Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Europäischen Union und dem Irak - Rahmenkonzept für ein zunehmendes Engagement (2004/2168(INI))
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament "Die Europäische Union und Irak - Rahmenkonzept für ein zunehmendes Engagement" (KOM(2004)0417),
– in Kenntnis des gemeinsamen Schreibens des Rates der Europäischen Union und der Kommission zum Thema "Irak – eine mittelfristige Strategie der EU", D(2004)10111, vom 9. Juni 2004,
– in Kenntnis des Dokuments der Kommission zum Thema "Irak-Hilfsprogramm 2005", PE/2005/401,
– in Kenntnis des Vermerks des Rates der Europäischen Union betreffend die integrierte Mission der Europäischen Union zur Stützung der Rechtsstaatlichkeit im Irak, 6405/3/05 - REV 3, vom 21. Februar 2005,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates auf seinen Tagungen von Brüssel (17. Februar 2003) und Thessaloniki (19. und 20. Juni 2003) sowie der Erklärung des griechischen Vorsitzes (Athen, 16. April 2003),
– in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates "Außenbeziehungen" vom 25. April 2005,
– unter Hinweis auf die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1483(2003), 1500(2003), 1511(2003) und 1546(2004),
– unter Hinweis auf seine vorhergehenden Entschließungen vom 16. Mai 2002 zu der Lage im Irak elf Jahre nach dem Golfkrieg(1), vom 30. Januar 2003(2) und 16. September 2004(3) zur Lage im Irak, seine Empfehlung an den Rat vom 24. September 2003 zur Lage im Irak(4) und den Beschluss 2004/155/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2003 über die Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments gemäß Nummer 24 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 6. Mai 1999 für die Rehabilitation und den Wiederaufbau von Irak(5),
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und der Stellungnahmen des Entwicklungsausschusses und des Ausschusses für internationalen Handel (A6-0198/2005),
A. in der Erwägung, das der Ausbruch des Kriegs im Irak bedauerlicherweise an die Stelle einer politischen Lösung trat, durch die der politische Wandel und die Demokratisierung in diesem Land unterstützt werden sollte,
B. in der Erwägung, dass der Konflikt zu einer tief gespaltenen internationalen Gemeinschaft geführt hat,
C. in der Erwägung, dass der Krieg im Irak, seine verschiedenen Aspekte und seine Folgen weiterhin ein sensibles Thema für die öffentliche Meinung und die Regierungen in Europa und den Vereinigten Staaten sind,
D. in der Erwägung, dass die Annahme eindeutigerer Regelungen zur Einschränkung der Anwendung von Gewalt in internationalen Beziehunge, zur Terrorismusbekämpfung und zum Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eine Angelegenheit von grundlegendem Interesse für die Völkergemeinschaft ist,
E. in der Erwägung, dass sich das Parlament einig ist, was seinen Wunsch nach einer raschen und umfassenden Lösung der vielen Probleme, die es heute immer noch im Irak gibt, betrifft,
F. in der Erwägung, dass die langanhaltende Diktatur mit der Unterdrückung der Bevölkerung, die internationalen Sanktionen und der Krieg zu einem Kollaps der gesellschaftlichen und politischen Strukturen im Irak geführt haben, was Anarchie und Unsicherheit Tür und Tor geöffnet hat,
G. unter Hinweis darauf, dass der zunehmende Mangel an Sicherheit, Terrorakte, Entführungen von Zivilisten, einschließlich Journalisten, und Menschenrechtsverletzungen in den letzten Monaten an der Tagesordnung waren und das tägliche Leben der normalen irakischen Bürger stark beeinträchtigt wird,
H. unter Hinweis darauf, dass die Europäische Union keine Wahlbeobachter zu den Wahlen vom Januar 2005 entsandt hat, die die Ereignisse vor Ort in Augenschein hätten nehmen können, obwohl sie eine bedeutende Rolle bei der Unterstützung und Finanzierung ihrer Vorbereitung gespielt hatte,
I. in der Überzeugung, dass der Prozess des Wiederaufbaus nicht als lediglich mechanischer Vorgang betrachtet werden sollte, der darauf beschränkt ist, Infrastrukturen wieder aufzubauen, sondern vielmehr als das Ergebnis einer allumfassenden politischen Strategie, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umwandlungen auf der Grundlage der vollständigen Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Minderheitenrechte mit sich bringt,
