Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zu den Beziehungen EU-Russland (2003/2230(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland, das am 1. Dezember 1997 in Kraft getreten ist,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Strategie der Europäischen Union für Russland, deren Geltungszeitraum bis zum 24. Juni 2004 verlängert wurde,
– unter Hinweis auf das Länderstrategiepapier der Kommission und das Nationale Richtprogramm für Russland im Rahmen von TACIS,
– in Kenntnis der vorläufigen Schlussfolgerungen der Internationalen Wahlbeobachtungsmission zu den Wahlen zur Staatsduma in der Russischen Föderation am 7. Dezember 2003,
– in Kenntnis der jüngsten Maßnahmen der russischen Justiz gegen Yukos und das Institut "Offene Gesellschaft",
– in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Brüssel vom 12. Dezember 2003, insbesondere der Forderung an den Rat und die Kommission, Berichte zur Bewertung aller Aspekte der Beziehungen der Union zu Russland vorzulegen,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament "Größeres Europa – Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn" (KOM(2003) 104) und seiner Entschließung vom 20. November 2003 zu diesem Thema(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. November 2003 zum 12. Gipfeltreffen EU-Russland vom 6. November 2003 in Rom(2),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Umsetzung der Gemeinsamen Strategie, zur Nördlichen Dimension, zu Kaliningrad, zu Tschetschenien, zur Ukraine und zum Südkaukasus,
– in Kenntnis des Vorschlags für eine Empfehlung an den Rat von Bastiaan Belder im Namen der EDD-Fraktion zu den Beziehungen EU-Russland (B5-0438/2003),
– gestützt auf Artikel 49 Absatz 3 und Artikel 104 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie (A5-0053/2004),
A. in der Erwägung, dass Russland auf Grund seiner Größe, seiner Ressourcen und seiner Politik eine Schlüsselrolle für die Sicherheit und die Stabilität in Europa spielt und die Europäische Union eine Politik des konstruktiven Engagements gegenüber Russland verfolgt,
B. in der Erwägung, dass die Bedeutung Russlands als unmittelbarer Nachbar der Europäischen Union nach der Erweiterung noch zunehmen wird und die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und der Staatsduma mit Blick auf das Ergebnis der Wahlen zur Duma eine Aufgabe mit immer höheren Anforderungen ist,
C. in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland gemeinsame Interessen im Bereich des Handels und der wirtschaftliche Zusammenarbeit haben, sowie in der Erwägung, dass die Europäische Union der größte Exportmarkt Russlands ist und aus ihr auch die meisten Einfuhren des Landes kommen; in der Erwägung, dass die Europäische Union ein Interesse an der Verbesserung der Sicherheit ihrer Energielieferungen aus Russland hat und den Ausbau ihrer Einfuhren wünscht, vorausgesetzt, dass die Transporte den internationalen Sicherheits- und Umweltschutzvorgaben gerecht werden, sowie in der Erwägung, dass dies alles bedeutende Möglichkeiten für Investitionen in Russland bietet, die zur wirtschaftlichen Modernisierung des Landes beitragen können, sowie in der Erwägung, dass gemeinsame Interessen an gemeinsame Werte geknüpft werden sollten, auf denen eine echte und ausgewogene Partnerschaft entwickelt werden sollte,
D. in der Erwägung, dass eine erfolgreiche und zunehmend vielfältige wirtschaftliche Entwicklung Russlands auch im Interesse der Europäischen Union liegt, insbesondere da dies Russland mit zusätzlichen Ressourcen ausstatten würde, um eine Reihe von Herausforderungen zu meistern wie etwa die nukleare Sicherheit, die Verminderung der Umweltverschmutzung, die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und die Ergreifung wirksamerer Maßnahmen gegen die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie etwa HIV/AIDS und Tuberkulose sowie die Steigerung des Lebensstandards, was dazu beitragen würde, die Kriminalität sowie den Drogenkonsum und -handel zu vermindern,
E. in der Erwägung, dass große Mengen an radioaktivem Material unter erschreckenden Bedingungen auf der Kola-Halbinsel in der Nähe der Grenze zur Europäischen Union gelagert sind, sowie in der Erwägung, dass die Pläne, den Betrieb einer Reihe von Atomkraftwerken der ersten Generation, die den internationalen Sicherheitsstandards nicht entsprechen, noch viele Jahre fortzusetzen, ebenfalls Anlass zur Sorge geben, und in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland gleichzeitig den Ehrgeiz haben, ihre Stromnetze bis 2007 miteinander zu verknüpfen,
F. in der Erwägung, dass die Verzögerung bei der Übermittlung des Protokolls von Kyoto zur Ratifizierung an die Duma das Inkrafttreten dieses Vertrages verhindert und so der internationale multilaterale Rahmen geschwächt wird,
G. in der Erwägung, dass die organisierte Kriminalität einschließlich des Drogen- und Menschenhandels große Probleme in der russischen Gesellschaft verursacht, die Beziehungen zur Europäischen Union stört und wirksame Grenzkontrollen erfordert,
H. in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland zur Erhöhung der gemeinsamen Sicherheit in Europa durch einen intensiveren Dialog und eine stärkere Zusammenarbeit bei der Kontrolle von Waffenexporten, in der Frage des Abkommens über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, bei mit der internationalen Kriminalität verbundenen Sicherheitsproblemen, bei Strategien zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Verhinderung von Terroranschlägen und bei möglichen Lösungen von Konflikten in osteuropäischen Unruheherden beitragen können,
