf Privat- und Familienleben, jedoch Schaffung der für die Wahrung der Privatsphäre erforderlichen Bedingungen;
–
Verhängung alternativer, dem Gemeinwohl dienende Strafen, um Überbelegungen in Gefängnissen abzubauen;
–
Förderung von Verwaltungsstrafen und/oder Geldbußen bei geringfügigeren Straftaten, verstärkter Einsatz von Strafersatz, etwa in Form von gemeinnützigen Arbeiten bei gleichzeitigem Ausbau des offenen oder halboffenen Strafvollzugs und Gewährung von Hafturlaub unter bestimmten Auflagen;
–
Durchführung eigener Programme für die Wiedereingliederung der Häftlinge in die bürgerliche Gesellschaft;
–
Einsetzung eines unabhängigen Organs zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und zur Vorlage von Lösungen zur Verbesserung der Situation;
–
Bereitstellung ausreichend ausgebildeten Personals in Auffangzentren für Asylsuchende;
–
weitestgehende Beschränkung des Freiheitsentzugs, auch im Rahmen des Ausweisungsverfahrens und außer im absolutem Ausnahmefall Vermeidung der Inhaftierung von Kindern;
32. hat mit Besorgnis die Berichte von Amnesty International und der International Helsinki Federation for Human Rights über Misshandlungen, Tötungen und Straflosigkeit in Griechenland zur Kenntnis genommen und teilt die Ansicht, dass schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte in einem Mitgliedstaat nicht nur in die Verantwortlichkeit dieses Landes fallen, sondern ebenfalls ein Anliegen der gesamten Europäischen Union sein sollten;
33. vertritt die Auffassung, das das Fortbestehen und der Ernst dieser Problematik den Kern der Wertegemeinschaft berührt, als die sich die Europäische Union versteht, stellt aber fest, dass die gegenwärtigen Verträge in dieser Hinsicht wenig politischen Gestaltungsspielraum bieten;
34. empfiehlt, dass der Europäische Konvent Möglichkeiten zur Schaffung wirksamerer Regelungen und für eine effektivere Gestaltung der Gemeinschaftspolitik prüft;
Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit
35. empfiehlt Österreich, Belgien, Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, Schweden und dem Vereinigten Königreich, das UN-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und das Zusatzprotokoll gegen Menschenhandel zu ratifizieren;
36. empfiehlt Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, Schweden und dem Vereinigten Königreich, das UN-Protokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten zu ratifizieren;
37. begrüßt die Tatsache, dass der Rat im Juli 2002 den Rahmenbeschluss 2002/629/JHA zur Bekämpfung des Menschenhandels(7) angenommen hat, und fordert die Mitgliedstaaten auf, den Rahmenbeschluss unverzüglich in nationales Recht umzusetzen und den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Erteilung kurzfristiger Aufenthaltstitel für Opfer der Beihilfe zur illegalen Einwanderung und des Menschenhandels, die mit den zuständigen Behörden kooperieren(8), anzunehmen, sobald das Europäische Parlament seine Stellungnahme abgegeben hat;
38. fordert die Mitgliedstaaten und insbesondere Griechenland auf, eine ausgewogene Politik zur Verhütung und Bekämpfung sämtlicher Formen des Menschen- und Frauenhandels zu entwickeln und umzusetzen, die neben der Verfolgung der Täter auch den Schutz und die Rehabilitierung der Opfer in ausreichendem Maße berücksichtigt und in der der Menschenhandel nicht nur im Hinblick auf die Prostitution, sondern auch auf andere Formen von Zwangsbeschäftigung und Ausbeutung Berücksichtigung findet;
39. stellt fest, dass jährlich etwa eine halbe Millionen Frauen aus Ost- und Mitteleuropa in die Europäische Union gebracht werden, um für die Prostitution verkauft zu werden; fordert somit die Mitgliedstaaten auf, ernsthaft damit zu beginnen, durch einen besseren Einsatz von Polizei, Justiz und sozialen Behörden sowie durch eine intensive Zusammenarbeit mit den Bewerberländern und anderen der Europäischen Union benachbarten Ländern gegen diesen Handel vorzugehen;
40. hält eine Intensivierung der Bemühungen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung für notwendig, da diese massiv zur Rekrutierung völlig rechtloser Arbeitnehmer unter unannehmbaren Einstellungs- und Arbeitsbedingungen ausgenutzt wird;
41. fordert den Rat auf, die Beschlussfassung zum Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie(9) zum Abschluss zu bringen;
Kapitel 2: Freiheiten Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
42. fordert Griechenland auf, das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vorbehaltlos und ohne Verweis auf religiöse Motive anzuerkennen, Alternativen zum Wehrdienst einzuführen, die nicht von längerer Dauer sind, als der eigentliche Wehrdienst, sowie Personen, die in diesem Zusammenhang Haftstrafen verbüßen, umgehend freizulassen;
43. weist darauf hin, dass die Vertragsparteien des UN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau gemäß dessen Artikel 6 alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Abschaffung jeder Form des Frauenhandels und der Ausbeutung der Prostitution von Frauen treffen müssen;
44. bedauert, dass Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Freizügigkeit, auf rechtliches Gehör und auf körperliche Unversehrtheit während öffentlicher Demonstrationen und insbesondere anlässlich des G8-Gipfels in Genua ausgesetzt wurden;
45. erinnert an seine Empfehlung vom 12. Dezember 2001 an den Rat zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Sicherheit der Tagungen des Europäischen Rates und anderer Veranstaltungen von vergleichbarer Tragweite(10), und empfiehlt den Mitgliedstaaten, einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt zu vermeiden und die nationalen Polizeikräfte anzuweisen, Gewalt zu kontrollieren und die Rechte des Einzelnen zu wahren, selbst bei Massenaufläufen, in denen sich gewalttätige Gesetzesbrecher mit friedvollen gesetzestreuen Bürgern vermischen; vertritt die Ansicht, dass den nationalen Polizeikräften zur Auflage gemacht werden sollte, den Waffengebrauch zu vermeiden und die Empfehlung der UNO über einen verhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und den Ethikcode des Europarats für Vollstreckungsmaßnahmen zu befolgen; stellt insbesondere fest, dass das Parlament im Zusammenhang mit den Unruhen in Genua im Juli 2001 die Maßnahmen im Anschluss an die in Italien eingeleiteten administrativen, gerichtlichen und parlamentarischen Untersuchungen weiter besonders aufmerksam verfolgen wird, um festzustellen, ob es dabei zu unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen oder Behandlungen (Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) gekommen ist;