J. in der Überzeugung, dass zu den Parametern, die bei der Wiederaufbaustrategie berücksichtigt werden sollten, externe und internationale Gesichtspunkte, heimische Elemente und nichtstaatliche Beiträge zählen,
K. unter Hinweis darauf, dass die Gesellschaft und das soziale Leben des Irak durch die Diktatur Saddam Husseins, die Verletzung der Menschenrechte, die Unterdrückung des irakischen Volkes und den Krieg vollkommen zerrüttet wurden und deshalb dringend einer Neugestaltung in allen Dimensionen und durch eine Strategie der Prioritätensetzung zusammen mit den irakischen Behörden mit Unterstützung der Vereinten Nationen und der Völkergemeinschaft bedürfen,
L. in der Erwägung der großen Beteiligung der Iraker an den ersten demokratischen Wahlen in Irak, der Bildung einer demokratischen irakischen Regierung, der Wahl eines Präsidenten und des Beginns der Arbeit an einer neuen Verfassung,
M. in Kenntnis des EU-Hilfsprogramms 2005, in dem Mittelzuweisungen von insgesamt 200 Mio. EUR veranschlagt sind und von einem Bedarf ausgegangen wird, der seinen Ausdruck in der nationalen Entwicklungsstrategie (2005-2007) findet, die von der irakischen Interimsregierung entwickelt wurde,
N. in der Erwägung, dass die Europäische Union mit der UNO, der eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau des Landes zukommt, und mit anderen internationalen Organisationen eng zusammenarbeiten muss,
O. in der Erwägung, dass die Europäische Union Mitgastgeber einer Internationalen Konferenz zum Irak am 22. Juni 2005 in Brüssel war,
1. weist auf die Notwendigkeit hin, sich von den Ereignissen der Vergangenheit zu lösen und in die Zukunft zu blicken; ist sehr betrübt über den Tod von schätzungsweise Tausenden Zivilisten und ausländischen Soldaten, die seit Beginn der Invasion ums Leben gekommen sind, und die ständig ansteigenden monatlichen Zahlen an Toten; ist zutiefst besorgt über die Verschlechterung der Sicherheitslage im Irak, seit am 1. Mai 2003 das Ende der Kampfhandlungen verkündet wurde; bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg gewonnenen Erfahrungen in Zukunft weltweit zu einem in stärkerem Maße multilateralen, demokratischen und ergebnisorientierten Konfliktmanagement führen werden;
2. erinnert an die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2003; erinnert an die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1483(2003); weist ferner auf die Resolution 1546(2004) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hin, die Ausdruck eines neuen Geistes der Zusammenarbeit innerhalb der internationalen Gemeinschaft ist und die die Grundlage für eine effektive internationale Unterstützung des politischen Wandels im Irak, für die Wiederbelebung seiner politischen Autorität und Souveränität sowie für die Wiederversöhnung des irakischen Volkes unter der Führung der Vereinten Nationen und mit einem klaren Zeitplan bildet;
3. ist der Überzeugung, dass der Fall des Regimes von Saddam Hussein dem irakischen Volk den Weg in eine friedliche, sichere und demokratische Zukunft eröffnen sollte, der ihm durch die repressive Politik dieses Regimes seit Jahrzehnten verwehrt wurde; betont, dass die Sicherheit und Stabilität im Irak und in den Nachbarländern die dringendste Aufgabe ist, der die internationale Gesellschaft gegenübersteht, da dies die alles entscheidenden Voraussetzungen für die Herausbildung eines lebendigen und freiwillig entwickelten Gemeinsinns unter den irakischen Bürgern sind; bringt seine Besorgnis über die derzeitige unsichere Situation zum Ausdruck, die sich sowohl aus der zunehmenden Zahl an terroristischen Handlungen als auch aus anderen Akten gegen die ausländischen Truppen ergibt; stellt fest, dass die internationale Staatengemeinschaft moralisch und politisch verpflichtet ist, darauf zu antworten;
4. betont, dass es, wie von den Teilnehmenr an der Internationalen Irak-Konferenz vom 22. Juni 2005 in Brüssel festgestellt wurde, von äußerster Wichtigkeit ist, eine politische Lösung mit dem Ziel zu finden, einen landesweiten Konsens zu erreichen, um die derzeitige Situation anhaltender Unsicherheit zu beenden und die durch die Resolution 1564 des UN-Sicherheitsrates gebilligten Beiträge zur Unterstützung des politischen Prozesses umzusetzen;
5. erinnert in diesem Zusammenhang daran, wie wichtig es ist, gegen die Straflosigkeit vorzugehen, die nationale Wiederversöhnung zu fördern und alle Personen, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen im Land schuldig gemacht haben, vor Gericht zu stellen; verurteilt die Verletzung der Rechte der Häftlinge im Gefängnis von Abu Ghraib sowie die Verstöße gegen die einschlägigen Genfer Konventionen;
6. ist zutiefst besorgt über die Berichte über die große Zahl an irakischen und ausländischen Bürgern im Irak, die entführt wurden oder verschwunden sind; fordert, dass diese Fälle von verschwundenen Personen, wie etwa der Fall von Abdul Jafar Al-Kubaysi, einem ehemaligen politischen Flüchtling in Frankreich, rückhaltlos aufgeklärt werden, und fordert die unverzügliche Freilassung dieser Personen;
Die Wahlen vom Januar 2005 zu einer Übergangsnationalversammlung
7. bekräftigt seine Überzeugung, dass die Wahlen zur Übergangsnationalversammlung ein notwendiger erster Schritt zu einem sanften politischen Wandel im Land waren, und dass sie dazu geführt haben, dass die Wähler fühlten, dass ihre politische Zukunft in ihren eigenen Händen liegt; wenngleich Wahlen allein nicht automatisch zur Demokratie führen; Demokratie bedeutet, dem Willen des Volkes Rechnung zu tragen und das durch eine vom Volk gewählte repräsentative Regierung;
8. begrüßt die Tatsache, dass die ersten Wahlen trotz der schwierigen Umstände wegen des Klimas der Unsicherheit und der Gewalt in zahlreichen Teilen des Landes am festgelegten Tag stattfanden, und dass die allgemeine Wahlbeteiligung ein großer Erfolg war, der den Willen und die Überzeugung des irakischen Volkes zum Ausdruck brachte, seine eigene unabhängige Zukunft mit demokratischen Mitteln zu bestimmen; betont, dass die Sicherheit eine Grundvoraussetzung für den Aufbau eines demokratischen Prozesses darstellt; stellt fest, dass ein großer Teil der sunnitischen Minderheit nicht an den Wahlen teilgenommen hat und dass Mitglieder anderer Minderheiten wie Assyrer und Turkmenen, an der Stimmabgabe gehindert wurden; fordert die irakischen Stellen auf, die Teilnahme dieser Minderheiten an den bevorstehenden Wahlen zu gewährleisten; fordert ferner, dass in der neuen Verfassung die ethnischen, nationalen, religiösen und Eigentumsrechte der Assyrer sowie ihr Recht, im neuen Irak eine integrale Rolle zu spielen, anerkannt werden;
9. erkennt das Ergebnis der Wahlen, wie es offiziell bekannt gegeben wurde, an und erinnert daran, dass dies in keiner Weise als ein Endpunkt betrachtet werden darf; fordert, das irakische Parlament und die neue Regierung auf, einen offenen und konstruktiven Ansatz mit dem Ziel, alle Teile der irakischen Gesellschaft zusammenzuführen, zu verfolgen, um ein gemeinsames politisches Projekt für das Land in Angriff zu nehmen, damit ein Zustand, der als Trennung des institutionellen Aufbaus nach ethnischer Zugehörigkeit gesehen werden kann, überwunden wird; begrüßt die Einladung an einige sunnitische Minister, Mitglieder der neuen legitimen Regierung zu werden, und ihre Bestätigung durch das Parlament; begrüßt, dass 31 % der zur Übergangsnationalversammlung Gewählten Frauen sind; nimmt zur Kenntnis, dass das neue irakische Parlament seinen Präsidenten gewählt hat, und gibt seiner tief empfundenen Hoffnung Ausdruck, dass es von nun an in der Lage sein wird, regelmäßig zusammenzutreten; vertritt die Ansicht, dass die erste Aufgabe des neuen Parlaments und der Regierung sein muss, die Demokratie und den Rechtsstaat, insbesondere durch die Vorbereitung einer neuen Verfassung zu stärken;
10. begrüßt die Einrichtung der irakischen Interimsregierung und das Engagement des Ministerpräsidenten, eine umfassende Beteiligung von sunnitischen Ministern zu gewährleisten;
11. fordert, dass die Nachbarländer von jeglicher Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Irak absehen und die Unabhängigkeit, Souveränität, territoriale Integrität und den Willen des irakischen Volkes anerkennen, mit ihren eigenen Mitteln das konstitutionelle und politische System des Landes aufzubauen;
12. betont, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass die internationale Gemeinschaft die politischen Veränderungen begleitet und die irakischen staatlichen Stellen dabei unterstützt, das anstehende Referendum über eine Verfassung und die allgemeinen, für den 15. Dezember 2005 geplanten Wahlen vorzubereiten; fordert die Europäische Union auf, sich rückhaltlos für diese Ereignisse zu engagieren, indem sie mit Zustimmung der irakischen staatlichen Stellen eine glaubwürdige Anzahl von EU-Beobachtern entsendet, um die Ereignisse vor Ort in Augenschein zu nehmen, und zwar im Rahmen einer eigenständigen EU-Wahlbeobachtungsmission, zu der eine Delegation von Beobachtern aus dem Europäischen Parlament stoßen würde, und der ein beträchtlicher finanzieller Einsatz für die entsprechende Wahlunterstützung vorausgehen müsste;
13. betont die Verantwortung der Europäischen Union für die Förderung und Unterstützung der Tätigkeit der demokratischen Organisationen der irakischen Zivilgesellschaft als wesentlicher Bestandteil der Entwicklung eines neuen demokratischen Irak; ersucht die Kommission, künftig Programme für demokratische Organisationen der irakischen Zivilgesellschaft zur Förderung des Rechtsstaats und der grundlegenden Menschenrechte der irakischen Bevölkerung zu unterstützen;
Die Wiederherstellung der Sicherheit und der Weg zum Wiederaufbau
14. betont, dass die Schaffung eines zufriedenstellenden und verlässlichen soziopolitischen Klimas abhängig ist von der Erfüllung der folgenden Voraussetzungen:
a)
Anerkennung der internationalen Legalität und Einhaltung der entsprechenden internationalen Menschenrechtsübereinkommen, um so Menschenrechtsverletzungen zu beenden,
b)
Unterstützung und Zusammenarbeit mit den irakischen Stellen auf der Grundlage eines UN-Mandats,
c)
Gewinnung des irakischen Volkes für die Übernahme der Aufgabe des Wiederaufbaus ihres eigenen souveränen, vereinigten und unabhängigen Staates,
d)
Verurteilung aller Formen des Terrorismus und von Gewaltakten sowohl gegen die irakische Zivilbevölkerung als auch gegen die multinationalen Streitkräfte im Irak;
e)
Unterstützung der aktiven Schritte der Europäische Union zusammen mit den irakischen Behörden im Kampf gegen Terrorismus;
15. unterstreicht, dass in einem Land, das seit mehr als zwei Jahrzehnten fast ununterbrochen durch Kriege verwüstet und durch Sanktionen geschwächt wurde, im Hinblick auf die Wiederherstellung der Stabilität unbedingt sichergestellt werden muss, dass alle Iraker Zugang zu den Schlüsseldienstleistungen, wie der primären Gesundheitsversorgung und Primarausbildung, sauberem Trinkwasser und geeigneter Abwasserbeseitigung haben; ersucht die EU dringend, ihr beachtliches Know-how und ihre Ressourcen auf die Zusammenarbeit mit den irakischen Behörden und der internationalen Gemeinschaft von Gebern auszurichten, um so sicherzustellen, dass der Bereitstellung dieser Grunddienstleistungen Vorrang gegeben wird;
16. fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, diese Initiative als Gelegenheit zu nutzen, um sich für eine neue Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zum Irak einzusetzen, um die Lage zu bewerten, den Stabilisierungsprozess voranzubringen und
a)
Garantien für ein stärkeres Engagement und eine Führungsrolle der Vereinten Nationen zu verabschieden,
b)
eine Prüfung und einen Beschluss herbeizuführen, bezüglich der Ersetzung ausländischer Truppen im Irak durch eine UN-Friedenstruppe, insbesondere, da alle Parteien, die bei der Wahl angetreten sind, einen Abzug der ausländischen Truppen gefordert haben und da einige der am Krieg beteiligten Länder jetzt ihre Truppen abgezogen haben beziehungsweise beschlossen haben, diese abzuziehen, auf der Grundlage, dass jeder Beschluss über den Abzug ausländischer Truppen zunehmend eingebunden werden muss in einen klaren Zeitplan,
c)
die Prüfung der Beteiligung von nicht am Krieg beteiligten Ländern an der Ausbildung irakischer bewaffneter Kräfte und Polizei zu ermöglichen;