I. in der Erwägung, dass die anhaltenden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und die Tatsache, dass es immer noch keinen glaubwürdigen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt, dazu führen, dass das Leiden der Bewohner dieser Republik anhält und diejenigen, die geflüchtet sind, davon abhält, zurückzukehren; in der Erwägung, dass Russland in der Lage sein sollte, die Tätigkeit internationaler Organisationen in der Region zu gewährleisten; in der Erwägung, dass die Ergebnisse der Beobachtungen der Sachverständigen des Komitees des Europarates zur Verhütung von Folter, die im Mai 2003 nach Tschetschenien reisten, sie zu der selten ergriffenen Maßnahme bewogen haben, eine öffentliche Erklärung(3) abzugeben, in der sie warnten, ein Staat dürfe auf gar keinen Fall zivilisierte Werte aufgeben,
J. in der Erwägung, dass eine Darstellung des Konflikts ausschließlich als reiner Konflikt zwischen Terroristen und Kräften, die versuchen, Recht und Ordnung wiederherzustellen, eine verzerrte Darstellung des Konflikts ist, dass es jedoch sehr wohl terroristische Aktivitäten gibt und dass diese zunehmen; in der Erwägung, dass Maßnahmen der Sicherheits- und Streitkräfte als unmittelbar kontraproduktiv gesehen werden könnten, da sie zu einem Klima großer Angst und Hoffnungslosigkeit beitragen und bei den Angehörigen der Opfer der Wunsch nach Vergeltung entsteht, wodurch immer wieder neue potentielle Attentäter und Selbstmordattentäter rekrutiert werden,
K. in der Erwägung, dass der Krieg in Tschetschenien in den letzten zehn Jahren über 200 000 Tote gefordert hat, bei einer ursprünglich eine Million Menschen zählenden tschetschenischen Bevölkerung Hunderttausende zu Flüchtlingen gemacht hat, Zehntausende verwundet, gefoltert, behindert und traumatisiert wurden und Zehntausende russische Soldaten zu Tode gekommen sind,
L. bestürzt über Fälle, in denen Personen, die sich an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gewendet haben, und Angehörige ihrer Familien verschwinden oder getötet wurden,
M. in der Erwägung, dass der anhaltende Konflikt in Tschetschenien und die dort verübten massiven Menschenrechtsverletzungen ein unüberwindliches Hindernis für den Ausbau einer echten Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland sind,
N. in der Erwägung, dass Tschetschenien nicht nur eine "innere Angelegenheit" Russlands ist, da Verletzungen der Menschenrechte naturgemäß die internationale Sicherheit bedrohen, was sich bereits in einigen Nachbarstaaten bemerkbar macht,
O. in der Erwägung, dass die Grundlagen der Politik der Europäischen Union gegenüber Russland, vor allem das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, die Gemeinsame Strategie sowie das Programm TACIS, bereits vor Jahren gelegt wurden; in der Erwägung, dass diese Instrumente noch nicht umfassend genutzt werden und überarbeitet sowie der Strategien der neuen Nachbarschaftspolitik angesichts eines größeren Europas angepasst werden sollten,
P. in der Erwägung, dass erwartet wird, dass das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen wie auch andere von der Europäischen Union abgeschlossene internationale Übereinkommen auf die neuen Mitgliedstaaten ausgeweitet werden soll, Russland jedoch offenbar versucht, es als Verhandlungsmasse zu nutzen und neue Bedingungen daran zu knüpfen, was für die Europäische Union inakzeptabel ist,
Q. in der Erwägung, dass immer noch keine ratifizierten Grenzabkommen zwischen Russland einerseits und den Beitrittsländern Estland und Lettland andererseits bestehen,
R. in der Erwägung, dass in Artikel 2 des Partnerschaft- und Kooperationsabkommens eindeutig festgelegt ist, dass die Partnerschaft auf den gemeinsamen Werten der Achtung demokratischer Prinzipien und der Menschenrechte aufbaut, wie sie insbesondere in der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki und in der OSZE-Charta von Paris für ein Neues Europa festgelegt sind; in der Erwägung, dass die Europäische Menschenrechtskonvention, der Russland nach der Unterzeichnung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens beigetreten ist, einen weiteren wichtigen Anhaltspunkt für die gemeinsamen Werte darstellt,
S. in der Erwägung, dass eine weitere Demokratisierung, insbesondere in den Fragen freier und fairer Wahlen, der Medienfreiheit, des respektvollen Umgangs mit Nichtregierungsorganisationen, der Beachtung von Grundprinzipien im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit, wie etwa die Nichteinmischung politischer Stellen in Gerichtsverfahren, die Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf einen fairen Prozess, und der möglichen Integration Russlands in umfassendere politische, wirtschaftliche und Sicherheitsstrukturen, miteinander zusammenhängende Prozesse sind,
T. unter Hinweis auf die Tatsache, dass Russland als Mitglied der OSZE und des Europarats fest zugesagt hat, universelle und europäische Werte zu achten, und dass das Wesen und die Qualität der Partnerschaft EU-Russland wesentlich von der russischen Annäherung an diese Werte abhängen wird, worauf die Kommission in ihrer Mitteilung zu den Beziehungen mit der russischen Föderation (KOM(2004) 106) hingewiesen hat,