46. fordert die Mitgliedstaaten auf, religiösen Pluralismus durch die Gleichbehandlung aller Religionen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass religiöse und weltliche Anschauungen geachtet werden und gleichberechtigt geäußert werden können;
47. empfiehlt den Mitgliedstaaten, die widerrechtlichen Aktivitäten sogenannter Sekten zu bekämpfen, die die körperliche oder geistige Unversehrtheit von Einzelpersonen bedrohen, und dabei im Einklang mit den Positionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats(11) die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit zu wahren und die normalen zivil- und strafrechtlichen Verfahren anzuwenden;
48. ist der Ansicht, dass auch die Freiheit, sich nicht länger zu einer bestimmten Religion oder Lebensauffassung bekennen zu wollen und die betreffende Glaubensgemeinschaft zu verlassen, zu den Freiheitsrechten zählen soll, und dass dieses Recht auch von den Behörden erforderlichenfalls aktiv zu schützen ist;
49. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Religionsfreiheit die Selbstbestimmung von Frauen und den Grundsatz der Gleichheit von Frauen und Männern nicht beeinträchtigt und dass der Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat geachtet wird;
Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, Recht auf Wahrung der Privatsphäre, Schutz personenbezogener Daten sowie Zugang zu Dokumenten
50. empfiehlt der Union, ein verbindliches Rechtsinstrument zu schaffen, das für die unter den zweiten und dritten Pfeiler fallenden Bereiche gleichwertige Garantien vorsieht wie in der Richtlinie 95/46/EG(12) zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten; äußert sich besorgt über den Inhalt der Richtlinie 2002/58/EG(13), die die Möglichkeit bietet, bei der elektronischen Kommunikation ausgetauschte Daten zu speichern (data retention), und befürwortet erneut, Maßnahmen zum Schutz vor rechtswidrigen Systemen zur Abhörung des Fernmeldeverkehrs zu ergreifen;
51. fordert Belgien, Dänemark und Irland auf, das Übereinkommen des Europarats über das grenzüberschreitende Fernsehen vom 5. Mai 1989 zu unterzeichnen und zu ratifizieren, fordert Griechenland, Luxemburg, die Niederlande und Schweden auf, dieses Übereinkommen zu ratifizieren, und fordert die genannten Länder sowie Portugal auf, das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 1. Oktober 1998 zu unterzeichnen bzw. zu ratifizieren;
52. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Meinungsfreiheit und die Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung, die eine wesentliche Voraussetzung jeder Politik zum Schutz der Grundrechte sind, zu garantieren;
53. empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Recherchefreiheit und das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten (das Recht der Journalisten, ihre Informationsquellen nicht preiszugeben) gegebenenfalls durch Anpassung der Rechtsvorschriften wirksam zu gewährleisten;
54. fordert die Mitglieder der Regierungen und andere Politiker auf, die Bedeutung einer freien Presse für die Demokratie zu unterstreichen und öffentliche Aussprachen, die zu einer Einschränkung oder Beeinflussung der journalistischen Freiheit und Unabhängigkeit führen, zu vermeiden;
55. lehnt entschieden jegliche Form der Gewalt, Einschüchterung oder Bedrohung ab, die die freie Ausübung des Journalistenberufs beeinträchtigen könnte; fordert aus diesem Grund alle Staaten auf, die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu achten und zu schützen und bekräftigt seine Solidarität mit den Journalistinnen und Journalisten, die Opfer von Übergriffen werden, weil sie sich nicht einschüchtern lassen, sondern freien Gebrauch von diesem Recht machen;
56. empfiehlt den Mitgliedstaaten Wachsamkeit gegenüber politischer Einflussnahme auf Presse- und Informationsorgane, um zu vermeiden, dass diese an rein politischen Kriterien gemessen und nur gegen politische Gegner instrumentalisiert werden;
57. empfiehlt den Mitgliedstaaten, bei einem nahezu vollständigen Monopol oder einer extremen Konzentration im Bereich der audiovisuellen und Print-Medien Wachsamkeit walten zu lassen und in den Mitgliedstaaten, in denen es noch keine unabhängige Regulierungsbehörden gibt, solche Behörden einzusetzen, um effizient gegen jegliche antidemokratische Entgleisung vorgehen, die kulturelle Vielfalt wahren sowie die Qualität und Pluralität der Programme und den freien Zugang für alle gewährleisten zu können;
58. unterstreicht, dass die Bildung von de facto-Monopolen nicht nur unter Heranziehung wirtschaftlicher Indikatoren überwacht werden muss, sondern auch in Verbindung mit der Achtung der Grundrechte und insbesondere der in Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Artikel 10 der EMRK festgeschriebenen Freiheit der Meinungsäußerung; ist besorgt über die Lage in Italien, wo ein Großteil der Medien und des Werbemarktes – in verschiedenen Formen – von derselben Person kontrolliert werden; erinnert daran, dass eine solche Situation eine schwerwiegende Verletzung eines Grundsatzes gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags in der vom Vertrag von Nizza geänderten Fassung darstellen könnte;
59. verweist auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001(14) und fordert die Kommission, den Rat und sein eigenes Generalsekretariat auf zu gewährleisten, dass die Verordnung und deren Geist eingehalten werden und tatsächlich zu einer größeren Öffentlichkeit und einem besseren Zugang der Bürger zu den Dokumenten beitragen; fordert die Europäische Union mit Nachdruck auf, die Verordnung im Geiste der Transparenz umzusetzen, die Ausnahmeregelungen und Forderungen für eine Sonderbehandlung sensibler Dokumente nur dann anzuwenden, wenn dies absolut erforderlich ist, und so rasch wie möglich ein Instrument zu verabschieden, das die Bestimmungen für den Zugang zu Dokumenten der Agenturen und Einrichtungen der Europäischen Union an die Verordnung anpasst;
Asylrecht und Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung
60. fordert den Rat zum wiederholten Male auf, das Zustandekommen einer gemeinschaftlichen, auf Humanismus und Anerkennung der internationalen Konventionen basierenden Asylpolitik der Europäischen Union zu beschleunigen, und unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass die Achtung der Menschenrechte der unantastbare Ausgangspunkt des Handelns sein und bleiben muss;
61. empfiehlt den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, eine ehrgeizige, auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung beruhende Politik zur Integration von Staatsangehörigen aus Drittländern zu verfolgen und umzusetzen ;
62. befürwortet, kraft des Grundsatzes „ne bis in idem“ die Doppelbestrafung (Verurteilung und Ausweisung) abzuschaffen;
63. empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Verfahren der Einbürgerung bzw. der Gewährung der doppelten Staatsbürgerschaft zu lockern, damit im Gastland wohnende Ausländer, sofern sie dies wünschen, Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten werden können;
64. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass ihre Asylpolitiken sowie ihre Grenz- und Einreisepolitiken den Grundsatz der Nichtzurückweisung achten (wie in der Genfer Konvention und der EMRK festgelegt), und sich dessen bewusst zu sein, dass derzeit die Kombination aus den Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens und den Konzepten des sicheren Drittlandes und des sicheren Ursprungslandes sowie die Bestimmungen betreffend Sanktionen für Beförderer und die Haftbarkeit des Beförderers sowie der eingeschränkten Zugang zu Dolmetschern und Anwälten und die fehlende aufschiebende Wirkung bestimmter Berufungsverfahren eine Bedrohung für diesen Grundsatz darstellen;
65. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, von jeglicher Initiative abzusehen, die darauf abzielt, die Genfer Konvention selbst zu ändern; fordert jedoch erneut eine Erweiterung der Kriterien für die Aufnahme von Flüchtlingen in die Europäische Union, indem insbesondere die nichtstaatliche Verfolgung und die Verfolgung aufgrund des Geschlechts (einschließlich der Androhung und der Gefahr der Verstümmelung von Geschlechtsorganen für Frauen) und der sexuellen Ausrichtung berücksichtigt werden;
66. fordert die Mitgliedstaaten auf – in Übereinstimmung mit der Flüchtlingskonvention und den Empfehlungen des UNHCR – dafür zu sorgen, dass alle Asylsuchenden, auch die ohne Ausweispapiere, Zugang zum Asylverfahren haben;
67. fordert die Mitgliedstaaten auf, stets zu prüfen, ob durch ihre Entscheidungen in besonderen Asylfällen nicht der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) gefährdet wird;
68. fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Bekämpfung des Terrorismus ihren internationalen Asylverpflichtungen nachzukommen und sicherzustellen, dass eine mögliche Nichtanwendung der Flüchtlingskonvention auf den dort genannten Ausschlussgründen (Artikel 1 Buchstabe F sowie Artikel 32) fußt und ein solcher Ausschluss niemals automatisch erfolgt;
69. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Inhaftierung von Asylbewerbern auf Ausnahmefälle zu beschränken und nur aus Gründen, die in den UNHCR-Richtlinien über anwendbare Kriterien und Normen in bezug auf die Inhaftierung von Asylbewerbern dargelegt sind;
70. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass Personen nicht in Länder ausgeliefert werden, in denen sie für die von ihnen verübten Straftaten mit der Todesstrafe rechnen müssen oder Gefahr laufen, gefoltert oder misshandelt zu werden, und keine nicht einklagbaren Garantien zu akzeptieren; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, dieses Recht nicht durch bilaterale Verträge auszuhöhlen;
71. äußert sich besorgt über die Fälle kollektiver Ausweisung und erinnert die Mitgliedstaaten daran, dass die Kollektivausweisung von Ausländern gemäß der Charta sowie Artikel 4 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK nicht zulässig ist, es sei denn, dem Beschluss über die kollektive Ausweisung von Ausländern liegt eine individuelle, rechtmäßige und objektive Beurteilung zugrunde;
72. begrüßt die Tatsache, dass mit der Ratifizierung des IAO-Übereinkommens Nr. 111 gegen die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf durch Luxemburg im Jahre 2001 nunmehr alle Mitgliedstaaten das Übereinkommen ratifiziert haben;
73. fordert Dänemark, Spanien, Frankreich, Schweden und das Vereinigte Königreich nachdrücklich auf, das Protokoll Nr. 12 zur EMRK zu unterzeichnen, sowie allen Mitgliedstaaten, dieses Protokoll ratifizieren;
74. fordert die Mitgliedstaaten auf, sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf Gemeinschaftsebene eine kohärente Nichtdiskriminierungspolitik zu verfolgen und dabei prinzipiell gleichen Schutz gegen Diskriminierung aus unterschiedlichen Gründen zu gewährleisten; ersucht die Kommission, ein Weißbuch zur künftigen Gleichstellungsstrategie der Europäischen Union zu erstellen, in dem der oben genannte Ausgangspunkt weiter konkretisiert wird, und die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Ausgangspunkt in die Praxis umzusetzen;
75. stellt fest, dass im Beobachtungszeitraum Mitgliedstaaten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Rechtssachen Nr. 37119/97, Nr. 35972/97 sowie Nr. 29545/95) wegen Diskriminierungen beim Zugang zur Beschäftigung im öffentlichen Dienst verurteilt wurden; fordert die Kommission auf zu überprüfen, ob in den genannten Fällen die Richtlinie 2000/78/EG(15) verletzt wurde und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu ergreifen; fordert des weiteren die Vorlage spezifischer Richtlinienentwürfe auf Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags zur Bekämpfung aller in Artikel 13 genannten Diskriminierungsgründe;
76. fordert des Weiteren Italien auf, dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C-212/99, in der die Diskriminierung ausländischer Universitätslektoren festgestellt wurde, umgehend Folge zu leisten;
77. fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur Gleichstellung von Männern und Frauen außerhalb der Arbeitswelt kurzfristig fertig zu stellen sowie dem Rat und dem Parlament vorzulegen;
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
