Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Rolle der Frauen in der Türkei im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben (2004/2215(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den regelmäßigen Bericht 2004 und die Empfehlung der Kommission zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt vom 6. Oktober 2004 (KOM(2004)0656) und seine diesbezügliche Entschließung vom 15. Dezember 2004(1),
– unter Hinweis auf den Beschluss des Europäischen Rates vom 17. Dezember 2004, mit der Türkei Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union aufzunehmen,
– unter Hinweis auf den gemeinschaftlichen Besitzstand im Bereich der Rechte der Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter,
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0175/2005),
A. in der Erwägung, dass sich die Türkei im Einklang mit den Beschlüssen des Europäischen Rates vom Dezember 2004 für die Aufnahme der Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union ab dem 3. Oktober 2005 rüstet,
B. in der Erwägung, dass die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen (CEDAW)(2) Teil des Völkerrechts bildet und Vorrang hat vor nationalen türkischen Rechtsvorschriften, was in Artikel 90 der türkischen Verfassung anerkannt wurde, und in der Erwägung, dass die Türkei der Konvention 1985 sowie dem dazugehörigen Fakultativprotokoll 2002 beigetreten ist,
C. in der Erwägung, dass die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes für Bewerber um den Beitritt zur Europäischen Union obligatorisch ist,
D. in der Erwägung, dass die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes bilden,
E. in der Erwägung, das die jüngsten Gesetzesreformen in der Türkei im Bereich der Rechte der Frau erst den Anfang auf einem noch weiten Weg bis zur Umsetzung des Besitzstandes bedeuten, wobei nach wie vor das große Problem der Umsetzung dieser Reformen und Veränderungen sowie der Erreichung konkreter Ergebnisse besteht,
F. in der Erwägung, dass das neue Strafgesetzbuch am 1. Juni 2005 in Kraft getreten ist und dass dieses Beispiel eines Fortschritts im Gesetzgebungsbereich nun in die Praxis umgesetzt werden muss,
G. in der Erwägung, dass der oben genannte regelmäßige Bericht bezüglich der Lage der Frauen u.a. die folgenden Hauptkritikpunkte herausstellt: die Gewalt gegen Frauen, insbesondere die häusliche Gewalt und die Ehrenmorde und Traditionsverbrechen, eine hohe Analphabetenrate, eine schwache Frauenpräsenz im Parlament und in kommunalen Gremien, die geringe Beteiligung von Frauen und die vorherrschende Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt,
H. in der Erwägung, dass die wirtschaftliche und soziale Unterentwicklung in einigen städtischen, ländlichen oder benachteiligten Gebieten der Türkei und die Migration und die damit verbundenen Probleme wie Armut und die innerstädtischen Mangelerscheinungen die Probleme der Frauen in diesen Regionen noch verschärfen und ihre Stellung untergraben, die auch durch bestehende patriarchalische Sozialstrukturen beeinträchtigt wird,
I. in der Erwägung, dass die Registrierung von Neugeborenen in der Türkei in einigen Regionen nicht unmittelbar erfolgt und dass durch die Praxis der nachträglichen Registrierung das Alter von jungen Frauen willkürlich festgesetzt werden kann, sodass minderjährige Mädchen für volljährig erklärt werden, um eine Zwangsverheiratung "de facto" zu legitimieren,
J. in der Erwägung, dass türkischen Regierungsstellen und Menschenrechtsorganisationen sowohl 2003 als auch 2004 Hunderte Fälle von Folterung gemeldet worden sind und dass im Jahre 2003 von den EU-Mitgliedstaaten über 2 000 Asylanträge türkischer Bürger (darunter auch viele Frauen) bewilligt worden sind,
K. in der Erwägung, dass aufgrund einer fehlenden umfassenden Strategie, um den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belangen der kurdischer Frauen zu entsprechen, diese unter einer seit langem bestehenden Akkumulierung von Problemen leiden (Analphabetentum, schlechter Gesundheitszustand, Armut, Ausgrenzung usw.),