U. in der Überzeugung, dass der Versuch, Fragen der Demokratie, der Rechtstaatlichkeit und der Menschenrechte als Fachfragen ohne echten Bezug zur Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Russland insgesamt zu behandeln, nicht akzeptabel ist,
V. in der Erwägung, dass den Wahlen zur Staatsduma am 7. Dezember 2003 ein Wahlkampf vorausging, der gekennzeichnet war durch übermäßigen Einsatz administrativer Ressourcen und die Kontrolle der Medien mit dem Ziel, regierungsfreundliche Parteien zu bevorzugen; in der Erwägung, dass die Wahlen internationalen Standards nicht genügten und einen Rückschritt beim Demokratisierungsprozess darstellten,
W. unter nachdrücklichem Hinweis darauf, dass die Politik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten gegenüber der Russischen Föderation keinen bedeutenden Beitrag dazu leisten konnte, diesen Prozess der Schwächung der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie zu verlangsamen bzw. aufzuhalten,
X. in der Erwägung, dass Russland alles in seinen Kräften stehende tun muss, um die festgefahrenen Konflikte im Südkaukasus zu lösen und zur Stabilität der Länder in dieser Region bei umfassender Anerkennung ihrer Souveränität und territorialen Integrität beizutragen,
Y. in der Erwägung, dass es wesentlich ist, dass die Russische Föderation den Verpflichtungen, die sie am 19. November 1999 auf dem Gipfeltreffen der OSZE in Istanbul eingegangen ist, insbesondere was die Schließung der russischen Militärbasen in Georgien und Moldawien anbelangt, nachkommt,
Z. in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland zu verschiedenen Gelegenheiten für eine Weltordnung eingetreten sind, die auf einem multilateralen Rahmen aufbaut, und dass gemeinsame Anstrengungen unternommen werden sollten, um internationale Organisationen zu reformieren und sie effizienter zu machen,
AA. in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums, eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, eines Raums der Zusammenarbeit im Bereich der äußeren Sicherheit sowie eines Raums der Forschung und Bildung, einschließlich kultureller Aspekte, zu ihrem langfristigen Ziel erklärt haben; in der Erwägung, dass nur wenige Fragen zur tatsächlichen Bedeutung dieser Ziele bisher beantwortet wurden, obwohl das Europäische Parlament die Annahme des Gemeinsamen Zolldokuments der Europäischen Union durch Russland und die Unterzeichnung des Protokolls zum Informationsaustausch mit Europol begrüßt, und dass auch noch unklar ist, inwieweit der Rahmen für die Beziehungen EU-Russland und der politische Rahmen für ein größeres Europa miteinander in Einklang gebracht werden sollten,
AB. in der Erwägung, dass nicht aufeinander abgestimmte Erklärungen führender Persönlichkeiten der Mitgliedstaaten die Verhandlungen mit Russland über den Kaliningrad-Transit außerordentlich erschwert haben; in der Erwägung, dass nach dem letzten EU-Russland-Gipfel aufsehenerregende Erklärungen zu Tschetschenien abgegeben wurden, die seit langem bestehenden und ausführlich begründeten Standpunkten der Europäischen Union zuwiderliefen; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten und führende Vertreter der Europäischen Union widersprüchliche Signale nach der Yukos-Affäre gegeben haben, und dass zum Abschluss des Gipfels Erklärungen zum Fall Yukos abgegeben wurden, in denen die Notwendigkeit bekräftigt wurde, faire, transparente und nichtdiskriminierende Verfahren zu gewährleisten, was seither von den Tatsachen Lügen gestraft wurde,
AC. unter Hinweis darauf, dass der Übergangsprozess in Russland sich noch nicht so vollzogen hat, wie man es erwartet hatte, als die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Europäischen Union, vor zehn Jahren ihre grundlegende Antwort auf die dortigen Entwicklungen formulierte; in der Überzeugung, dass, wenn statt dessen und im Widerspruch zu den gemeinsamen Werten, auf denen die bilateralen Beziehungen EU-Russland aufgebaut werden sollen, eine "verwaltete Demokratie" gefestigt wird, wenn die Wirtschaftsreformen weiterhin relativ langsam vonstatten gehen, zumindest solange die Ausbeutung der Bodenschätze floriert, und wenn die Bestrebungen nach immer größerer Einflussnahme auf einige Nachbarländer praktisch ebenso wichtig sind wie die Suche nach kooperativen Lösungen zum beiderseitigen Vorteil, die Europäische Union diese Entwicklungen bei der Bewertung ihrer Politik gegenüber Russland umfassend berücksichtigen muss,
1. empfiehlt dem Rat und dem Europäischen Rat, sich auf folgende Fragen zu konzentrieren:
–
Prüfung der Frage, wie die Entwicklungen in Russland seit dem Zeitpunkt, als die Europäische Union die Grundlagen für ihre derzeitige Russlandpolitik festgelegt hat, die Möglichkeit, die gesetzten politischen Ziele zu erreichen, und die Wirksamkeit der eingesetzten politischen Instrumente beeinflusst haben,
–
Auflistung und Zuweisung verschiedener Prioritätsebenen für die politischen Ziele der Europäischen Union, um rationale und voll vertretbare Entscheidungen zu ermöglichen, wenn es sich als unmöglich erweist, gleichzeitig Fortschritte bei unterschiedlichen Zielen zu machen, insbesondere wenn es sich um Ziele handelt, die eng mit den gemeinsamen Werten verbunden sind, auf denen die Partnerschaft aufgebaut ist,
–