78. fordert die Mitgliedstaaten auf, eine kohärente Politik zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Förderung der Gleichstellung und der Diversität zu verfolgen, um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als strukturelle, gesellschaftliche Erscheinung zu bekämpfen, sowie ihren Verpflichtungen auf der Grundlage der einschlägigen internationalen Übereinkommen, einschließlich ihrer Berichtspflicht, nachzukommen und den Dialog mit den betreffenden internationalen Begleitausschüssen auf positive Weise in die Gestaltung der Politik einzubeziehen;
79. fordert die europäischen Organe und die Mitgliedstaaten auf, den Kampf gegen Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit konsequent fortzuführen und dabei nicht nur Mitglieder ethnischer oder religiöser Minderheiten zu berücksichtigen, die schon längere Zeit in Europa leben, sondern auch Asylsuchende und neue Arbeitsmigranten;
80. äußert sich besorgt über die Zunahme der Äußerungen von Rassendiskriminierung und Fremdenhass, die unverkennbar durch Reaktionen auf die Anschläge vom 11. September 2001 genährt werden, schöpft aber auch Hoffnung aus den vielen positiven Signalen, die verantwortungsbewusste Politiker und Meinungsführer als Botschaft der Versöhnung, Gleichheit und Solidarität ausgesandt haben;
81. verleiht seiner Besorgnis über die wachsende Zahl und die Vehemenz der Manifestationen von Antisemitismus Ausdruck und fordert die Mitgliedstaaten auf, Hinweisen und präventiven Maßnahmen sowie der Verfolgung der Täter einen höheren Stellenwert einzuräumen;
82. äußert sich besorgt über die Diskriminierung der Roma, insbesondere im Bereich der Wohnungspolitik (vor allem in Griechenland und Italien), und fordert die betreffenden Behörden eindringlich auf, gleiches Recht auf Bildung und andere öffentliche Leistungen zu garantieren, die Integration zu fördern und die Anwendung von Polizeigewalt sowie von Einschüchterungsmaßnahmen zu vermeiden;
83. fordert die politischen Parteien in den Mitgliedstaaten auf, die Charta der Europäischen Politischen Parteien für eine nichtrassistische Gesellschaft zu unterzeichnen und umzusetzen sowie keine politischen Allianzen oder Kooperationen mit politischen Parteien einzugehen, die rassistische oder ethnische Vorurteile und Rassenhass schüren;
84. begrüßt die Anstrengungen der EUMC, die notwendigen Angaben über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu sammeln und zu analysieren und ruft dazu auf, diese Daten vorausschauend zu nutzen; fordert die EUMC auf, ihre Dialogfunktion mit den Regierungen und Verwaltungen der Mitgliedstaaten zu intensivieren;
Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen
85. begrüßt, dass Belgien das Europäische Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten im Jahre 2001 unterzeichnet hat; fordert Frankreich auf, dies auch zu tun; fordert außerdem Belgien, Frankreich, Griechenland, Luxemburg und die Niederlande auf, das Abkommen zu ratifizieren;
86. fordert Belgien, Griechenland, Irland und Portugal auf, die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen zu unterzeichnen; zeigt sich erfreut darüber, dass Österreich, Spanien und das Vereinigte Königreich die Charta im Jahre 2001 ratifiziert haben, und fordert Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg und Portugal auf, dies ebenfalls zu tun;
87. fordert alle Mitgliedstaaten auf, das IAO-Übereinkommen Nr. 169 über indigene und in Stämmen lebende Völker zu unterzeichnen und zu ratifizieren (ausgenommen hiervon sind Dänemark und die Niederlande, die dies bereits getan haben);
88. fordert die Mitgliedstaaten auf, die auf ihrem Staatsgebiet lebenden nationalen Minderheiten anzuerkennen und ihre Rechte gemäß den oben genannten Übereinkommen zu garantieren; ermutigt die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang, den Begriff „nationale Minderheit“ breit auszulegen und auf alle ethnischen Minderheiten auszudehnen, deren Emanzipation und gesellschaftliche Integration politisches Ziel ist;
Gleichheit von Männern und Frauen
89. ist der Auffassung, dass die Rechte der Frauen als individuelle Rechte anzusehen sind und nicht von der Rolle der Frau in der Familie oder von anderen gesellschaftlichen Einschränkungen abhängig gemacht werden dürfen;
90. begrüßt, dass Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Portugal und Spanien das Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert haben (CEDAW); empfiehlt Belgien, Luxemburg, Schweden und dem Vereinigten Königreich, diesem Vorbild zu folgen;
91. konstatiert das Fehlen einer umfassenden, aktuellen und verständlichen Übersicht zum Stand der Gleichstellung von Männern und Frauen in den Mitgliedstaaten, die einen Vergleich der Situation ermöglicht; fordert die Kommission erneut eindringlich auf, eine Analyse über den Stand der Umsetzung der bestehenden Richtlinien über die Gleichstellung von Männern und Frauen durch die Mitgliedstaaten vorzulegen und ihre Strategien zur Verbesserung der Durchführung dieser Richtlinien darzulegen, zu denen auch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren sowie die eventuelle Anpassung der Richtlinien selbst gehören; fordert die Kommission mit Nachdruck auf, zu gewährleisten, dass Maßnahmen ergriffen werden, damit die sexuelle Belästigung, die für jeden Menschen eine schikanöse und demütigende Behandlung bedeutet, bekämpft und unter Strafe gestellt wird;
92. fordert die Mitgliedstaaten auf, anzuerkennen, dass Freiheit von häuslicher Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe ein Grundrecht ist; erinnert daran, dass trotz der Fortschritte, die erzielt wurden, die Gewalt gegen Frauen weiterhin zunimmt; hält es aus diesem Grund für notwendig, neue wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung dieser unannehmbaren und unmenschlichen Form der Behandlung zu erforschen;
93. ist der Auffassung, dass ein juristischer Ansatz zur Gleichstellung von Männern und Frauen vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Emanzipationsprozesses gefunden werden muss und ersucht die Kommission aus diesem Grund, eine vergleichende Analyse des gegenwärtigen Standes des Emanzipationsprozesses in den Mitgliedstaaten durchzuführen, so dass die Ergebnisse eines Vierteljahrhunderts europäischer Gleichstellungspolitik sichtbar gemacht und Grundlagen für eine künftige Politik geschaffen werden;
94. fordert die europäischen Institutionen und Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, die Methode des „Gender-Mainstreaming“ zu einem systematischen und transparenten Bestandteil ihrer Aktivitäten auf dem Gebiet der Menschenrechte zu machen;
