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Verfahren : 2003/2555(RSP)
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Eingereichte Texte :

RC-B5-0326/2003

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Abstimmungen :

Angenommene Texte :

P5_TA(2003)0335

Angenommene Texte
PDF 127kWORD 37k
Donnerstag, 3. Juli 2003 - Straßburg
Tschetschenien
P5_TA(2003)0335RC-B5-0326/2003

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Tschetschenien

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Erkenntnisse seiner Ad-hoc-Delegation, die vom 15. bis 17. Juni 2003 nach Tschetschenien reiste,

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland,

–   unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland, das am 1. Dezember 1997 in Kraft trat,

–   unter Hinweis auf die gemeinsame Strategie der Europäischen Union für Russland, die vom Juni 1999 datiert und auf vier Jahre ausgelegt ist,

–   unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 10. April 2002(1) und 16. Januar 2003(2) zu Tschetschenien,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. November 2002 zum Ergebnis des Gipfeltreffens EU-Russland vom 11. November 2002(3),

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament "Größeres Europa - Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen für die Beziehungen der Europäischen Union zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn" (KOM(2003) 104),

–   unter Hinweis auf die sechste Tagung des Kooperationsrates der Europäischen Union und Russlands vom 15. April 2003,

–   unter Hinweis auf die Dreihundertjahrfeiern in St. Petersburg und die Vertretung der Europäischen Union,

A.   in der Erwägung, dass die Republik Tschetschenien seit mehr als einem Jahrzehnt unter bewaffneten Konflikten, Unsicherheit und Instabilität in allen Lebensbereichen leidet,

B.   in der Erwägung, dass am 23. März 2003 in der Republik Tschetschenien eine Volksabstimmung stattfand, die als ein Schritt zur Stabilisierung der Situation betrachtet werden sollte, die jedoch durch weit verbreitete Unregelmäßigkeiten beeinträchtigt war und nicht zur Befriedigung der tschetschenischen Gesellschaft beitrug,

C.   in der Erwägung, dass die tschetschenische Bevölkerung unabhängig von ihrem ethnischen Hintergrund unter den täglichen Konsequenzen dieses Konflikts leidet,

D.   in der Erwägung, dass wie in allen bewaffneten Konflikten die gefährdeten Gruppen der Bevölkerung am meisten leiden und die langfristigen Konsequenzen erdulden werden,

E.   in der Erwägung, dass die Lebensbedingungen in Tschetschenien und insbesondere in Grosny desaströs, Wasserversorgung, Kanalisation und Stromnetz schwer beschädigt, die Beschäftigungsmöglichkeiten offensichtlich gleich Null sind und die Sicherheitsstandards natürlich sehr niedrig sind,

F.   sehr besorgt über die Notlage von mehr als 110.000 tschetschenischen Flüchtlingen, die in Lagern in angrenzenden Republiken untergebracht sind,

G.   in der Erwägung, dass humanitäre Organisationen bei ihrer Arbeit behindert werden, da der Zugang nach Tschetschenien schwierig ist und es an Unterstützung von russischer Seite fehlt, insbesondere in Bezug auf Genehmigungen zur Einfuhr der notwendigen technischen und sicherheitsspezifischen Ausrüstungsgüter,

H.   in der Erwägung, dass die Europäische Union sowie weitere internationale Geber wiederholt ihre Unterstützung angeboten haben, um die humanitäre Situation zu verbessern,

I.   in der Erwägung, dass die ursprünglichen Mandate der OSZE in Tschetschenien von 1995 mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen, Katastrophenhilfe, Flüchtlingshilfe, Konfliktregelung und Unterstützungsmechanismen zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung umfassten,

J.   unter nachdrücklichem Hinweis darauf, dass eine echte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland sich auf das Engagement für gemeinsame Werte stützen muss und dass die derzeitige verheerende Menschenrechtssituation in Tschetschenien ein Hindernis auf dem Weg zu ihrer umfassenden Verwirklichung ist,

1.   unterstützt die Schlussfolgerungen seiner Ad-hoc-Delegation für Tschetschenien;