Vereinbarung konkreter Schritte, um Beständigkeit in den Erklärungen und Maßnahmen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, des Rats als Organ und der Kommission zu gewährleisten, und so die Union zu befähigen, ihren Einfluss so wirksam wie möglich auszuüben, wie sich die Mitgliedstaaten im Vertrag verpflichtet haben,
–
Schaffung einer neuen Grundlage für ihre geänderte Russlandpolitik, die Transparenz und Kontinuität gewährleistet und gleichzeitig die Möglichkeit bietet, auch unter veränderten politischen und anderen Bedingungen in Russland beratend Einfluss nehmen zu können;
2. empfiehlt dem Rat und dem Europäischen Rat, in einheitlicher Weise den Grundsatz anzuwenden, dass die Partnerschaft und ihre Entwicklung auf der Achtung gemeinsamer Werte basiert, ohne Ausnahmen für einen Bereich der Zusammenarbeit zuzulassen, unabhängig davon, ob es sich beispielsweise um die äußere Sicherheit, die innere Sicherheit oder die Unterstützung für den WTO-Beitritt Russlands handelt;
3. empfiehlt dem Rat und dem Europäischen Rat, die geänderte Russlandpolitik unter Berücksichtigung der folgenden Zielen zu gliedern:
–
Gewährleistung gutnachbarschaftlicher Beziehungen, auch durch einen wirksamen Grenzschutz, verstärkte und besser durchgeführte grenzüberschreitende Zusammenarbeit und wirksame Maßnahmen zur Bewältigung latenter Sicherheitsprobleme wie nuklearer Gefährdung, Verschmutzung, grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Einwanderung,
–
Förderung der Menschenrechte, der Demokratie, der unabhängigen Medien, der Entwicklung der Zivilgesellschaft, der Religionsfreiheit, der Rechtstaatlichkeit und der Transparenz, unter besonderer Berücksichtigung der Bemühungen um eine vordringliche Verbesserung der Lage in Tschetschenien,
–
Zusammenarbeit bei der Bewältigung der schwelenden Konflikte im Südkaukasus durch einen ernst zu nehmenden Beitrag zur Lösung des Transnistrien-Problems und Kontrolle des internationalen Rüstungshandels und Förderung der Abrüstung und Nichtverbreitung von Kernwaffen,
–
Nutzung des Potentials für die Ausweitung des Handels, was durch eine Mitgliedschaft Russlands in der WTO erleichtert würde, weitere Vertiefung des Energiedialogs, nicht zuletzt Blick auf eine Ratifizierung des Vertrags über die Energiecharta durch Russland, und Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen, wobei unter anderem Sicherheits- und Umweltfaktoren zu berücksichtigen sind; Zusammenarbeit bei der Entwicklung der transeuropäischen Verkehrs-, Energie- und IT-Netze, mit Unterstützung vor kurzem ausgeweiteten Darlehensmandats für die Europäische Investitionsbank sowie Zusammenarbeit bei Satellitentechnologien,
–
Unterstützung der Bemühungen zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und anderer Aspekte der sozialen Entwicklung Russlands mit besonderem Augenmerk auf der Region Kaliningrad, um dazu beizutragen, dass das Wohlfahrtgefälle zwischen der erweiterten Europäischen Union und dieser und anderen russischen Regionen abnimmt; nach der positiven Regelung des Transits zwischen dem russischen Kernland und seiner Exklave Kaliningrad gemeinsame Anstrengungen, um den weiteren Verfall des Gebiets aufzuhalten,
–
Förderung von Partnerschaften mit Regionen, Städten, nichtstaatlichen Organisationen und Universitäten;
4. empfiehlt dem Rat, eine spezifische Analyse der tendenziell von Verzögerungen geprägten und unnötig komplizierten Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Russland vorzunehmen; ist der Auffassung, dass dies zum Teil auf eine fehlende Koordinierung seitens der Europäischen Union zurückzuführen ist, indem die Ausarbeitung der Standpunkte der Europäischen Union nur langsam Fortschritte machte oder Russland ermutigt wurde, zu versuchen, im Rahmen eines Dialogs mit einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Einfluss auf diese Standpunkte zu nehmen; fordert mit Nachdruck größeren Respekt, insbesondere von den führenden Persönlichkeiten der Mitgliedstaaten, für die Notwendigkeit und die Pflicht, auf Maßnahmen zu verzichten, die die Fähigkeit der Europäischen Union, Einfluss auszuüben, schwächen könnte;
5. empfiehlt dem Rat, nicht von seiner Position abzuweichen, dass Partnerschafts- und Kooperationsabkommen unverzüglich auf alle neuen Mitgliedstaaten ausgeweitet werden müssen;
6. empfiehlt dem Rat zu fordern, dass Russland umgehend das bereits ausgehandelte Grenzabkommen mit den Beitrittsländern Estland und Lettland unterzeichnet und ratifiziert;
7. begrüßt die oben genannte Mitteilung der Kommission und die Vorschläge für ein Instrument der neuen Nachbarschaft, erwartet, dass diese Initiative eine entscheidende Rolle in den künftigen Beziehungen EU-Russland spielen wird und ist der Auffassung, dass sie einen Rahmen darstellen kann, um mit Russland eine privilegierte Sicherheits- und Wirtschaftspartnerschaft aufzubauen; ist der Auffassung, dass dabei die Gestaltung und Überwachung der gemeinsamen Außengrenzen eine besonders wichtige Rolle spielen sollte; fordert als einen ersten Schritt, so schnell wie möglich Pilotprojekte zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einzuführen, die auf verstärkter Koordinierung von Projekten, die im Rahmen bestehender Instrumente durchgeführt werden, aufbauen;
8. empfiehlt dem Rat, den Schwerpunkt auf eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität, einschließlich Drogen- und Menschenhandel und Kinderpornographie, sowie bei der Verhütung illegaler Einwanderung zu legen und gleichzeitig wirkungsvollerer Maßnahmen gegen das organisierte Verbrechen von Russland zu fordern;