L. in der Erwägung, dass eine bestehende Situation der Benachteiligung von Frauen zuweilen am besten durch befristete Maßnahmen der Bevorteilung behoben werden kann, wie es u.a. in der CEDAW-Konvention über die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen empfohlen wird, und dass ein absoluter Bedarf an weiblichen Rollenmodellen in Macht- und Entscheidungspositionen auch auf höchster Ebene besteht,
M. in der Erwägung, dass die türkische Regierung die Verhandlungen mit der Kommission über die Beteiligung am Daphne II-Programm(3) über die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen noch nicht abgeschlossen hat, und anscheinend nicht gewillt ist, einen finanziellen Beitrag dazu zu leisten,
N. in der Erwägung, dass laut UNICEF-Schätzungen jedes Jahr zwischen 600 000 und 800 000 Mädchen, die das schulpflichtige Alter erreicht haben, entweder von ihren Familien davon abgehalten werden, in die Schule zu gehen, oder keine Infrastruktur zur Verfügung steht, welche es den Kindern ermöglichen würde, die Schulen auf dem Lande zu besuchen,
O. in der Erwägung, dass ein gravierender Mangel an genauen Daten über die Lage der Frauen in der Türkei, insbesondere über die Gewalt gegen Frauen, besteht, und die vorhandenen Daten nicht alle Probleme betreffend die Rechte der Frauen erfassen,
P. in der Erwägung, dass der Anteil der Frauen am türkischen Arbeitsmarkt weiterhin schwindet,
Q. in der Erwägung, dass die politische Mitwirkung der Frauen an den Entscheidungsprozessen in der Türkei bedenklich niedrig ist, mit einer Frauenrate von lediglich 4,4% im Parlament und 1% bei den Vertretern kommunaler Parlamente, und dass ihre Mitwirkung in allen wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsgremien vernachlässigbar gering ist,
R. in der Erwägung, dass die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen von entscheidender Bedeutung dafür ist, dass sie in der Lage sind, ihre Rechte auszuüben,
S. in der Erwägung, dass die in der Türkei bestehenden 14 Häuser für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, nicht den Bedarf einer Bevölkerung von fast 70 Mio. Einwohnern decken und dass selbst die bescheidenen Möglichkeiten, die das geltende Gesetz einräumt, nämlich ein Frauenhaus für jede Gemeinde mit mehr als 50 000 Einwohnern, nicht ausreichend genutzt werden,
T. in der Erwägung, dass die Polizei am 6. März 2005 eine Demonstration in Istanbul in Verbindung mit dem Weltfrauentag gewaltsam unterbunden und die weiblichen Demonstranten festgenommen hat,
1. unterstreicht, dass die Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Frau, eine unabdingbare Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist, und fordert die Kommission auf, die Frage der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Frau, an vorderer Stelle auf die Tagesordnung für die Verhandlungen mit der Türkei zu setzen;
2. betont, dass die türkische Regierung ein landesweites gesetzliches Registrierungssystem für Eheschließungen und Geburten sorgfältig führen und, wo erforderlich, einrichten sollte, damit das uneingeschränkte Recht aller Männer und Frauen auf die Staatsbürgerschaft und die Möglichkeit zur uneingeschränkten Nutzung ihrer Menschenrechte gewährleistet werden, z.B. Zugang zur Bildung und Gesundheitsfürsorge;
3. fordert die Kommission auf, in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei darauf hinzuwirken, dass die Registrierung von Neugeborenen unmittelbar erfolgt, so dass jeglicher Missbrauch unterbunden wird, insbesondere dahingehend, das Alter von jungen Mädchen bei türkischen Familiengerichten auf Antrag nachträglich heraufzusetzen, um sie offiziell für volljährig erklären zu lassen und somit eine Strafverfolgung wegen Zwangsverheiratung zu umgehen;
