Entschließung des Europäischen Parlaments zu Simbabwe
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Simbabwe, insbesondere die vom 16. Dezember 2004(1),
– unter Hinweis auf den Gemeinsamen Standpunkt 2005/146/GASP des Rates vom 21. Februar 2005 zur Verlängerung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/161/GASP zur Verlängerung der restriktiven Maßnahmen gegen Simbabwe(2) sowie auf die Verordnung (EG) Nr. 898/2005 der Kommission vom 15. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 314/2004 über bestimmte restriktive Maßnahmen gegen Simbabwe(3),
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Regime Mugabe am 19. Mai 2005 durch die brutale Zerstörung Tausender Häuser in Harare, Bulawayo und in anderen Stadtgebieten im Rahmen der so genannten Operation "Weg mit dem Müll" ("Operation Drive Out Rubbish") seinen Druck auf die Bevölkerung von Simbabwe verstärkte, und zwar so, dass nach Schätzungen der Vereinten Nationen über 200 000 Menschen jetzt obdachlos sind oder ihre Existenzgrundlage verloren haben, sowie in der Erwägung, dass viele der Menschen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, an den Ufern des Flusses Mukluvisi unter Bedingungen leben müssen, die der Verbreitung von Krankheiten Vorschub leisten,
B. in der Erwägung, dass die loyale Anhängerschaft von Mugabe ihre Macht in den manipulierten Parlamentswahlen vom 31. März 2005, die von Unterdrückung und Einschüchterung gekennzeichnet waren und den international akzeptablen demokratischen Standards nicht genügten, konsolidiert hatte,
C. in der Erwägung, dass die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten vom 6. bis 8. Juli 2005 in Gleneagles zusammentreffen und dass der britische Vorsitz der G 8 die Hilfe für Afrika ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt hat; in der Erwägung, dass die Live-8-Kampagne zusätzlich auf die Probleme Afrikas aufmerksam gemacht hat, auch auf die Notwendigkeit einer vernünftigen Staatsführung,
D. in der Erwägung, dass die Entwicklungsminister der Europäischen Union am 24. Mai 2005 beschlossen haben, die Hilfe der Union bis zum Jahr 2010 auf 0,56% des BNE anzuheben, um bis zum Jahr 2015 0,7% zu erreichen, zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele; in der Erwägung, dass die Aufstockung sich bis zum Jahr 2010 schätzungsweise auf zusätzliche 20 Mrd. EUR jährlich belaufen wird,
E. in der Erwägung, dass Hilfe allein in Afrika ohne vernünftige Staatsführung, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte wenig bewirken kann und dass die Haltung der afrikanischen Regierungen gegenüber den Entwicklungen in Simbabwe ein Schlüsselindikator ihres Bekenntnisses zu solchen Werten ist,
F. in der Erwägung, dass Simbabwe früher wirtschaftlich erfolgreich war, Nahrungsmittel in andere afrikanische Länder ausführte und seine schwächeren Nachbarn bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten unterstützen konnte, es jetzt jedoch zu einem zerfallenen Staat geworden ist, in dem Millionen von Menschen auf Lebensmittelhilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen sind,
G. in der Erwägung, dass Simbabwe dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) zufolge schätzungsweise 1,8 Mio. Tonnen Getreide benötigt, um seine 4 Millionen Menschen zu ernähren, die an Unterernährung leiden und vom Hungertod bedroht sind, während die inländische Produktionskapazität Simbabwes derzeit nur zwischen 400 000 und 600 000 Tonnen Getreide liegt,
H. in der Erwägung, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) mitgeteilt hat, dass Simbabwes Zinsrückstände an den IWF sich auf 295 Mio. US-Dollar belaufen und dass die Zwangsräumung von Stadtgebieten unter dem Regime Mugabe, zusammen mit rückläufigen landwirtschaftlichen Erträgen, dazu führen wird, dass die Inflation noch weiter steigen und die Wirtschaftskrise sich noch verschärfen wird,
I. in der Erwägung, dass Unternehmen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiterhin Erzeugnisse erwerben, die mutmaßlich aus landwirtschaftlichen Betrieben stammen, die der direkten Kontrolle des Mugabe-Regimes unterstehen,
J. in der Erwägung, dass die Afrikanische Union es abgelehnt hat, zu intervenieren, um der brutalen Unterdrückung Mugabes ein Ende zu setzen, und dass der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki sich geweigert hat, Mugabes Vorgehen auch nur zu kritisieren, ganz zu schweigen von konkreten Maßnahmen gegen sein Regime,
K. in der Erwägung, dass die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) weiterhin ein regionales Ausbildungszentrum für friedenserhaltende Maßnahmen in Harare unterhält,
L. in der Erwägung, dass sich der Rat anlässlich der Verlängerung der gezielten Sanktionen gegen das Mugabe-Regime im Februar 2005 dazu verpflichtet hat, diese Sanktionen "im Lichte der Parlamentswahlen, die im März 2005 in Simbabwe stattfinden werden", weiter zu prüfen,
M. in der Erwägung, dass das Einreiseverbot der Europäischen Union gegenüber Simbabwe am 15. Juni 2005 auf ungefähr 120 Mitglieder des Mugabe-Regimes ausgeweitet wurde; in der Erwägung, dass diese Ausweitung ohne rigorose Vollstreckung der Sanktionen wenig Auswirkungen haben wird; in der Erwägung, dass der Rat seit den manipulierten Wahlen oder im Anschluss an die jüngsten Unterdrückungsmaßnahmen seit dem 31. März 2005 keine weiteren Maßnahmen gegen das Mugabe-Regime getroffen hat,
N. in der Erwägung, dass Roy Bennett, ehemaliges Mitglied der oppositionellen Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC), nach acht Monaten Haft unter erschreckenden Bedingungen am 28. Juni 2005 freigelassen wurde,
O. in der Erwägung, dass der nächste Rat "Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen" am 18. und 19. Juli 2005 stattfinden wird und Gelegenheit zum Handeln bietet,
1. verurteilt das Mugabe-Regime zu einem Zeitpunkt, zu dem die internationale Gemeinschaft Afrika Priorität einräumt, wegen Verschärfung der Unterdrückung des simbabwischen Volkes und bekundet seine tiefe Enttäuschung über die Ablehnung anderer afrikanischer Regierungen, insbesondere Südafrikas, der SADC und der Afrikanischen Union, Mugabes Vorgehen zu kritisieren oder Maßnahmen gegen sein Regime zu ergreifen;
2. fordert die G 8 nachdrücklich auf, von den regionalen afrikanischen Organisationen und Nationen zu verlangen, dass sie klar und eindeutig nachweisen, dass sie sich der guten Staatsführung, der Bekämpfung der Korruption, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte sowie dem wirtschaftlichen Fortschritt verpflichtet fühlen, und betrachtet Simbabwe in diesem Zusammenhang als Testfall;
3. fordert ein unverzügliches Ende der umfassenden Zwangsausweisungen unter Mugabes Regime und besteht darauf, dass die Hilfs- und humanitären Organisationen, welche die von der Operation "Weg mit dem Müll" betroffenen Binnenvertriebenen unterstützen, uneingeschränkten Zugang erhalten;
4. besteht darauf, dass die Menschen in Simbabwe Hilfe von nichtstaatlichen Organisationen erhalten müssen, und fordert die Kommission auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass diese Hilfsleistungen nicht durch das Mugabe-Regime behindert werden;
5. fordert die Einsetzung eines internationalen Untersuchungsausschusses, um die Instrumentalisierung von Nahrungsmitteln und Unterkunft als politische Waffen zu untersuchen;
6. bedauert die schwache Haltung der Afrikanischen Union, insbesondere Südafrikas und einer Reihe anderer Nachbarn von Simbabwe, die ihre Augen vor der täglichen Unterdrückung der Menschen in Simbabwe und der Zerstörung der Wirtschaft dieses Landes schließen; erinnert die südafrikanische Regierung an ihre besondere Verantwortung gegenüber dem benachbarten Simbabwe und fordert sie auf, möglichst dafür zu sorgen, dass das Mugabe-Regime die Zwangsausweisungen unverzüglich einstellt;
7. fordert die SADC auf, ihr regionales Ausbildungszentrum für friedenserhaltende Maßnahmen in Harare zu schließen als Hinweis auf ihre Bereitschaft, Druck auf das Regime von Mugabe auszuüben;