Tschetschenien
9. betont, dass die Lage in Tschetschenien gänzlich im Widerspruch zu den Werten und Grundsätzen steht, auf denen das moderne Europa aufgebaut ist; hält die Tatsache, dass kein Dialog über Tschetschenien stattfindet, für moralisch und politisch unvertretbar und für unvereinbar mit dem gemeinsamen Wunsch, die Zusammenarbeit bei Fragen der inneren und äußeren Sicherheit zu intensivieren, und ebenfalls für unvereinbar mit den realen Sicherheitsinteressen sowohl Russlands als auch der Europäischen Union;
10. ist der Auffassung, dass Kadirows Erfolg bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien auf das Fehlen fairer Bedingungen im Vorfeld der Wahlen zurückgeht;
11. fordert tief besorgt über die Tatsache, dass bislang keine positive Lösung des Falls von Arjan Erkel gefunden werden konnte, und mit tiefstem Bedauern über den mangelnden Fortschritt bei der Lösung dieses dramatischen Falls eine feste politische Zusage seitens der russischen föderativen und lokalen Behörden, der Kommission und des Rates, die sichere Freilassung von Erkel zu gewährleisten;
12. empfiehlt dem Rat, das zweigleisige Herangehen wiederzubeleben und weiterzuentwickeln, wonach die Europäische Union aktiv auf eine Änderung der russischen Politik gegenüber Tschetschenien hinarbeiten sollte, während sie gleichzeitig die Zusammenarbeit mit Russland in anderen Bereichen fortsetzt; betont, dass die Einleitung eines alle Gruppierungen einbeziehenden, echten Friedens- und Versöhnungsprozesses eine dringende Notwendigkeit bleibt;
13. fordert den Rat auf, die Kommission und den Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik anzuweisen, den von Iljas Achmadow vorgelegten Friedensplan und alle anderen Friedensvorschläge zu prüfen sowie ihre Schlussfolgerungen dem Rat und dem Parlament vorzulegen;
14. empfiehlt dem Rat,
–
seine Fähigkeit zur Analyse der Entwicklungen in Tschetschenien und der Auswirkungen des Konflikts auf die russische Gesellschaft insgesamt auszubauen und ferner zu analysieren, wie dieser Konflikt die Perspektiven beeinflusst, verschiedene politische Ziele Russlands und der Europäischen Union zu verwirklichen,
–
detaillierte Vorschläge für alternative Herangehensweisen an den Konflikt vorzubereiten, wobei wichtige Aspekte des Konflikts, wie die tiefen geschichtlichen Wurzeln, das mangelnde Interesse an seiner Beendigung seitens der Akteure, die unter den derzeitigen quasi anarchischen Bedingungen in der Republik lukrative inoffizielle und kriminelle wirtschaftliche Tätigkeiten dort entfalten können, die soziologischen Wesensmerkmale der tschetschenischen Gesellschaft, die Notwendigkeit massiver Wiederaufbaubemühungen und die Möglichkeit, dass die Europäische Union hierzu einen Beitrag leisten kann, wenn die Anforderungen an die Wirksamkeit der Hilfe erfüllt werden können, der Terrorismusaspekt und natürlich auch die legitimen russischen Sicherheitsbedenken zu berücksichtigen sind,
–
Russland geeignete Gremien und Formate für die Fortsetzung des Dialogs über Tschetschenien vorzuschlagen und dabei die logischen und notwendigen Zusammenhänge hervorzuheben, in erster Linie in Bezug auf eine umfassendere Zusammenarbeit bei Fragen der inneren und äußeren Sicherheit, und ebenfalls festzustellen, dass ein solcher Dialog die allgemeine Entwicklung der Partnerschaft erleichtern könnte, indem die öffentliche Unterstützung dafür gestärkt wird,
–
ständig seine Forderung an Russland zu wiederholen, seinen Teil dazu beizutragen, dass die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien ein Ende haben, dass das Verschwinden von Menschen untersucht wird, Berichte über Folter und andere Verbrechen geprüft werden, ihre Täter gerichtlich verfolgt werden und sichergestellt wird, das bei Gerichtsverfahren alle rechtlichen Anforderungen erfüllt werden, dass UN-Berichterstattern erlaubt wird, die Republik gemäß ihren Anträgen zu besuchen, dass internationalen Mitarbeiter von UN-Agenturen, humanitären und Menschenrechtsorganisationen sowie den Medien und Journalisten erlaubt wird, in Tschetschenien zu arbeiten, und dass unverzüglich aufgehört wird, Druck auf Binnenflüchtlinge in Inguschetien auszuüben, um sie zu veranlassen, gegen ihren Willen und trotz der noch sehr schwierigen Sicherheitslage nach Tschetschenien zurückzukehren;
–
entschieden dafür einzutreten, dass ein Dialog zwischen den moskauer Behörden und allen Vertretern der tschetschenischen Gesellschaft mit dem Ziel aufgenommen wird, rasch eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen, die aktive Einbindung der OSZE zu fördern und deutlich zu machen, dass die Europäische Union bereit ist, als Vermittler tätig zu sein;
–
gegebenenfalls die gesamte Bandbreite von Maßnahmen einzusetzen, die der Europäischen Union zur Verfügung stehen, um die russische Tschetschenien-Politik zu beeinflussen sowie die Sicherheitsinteressen und die Konfliktbeilegung zu fördern,
–
aufs Allerschärfste zu protestieren, wenn Personen, die sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, oder ihre Familien gefoltert werden, verschwinden oder getötet werden; auf die Verpflichtung jedes Unterzeichnerstaats der Europäischen Menschenrechtskonvention hinzuweisen, die Integrität des unter dieser Konvention aufgebauten Systems für den Schutz der Menschenrechte zu verteidigen;
