Entschließung des Europäischen Parlaments zur politischen Lage und zur Unabhängigkeit der Medien in Belarus
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Belarus,
– unter besonderem Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 2005 zu Belarus(1),
– unter Hinweis auf die Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Lage in Belarus, insbesondere deren Entschließung vom 28. April 2004 zur Verfolgung der Presse in der Republik Belarus,
– unter Hinweis auf die Resolution der UN-Menschenrechtskommission vom 14. April 2005 zur Menschenrechtssituation in Belarus,
– unter Hinweis auf den Bericht des OSZE-Vertreters vom März 2005 über die Freiheit der Medien in Belarus,
– unter besonderem Hinweis auf den von der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu Belarus am 23. Februar 2005 verabschiedeten EU-Aktionsplan für die Förderung der Demokratie in Belarus,
– unter Hinweis darauf, dass der Journalistenverband von Belarus im Dezember 2004 mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet wurde,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. Mai 2004 zur Europäischen Nachbarschaftspolitik (KOM(2004)0373),
– unter Hinweis auf die am 2. Juli 2004 gegen offizielle Vertreter von Belarus verhängten EU-Sanktionen als Reaktion auf das Verschwinden von drei belarussischen Oppositionsführern und einem Journalisten,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Situation in Belarus keineswegs verbessert, sondern weiter verschlechtert und einen Punkt erreicht hat, an dem die grundlegenden Menschenrechte mit Füßen getreten werden, das Repräsentantenhaus über keinerlei Gesetzgebungsbefugnisse verfügt und das Wirtschaftsleben vom Präsidenten kontrolliert wird; in der Erwägung, dass diese Verstöße die Inhaftierung und andere Formen von Repressalien gegen die Mitglieder der demokratischen Opposition umfassen,
B. in der Erwägung, dass die Europäische Union bereits mehrfach die Verhaftung wichtiger Oppositionsführer durch die Regierung Lukaschenko angeprangert hat und dass keine Fortschritte bezüglich der ungeklärten Fälle mehrer verschwundener Personen zu verzeichnen sind,
C. in der Erwägung, dass in den vergangenen Jahren mehrere politische Parteien, 22 unabhängige Zeitungen, über fünfzig demokratische nichtstaatliche Organisationen auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen sowie verschiedene Bildungseinrichtungen "aus technischen Gründen" geschlossen wurden, dass aber diese Organisationen in allen Fällen eindeutig wegen Kritik am Präsidenten und seiner Politik bestraft wurden,
D. unter Hinweis darauf, dass die UN-Menschenrechtskommission im April 2005 Kritik an Belarus übte, weil es ständig Meldungen gab über die Behelligung und Schließung von nichtstaatlichen Organisationen, nationalen Minderheitsorganisationen, Vertreibern von unabhängigen Medien, Oppositionsparteien, unabhängigen Gewerkschaften und religiösen Organisationen sowie die Behelligung von Personen, die sich für Demokratie einsetzten, einschließlich unabhängiger Medien,
E. in der Erwägung, dass die Anmeldung neuer Zeitungen von den staatlichen Organen gestoppt wurde und dass viele bestehende Zeitungen mit Geldbußen belegt wurden, die es ihnen unmöglich machen, weiterhin zu veröffentlichen;
F. in der Erwägung, dass es in Belarus nach wie vor zu politisch motivierten Festnahmen und Verfahren gegen Aktivisten der demokratischen Bewegung und unabhängige Journalisten sowie zur Deportation ausländischer Bürger kommt, sowie in der Erwägung, dass zwei Journalisten der Zeitung "Pahonia", Pavał Mažejka und Mikoła Markievič, sowie der Verleger der Zeitung "Rabočy", Viktar Ivaškievič, zu Gefängnisstrafen zwischen sechs und neun Monaten verurteilt wurden,
G. in der Erwägung, dass die Verantwortlichen des Bundes der Polen in Belarus vom belarussischen Justizministerium am 12. Mai 2005 als illegal erklärt wurden, eine Druckerei es auf Anweisung der Regierung ablehnte, die polnische Wochenzeitung "Glos znad Niemna" zu drucken, und statt dessen gefälschte Ausgaben im Auftrag der Regierung gedruckt wurden,
H. in der Erwägung, dass 2000 der ORT-Korrespondent Dźmitry Zavadzki verschwand und dass die belarussischen Behörden die Untersuchung zu verschleppen scheinen, sowie in der Erwägung, dass Vieranika Čarkasava, eine Journalistin der Zeitung "Salidarnaść", am 20. Oktober 2004 ermordet wurde und sich gewalttätige Übergriffe gegen Journalisten häufen,
I. in der Erwägung, dass das Verlagswesen und der Vertrieb inzwischen vom Staat monopolisiert werden und dass die verbliebenen privaten Verleger mit hohen Geldstrafen rechnen müssen, wenn sie unabhängige Zeitungen veröffentlichen, weshalb viele unabhängige Zeitungen im Ausland, darunter in Russland, herausgegeben, oft aber an der Grenze von den belarussischen Behörden konfisziert werden,
J. in der Erwägung, dass alle nationalen und regionalen Fernseh- und Radiosender in den Händen der Regierung sind oder vom Staat kontrolliert werden,
K. in der Erwägung, dass alle Kabelnetzbetreiber strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie ausländische Kanäle anbieten, die von der belarussischen Regierung nicht genehmigt wurden, und dass auf dieser Grundlage alle ukrainischen Sender sowie der polnische Kanal Polonia für eine Ausstrahlung durch belarussische Kabelnetzbetreiber verboten wurden,