4. zollt der türkischen Regierung und dem türkischen Parlament Anerkennung für die jüngsten Legislativreformen, u.a. im Bereich der Verfassung, des bürgerlichen und des Strafgesetzbuchs und des Arbeitsrechts, bezüglich der Lage der Frauen; bekundet seine Besorgnis angesichts nicht ausreichender Fortschritte bei der Anwendung und Umsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich der Rechte der Frauen und erwartet daher konkrete geschlechterbezogene Maßnahmen, Programme und Projekte für die Umsetzung sowie eine anhaltende Überwachung der Umsetzung der Rechtsvorschriften, z.B. durch Durchführung von Bewertungen der Auswirkungen für die Geschlechter auf regelmäßiger Grundlage;
5. zollt der türkischen Regierung Anerkennung für die jüngsten Gesetzesänderungen, wonach bei so genannten "Ehrenmorden" künftig lebenslange Haftstrafen drohen und Komplizenschaft bei "Ehrenmorden" strafbar ist; befürwortet die Anerkennung der Vergewaltigung in der Ehe als Straftat; fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, diesem Beispiel zu folgen;
6. unterstreicht die Notwendigkeit einer vollständigen und effektiven Umsetzung der neuen Rechtsvorschriften und fordert die türkische Regierung auf, die Generaldirektion für den Status der Frauen mit einem klaren Mandat und ausreichenden finanziellen und personellen Mitteln auszustatten;
7. ersucht die türkische Regierung, die notwendigen Reformen zum Schutz und zur Wahrung der Würde der Minderheiten des Landes einzuleiten und für ihre korrekte Umsetzung zu sorgen, und zwar insbesondere in Bezug auf die kurdischen Gemeinschaften in der südöstlichen Türkei, wo die Situation, was die Frauenrechte betrifft, nach wie vor besorgniserregend ist (Analphabetentum, soziale und berufliche Ausgrenzung, Armut usw.); fordert die türkische Regierung auf, mit den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen in den kurdischen Regionen zusammenzuarbeiten, um gezielte Programme zur Chancengleichheit und für die Rechte der Frauen zu erarbeiten und zu fördern;
8. unterstreicht, dass die türkische Regierung mit Unterstützung der Generaldirektion und in Zusammenarbeit mit Frauen-NRO einen ganzheitlichen Ansatz mit qualitativen und quantitativen Zielen verfolgen muss, um die Rechte der Frauen zu gewährleisten, in dessen Rahmen die Menschenrechte der Frauen als Rechte von Personen respektiert und anerkannt werden, und zwar ungeachtet ihrer traditionellen Rollen als Ehefrauen und Mütter und einschließlich uneingeschränkter politischer Verpflichtungen, und unterstreicht, dass die Regierung ein Gender-Mainstreaming gemäß Artikel 10 der türkischen Verfassung durchführen muss, um eine Sensibilisierung für Frauenfragen zu bewirken und die Rechte der Frauen zu schützen, und einen geschlechtsspezifischen Haushalt auf nationaler und lokaler Ebene schaffen und regelmäßig Projekte betreffend die Rechte der Frauen initiieren und ausbauen muss;
9. würdigt die positive Rolle der Zivilgesellschaft bei der Verwirklichung der jüngsten Legislativreformen, und räumt ein, dass zur Verwirklichung der demokratischen Veränderungen die Unterrichtung und Mobilisierung der gesamten politischen Klasse, der Zivilgesellschaft, der religiösen Gemeinschaften und der Medien notwendig ist;
10. fordert die Kommission sowie die türkische Regierung auf, die Rolle von Frauenrechtsorganisationen als Partner der Regierung anzuerkennen, sie zu unterstützen und mit ausreichenden Mitteln auszustatten und ihre Unabhängigkeit im Einklang mit EU-Praktiken zu gewährleisten;
11. fordert die türkische Regierung auf, einen fruchtbaren Dialog mit der Zivilgesellschaft fortzuführen, dort, wo dies möglich ist, zu kooperieren und diese Zusammenarbeit durch offizielle und stabile Strukturen und Institutionen zu festigen sowie NRO an dem Verhandlungsprozess über den Beitritt zur Europäischen Union zu beteiligen;
12. unterstreicht die Bedeutung einer strukturierten Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern und zwischen türkischen NRO und NRO in der Europäischen Union, z.B. durch Austauschprogramme und Partnerschaften zwischen solchen Organisationen;