15. ist der Auffassung, dass die Deportation des gesamten tschetschenischen Volkes nach Zentralasien am 23. Februar 1944 auf Anordnung Stalins ein Akt des Völkermords im Sinne der Vierten Haager Konvention von 1907 und des Übereinkommens vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ist;
Außenpolitik
16. fordert den Rat auf, bei der anstehenden Aktualisierung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens sowie der Neufassung der Gemeinsamen Strategie der Europäischen Union gegenüber Russland auch die sicherheitspolitische Dimension zu berücksichtigen, und als Ziel die Bildung eines umfassenden gesamteuropäischen Raumes ohne Trennlinien zu formulieren;
17. empfiehlt dem Rat, seine Forderung an Russland zu wiederholen, die OSZE-Verpflichtungen betreffend den Truppenrückzug aus der abtrünnigen moldauischen Region Transnistrien sowie seine Verpflichtungen betreffend den Truppenrückzug aus ganz Georgien einzuhalten; ist der Auffassung, dass das Niveau des Fortschritts in den kommenden Monaten in Bezug auf die Bemühungen, eine engere Zusammenarbeit bei der Behandlung der Transnistrien-Frage und eine verstärkte Anwesenheit der Europäischen Union in der Region zu erzielen, eine Vorstellung von dem tatsächlichen Potential der Konvergenz der außenpolitischen Positionen vermitteln wird; ist sich der Tatsache bewusst, dass die zukünftige Entwicklung in Georgien sehr stark vom Verhaltens Russlands abhängt und erwartet daher, dass von eventuellen Einmischungsversuchen in Georgien im Allgemeinen und der Region Adscharien im Besonderen Abstand genommen wird; fordert Russland auf, aktiv und konstruktiv bei der Lösung der Konflikte in Abchasien und Südossetien mitzuarbeiten;
18. empfiehlt dem Rat festzustellen, dass Russland auf Grund der Union mit Belarus eine besondere Verantwortung für die Förderung einer demokratischen Entwicklung in Belarus hat;
Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
19. empfiehlt, dass der Rat in Zusammenhang mit der Schaffung eines gemeinsamen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts auf der vollständigen Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit besteht, und unterstreicht die Bedeutung einer gerechten, transparenten, nichtdiskriminierenden und verhältnismäßigen Anwendung der Rechtsvorschriften;
20. ist sich der Tatsache bewusst, dass der Privatisierungsprozess in den 90er Jahren in einem chaotischen wirtschaftlichen Klima stattfand, was Fälle von unehrlichem und korruptem Verhalten ermöglichte; erkennt an, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, mit den Rechtsakten umzugehen, die trotz des schlecht entwickelten Rechtsrahmens zu jener Zeit als illegal angesehen werden können; betont jedoch, dass die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz und der Nichteinmischung der politischen Behörden in Rechtsverfahren sowie der Achtung der Rechte der Angeklagten für Rechtsstaaten von wesentlicher Bedeutung sind; erinnert daran, dass diese Grundsätze, die in der russischen Verfassung von 1993 verankert sind, integraler Bestandteil der internationalen Verpflichtungen sind, denen sich die Russische Föderation freiwillig verpflichtet hat, als sie 1996 die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert hat, und dass sie daher diesen Verpflichtungen nicht nur in Wort, sondern auch in Tat nachkommen muss;
21. bedauert, dass die jüngsten Maßnahmen der russischen Behörden gegen Yukos und das Institut "Offene Gesellschaft" zum ernsthaften Verdacht der politischen Einmischung in das Gerichtsverfahren Anlass gaben; fordert die Behörden auf, alle Inhaftierten fair zu behandeln;
22. fordert den Rat auf, die russische Regierung nachdrücklich aufzufordern, die Rechte der nationalen Minderheiten zu achten, indem insbesondere Volksschulbildung in den Sprachen nationaler Minderheiten angeboten wird, und die Verwendung anderer als kyrillischer Schriftzeichen in der Schriftsprache zuzulassen;
23. empfiehlt dem Rat, Russland zu ermutigen, der europäischen Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) beizutreten und die Unterstützung, die diese Kooperationsvereinbarung bieten kann, zu nutzen;
TACIS
24. verweist darauf, dass der enge Begriff der technischen Hilfe, der die Grundlage für das Programm TACIS bildet, unrealistische Erwartungen in bezug auf den Übergangsprozess zum Zeitpunkt der Aufnahme des Programms widerspiegelt; weist darauf hin, dass der Nutzen von TACIS als Mittel zum Erreichen der genannten politischen Ziele auch durch die dafür erforderlichen umständlichen und übermäßig zeitaufwendigen Verfahren erheblich eingeschränkt wird; erwartet das neue Instrument, das in der Strategie der neuen Nachbarschaft vorgesehen ist, wenn die Regelung 2006 ausläuft; empfiehlt, dass die Kommission alle Möglichkeiten nutzt, um das Programm bis dahin flexibler und dezentralisiert zu nutzen, bis die derzeitige Regelung ausläuft; empfiehlt, die Demokratieprogramme im Rahmen von TACIS zu stärken;
25. empfiehlt dem Rat, sich für die allgemeine Befreiung aller TACIS-Beihilfen von der russischen Mehrwertsteuer einzusetzen, da Probleme mit derzeitigen Rückzahlungsregelungen zur Zeit die Umsetzung vieler Hilfsprojekte verhindern; empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Kommission über ihre Hilfsprojekte in Russland besser zu informieren;
Kaliningrad