2.   begrüßt die Einladung der Ad-hoc-Delegation nach Tschetschenien seitens der russischen Duma und dankt der russischen Regierung für die Organisation dieser Reise; wertet dies positiv als Zeichen der Offenheit;

3.   ist überzeugt, dass die Europäische Union diese ferne Region des Kontinents nicht vernachlässigen sollte, da die Werte, die die Europäische Union hochhält, auch dort auf dem Spiel stehen;

4.   vertritt die Auffassung, dass dieser Krieg mehrere Ursachen hat: den Kampf für Unabhängigkeit, die Verschärfung der rechtsstaatlichen Situation mit nachfolgender zunehmender Kriminalität, das Entstehen eines "gescheiterten Staates", undurchsichtige wirtschaftliche Aktivitäten, Terrorismus und gewaltsame Unterdrückung;

5.   stellt fest, dass alle politischen, diplomatischen, sicherheitsspezifischen und zivilen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen; ist der Überzeugung, dass es keine militärische Konfliktlösung geben kann;

6.   stellt fest, dass die Regierung der Russischen Föderation seit einigen Monaten zu einer politischen Lösung tendiert, und ersucht beide Seiten, diese Gelegenheit insbesondere im Vorfeld der Wahlen im Dezember 2003 und März 2004 umfassend zu nutzen; fordert alle Parteien auf, auf einen Waffenstillstand hinzuwirken;

7.   begrüßt in diesem Zusammenhang den Beginn der Arbeit an einem Autonomie-Abkommen seitens tschetschenischer Vertreter und Vertretern der russischen Regierung am 30. Juni, womit Tschetschenien größtmögliche Autonomie erhalten, gleichzeitig aber vollwertiges Mitglied der Russischen Föderation bleiben soll;

8.   fordert die russische Regierung auf, die "Angriffsregeln" vor Ort zu reformieren und dabei der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Beziehungen zu den tschetschenischen Bürgern zu verbessern;

9.   fordert die Russische Föderation auf, so viele führende tschetschenische Persönlichkeiten wie möglich in einen Friedensprozess einzubeziehen, der zur Gründung einer autonomen Republik als Teil der Russischen Föderation führen könnte, in der die Rechtsstaatlichkeit respektiert wird;

10.   weist darauf hin, dass nach dem ersten Tschetschenien-Krieg weder eine vollständige Aussöhnung noch ein Wiederaufbau stattfanden, was Feindseligkeiten zwischen Tschetschenen und Russen provozierte und die ideale Grundlage für ein breites Spektrum krimineller Aktivitäten lieferte; fordert die russische Zentralregierung daher dringend auf, die Bemühungen zum Wiederaufbau von Grosny und anderen Teilen Tschetscheniens fortzusetzen und zu verstärken, um die grundlegenden Voraussetzungen für eine politische und soziale Aussöhnung zu schaffen; verweist darauf, dass es im Rahmen seiner Reise erste Anzeichen für einen Wiederaufbau in Grosny feststellen konnte;

11.   fordert Kommission und Rat auf, ihre Vermittlung anzubieten und alle sonstigen diplomatischen Aktivitäten im Hinblick auf eine Beendigung der Gewalttätigkeiten zu unterstützen;

12.   verurteilt alle terroristischen Anschläge in Tschetschenien und vertritt die Auffassung, dass die vollständige Ausmerzung des Terrorismus in dieser Provinz ebenfalls Bestandteil der internationalen Terrorismusbekämpfung ist;

13.   bekräftigt seine Besorgnis über die und seine entschiedene Verurteilung der anhaltenden und wiederholten massiven Verstöße gegen humanitäres Recht und Menschenrechte, die die russischen Streitkräfte gegen die Zivilbevölkerung verüben und die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, die ebenso wie die Übergriffe, Verstöße und Entführungen seitens paramilitärischer und Guerillagruppen untersucht und strafrechtlich verfolgt werden müssen;