13. stellt fest, dass innerhalb der Finanziellen Vorausschau der Europäischen Union für 2007 bis 2013 im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte ausreichende Mittel für NRO in der Türkei bereitgestellt werden müssen;
14. fordert die Kommission auf, im Rahmen der Dritten Säule ihrer Beitrittsstrategie und in Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung Diskussionen in der türkischen Gesellschaft über die Rechte der Frauen in Form von Diskussionen insbesondere über Gewalt, Analphabetismus, das Recht auf Bildung vor allem in ländlichen und benachteiligten Gegenden einzuleiten und zu unterstützen;
15. verurteilt den übertriebenen Einsatz von Gewalt durch Polizeikräfte während Demonstrationen und begrüßt die jüngste Verpflichtung der Regierung, das Rundschreiben des Innenministeriums vom 17. August 2004 über die Verhütung und Ahndung möglicher unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte aufrecht zu erhalten; dringt bei der Regierung auf eine Sensibilisierung für die Rechte der Frau und das Angebot von Ausbildungsmaßnahmen gemäß der Forderung der nachstehenden Ziffer;
16. ist der Auffassung, dass der Schutz der Rechte der Frauen in der Praxis nach wie vor unzureichend ist, insbesondere im Bereich Gewalt gegen Frauen, und fordert die Regierung nachdrücklich auf, verstärkt das Augenmerk auf die Umsetzung der Rechtsvorschriften zu richten, u. a. durch umgehende Schaffung von Zufluchtsorten, Unterstützung von Initiativen der Zivilgesellschaft und Bereitstellung angemessener Mittel aus nationalen und kommunalen Haushalten sowohl für staatliche Zufluchtsorte als auch für Zufluchtsorte der NRO und von obligatorischen Schulungsmaßnahmen für öffentliche Verwaltungsbedienstete, Polizei und Justiz sowie Personal im Gesundheits- und Bildungsbereich zur Sensibilisierung für Geschlechteraspekte und Gewalt;
17. fordert die türkische Regierung auf, das Kommunalgesetz Nr. 5215 betreffend Zufluchtsorte zu ändern, damit alle Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohner dazu verpflichtet werden, Zufluchtsorte zu schaffen, und zu gewährleisten, dass diese Einrichtungen im Einklang mit internationalen Standards gebaut und unterhalten werden, und die NRO, die solche Orte und ähnliche Einrichtungen schaffen, zu unterstützen und ihre Arbeit zu erleichtern;
18. erkennt an, dass die Türkei bereits mit der Umsetzung der Rechtsvorschriften begonnen hat; erkennt Einzelprojekte an, die bereits eingeleitet wurden, und nimmt die positive Rolle zur Kenntnis, die die Kommission im Hinblick auf diese Projekte gespielt hat;
19. fordert die türkische Regierung auf, mehr Kindergärten einzurichten, um die Eingliederung von Frauen in das Berufsleben zu erleichtern;
20. begrüßt als ersten Schritt die jüngste Ankündigung der Regierung, dass noch vor Jahresende 2005 zirka fünf weitere Zufluchtsorte eröffnet werden;
21. fordert die türkische Regierung nachdrücklich auf, eine Beteiligung am Daphne II-Programm über die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen ernsthaft ins Auge zu fassen;
22. verurteilt Fälle von Vielehe, Zwangsehe, Sittenverbrechen, Verbrechen aus Gründen der Ehre und Gewalt gegen Frauen im allgemeinen, einschließlich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, und fordert die türkische Regierung insgesamt sowie jedes Mitglied des Kabinetts und alle Mitglieder des türkischen Parlaments auf, dies ebenfalls zu tun, Mittel und Wege zu suchen, um diese Verbrechen zu verhüten und zu beenden, Sittenverbrechen und Ehrenmorde gleichermaßen schwer zu bestrafen und Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diese Themen durchzuführen und sich daran zu beteiligen sowie Kampagnen von NRO zu diesen Themen finanziell zu unterstützen;
23. fordert die türkische Regierung nachdrücklich auf, Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit von Gewaltopfern und von Zeugen bei Prozessen in Fällen von Gewalt gegen Frauen zu ergreifen;
24. begrüßt die Tatsache, dass unfreiwillige Jungfräulichkeitstests und Genitaluntersuchungen unter Strafe gestellt werden, nimmt die Ausnahme aufgrund gerichtlicher Anordnungen zur Kenntnis, betont jedoch, dass auch im Fall einer solchen Anordnung die Zustimmung der Frauen unabdingbare Voraussetzung sein sollte;
25. fordert die Regierung auf, Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind oder dies zu werden drohen, leicht zugängliche Gesundheitsbetreuung und rechtlichen Beistand und Schutz zu gewähren und Telefon-Notrufnummern für Frauen einzurichten, wo sie Gewaltakte melden und um Unterstützung ersuchen können;
26. beglückwünscht die türkische Regierung zu ihren jüngsten Gesetzesänderungen, wonach bei Ehrenmorden künftig lebenslange Haftstrafen drohen und Komplizenschaft bei Ehrenmorden strafbar ist; befürwortet die Anerkennung der Vergewaltigung in der Ehe als Straftat und fordert die türkische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass die vorgesehenen Strafen tatsächlich angewandt werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, auf ihrem Hoheitsgebiet Ehrenstraftaten zu bekämpfen;
27. ersucht die Kommission, die Durchführung unabhängiger, umfassender Prävalenzstudien zu unterstützen, die es unter anderem ermöglichen, zuverlässige Daten zu übermitteln, insbesondere im Hinblick auf die Analphabetenrate bei den Frauen, Probleme bezüglich der Beteiligung von Frauen am Berufsleben und die Gewalt gegen Frauen, insbesondere die häusliche Gewalt und die Ehrenmorde, um die zuständigen Behörden dabei zu unterstützen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen;
28. fordert die Türkei, die dem CEDAW und dem dazugehörigen Fakultativprotokoll beigetreten ist, nachdrücklich auf, das Zusatzprotokoll Nr. 12 zur Europäischen Menschenrechtskonvention(4), das sich mit der Verhütung von Diskriminierung befasst, zu ratifizieren;
29. regt an, dass die politischen Parteien ihre Parteistrukturen überarbeiten und angemessene Strategien entwerfen sollten, um ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Frauen und Männern in gewählten Versammlungen zu erzielen, auch durch positive Maßnahmen wie Quoten;
30. fordert die politischen Parteien in der Türkei auf, die Rolle der Frauen in der Parteihierarchie über Frauensektionen hinaus zu verstärken und ihnen Führungspositionen in der Organisationsstruktur der Partei einzuräumen, eine Sensibilisierung für die Bedeutung der politischen Beteiligung der Frauen zu bewirken und weibliche Kandidaten für politische Ämter zu gewinnen, auszubilden und zu unterstützen; ist der Auffassung, dass diese Politik durch Zusammenarbeit mit europäischen Parteien in Form eines wirksamen gegenseitigen Erfahrungs- und Meinungsaustausches gefördert werden kann;
31. begrüßt den Vorschlag zur Bildung eines Ausschusses für die Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter mit uneingeschränkten Legislativbefugnissen im türkischen Parlament; fordert nachdrücklich die möglichst rasche Verabschiedung der erforderlichen Gesetze und ersucht diesen Ausschuss, sich regelmäßig mit dem Ausschuss für die Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments auszutauschen;
32. fordert das türkische Parlament auf, auch die Anwesenheit weiblicher Mitglieder des Parlaments in der Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Türkei zu gewährleisten;
33. bekräftigt seine Forderung an die türkischen Regierungsbehörden, ihre Bemühungen zu intensivieren, um das Recht der Frauen auf Bildung zu gewährleisten, und dass Frauen, deren freier Zugang zur Bildung durch Schwierigkeiten auf Grund ihres familiären, sozialen oder kulturellen Hintergrundes behindert wird, über ihre Rechte informiert werden, und schlägt der türkischen Regierung vor, das Recht auf Primär- und Sekundarschuldbildung zu gewährleisten, die finanziellen Hilfsmaßnahmen für Eltern zu verstärken, insbesondere in den ländlichen oder benachteiligten Gebieten, um sie zu veranlassen, ihre Kinder, und angesichts der hohen Analphabetenrate bei Frauen insbesondere die Mädchen, zur Schule gehen zu lassen;
34. fordert die türkische Regierung auf, insbesondere in den ländlichen oder benachteiligten Gebieten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Analphabetentum zu bekämpfen, insbesondere durch Veranstaltung von Informations- und Sensibilisierungskampagnen über die Bedeutung der Bildung und ihres potenziellen Beitrags zur Wirtschaft und zur Gesellschaft, unter besonderer Berücksichtigung der Schulbildung für Mädchen;
35. ist der Auffassung, dass die Förderung eines geschlechtsbewussten Bildungssystems und der obligatorischen Beteiligung von Schülerinnen/Studentinnen, deren Familien zumeist in abgelegenen Regionen leben, das soziale Niveau verbessern und die Sensibilisierung der Gesellschaft für Fragen der Geschlechtergleichstellung in Gang setzen würde; unterstützt daher den Prozess einer geschlechtsbewussteren Bildung, zum Beispiel durch Überarbeitung von Lehrmaterial im Einklang mit Artikel 5 des CEDAW, und fordert die Regierung auf, dafür zu sorgen, dass Mädchen und Jungen in Fragen der Rechte der Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter unterrichtet werden;
36. fordert die Kommission und die türkische Regierung auf, Informationskampagnen (Fernsehen, Rundfunk usw.) über die Bedeutung der Achtung der Rechte der Frauen und ihre positiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und berufliche Leben auszuarbeiten;
37. unterstreicht, dass sich die Türkei uneingeschränkt an den gemeinschaftlichen Besitzstand im Bereich des gleichen Entgelts, der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsleben und auf dem Arbeitsmarkt halten und den Zugang der Frauen zum Arbeitsmarkt und zum lebenslangen Lernen verbessern muss, u.a. durch Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Gewährleistung der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben;
38. fordert die türkische Regierung auf, die Situation der Rechte der Frauen darzulegen, die in Familienunternehmen oder landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten oder illegal beschäftigt sind;
39. fordert die türkische Regierung auf, den Austausch zwischen jungen Europäern und jungen Türken beiderlei Geschlechts in Schulen, Vereinigungen oder sonstigen Organisationen zu fördern;
40. fordert die Kommission und die türkische Regierung auf, weiterhin Arbeits- und Beschäftigungsprojekte für Frauen einschließlich Projekten, die von NRO initiiert wurden, einzuführen und zu unterstützen; fordert die türkische Regierung auf, nationale Aktionspläne für Frauen und Beschäftigung nach dem Vorbild der in den Mitgliedstaaten angewandten Politiken durchzuführen;
41. fordert die Gewerkschaften und andere Sozialpartner in der Europäischen Union und in der Türkei auf, bei der Förderung der Frauenbeschäftigung und von Frauen in Führungspositionen in verschiedenen Sektoren des Arbeitsmarktes in der Türkei zusammenzuarbeiten;
42. bekräftigt seine Absicht, die Situation der Frauen in der Türkei aufmerksam zu verfolgen, darüber jährlich durch seinen Ausschuss für die Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter Bericht zu erstatten, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, dies ebenfalls zu tun;
43. ersucht die Kommission, bei der Vorlage ihres ersten Berichts an den Europäischen Rat im Dezember 2005 zum Tempo der Reformen, der auch entscheidend für den Fortgang der Verhandlungen sein wird, systematisch und umfassend die Fortschritte einzubeziehen, die bis dahin in Bezug auf die Änderung und Anwendung der Rechtsvorschriften zur Förderung der Frauenrechte erzielt worden sind;
44. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär des Europarates sowie der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln.