Entschließung des Europäischen Parlaments zu Euromed
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Erklärung von Barcelona sowie des auf dieser Konferenz beschlossenen Arbeitsprogramms vom 28. November 1995,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Mittelmeerpolitik, insbesondere seine Entschließung vom 11. April 2002 zur Europa-Mittelmeer-Tagung der Außenminister in Valencia vom 22. und 23. April 2002,(1)
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Vorbereitung der 6. Europa-Mittelmeer-Konferenz der Außenminister am 2. und 3. Dezember 2003 in Neapel (KOM(2003) 610),
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 11. März 2003: "Größeres Europa – Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen für die Beziehungen der Europäischen Union zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn (KOM(2003) 104),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2003 zu Frieden und Würde im Nahen Osten(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. November 2003(3) zu der oben genannten Mitteilung vom 11. März 2003,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 21. Mai 2003 an den Rat und das Europäische Parlament "Intensivierung der EU-Maßnahmen für die Mittelmeer-Partnerländer in den Bereichen Menschenrechte und Demokratisierung – Strategische Leitlinien" (KOM(2003) 294),
– gestützt auf Artikel 37 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die neue Nachbarschaftspolitik insbesondere dazu beitragen wird, die Beziehungen der Europäischen Union zu den Mittelmeerländern zu verstärken, während sich die Union auf die Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten vorbereitet,
B. in der Erwägung, dass die Tatsache, dass es immer noch keine Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt gibt, die Entwicklung des Barcelona-Prozesses weiterhin negativ beeinflussen wird,
C. in der Erwägung, dass der parlamentarische Dialog Europa-Mittelmeer in seiner ersten Stufe die Form eines parlamentarischen Forums angenommen hat, in dem die Parlamentarier der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Partnerländer im Mittelmeerraum zusammentreten, und dass die Umwandlung dieses Forums in eine parlamentarische Versammlung (PVEM) auf dem Programm der 6. Europa-Mittelmeer-Tagung der Außenminister am 2. und 3. Dezember 2003 in Neapel steht,
D. in der Erwägung, dass der Prozess einerseits einen Wendepunkt des Vorgehens der Europäischen Union in der Region darstellt, dass aber andererseits bei einer Gesamtbeurteilung der bisherigen EU-Politik im Mittelmeerraum Mängel festzustellen sind, was die Förderung der Zivilgesellschaft, die Achtung der Menschenrechte, die Schaffung gemeinsamer Sicherheitsmechanismen und die Entwicklung des Freihandels anbelangt,
E. in der Erwägung, dass die aktive Teilnahme der Frauen am sozialen und politischen Leben in mehreren Partnerländern leider noch keine Tatsache ist,
1. bekräftigt die Notwendigkeit, mit Blick auf die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie, die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung in der Region und die Erhaltung des Friedens durch den Dialog gegenseitiges Kennenlernen und Verständnis für eine wirklich faire Zusammenarbeit im Gebiet Europa-Mittelmeerraum sicherzustellen;
2. bekundet nachdrücklich seinen Wunsch nach Vertiefung der parlamentarischen Zusammenarbeit und appelliert an alle Mitgliedstaaten, zur Entwicklung des parlamentarischen Dialogs Europa-Mittelmeer beizutragen; spricht sich für die Schaffung der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer als geeignetstes Instrument zu diesem Zweck aus und fordert, dass die Außenministerkonferenz in Neapel die Umwandlung des parlamentarischen Forums Europa-Mittelmeer in eine parlamentarische Versammlung mit beratender Funktion billigt;
3. vertritt die Auffassung, dass eine der Aufgaben dieser künftigen Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer darin besteht, das gute Funktionieren der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft zu überwachen und zu bewerten, die ordnungsgemäße Anwendung der zwischen der Europäischen Union und den Partnerländern im Mittelmeerraum geschlossenen Assoziierungsabkommen sicher zu stellen sowie im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft Empfehlungen anzunehmen und an die Ministerkonferenz zu richten; unterstreicht die Notwendigkeit einer Verstärkung des politischen Dialogs;