26. empfiehlt dem Rat, der Region Kaliningrad besondere Beachtung zu schenken; begrüßt die Bereitschaft Russlands zur schnellen Umsetzung des Abkommens über den Personentransit; gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass eine wirkungsvollere Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland bei sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Entwicklungsprojekten in der Region erreicht werden kann;
Umwelt und Volksgesundheit
27. begrüßt die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Russland im Rahmen des Aktionsplans der Nördlichen Dimension, insbesondere die Umweltpartnerschaft und den dazugehörigen Unterstützungsfonds; fordert nachdrücklich die praktische Umsetzung von Projekten der Nördlichen Dimension; betont, dass nun, da die Hemmnisse für die Einleitung von Vorhaben gegen nukleare Gefährdungen in Russland abgebaut werden, die Europäische Union sicherstellen sollte, dass sie ihren finanziellen Beitrag weiterhin leisten kann, indem sie entsprechende Mittel bereitstellt; fordert Russland auf, das Einlaufen von Einhüllenöltankern in russische Häfen, die zufrieren können, zu verbieten; fordert ferner dazu auf, die durch die in Oslo am 27. Oktober 2003 gebildete Partnerschaft der Nördlichen Dimension für Volksgesundheit und soziales Wohlergehen gebotenen Möglichkeiten zu nutzen;
28. betont, dass Russland das in Espoo geschlossene Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen ratifizieren und umsetzen muss, um wirksame Umweltschutzmaßnahmen für die Ostsee zu entwickeln; fordert Russland auf, die Stilllegung von Einhüllentankern zu beschleunigen und vor dem Beginn von Ölförderungen, dem Bau neuer großer Hafenanlagen oder der Verlängerung des Betriebs von Atomkraftwerken angemessene Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen;
29. fordert im Hinblick auf den Transport von Erdöl die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich dafür einzusetzen, dass von russischen Häfen aus keine Einhüllen-Tanker mehr die Ostsee und andere sensible Gewässer wie das Kaspische und das Schwarze Meer befahren, und die im Dezember 2003 beschlossene Änderung des Marpol-Abkommens, die eine Übergangsfrist bis 2010 vorsieht, noch zu verschärfen, beispielsweise dadurch, dass die Mitgliedstaaten bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation den Antrag einbringen, die Ostsee, das Kaspische Meer und das Schwarze Meer zu besonders sensiblen Gebieten zu erklären;
30. fordert den Rat auf, seine Bemühungen fortzusetzen, damit Russland das Protokoll von Kyoto ratifiziert; weist darauf hin, dass dieses Protokoll vor allem für Russland von sehr hohem Wert ist, wegen der Wahl des Referenzjahres im Zusammenhang mit der Festlegung von Emissionsquoten und dem hohen Potenzial für Verbesserungen bei der Energieeffizienz im Land; bedauert, dass Russland die Ratifizierung des Protokolls und damit dessen Inkrafttreten dennoch hinauszögert;
Außenhandel
31. fordert die Kommission auf, Russland bei der Annäherung an die WTO zu unterstützen; ist der Auffassung, dass Investoren und Händler auf beiden Seiten ein vorhersehbares, stabiles, diskriminierungsfreies, geregeltes System von Geschäftsbeziehungen, die für beide Seiten von großen Interesse sind, brauchen; unterstreicht, dass die Umstrukturierung und die Entwicklung von Dienstleistungsbereichen, insbesondere von Versicherungen, Banken und anderen Finanzsektoren, eine wichtige Voraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Russland sind und dass hier ein beachtliches Potential für Handel, Investitionen und andere Kooperationsformen besteht;
32. fordert die Kommission auf, die Aufmerksamkeit insbesondere auf die Notwendigkeit einer weiteren Entwicklung der Rechtsvorschriften zu lenken und damit die Grundvoraussetzungen für Investitionen und Handel in Russland zu gewährleisten;
Gemeinsamer Europäischer Wirtschaftsraum
33. verweist auf das zentrale Konzept eines Gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraums, den die Europäische Union und Russland auf dem 12. Gipfeltreffen EU-Russland, das Anfang November 2003 in Rom stattgefunden hat, vereinbart haben und der die Integration der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen Russlands und der Europäischen Union fördern könnte;
34. unterstützt den Gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraum als einen langfristigen Prozess, der drei Hauptdimensionen beinhaltet:
i)
Annäherung der Rechtsvorschriften mit dem Ziel der Harmonisierung des Rechts- und Wirtschaftssystems Russlands sowie der Anpassung seiner technischen, unternehmerischen und finanziellen Standards an die internationale und europäische Praxis;
ii)
Liberalisierung von Handel und Investitionstätigkeit, gegenseitige Öffnung der Märkte und Beseitigung von Handels- und Investitionsbeschränkungen mit dem Ziel der Schaffung einer Freihandelszone;
iii)
Integration der Infrastruktursysteme der Europäischen Union und Russlands unter anderem in den Bereichen Energie, Verkehr, Telekommunikation sowie in anderen wichtigen Bereichen;
Energie
35. begrüßt den Fortschritt beim Energiedialog EU-Russland, der darauf ausgerichtet ist, eine Energiepartnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland als Teil des Gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraums aufzubauen; erkennt die wichtige Rolle Russlands als Energielieferant und die Bedeutung von Investitionen der Europäischen Union in diesem Bereich an, insbesondere in neue, umweltfreundlichere Technologien; fordert den Rat und die Kommission auf, stärker institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit dem Energiebereich zu prüfen;