L. in der Erwägung, dass alle Internetverbindungen über ein vom Staat betriebenes Konglomerat laufen, das zahlreiche Konten und Seiten des World Wide Web blockiert hat,
M. in der Erwägung, dass der Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im März 2005 in einem Bericht über die Freiheit der Medien seine ernste Besorgnis über die gravierende Lage der unabhängigen Medien in Belarus zum Ausdruck brachte, inbesondere über die sinkende Zahl von Anmeldungen unabhängiger Zeitungen und den gestiegenen Druck auf die Medien durch justizielle, außergerichtliche und wirtschaftliche Mittel,
1. verurteilt nachdrücklich die wahllosen Übergriffe des belarussischen Regimes auf Medien, Journalisten, Mitglieder der Opposition, Menschenrechtsaktivisten und generell jeden, der versucht, offen Kritik am Präsidenten und am Regime zu äußern, wobei diese Übergriffe als willkürliche Festnahmen, die Misshandlung von Häftlingen, das Verschleppen von Personen, politisch motivierte Verfolgung und andere Akte der Repression vorkommen, die gegen die wesentlichen Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verstoßen;
2. fordert den Rat und die Kommission auf, ein vielschichtiges, mehrjähriges Programm zur Unterstützung der unabhängigen Medien in Belarus aufzulegen, das die Unterstützung der Sendung unabhängiger Rundfunk- und Fernsehprogramme aus dem Ausland sowie die Unterstützung unabhängiger Journalisten und Zeitungen umfasst;
3. begrüßt das Projekt zur Einrichtung eines Rundfunknetzes für die Ausstrahlung von Programmen aus Polen, Litauen und möglicherweise der Ukraine und fordert die Kommission auf, seine Durchführung zu unterstützen;
4. fordert den Rat und die Kommission in diesem Zusammenhang auf, innerhalb kürzester Frist die notwendige Unterstützung zu leisten, um mit der Ausstrahlung unabhängiger Rundfunkprogramme nach Belarus aus dem Ausland zu beginnen;
5. hebt hervor, dass für die Radiosendungen alle Übertragungsbandbreiten einschließlich Internet und Satellit nutzbar und ständig verfügbar sein sollten;
6. fordert den Rat und die Kommission auf, zur Unterstützung von Journalisten und ihren Familien beizutragen, die Repressionen ausgesetzt sind;
7. fordert den Rat und die Kommission auf, ein Programm für Stipendien und Praktika für unabhängige Journalisten und Fortbildungsprogramme für junge unabhängige Journalisten zu schaffen;
8. fordert die Kommission auf, es zur Durchführung dieses Programms für freie und unabhängige Medien und Informationen für die Bevölkerung von Belarus zu konsultieren;
9. ist der Ansicht, dass die Kommission, der Rat und es selbst, falls die belarussischen Behörden die Situation in Bezug auf Redefreiheit und Massenmedien nicht verbessern oder eine weitere Verschlechterung zu verzeichnen ist, unverzüglich das Verfahren zur Erweiterung der Liste für ein Visaverbot für die Vertreter des belarussischen Staates, die an der Strafverfolgung von Massenmedien beteiligt sind, einleiten sollten;
10. verurteilt die Aktion der Regierung gegen den Bund der Polen in Belarus als Versuch, die größte nichtstaatliche Organisation und eine der wenigen nicht von der Regierung kontrollierten Organisationen in die Knie zu zwingen; weist darauf hin, dass die Achtung der Rechte von Minderheiten auch die Vereinigungsfreiheit und die Anerkennung der gewählten satzungsmäßigen Gremien der Organisation umfasst; mißbilligt den Versuch der Regierung, die Kontrolle über "Glos znad Niemna" zu übernehmen;
11. ist insbesondere bestürzt darüber, dass Mikola Statkewitsch, Vorsitzender der Belarussischen Sozialdemokratischen Partei ("Narodnaya Hramada"), Pavał Seviarynec, ein Spitzenpolitiker der Jungen Front, und Andrei Klimau, Geschäftsmann und Mitglied des Parlaments des 13. Obersten Sowjet, zu langjähriger Zwangsarbeit verurteilt wurden;
12. fordert die belarussischen Behörden auf, der Verweisung demokratisch gesinnter junger Menschen von Universitäten und sonstigen höheren Bildungseinrichtungen ein Ende zu machen, und erklärt seine volle Unterstützung für Studierende, die von Hochschulen verwiesen wurden, weil sie für demokratische Werte und die Verteidigung der Menschenrechte eintraten und am 25. Mai 2005 einen Hungerstreik begannen;
13. begrüßt die Eröffnung der Europäischen Humanistischen Universität für belarussische Studenten im Exil in Vilnius und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Europäische Humanistische Universität bei der Durchführung ihrer Lehr- und Forschungsprogramme zu unterstützen;
14. fordert die Mitgliedstaaten auf, die von der Europäischen Humanistischen Universität ausgestellten Diplome als Nachweise hoher Kompetenz und hervorragender akademischer Qualifikationen anzuerkennen, und fordert die europäischen Universitäten auf, mit der Europäischen Humanistischen Universität enger zusammen zu arbeiten;
15. unterstreicht erneut, dass die künftige Entwicklung der Beziehungen der Europäischen Union zu Belarus weiterhin von den Fortschritten im Hinblick auf Demokratisierung und Reformen im Land und vom Zugang der belarussischen Bürger zu objektiven, freien und transparenten Medien abhängen wird;
16. fordert den Rat und die Kommission auf, das Thema Belarus mit den russischen Behörden zu erörtern, um gemeinsame Maßnahmen festzulegen, die zu konkreten demokratischen Veränderungen in diesem Land führen können;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten sowie den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarates zu übermitteln.