14.   fordert die Russische Föderation dringend auf, der Erneuerung des vollständigen OSZE-Mandats zuzustimmen, das nicht darauf beschränkt werden sollte, einzig und allein die humanitäre Hilfe in der Region zu koordinieren, sondern auch alle früheren Aufgaben der OSZE-Missionen umfassen sollte;

15.   fordert die russische Regierung auf, den Zugang der internationalen humanitären Organisationen wie ECHO und UNICEF, des Personals des Europarates, der OSZE, der UNO, der nichtstaatlichen Organisationen sowie insbesondere der humanitären medizinischen Hilfsorganisationen zur Region zu erleichtern, indem die Sicherheit gewährleistet und Genehmigungen für die Einfuhr der erforderlichen technischen und sicherheitsspezifischen Ausrüstungsgüter erteilt werden;

16.   fordert die russischen Behörden auf, ihre Maßnahmen zu intensivieren, um Arjan Erkel, den im August 2002 entführten Leiter der Mission der Ärzte ohne Grenzen in Dagestan, zu finden und zu befreien;

17.   betont, dass die Rückkehr von Binnenvertriebenen ein Ziel sein sollte, dass diese Rückkehr allerdings freiwillig sein und auf einer tatsächlichen Verbesserung der Lebensbedingungen in Tschetschenien, insbesondere hinsichtlich der Sicherheit, basieren muss;

18.   weist darauf hin, dass der Wiederaufbau Tschetscheniens die Verwirklichung eines langfristigen Friedens in der Region und den Beginn einer vollständigen Aussöhnung voraussetzt, wofür die vorrangige Verantwortung zwar bei Russland liegt, die Europäische Union jedoch bereit ist, die russische Regierung und die tschetschenischen Behörden in diesem Prozess zu unterstützen;

19.   begrüßt die Entscheidung der Kommission, weitere Mittel für humanitäre Hilfe an Tschetschenien-Flüchtlinge bereitzustellen;

20.   betrachtet die Volksabstimmung als ersten Schritt zur Normalisierung in der Region, fordert aber einen andauernden politischen Prozess, der alle Teile der tschetschenischen Gesellschaft einbezieht, um Ende des Jahres wirklich demokratische und uneingeschränkt repräsentative Wahlen organisieren zu können;

21.   fordert die Kommission auf, bereits jetzt ein mögliches Programm für den Wiederaufbau in Tschetschenien vorzubereiten, wobei insbesondere Bildungsprogramme betreffend Berufsausbildung und Unterstützung weiterführender Schulen für die Rehabilitation einer ganzen Generation von Jugendlichen dringend notwendig sein werden, die durch ein Jahrzehnt des bewaffneten Konflikts stark gefährdet ist;

22.   ersucht den Rat, eine langfristige Wahlbeobachtung zu organisieren, um die Vorbereitung fairer und freier Wahlen zu unterstützen;

23.   fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die Tschetschenien-Frage bei ihren Treffen mit Vertretern der Russischen Föderation anzusprechen, um dafür zu sorgen, dass diese Region weiterhin internationale Aufmerksamkeit und Anteilnahme findet;

24.   fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die russische Führung an die universellen Werte zu erinnern, die Russland als Mitglied des Europarates und der UNO anerkannt hat; fordert den Rat, die Mitgliedstaaten und die Russische Föderation auf, davon abzusehen, sich um die Vermeidung von gegenseitiger Kritik auf dieser Ebene zu bemühen;

25.   fordert den Rat auf, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament eine Konferenz zu Tschetschenien vorzubereiten, zu der die russischen Behörden, Vertreter aller Teile der tschetschenischen Gesellschaft, die OSZE und der Europarat eingeladen werden sollen;

26.   bekräftigt seine Forderung an den Rat, einen Sonderbeauftragten für den Kaukasus zu ernennen, um das Profil der Europäischen Union in der Region zu stärken und wirksamer zu einer Regelung der andauernden Probleme beizutragen;

27.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie der Regierung und dem Parlament Russlands zu übermitteln.

(1) ABl. C 127 E vom 29.5.2003, S. 585.
(2) P5_TA(2003)0025.
(3) P5_TA(2002)0563.

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