95. erinnert daran, dass Menschenhandel meistenteils Frauenhandel ist, der vor allem mit der fehlenden wirtschaftlichen Selbständigkeit der Frauen sowie der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zusammenhängt; fordert die Mitgliedstaaten auf, diese geschlechtsspezifische Dimension weiterhin anzuerkennen und sie nicht mit dem Menschenschmuggel zu verwechseln;
96. fordert die Niederlande eindringlich auf, das CEDAW zu befolgen und sich an seine Schlussfolgerungen zu halten; empfiehlt den Niederlanden in dieser Hinsicht, Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung des Ausschlusses von Frauen von der Mitgliedschaft in politischen Parteien sowie der noch existierenden Geschlechterdiskriminierung beim Namensrecht zu ergreifen;
97. empfiehlt Frankreich, den Unterschied zwischen Mädchen und Jungen in Bezug auf das Mindestheiratsalter (15 bzw. 18 Jahre) aufzuheben;
98. fordert, dass das Verbot für Frauen, den Berg Athos in Griechenland zu betreten, aufgehoben wird; es handelt sich um eine Fläche von 400 km², zu dem Frauen der Zutritt untersagt wird, was auf einen im Jahr 1045 getroffenen Beschluss von Mönchen aus den zwanzig Klöstern dieses Gebiets zurückzuführen ist; dieser Beschluss verstößt heutzutage gegen das allgemein anerkannte Prinzip der Gleichheit aufgrund des Geschlechts, der Nicht-Diskriminierung und gegen die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über die Gleichstellung sowie gegen die Bestimmungen der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union;
Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung
99. ersucht die Kommission, eine aktuelle und vergleichende Übersicht zur Situation homosexueller Männer und lesbischer Frauen in den Mitgliedstaaten zu erstellen, um Aufschluss über die Zunahme bzw. den Rückgang der Diskriminierung sowie über den Erfolg der europäischen und/oder nationalen Nichtdiskriminierungspolitik zu erhalten;
100. empfiehlt den Mitgliedstaaten, eine klare und kohärente Politik zu verfolgen, die auf die Bekämpfung der Diskriminierung homosexueller Männer und lesbischer Frauen wie auch auf deren gesellschaftliche Emanzipation und Integration sowie die Beseitigung von Vorurteilen abzielt und zwar im kulturellen und Bildungsbereich sowie mit Hilfe von europaweiten Kampagnen zur Aufklärung und Förderung der Solidarität;
101. ist erfreut darüber, dass Österreich am 13. August 2002 den Artikel 209 seines Strafgesetzbuchs abgeschafft hat und damit die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung vor dem Gesetz beendet;
Formen menschlicher Beziehungen
102. empfiehlt den Mitgliedstaaten, nichteheliche Beziehungen zwischen Personen desselben oder unterschiedlichen Geschlechts anzuerkennen und diese Beziehungen der Ehe gleichzustellen;
103. dringt darauf, dass die Europäische Union die gegenseitige Anerkennung von nichtehelichen Beziehungen sowie der Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts auf die politische Agenda setzt und entsprechende konkrete Vorschläge unterbreitet;
Rechte des Kindes
104. empfiehlt Belgien und dem Vereinigten Königreich, das Protokoll Nr. 7 zur EMRK zu unterzeichnen; begrüßt des Weiteren, dass Irland das Protokoll im Jahre 2001 ratifiziert hat und fordert Belgien, Deutschland, Spanien, die Niederlande, Portugal und das Vereinigte Königreich auf, dies ebenfalls zu tun;
105. empfiehlt Belgien, Spanien, Finnland und den Niederlanden, das Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern zu unterzeichnen und fordert Belgien, Spanien, Frankreich, Finnland, Luxemburg und die Niederlande auf, das Übereinkommen zu ratifizieren;
106. empfiehlt Belgien, Deutschland, Spanien, Finnland und den Niederlanden, das Europäische Übereinkommen über die Rechtsstellung von außerehelich geborenen Kindern zu unterzeichnen; empfiehlt außerdem Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Finnland, Italien und den Niederlanden, dieses Übereinkommen zu ratifizieren;
107. fordert Belgien, Dänemark, die Niederlande und das Vereinigte Königreich auf, das Europäische Übereinkommen über die Ausübung der Rechte des Kindes zu unterzeichnen; fordert des Weiteren Österreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Finnland, Italien, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Schweden und das Vereinigte Königreich mit Nachdruck auf, dieses Übereinkommen ratifizieren;
108. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Rechte von Kindern in Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Verpflichtungen weiterhin zu garantieren und dabei insbesondere benachteiligte Kinder wie Kinder von Asylsuchenden, Kinder aus armen Familien und Kinder, die in Kinderschutzeinrichtungen leben, zu berücksichtigen, sowie die Bekämpfung des Kinderschmuggels zu Zwecken der sexuellen oder kommerziellen Ausbeutung;
109. ersucht die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass alle in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Kinder Zugang zu Ausbildung haben;
110. ist der Auffassung, dass die Vermittlung von Kindern, die lediglich dem Zweck dient, ihnen ein Leben in großer Armut zu ersparen, eine Verletzung der Grundrechte darstellt; kann eine solche Vermittlung nicht vermieden werden, sollte sie, wenn möglich, als Übergangslösung betrachtet werden und die Rückkehr des Kindes in seine Familie zum Ziel haben; die Bedingungen für die Vermittlung, sowohl in eine Gastfamilie als auch in ein Heim, sowie ein eventuelles Adoptionsverfahren müssen im Einklang mit den Rechten der Familie und des vermittelten Kindes stehen; es gilt vor allem, die Eltern zu unterstützen, damit sie Verantwortung für das Kind übernehmen und die affektive Bindung aufrecht erhalten können, die für die Entwicklung und das Wohlergehen des Kindes unerlässlich ist;
Schutz vor Diskriminierung aus Altersgründen
111. ist der Auffassung, dass die Rechte sowohl junger als auch älterer Menschen als integraler Bestandteil der Menschenrechte verstanden werden müssen und verweist in diesem Zusammenhang vor allem auf das Recht auf freie Entscheidung und das Recht auf Privatsphäre und fordert die Mitgliedstaaten auf, eine kohärente Politik zu verfolgen, um Diskriminierung aus Altersgründen entgegenzuwirken und die Möglichkeit der gesellschaftlichen Partizipation zu fördern, insbesondere durch die Bekämpfung jeglicher Form von Ausgrenzung;