4. weist mit Nachdruck darauf hin, dass der Teufelskreis der Gewalt, unter dem der Nahe Osten leidet, durch die wirksame Umsetzung der "road map" und die Verwirklichung des Ziels "Zwei Völker – Zwei Staaten" unbedingt durchbrochen werden muss; bekräftigt seine Unterstützung für die Kräfte, die sich in Israel und in Palästina für eine gerechte Lösung des Konflikts einsetzen, sowie für die Koalition für den Frieden, die die Urheberin der Vereinbarungen von Genf ist; misst der Schaffung eines Klimas des Vertrauens zwischen Israelis, Palästinensern und den übrigen arabischen Ländern größte Bedeutung für die Europa-Mittelmeer-Beziehungen bei;
5. bekräftigt, dass sich jede der am Prozess von Barcelona beteiligten Parteien in erster Linie für die Förderung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie für die Einhaltung der Menschenrechte, insbesondere der Rechte der Frau, einsetzen muss; besteht insbesondere auf der Einhaltung der in den Assoziierungsabkommen Europa-Mittelmeer enthaltenen Demokratieklauseln;
6. hofft, dass die "neue Nachbarschaftspolitik" und die Mitteilung zum Thema "EU-Mittelmeerregion: Menschenrechte und Demokratie" diesbezüglich die notwendige Klarheit bringen können, und fordert den Rat und die Kommission auf, im Rahmen ihrer Aktionspläne klare Vergleichswerte zu definieren, um einen konkreten und konstruktiven Dialog mit den Partnerländern in diesem Bereich zu beginnen;
7. fordert Kommission, Rat und Partnerländer auf, diesen Themen auf den Tagungen der Assoziierungsräte Vorrang zu geben, um nach Maßgabe der jährlichen Länderberichte echte Fortschritte zu erzielen;
8. bekräftigt die Notwendigkeit, die Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt der Partnerschaft zu stellen, und fordert die Umsetzung von politischen Maßnahmen zur Schaffung eines förderlichen sozialen Gefüges;
9. bekräftigt erneut seine Ablehnung der Todesstrafe und appelliert an die assoziierten Länder des Mittelmeerraums, ein Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe auszurufen, und fordert ferner die Kommission auf, Initiativen zu ergreifen, um die Kampagnen zur Ausrufung eines Moratoriums für die Todesstrafe zu unterstützen;
10. bedauert die Hindernisse, die der Unabhängigkeit der Justiz und der Medienfreiheit in mehreren Partnerländern in den Weg gestellt werden; bekundet diesbezüglich seine Solidarität vor allem mit Rechtsanwalt Radhia Nasraoui, der sich seit dem 15. Oktober 2003 im Hungerstreik befindet, und Ali Lmrabet, der wegen freier Meinungsäußerung seit Juli 2003 in Haft ist, und fordert die betroffenen Behörden auf, deren Fälle wohlwollend zu prüfen;
11. weist darauf hin, dass die den NRO im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte zur Verfügung gestellten Finanzmittel in die alleinige Zuständigkeit der Kommission fallen, und ist in dieser Hinsicht besorgt, dass die tunesischen Behörden unter Verletzung des Assoziierungsabkommens EU-Tunesien beschlossen haben, die von der Kommission für die Tunesische Menschenrechtsliga bereitgestellten Mittel einzufrieren;
12. bekräftigt die Notwendigkeit einer solidarischen Zusammenarbeit auf beiden Seiten des Mittelmeers im Kampf gegen den weltweiten Terrorismus und die weltweite organisierte Kriminalität, weist jedoch nachdrücklich darauf hin, dass dies nicht dazu führen darf, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte nicht respektiert werden;
13. ermahnt die Aufnahmeländer, strukturierte Maßnahmen für die Integration zu schaffen, die in der Lage sind, ein starkes Band zwischen der Einwanderungspolitik und der Politik der Zusammenarbeit und der Entwicklungshilfepolitik entstehen zu lassen; bekräftigt, dass dem Kampf gegen die illegale Einwanderung und die dieser Vorschub leistenden Mafiaorganisationen Vorrang eingeräumt werden muss, wobei dem Grundsatz der solidarischen Mitverantwortung zwischen den Partnerländern im Mittelmeerraum stets Rechnung zu tragen ist; äußert in diesem Zusammenhang seine Besorgnis angesichts der Tragödien, die sich fast täglich im südlichen Mittelmeerraum, insbesondere in der Küstenregion Andalusiens (Spanien) und in bestimmten Gebieten entlang der süditalienischen Küste, abspielen; ist der Auffassung, dass im Rahmen der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft die Steuerung der Migrationsströme und die Kontrolle der Grenzen verbessert und die Anstrengungen hinsichtlich der Rückübernahme in die Herkunfts- und Transitländer sowie die notwendige technische und finanzielle Unterstützung gefördert werden müssen;
14. fordert, die Partnerschaft Europa-Mittelmeer auf die Verwirklichung einer Politik der wirtschaftlichen Öffnung und der internen Liberalisierung in den Partnerländern auszurichten, flankiert von einer dauerhaften Politik der inneren Entwicklung, die den Bedürfnissen der Länder des Mittelmeerraums Rechnung trägt;
15. bekräftigt, dass die Verallgemeinerung von Prozessen der Süd-Süd-Zusammenarbeit nach dem Vorbild des Abkommens von Agadir gefördert werden muss, weil dies das einzige Mittel ist, damit eine echte Freihandelszone entstehen kann; weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der grenzübergreifenden Projekte für die Verbesserung und Stärkung der regionalen Zusammenarbeit hin;
16. fordert, den Bereich der Europäischen Investitionsbank, der dem Mittelmeer und dem Nahen Osten gewidmet ist, so auszubauen, dass er in der Lage ist, mit der finanziellen Unterstützung anderer Länder des Mittelmeerraums die in der neuen Strategie festgelegten Ziele zu erreichen;
17. fordert den Rat auf, zu gewährleisten, dass die auf der Außenministertagung von Valencia gefassten Beschlüsse über die Schaffung einer Europa-Mittelmeer-Stiftung für Kultur und Dialog zwischen den Zivilisationen tatsächlich umgesetzt und Thema einer operationellen Entscheidung auf der Ministertagung von Neapel werden und dass die erforderlichen Finanzmittel dafür bereitgestellt werden;
18. wünscht, dass durch die Vereinfachung der Verfahren der neuen MEDA-Verordnung die Durchführung der Vorhaben sichergestellt wird, die Dezentralisierung gestärkt und der Zugang der lokalen Partner zu den Mitteln erleichtert wird; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob die vorgenommene Überarbeitung den tatsächlichen Erfordernissen gerecht wird;
19. wünscht eine Beschleunigung der Ratifizierung der zwischen Mittelmeerstaaten und der Europäischen Union unterzeichneten Assoziierungsabkommen und tritt für einen möglichst raschen Abschluss des Abkommens mit Syrien ein; weist die staatlichen syrischen Stellen auf die Notwendigkeit hin, innen- und außenpolitische Reformen einzuleiten; bekräftigt den Willen der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments, voll und ganz an der Ausarbeitung der Ziele und an der Bewertung dieser Abkommen beteiligt zu werden;
20. begrüßt die jüngsten positiven Schritte Libyens im Sinne von Entschädigungsleistungen und Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus, was zur Aufhebung von UN-Sanktionen geführt hat; wünscht nachdrücklich, dass Libyen und Mauretanien unter der Voraussetzung, dass sie die Grundsätze akzeptieren, voll am Prozess von Barcelona beteiligt werden, und appelliert an die assoziierten Mittelmeerländer, die sich bislang nicht am interparlamentarischen Dialog beteiligt haben, ihre Haltung zu überdenken; fordert die Kommission auf, die Durchführung von Kooperationsprojekten in Libyen ins Auge zu fassen, sobald Libyen die Grundsätze des Barcelona-Prozesses übernommen hat;
21. fordert die Kommission und den Rat auf, eine Sondierungsdebatte über eine Europa-Mittelmeer-Landwirtschaft zu eröffnen, die mehrere Dimensionen umfasst und die die gegenseitige Ergänzung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die nachhaltige Entwicklung und den Umweltschutz fördert;
22. fordert die Außenminister Europas und der Mittelmeerländer auf, sich aktiv für die Lösung des Konflikts in der Westsahara durch die Umsetzung des Friedensplans der Vereinten Nationen einzusetzen;
23. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Partnerstaaten im Mittelmeerraum, die die Erklärung von Barcelona unterzeichnet haben, zu übermitteln.