8. lehnt es ab, das Ergebnis der stark manipulierten Wahlen vom 31. März 2005 anzuerkennen, die den international akzeptierten demokratischen Standards nicht genügten, einschließlich der Standards der SADC;
9. bedauert zutiefst, dass der Rat auf die ständigen Aufforderungen des Parlaments nach verstärktem Druck gegenüber dem Regime von Mugabe nicht reagiert hat;
10. fordert, dass der Rat angesichts der Lage in Simbabwe und angesichts der Bereitschaft der Menschen in den Mitgliedstaaten, Afrika zu unterstützen, ernsthafte Maßnahmen ergreift, um in Simbabwe eine Wendung zum Besseren zu erreichen; fordert den Rat in diesem Zusammenhang auf, Lücken in den bestehenden Sanktionen der Europäischen Union zu schließen und sich klar für eine rigorose Durchführung seitens aller Mitgliedstaaten einzusetzen;
11. fordert mit Nachdruck, dass als Teil dieser Maßnahmen alle wirtschaftlichen Verbindungen zu Simbabwe, die dem Regime direkt nutzen (beispielsweise Handel mit landwirtschaftlichen Betrieben, die von Mitgliedern des Regimes kontrolliert werden) stark eingeschränkt werden, dass (in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und den Commonwealth-Ländern) Maßnahmen gegen diejenigen, die die antidemokratischen Aktivitäten des Regimes finanziell unterstützen, festgelegt und durchgeführt werden und dass verhindert wird, dass Familienmitglieder von Mugabes Handlangern Zugang zu Beschäftigung und Bildungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erhalten;
12. fordert die Benennung eines Sondergesandten der Europäischen Umion für Simbabwe, der die afrikanischen Staaten (in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und den Commonwealth-Ländern) zu einem aktiven Vorgehen bewegen soll; fordert ferner, dass die Rückführung von Asylbewerbern aus Simbabwe, die sich in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufhalten, ausgesetzt wird, bis sich die Lage in Simbabwe gebessert hat;
13. fordert die Unternehmen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Handel mit Simbabwe betreiben, auf, transparente Geschäftsmethoden anzuwenden, und auf keinen Fall Verträge mit denjenigen, die sich an Mugabes Programm zur Landenteignung beteiligt haben, zu schließen und so zu handeln, dass dies den Menschen von Simbabwe und nicht dem Regime von Mugabe nutzt;
14. begrüß, dass der Präsident der Kommission seine Enttäuschung darüber bekundet hat, dass die Afrikanische Union und Südafrika nicht in der Lage waren, auf die Menschenrechtskrise in Simbabwe zu reagieren, und fordert nachdrücklich, dass die Kommission in ihrer bevorstehenden "Strategie für Afrika" dieser Entschließung umfassend Rechnung trägt;
15. fordert den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, die Unterdrückung in Simbabwe ernsthaft und vordringlich zu verfolgen und zu prüfen, inwiefern die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können;
16. begrüßt die Freilassung Roy Bennetts, bedauert jedoch, dass er vom Mugabe-Regime so schrecklich behandelt wurde, und fordert die Freilassung der anderen 30 000 unschuldigen Opfer, die im Anschluss an die Operation "Weg mit dem Müll" inhaftiert wurden;
17. fordert Robert Mugabe zum Rücktritt auf und verlangt die Einsetzung einer Übergangsregierung in Simbabwe, die auch Oppositionsgruppen und andere Personen, die sich engagieren wollen, mit einbezieht, damit vernünftige Regierungsstandards in Simbabwe wieder hergestellt werden, die zerstörte Wirtschaft wieder aufgebaut wird und die Menschenrechte wieder geachtet werden;
18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten und der G8-Staaten, der Regierung und dem Parlament Simbabwes, der Regierung und dem Parlament Südafrikas, dem Generalsekretär des Commonwealth, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Präsidenten der Kommission und dem Präsidenten des Rates der Afrikanischen Union sowie dem Generalsekretär der SADC zu übermitteln.