Rechte von Menschen mit Behinderung
112. begrüßt, dass Luxemburg das Übereinkommen über die berufliche Rehabilitation und die Beschäftigung behinderter Menschen im Jahr 2001 ratifiziert hat, und empfiehlt Österreich, Belgien und dem Vereinigten Königreich, dies auch zu tun;
113. begrüßt die Einrichtung des Europäischen Jahres (2003) der Menschen mit Behinderungen und fordert die Mitgliedstaaten und Institutionen der Europäischen Union auf, hinreichend vergleichbare Daten zu sammeln, um die Problematik besser darstellen zu können, sowie eine kohärente Politik zu verfolgen und kohärente Rechtsvorschriften auszuarbeiten, um die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu bekämpfen und die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des Lebens zu fördern; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, die Umsetzung von Nichtdiskriminierungsinitiativen wirksam zu überwachen, um zu ermitteln, wie sie sich auf das Leben von Behinderten auswirken; fordert, dass politische Maßnahmen in diesem Bereich unter Einbeziehung der Organisation, die Menschen mit Behinderungen vertreten, ergriffen werden;
Kapitel 4: Solidarität
114. stellt mit Bedauern fest, dass aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, dem 15. Bericht des Ministerkomitees der Europäischen Sozialcharta sowie dem Sachverständigenbericht der Internationalen Arbeitsorganisation im Jahr 2001 eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen soziale Grundrechte in den Mitgliedstaaten hervorgehen;
115. fordert die Mitgliedstaaten zum wiederholten Male und mehr als ein Jahrzehnt nach seiner Unterzeichnung auf, das UN-Übereinkommen über den Schutz der Rechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen vom 18. Dezember 1990 zu ratifizieren;
116. empfiehlt Deutschland und den Niederlanden, die revidierte Europäische Sozialcharta zu unterzeichnen, sowie Österreich, Belgien, Deutschland, Dänemark, Spanien, Griechenland, Luxemburg, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, die revidierte Charta zu ratifizieren;
117. äußert sich besorgt über die große Anzahl von Verletzungen der Europäischen Sozialcharta in den Mitgliedstaaten, wie aus der Übersicht des Europäischen Ausschusses für Soziale Rechte hervorgeht, und fordert die Mitgliedstaaten eindringlich auf, die festgestellten Mängel zu beseitigen;
118. ersucht die Kommission, eine Übersicht zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gemäß der Europäischen Sozialcharta einerseits sowie den sozialen Grundrechten als Bestandteil des Gemeinschaftlichen Besitzstandes und den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Rechten andererseits zu erstellen und diese dem Rat und dem Parlament zusammen mit einer Mitteilung vorzulegen, die Vorschläge zur Überwindung der festgestellten Unterschiede enthält;
119. kritisiert, dass sieben Mitgliedstaaten die aus der Europäischen Sozialcharta erwachsenden Verpflichtungen in bezug auf den Zugang von Ausländern zum Arbeitmarkt verletzen;
120. bedauert es, dass in mehreren Mitgliedstaaten das Vereinigungsrecht sowie das Recht auf Tarifverhandlungen und Beteiligung an Arbeitskampfmaßnahmen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, vor allem in Bereichen, in denen Uniformen getragen werden, wie bei Militär, Polizei, Zoll usw. noch immer stark eingeschränkt ist; plädiert dafür, die Möglichkeiten für Ausnahmen, die für diese Rechte in der europäischen Sozialcharta vorgesehen sind, viel restriktiver anzuwenden und möglichst aufzuheben;
121. weist darauf hin, dass das Ministerkomitee des Europarates in 56 Fällen Verstöße der Mitgliedstaaten gegen die Vorschriften der Sozialcharta in den Bereichen Kinderarbeit, Mutterschaftsschutz und Zugang von Ausländern zum Arbeitsmarkt festgestellt hat;
122. kritisiert, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten ihren aus der europäischen Sozialcharta erwachsenden Verpflichtungen in bezug auf Kinderarbeit nicht nachgekommen sind; stellt in diesem Zusammenhang insbesondere fest, dass das Ministerkomitee des Europarates in diesem Zusammenhang eine begründete Empfehlung an Irland sowie eine Warnung an Spanien ausgesprochen hat; fordert angesichts des Umfangs der Verstöße die Kommission auf, einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie 94/33/EG(16) vorzulegen;
123. kritisiert, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten ihren aus der europäischen Sozialcharta erwachsenden Verpflichtungen in bezug auf Mutterschaftsurlaub, Kündigungsschutz von schwangeren und stillenden Müttern sowie in bezug auf das Recht auf Stillpausen nicht nachgekommen sind; fordert die Kommission auf, den Feststellungen des Ministerkomitees bei der Überarbeitung der Richtlinie 92/85/EWG(17) Rechnung zu tragen und darüber hinaus einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie 96/34/EG(18) über den Elternurlaub vorzulegen;
124. empfiehlt Finnland, den Europäischen Kodex für soziale Sicherheit (1964) zu unterzeichnen, und Finnland und Österreich, den Europäischen Kodex für soziale Sicherheit (1964) zu ratifizieren; empfiehlt Finnland, Österreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich, das zum Kodex für soziale Sicherheit gehörige Protokoll zu unterzeichnen, und Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Österreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich, das Protokoll zu ratifizieren; empfiehlt Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich, den revidierten Europäischen Kodex für soziale Sicherheit (1990) zu unterzeichnen, sowie allen Ländern, diesen zu ratifizieren;
125. empfiehlt Dänemark, Deutschland, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich, das Europäische Übereinkommen über soziale Sicherheit von 1972 zu unterzeichnen und zu ratifizieren, sowie Irland und Frankreich, dieses Übereinkommen zu ratifizieren;
126. begrüßt, dass Italien das IAO-Übereinkommen über den Mutterschutz ratifiziert hat und fordert die übrigen Mitgliedstaaten auf, dies auch zu tun;
127. zeigt sich besorgt darüber, dass im Bericht des Sachverständigenausschusses der Internationalen Arbeitsorganisation zahlreiche Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Übereinkommen der IAO registriert werden, darunter Verstöße gegen folgende grundlegende internationale Arbeitsnormen:
–