17. erinnert daran, dass die größte Herausforderung für den Wiederaufbau weiterhin an der institutionellen und sozialen Front gemeistert werden muss, indem die Rechtsstaatlichkeit durch die Schaffung und die Stärkung wirksamer demokratischer Institutionen konsolidiert wird, die Quellen von Spannung unter den verschiedenen Teilen der Gesellschaft trocken gelegt und die Perspektive der Gleichstellung der Geschlechter in alle Projekte mit einbezogen wird, die Zivilgesellschaft durch Unterstützung nichtstaatlicher Organisationen gestärkt wird sowie die Medienfreiheit und die tatsächliche Achtung der universellen Menschenrechte, insbesondere der Minderheitenrechte, gewährleistet wird;
18. begrüßt die irakische Entscheidung, dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) beizutreten, fordert aber die irakischen Behörden erneut auf, die Todesstrafe abzuschaffen, für angemessene Haftbedingungen zu sorgen und ein leistungsfähiges Justizwesen einzurichten, um die Straflosigkeit zu bekämpfen, indem Straftäter verfolgt werden; weist darauf hin, dass diese Maßnahmen durch eine kohärente Politik in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur begleitet werden sollten und dass diese Maßnahmen kurz- und mittelfristig durch einen Nothilfeplan ergänzt werden müssen, da weite Teile der irakischen Bevölkerung drastisch verarmt und internationale Unterstützungsmaßnahmen daher notwendig sind;
19. vertritt die Ansicht, dass eine unabhängige Expertenkommission der Vereinten Nationen einberufen werden sollte, der bedeutende irakische und andere internationale Juristen angehören sollten, deren Aufgabe die Ausarbeitung von Vorschlägen für ein umfassendes Programm zur Gewährleistung der Gerechtigkeit im Irak bezogen auf die Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten in der Vergangenheit sowie umfassende Verbrechen sein sollte; unterstreicht in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, die Führer des ehemaligen Regimes mit dem Recht auf ein gerechtes und objektives Verfahren in Übereinstimmung mit universellen Normen, wozu auch die Abschaffung der Todesstrafe gehört, vor Gericht zu stellen;
20. betont, dass Frauen im Irak weiterhin durch die Rechtsvorschriften und die Rechtspraxis in verschiedener Weise diskriminiert werden; fordert die irakischen Behörden insbesondere dringend auf, Ehrenmorde aus der Welt zu schaffen und sicherzustellen, dass diese Verbrechen genauso verfolgt und bestraft werden, wie andere Morde; fordert die irakischen Behörden in diesem Zusammenhang auf, alle Rechtsvorschriften zu ändern, die Frauen diskriminieren, einschließlich Strafgesetzbuch und Personenstandsrecht, und alle Vorbehalte in Bezug auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) zurückzunehmen; vertritt die Auffassung, dass spezifische Maßnahmen getroffen werden sollten, um die Gleichstellung von Frauen zu fördern und ihren gleichberechtigten Zugang zu den wirtschaftlichen und sozialen Rechten, einschließlich dem Recht auf Bildung, Beschäftigung und dem Zugang zu Gesundheitsdiensten sowie der Freizügigkeit und der Teilnahme am politischen Leben sicherzustellen;
21. fordert dringend die Achtung und den Schutz der Grundrechte der größten Gruppe von Binnenvertriebenen im Irak, der sogenannten "Sumpfaraber", deren Behandlung durch das Regime von Saddam Hussein besonders brutal und tragisch war; fordert nachdrücklich, dass eine langfristige Lösung für das Problem der Binnenvertriebenen im südlichen Irak gesucht wird, die auch beinhalten muss, dass die "Sumpfaraber" auf das Land und zu den Gewässern zurückkehren dürfen, die sie über 5 000 Jahre lang bewirtschaftet und befischt haben; unterstützt in diesem Zusammenhang die Entwicklung von Menschenrechtspolitiken im neuen Irak, deren Grundlage die Rückerstattung von durch das vorige Regime illegal entwendetem Eigentum bildet;
22. betont die Notwendigkeit des Schutzes des archäologischen Erbes des Irak, wie der antiken Stadt Babylon und fordert den Rat und die Kommission auf, die UNESCO im Rahmen der Bemühungen zum Wiederaufbau des Landes bei der Finanzierung von Sanierungsprojekten zu unterstützen;
23. begrüßt die gemeinsame GASP-Aktion betreffend die integrierte Mission der Europäischen Union zur Stützung der Rechtsstaatlichkeit im Irak und tritt für weitere aus dem Gemeinschaftshaushalt finanzierte Aktionen sowie die Einbeziehung der verschiedenen EU-Organe in ihre Umsetzung;
24. unterstreicht die Notwendigkeit, die transatlantische Partnerschaft durch Lasten- und Aufgabenteilung innerhalb des Rahmens eines effektiven Multilateralismus auch unter Einschluss muslimischer und benachbarter Länder zu stärken; fordert in diesem Zusammenhang die Einsetzung einer Friedensmission unter UN-Führung;
25. weist auf die Notwendigkeit hin, die Nachbarn des Irak am Wiederaufbauprozess zu beteiligen; vertritt die Ansicht, dass eine institutionalisierte Zusammenarbeit ein nützliches Forum für Diskussionen und zur Koordination gemeinsamer Belange, wie Sicherheit an den Grenzen, Terrorismus, Waffen- und Drogenhandel und organisiertes Verbrechen darstellt; ist davon überzeugt, dass ferner mit einem solchen Forum schrittweise ein Mechanismus für die Vertrauensbildung und die sicherheitspolitische Zusammenarbeit in der Region entwickelt werden könnte;
26. anerkennt und fördert die Erfahrungen der Wirtschaftspartner aus den gegenwärtigen EU-Mitgliedstaaten, die vor dem Krieg wirksam als Investoren und Dienstleistungsanbieter im Irak aufgetreten sind;
Die Europäische Union und das Europäische Parlament, Besonderheiten und Aktion
27. sieht die EU-Politik gegenüber dem Irak in dem breiteren Kontext der strategischen Partnerschaft der Europäischen Union für den Mittelmeerraum und den Nahen Osten und drückt seinen Wunsch aus, dass die Europäische Union mittelfristig eine umfassende Regionalstrategie für die nicht-Mittelmeerländer des Nahen Osten entwickelt;
28. stellt fest, dass die Europäische Union die regionale Zusammenarbeit fördern und den Irak auffordern muss, sich an der Strategischen Partnerschaft der Europäischen Union mit dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten zu beteiligen; betont, dass die allmähliche Einrichtung einer regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit einen ersten wertvollen Schritt zum Abbau von Spannungen darstellen und eine schrittweise Entwicklung der Zusammenarbeit in den Bereichen Politik und Sicherheit ermöglichen wird;
29. unterstreicht die wichtige Rolle, die die Nachbarländer des Irak im Friedensprozess und bei der Erhaltung der Einheit in diesem Land sowie bei der Förderung des demokratischen Prozesses spielen können; fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, die Nachbarländer des Irak im Rahmen ihrer Außenbeziehungen zu ermuntern, diese Aufgaben erfolgreich wahrzunehmen, und ihre Bemühungen in dieser Hinsicht zu unterstützen;
30. weist darauf hin, dass die Hilfs- und Wiederaufbaupolitik der Europäischen Union die Fehler der Vergangenheit wiedergutmachen sollte, und ein besseres Verständnis für die gesellschaftlichen Strömungen und Realitäten im Irak mit Hilfe der Zivilgesellschaft und von Nichtregierungsorganisationen zu entwickeln; weist darauf hin, dass in Anbetracht der Vielfalt des Landes die künftigen politischen Institutionen des Irak Ausdruck des Willens des irakischen Volkes sein, die Einheit des Landes erhalten und die Schaffung einer geografisch dezentralisierten Regierung sowie eines partizipatorischen politischen Systems sowie einer föderativen staatlichen Struktur fördern sollten, die eine störungsfreie Beteiligung aller gesellschaftlichen und ethnischen Bevölkerungsteile sicherstellen und gewährleisten, dass Frauen repräsentiert sind und eine aktive und wirkliche Rolle im politischen Prozess und beim Wiederaufbau spielen, ohne in irgend einer Weise diskriminiert zu werden;
31. befürwortet das Entstehen einer sozialmarktwirtschaftlichen Ordnung, die kleinen und mittleren Unternehmen die notwendigen Entfaltungsmöglichkeiten bietet; ist der Auffassung, dass die EU-Hilfe bei der Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso wichtig ist;
32. unterstützt die Eröffnung von Verhandlungen über den WTO-Beitritt als einen entscheidenden Schritt zu einer Wiedereingliederung des Irak in die Weltwirtschaft; betrachtet es jedoch als erforderlich, im Irak geeignete und legitimierte Institutionen zu schaffen, die ihre Vertreter in die Lage versetzen, die Beitrittsbedingungen auszuhandeln, und befürwortet die kontinuierliche Unterstützung der Europäischen Union, mit dem Ziel den Beitritt des Irak zu Übereinkommen und Verträgen und dessen aktive Teilnahme in internationalen Organisationen zu fördern, dazu gehören z.B. UNCTAD, UNDP, UNEP, IAO, das Kyoto-Protokoll und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt;
33. unterstreicht, dass ein substantieller Beitrag der Europäischen Union zum Wiederaufbau des Irak sich unter keinen Umständen nachteilig auf die Unterstützung anderer Länder oder Regionen auswirken darf; betont, dass die Kommission vollständige, regelmäßige und transparente Informationen über die aktuelle Auszahlung und Umsetzung der EU-Hilfe bekannt geben soll, einschließlich der Mittel, die indirekt über andere Organisationen wie dem Internationalen Wiederaufbaufonds für den Irak bereitgestellt werden;
34. ist überrascht darüber, dass trotz seiner Entschließung vom 16. September 2004 zur Lage im Irak(6) die für den Wiederaufbau bereitgestellten Mittel zum Teil vom World Bank Trust und nicht in ihrer Gesamtheit von den Vereinten Nationen verwaltet werden; ist besorgt darüber, dass der World Bank Trust bisher nur einen geringen Teil der ihm zur Verfügung stehenden Mittel auch tatsächlich eingesetzt hat; fordert, dass im Haushaltsplan 2006 der Union die Fähigkeit des Irak, Mittel aufzunehmen, berücksichtigt wird, und empfiehlt in Anbetracht der im Irak herrschenden massiven Korruption eine unabhängige Rechnungsprüfung in Bezug auf die Verwendung dieser Mittel;
35. begrüßt, dass die Kommission die Betonung auf den Schuldenerlass legt und die konzertierte Strategie unterstützt, die zu der im November 2004 vom Pariser Klub erlangten Einigung führte, dem Irak in drei Stufen einen Schuldenerlass von 80% zu gewähren;
36. nimmt zur Kenntnis, dass die Europäische Union und der Irak angesichts der Größe des Landes und der historischen sowie geographischen Verbindungen gemeinsame Märkte für Waren und Dienstleistungen haben, und unterstützt daher die Anstrengungen die ausgerichtet sind auf eine Verbesserung der Konvergenz der Rechtsvorschriften im Wirtschaftsbereich und den Eintritt in einen politischen und wirtschaftlichen Dialog, der vom beiderseitigen Interesse an einer umfassenden Partnerschaft geprägt ist;
37. befürwortet die kontinuierliche Unterstützung seitens der Europäischen Union zum Aufbau von Kapazitäten in irakischen Verwaltungs- und Wirtschaftseinrichtungen, insbesondere die Wiederherstellung des institutionellen Rahmens, vor allem hinsichtlich der Einrichtung einer unabhängigen Zentralbank, einer stabilen Währung sowie einer Steuer- und Haushaltsbehörde, der ungehinderten Entwicklung der Finanzmärkte und des privaten Sektors zur Unterstützung marktwirtschaftlicher Reformen und ausländischer Direktinvestitionen;
38. nimmt zur Kenntnis, dass dem Irak das Allgemeine Präferenzsystem (APS) der Europäischen Union zugute kommt, und befürwortet eine spezifische Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene, damit das Allgemeine Präferenzsystem im Rahmen der Handelspräferenzen effizient auf den Irak angewendet werden kann, sobald es die Umstände erlauben;
39. unterstreicht, dass eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Wiederaufbau und die Entwicklung der irakischen Wirtschaft für die Iraker darin besteht, die volle Autorität und Kontrolle über die natürlichen Ressourcen des Landes auszuüben und die Erlöse aus dem Erdölverkauf so einzusetzen, dass sie wieder im Irak investiert werden;
40. betont, dass gleiche Voraussetzungen für Investitionen und eine Konvergenz der Rechtsvorschriften im Energiesektor sowohl für die Europäische Union als auch für den Irak von größtem Interesse sind, da der Irak in der Lage ist, einen beträchtlichen Beitrag zur Sicherheit der Energieversorgung in der Europäischen Union zu leisten, und eine erhöhte irakische Öl- und Erdgasproduktion potenziell von beiderseitigem Nutzen sein kann.
41. weist darauf hin, dass es von äußerster Bedeutung ist, dass die europäischen Steuerzahler genauestens über die von der Europäischen Union im Irak verausgabten Beträge und durchgeführten Projekte informiert werden; fordert die Kommission daher auf, eine Informationsstrategie in den europäischen Medien zu verfolgen und auf dem Portal der Europäischen Kommission "EuropeAid Co-operation" eine Internetseite einzurichten, um entsprechende Informationen über ihre Maßnahmen zugunsten der Entwicklung im Irak zu veröffentlichen und die Transparenz zu erhöhen;
42. fordert, dass alle humanitären und Wiederaufbauprojekte mit sorgfältiger Planung, Transparenz, Kohärenz und mit einer verbesserten Koordinierung und Kooperation mit internationalen Gebern durchgeführt werden und die erforderliche Sicherheit für die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gewährleistet ist;
43. betont, dass der Wiederaufbauprozess neutral durchgeführt werden muss, indem die Wiederaufbauprojekte der Kontrolle der irakischen Interimsbehörden und souveränen Staatsorgane unterstellt werden;
44. unterstreicht die Notwendigkeit, sich insbesondere auf die schwächsten Bevölkerungsteile zu konzentrieren, d.h. Kinder, ältere Menschen und Behinderte, um die medizinische Betreuung und den sozialen Schutz bestmöglich zu gewährleisten;
45. fordert die Geberländer auf, in den Bereichen medizinische Fürsorge und soziale wie finanzielle Unterstützung besondere Projekte für die gesellschaftliche Wiedereingliederung der Opfer von Landminen und Streubomben und deren Familien zu entwickeln und eine effiziente Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagne über die Minengefahr für die Bevölkerung, insbesondere für Kinder und Frauen, zu organisieren und aktiv Minenräumungen durchzuführen und vom Einsatz von Antipersonenminen abzusehen;
46. ist der Auffassung, dass das Verfahren der Ausarbeitung der Verfassung von entscheidender Bedeutung für das Land und für den weiteren Institutionenaufbau ist; betont, dass die Rechte der Frauen unbedingt in der neuen irakischen Verfassung verankert werden müssen, und fordert in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Union dies bei jeder Gelegenheit auf das Nachdrücklichste unterstützt; bietet sein Fachwissen und seine Unterstützung im Hinblick auf die Formulierung der irakischen Verfassung an; schlägt die Reaktivierung der parlamentarischen Dimension des neuen Irak durch Förderung eines Dialogs zwischen dem irakischen Parlament, dem Europäischen Parlament, den Parlamenten der Nachbarstaaten und dem US-Kongress innerhalb des Rahmens eines erweiterten transatlantischen legislativen Dialogs vor;
47. fordert die sofortige Einsetzung einer parlamentarischen Ad-hoc-Delegation für die Beziehungen zum irakischen Interimsparlament, die mittelfristig in eine ständige parlamentarische Delegation für die Beziehungen zum Irak umgewandelt wird;
48. fordert die Kommission auf, dem Beispiel des Rates zu folgen und eine ständige Vertretung im Irak - unter der Voraussetzung der notwendigen Bewertung der Sicherheitslage für das Personal - einzurichten;
o o o
49. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung den Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Rat, der Kommission, der irakischen Übergangsnationalversammlung, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Regierungen der am Barcelona-Prozess beteiligten Länder, den Regierungen des Iran und der Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrats sowie der Regierung und dem Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika zu übermitteln.