36. empfiehlt dem Rat klarzustellen, dass der EU-Markt für russische Stromausfuhren nur geöffnet werden kann, wenn die Stromerzeugung in Russland unter ausreichend sicheren Bedingungen erfolgt, was zuallererst die Abschaltung von RBMK-Reaktoren der ersten Generation, Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit aller anderer Kernkraftwerke nach den Standards der IAEO und auch eine verbesserte Entsorgung von radioaktivem Abfall und Maßnahmen zur Verminderung der Umweltverschmutzung voraussetzt; unterstreicht die Möglichkeit der Hilfe, die die Europäische Union, ihre Mitgliedstaaten, andere Staaten und internationale Finanzinstitutionen für die nukleare Sicherheit und im Umweltbereich gewähren können, und fordert die vollständige Umsetzung des Multilateralen Programms für Umwelt und nukleare Sicherheit vom 21. Mai 2003;
37. betont, dass beide Seiten entschlossene und konzertierte Maßnahmen in folgenden Bereichen ergreifen sollten:
i)
Ausarbeitung eines gemeinsamen Plans für die Entwicklung der Energiemärkte, die Reorganisation natürlicher Monopole und die Annäherung der Rechtsvorschriften sowie Ausarbeitung eines gemeinsamen Konsultationsmechanismus zum Informationsaustausch und zur Koordinierung neuer Entwicklungen auf den Energiemärkten; die Europäische Union und Russland sollten auch einen Rahmen für gleiche Wettbewerbsbedingungen festlegen, um Direktinvestitionen in beiden Regionen zu ermöglichen;
ii)
es ist Zeit, die Energiepartnerschaft EU-Russland auf ein neues qualitatives Niveau zu heben, wie dies im auf dem jüngsten Gipfel EU-Russland vorgelegten vierten Fortschrittsbericht über den Energiedialog betont wird; in diesem Rahmen sollten Fragen des nuklearen Handels, der Sicherheit von Angebot und Nachfrage und der Energieeinsparung sowie fortschrittliche Formen der Zusammenarbeit im Energiebereich in der praktischsten Weise angegangen werden;
38. unterstützt den Bau der nordeuropäischen Gaspipeline, die Zentraleuropa und das Vereinigte Königreich mit russischem Erdgas beliefern soll und somit die Versorgungssicherheit dort erhöhen wird;
39. unterstreicht die Bedeutung des Baus der geplanten kombinierten Öl- und Gaspipeline Baku-Tiflis-Ceyhan für die Versorgung dieses Gebiets wie für den Schutz der Meeresumwelt, da sie den Transport per Schiff unnötig machen wird; weist jedoch darauf hin, dass beim Bau der Pipeline Maßnahmen der Sicherheit und Terrorbekämpfung besonders beachtet werden müssen; fordert die betroffenen Länder nachdrücklich auf, auf dieses Projekt die Standards der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung anzuwenden;
40. erinnert daran, dass die gegenseitige Abhängigkeit zwischen der Europäischen Union und Russland im Energiesektor sehr schnell zunimmt, und betont, dass rasch für beide Seiten zufriedenstellende technische und rechtliche Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft in diesem Bereich gefunden werden müssen;
Industrie, Forschung und Entwicklung
41. fordert die russische Regierung auf, für die rechtzeitige Umsetzung der geplanten Programme zur Rechtsentwicklung zu sorgen, einschließlich der Harmonisierung bestehender Vorschriften und Zertifizierungsverfahren zur Produktkonformität mit internationalen Standards;
42. fordert die Europäische Investitionsbank auf, Mittel an russische KMU zu vergeben, um so die Umstrukturierung des Landes zu fördern und die neuen demokratischen Strukturen zu festigen;
43. betont, dass der gemeinsame Schwerpunkt für die aktuelle Informations- und Kommunikationstechnologie in der Beschleunigung des Prozesses der "Inhaltsorientierten Telekommunikation" mit besonderer Betonung von inhaltsreichen, interaktiven Multimediadiensten und Breitbandpotenzialen liegt; weist darauf hin, dass aktive Bildungskampagnen und Unterstützung auf hohem Niveau erforderlich sind, um den Dialog zwischen allen an der dynamischen Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie Beteiligten zu fördern und auszuweiten;
44. unterstreicht die Bedeutung des Austauschs und der Zusammenarbeit im Bereich der Forschung, der Wissenschaft, der Bildung und der Wirtschaft; fordert die Kommission auf, vor allem im Bereich des Austauschs von Studenten und Forschern unterstützend tätig zu werden;
45. unterstreicht die hohe Qualität der von strategischen Partnern, einschließlich Russlands betriebenen Weltraumforschung und die Wichtigkeit einer Zusammenarbeit mit Russland auf diesem Gebiet, von der beide Partner profitieren;
46. unterstreicht das gemeinsame Interesse, an einem gemeinsamen Standard für die Mobilkommunikation der dritten Generation (3G) zu arbeiten;
47. weist darauf hin, dass die Teilnahme Russlands am Sechsten Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union einen wichtigen Beitrag für die zukünftigen Beziehungen darstellt und dass auch über eine angemessene Beteiligung an der Finanzierung nachgedacht werden sollte;
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48. beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat und, zur Information, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, den Beitritts-und Kandidatenländern, der russischen Staatsduma und der Regierung der Russischen Föderation zu übermitteln.