Verstoß gegen Übereinkommen 29 über die Zwangs- oder Pflichtarbeit durch Deutschland, Frankreich, Österreich und das Vereinigte Königreich aufgrund ihrer innerstaatlichen Regelungen zur Häftlingsarbeit;
–
Verstoß gegen Übereinkommen 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts durch Österreich aufgrund der Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer beim passiven Wahlrecht bei der Wahl von Betriebsräten;
–
Verstoß gegen Übereinkommen 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektifverhandlungen durch Dänemark, Deutschland, die Niederlande, Portugal und das Vereinigte Königreich aufgrund der Beschränkung des Rechts des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses und von autonomen Tarifverhandlungen für bestimmte Berufsgruppen sowie, im Fall des Vereinigten Königreichs, wegen der Zulassung von Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund einer Gewerkschaftszugehörigkeit;
–
Verstoß gegen Übereinkommen 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit durch Griechenland, Spanien und das Vereinigte Königreich aufgrund der in diesen Ländern festgestellten hohen Spanne zwischen den Lohnniveaus von Frauen und Männern;
–
Verstoß gegen Übereinkommen 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit durch Belgien und das Vereinigte Königreich aufgrund innerstaatlicher Bestimmungen, die in spezifischen Wirtschaftsbereichen die Verhängung von Zwangsarbeit als Disziplinarmaßnahmen nach wie vor erlauben;
128. spricht sich für eine energischere Ratifizierungspolitik der Mitgliedstaaten in Verbindung mit den jüngsten IAO-Übereinkommen, beispielsweise über die Teilzeitarbeit, die Heimarbeit und die private Arbeitsvermittlung aus, die sich eng an die Problematik der atypischen Arbeitsverhältnisse, die auch in EG-Richtlinien behandelt werden, anlehnen; drängt auf eine konstruktive Beteiligung und Mitwirkung an der Diskussion über andere Arbeitsformen, die nur unzureichend geschützt sind und sich häufig an der Grenze zur Selbständigkeit (self-employment) und Lohnabhängigkeit bewegen; betont die Notwendigkeit einer besseren Abstimmung und Koordination zwischen der Politik und den Aktivitäten im Rahmen der ESC, der IAO und der Europäischen Union, und zwar sowohl in Bezug auf die EU-Charta als auch in Bezug auf konkrete (sekundäre) Rechtsvorschriften und Regelungen, und weist darauf hin, dass eine Koordination im Rahmen der Europäischen Union nicht zur Vernachlässigung oder sogar bewussten Missachtung der sich aus der Beteiligung an der IAO und der ESC ergebenden Pflichten führen darf; empfiehlt dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, einen Initiativbericht über dieses Thema zu erstellen;
129. erwartet von den beitrittswilligen Ländern konkrete und effiziente Maßnahmen zur Durchsetzung der Grundrechte, insbesondere bei der Bekämpfung des Menschenhandels und der Prostitution;
Kapitel 5: Bürgerrechte Wahlrecht bei den Kommunalwahlen und den Wahlen zum Europäischen Parlament
130. empfiehlt Österreich, Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Griechenland, Irland, Luxemburg und Portugal, das Europäische Übereinkommen über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben zu unterzeichnen und zu ratifizieren, sowie dem Vereinigten Königreich, dieses Übereinkommen zu ratifizieren, und allen Mitgliedstaaten, es anzuwenden;
131. empfiehlt Belgien, Spanien, Irland, Luxemburg und dem Vereinigten Königreich, das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit zu unterzeichnen und zu ratifizieren, sowie Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien und Irland, dieses Übereinkommen zu ratifizieren;
132. empfiehlt den Mitgliedstaaten, die in ihrem Land lebenden Bürger anderer Mitgliedstaaten besser über die Möglichkeiten zu informieren, die ihnen in Bezug auf die Beteiligung an den Kommunalwahlen sowie den Wahlen zum Europäischen Parlament bzw. die Aufstellung als Kandidat zu diesen Wahlen offen stehen;
133. fordert die Kommission auf, in Anbetracht der seit dem letzten Bericht vom Mai 2001 eingetretenen neuen Umstände einen neuen Bericht über die Anwendung der Richtlinie 94/80/EG(19) in den Mitgliedstaaten vorzulegen;
134. erkennt die universellen Rechte der Menschen mit Behinderungen auf Zugang zu allen Aspekten der Wahlen an, wie dies von der Internationalen Bewegung für Menschen mit Behinderungen, der Internationalen Stiftung für Wahlverfahren (IFES) und dem Internationalen Institut für Demokratie und Wahlhilfe (IDEA) gefördert wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, dieses Recht zur Realität zu machen;
135. fordert die Mitgliedstaaten auf, eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern bei Kommunalwahlen und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zu fördern, da eine nicht ausgewogene Repräsentation von Frauen und Männern beim Beschlussfassungsprozess die demokratischen Werte unserer Gesellschaft und unseres politischen Systems mindern würde;
136. empfiehlt den Mitgliedstaaten, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen und den Wahlen zum Europäischen Parlament auf alle Bürger von Drittländern auszuweiten, die seit mindestens drei Jahren rechtmäßig in der Europäischen Union ansässig sind;
137. vertritt die Auffassung, es sollte der Vorschlag an den Europäischen Konvent für die Zukunft Europas unterstützt werden, den Europäischen Bürgerbeauftragten zu ermächtigen, die Grundrechte betreffende Fälle an den Gerichtshof zu überweisen, wenn im Laufe einer normalen Untersuchung keine Lösung gefunden werden konnte;
138. vertritt die Auffassung, dass das Petitionsrecht als weiterer wichtiger Bestandteil in den Berichtsentwurf aufgenommen werden sollte, da es Ausdruck des Grundrechts der Unionsbürger ist, sich direkt an das Europäische Parlament zu wenden;
139. vertritt die Auffassung, dass es eine Bewertung der Mittel erfolgen sollte, mit denen das Parlament gegen Verletzungen der Menschen- und Grundrechte vorgehen kann, wenn Bürger durch Petitionen an das Europäische Parlament um deren Abstellung ersucht haben;
Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit
140. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die nach wie vor bestehenden Hindernisse für die tatsächliche Umsetzung des freien Personenverkehrs, wie sie aus den Entscheidungen des Gerichtshofs ersichtlich sind, unverzüglich abzubauen und dabei jegliche Diskriminierung zu vermeiden und insbesondere keine Beschränkung der Freizügigkeit in Zusammenhang mit EU-Gipfeln zuzulassen, wenn diese geeignet erscheint, Menschen an der Teilnahme von Demonstrationen zu hindern;
141. fordert die Vereinfachung der Rechtsetzung auf dem Gebiet des freien Personenverkehrs nach dem Grundsatz, nach dem Staatsangehörige aus Drittländern das uneingeschränkte Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt genießen, sobald sie den Rechtsstatus eines langfristig Aufenthaltsberechtigten haben;
142. fordert Griechenland auf, die verwaltungstechnischen Defizite bei der Ausstellung gültiger Aufenthaltsbescheinigungen für berechtigte Personen schnellstmöglich zu beheben;
Kapitel 6: Justizielle Rechte
143. begrüßt das Konsultationspapier der Kommission über Verfahrensgarantien für Verdächtige und Beklagte in Strafverfahren und ermutigt sie, kurzfristig Vorschläge für EU-weite Strafrechtsnormen zu unterbreiten;
144. fordert den Rat auf, einen Rahmenbeschluss für gemeinsame Normen für das Verfahrensrecht anzunehmen, beispielsweise für Bestimmungen für im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ergangene Anordnungen und die Rechte der Verteidigung, einschließlich Kriterien für Ermittlungsmethoden und die Definition von Beweismitteln, um ein gemeinsames Maß an Schutz für die Grundrechte in der gesamten Europäischen Union zu gewährleisten;
145. fordert die Mitgliedstaten daher nachdrücklich auf, die Veröffentlichung und Übersetzung eines Informationsblattes („letter of rights“) zu fördern, das allen Personen, die verhört werden sollen, bei Eintreffen in der Polizeidienststelle bzw. dem Vernehmungsort ausgehändigt wird;
146. begrüßt die Debatte über die notwendige Einführung gemeinsamer Mindestnormen für die Entschädigung der Opfer von Straftaten, die die Kommission eingeleitet hat;
147. äußert sich erfreut darüber, dass alle Mitgliedstaaten die Satzung des Internationalen Strafgerichtshofs der Vereinten Nationen ratifiziert haben und diese Satzung am 1. Juli 2002 in Kraft getreten ist; fordert die Mitgliedstaaten jedoch auf, darauf zu verzichten, eine (bilaterale) Vereinbarung abzuschließen, die eine zweckmäßige Durchführung der Satzung des Internationalen Strafgerichtshofs untergräbt, insbesondere Immunitätsvereinbarungen, anhand derer bestimmte Bürger von der Strafverfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof ausgenommen werden können;
148. äußert sich besorgt über die große Anzahl und die Schwere der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren (Finnland, Griechenland und Italien), des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Belgien, Frankreich, Griechenland und Vereinigtes Königreich), des Rechts auf eine öffentliche Verhandlung (Österreich), des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien), des Rechts auf eine angemessene Frist (Österreich, Deutschland, Spanien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Portugal), des Recht auf ein unparteiisches und unabhängiges Gericht (Belgien, sofern es sich um ein strafrechtliches Verfahren handelt, Frankreich und das Vereinigte Königreich), des Rechts auf Verteidigung (Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland und das Vereinigte Königreich), der Unschuldsvermutung (Österreich) sowie des Rechts, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden (Österreich);
149. fordert die Mitgliedstaaten eindringlich auf, die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die sich auf die Gewährleistung der justiziellen Rechte beziehen, sorgfältig und fristgerecht umzusetzen, und die Rechtsvorschriften an die ergangenen Urteile anzupassen;
150. fordert die Mitgliedstaaten auf, Bürgern, die nicht über hinreichende finanzielle Mittel verfügen, in allen internen und grenzüberschreitenden Rechtssachen Prozesskostenhilfe zu gewähren;
151. fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass das Recht auf ein faires Verfahren durch die Wahrung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, der angemessenen Verfahrensdauer und der Vermutung der Unschuld des Angeklagten bis zum Urteil und des Rechts auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht effektiv umgesetzt wird;
152. äußert seine Besorgnis über die enorme Zahl von Fällen in Italien, in denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung des Rechts auf eine angemessene Frist festgestellt hat; ist der Auffassung, dass diese Tendenz dem Vertrauen in den Rechtsstaat schadet, und fordert Italien auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ein fristgerechtes und faires Verfahren zu gewährleisten;
153. zeigt sich ernstlich besorgt über das Klima der Straflosigkeit, das sich in einigen Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Schweden und im Vereinigten Königreich) entwickelt, wo Fehlverhalten und Gewaltmissbrauch durch Polizei- und Gefängnispersonal vor allem gegen Asylsuchende, Flüchtlinge und Angehörige ethnischer Minderheiten nicht mit angemessenen Strafen geahndet werden, und fordert die betreffenden Mitgliedstaaten auf, dieser Problematik im Rahmen ihrer Strafrechts- und Strafverfolgungspolitik höhere Priorität einzuräumen;
154. nimmt den Standpunkt ein, dass der Inhalt dieser Entschließung sich nicht restriktiv auf die (künftige) Auslegung und Entwicklung der Rechte, Freiheiten und Grundsätze für die Bürger in der Europäischen Union auswirken wird, wie diese in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt sind;
o o o
155. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Europäischen Bürgerbeauftragten, dem Europarat und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
UNO: CAT (Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter), CCPR (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte), CEDAW (Ausschuss der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau), CERD (Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung), CESCR (Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte), CRC (Ausschuss für die Rechte des Kindes); Europarat: CPT (Europäischer Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe), ECRI (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz), ECSR (Europäisches Komitee für soziale Rechte).
UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, Internationales Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes.