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Eingereichte Texte :

RC-B6-0460/2005

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Abstimmungen :

PV 08/09/2005 - 13.1
PV 08/09/2005 - 13.2

Angenommene Texte :


Angenommene Texte
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Donnerstag, 8. September 2005 - Straßburg
Hungersnot in Niger
P6_TA(2005)0338RC-B6-0460/2005

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Hungersnot in Niger

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Appelle der Vereinten Nationen an die Geber, für Niger Nahrungsmittelhilfe im Wert von 80,9 Millionen US-Dollar bereitzustellen,

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.   in der Erwägung, dass Niger bereits das zweitärmste Land der Welt war, bevor durch ausbleibenden Regen und die Heuschreckenplagen die Ernten des letzten Jahres vernichtet wurden, was dazu führte, dass schätzungsweise ein Drittel der knapp 12 Millionen Menschen im Lande unter erheblichem Nahrungsmittelmangel zu leiden hatte, darunter 800 000 Kinder mit akuter Unterernährung,

B.   in der Erwägung, dass Niger seit 1900 neun Trockenheiten und schwere Hungersnöte sowie acht Heuschreckenplagen erlebt hat,

C.   in der Erwägung, dass die von der Dürre betroffenen Gebiete dafür bekannt sind, dass dort der Ausbruch verschiedener übertragbarer Krankheiten wie Malaria, Hepatitis, Cholera, Typhus und Diarrhöe begünstigt wird,

D.   in der Erwägung, dass die Ernährungskrise in Niger vielschichtig ist: Wetterbedingungen, Nahrungsmittelproduktion, Märkte, Technologie, Hygiene, Gesundheitswesen, Bildung, Kindererziehungsmethoden, die erhebliche Auslandsverschuldung des Landes und weit verbreitete Armut spielen dabei jeweils eine Rolle,

E.   in der Erwägung, dass die nigrische Regierung bis Juni 2005 die kostenlose Verteilung von Lebensmittelrationen abgelehnt hat,

F.   in der Erwägung, dass diese Weigerung damit begründet wurde, dass man den Markt nicht destabilisieren wollte, und das Ausmaß der Krise geleugnet wurde,

G.   in der Erwägung, dass die von der Regierung subventionierten billigen Nahrungsmittel rar und für die ärmsten Menschen unerschwinglich waren,

H.   in der Erwägung, dass angesichts einer so dramatischen Sterblichkeit die kostenlose Verteilung der Nahrungsmittelsoforthilfe nicht der künftigen Ernährungssicherheit untergeordnet werden sollte,

I.   in der Erwägung, dass wiederholte Appelle der Vereinten Nationen seit November 2004 nahezu ungehört blieben, bis die Situation das Ausmaß einer Krise angenommen hatte,

J.   in der Erwägung, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe enorm groß ist, angefangen von Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten bis hin zu Impfstoffen für Kinder zur Verhütung von Epidemien,

K.   in der Erwägung, dass die Dringlichkeit einer Verbesserung der derzeitigen Situation klar auf der Hand liegt und die Beendigung des Kreislaufs der Armut in Niger und in der gesamten Sahel-Zone eine langfristige Herausforderung darstellt, die massive Investitionen und ein wirkliches Engagement zur Beseitigung des Hungers erfordert,

L.   in der Erwägung, dass die Wüstenbildung und die Auslaugung der Böden in der Sahel-Zone das Ergebnis der übermäßigen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, u.a. der Abholzung von Wäldern und Gestrüpp, sowie der Auswirkungen des Klimawandels sind,

M.   in der Erwägung, dass es nach Aussagen des Soforthilfekoordinators der Vereinten Nationen 80 mal kostspieliger ist, Soforthilfe zu leisten, als präventiv zu handeln, und dass dies auch für die von der Hungersnot bedrohten Nachbarländer (Mali, Mauretanien, Burkina Faso, Tschad) gilt,

1.   fordert die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, vor dem anhaltenden Leiden in Niger nicht die Augen zu verschließen, während die Verteilung von Nahrungsmitteln in den am schlimmsten betroffenen Teilen des Landes fortgesetzt wird, die finanzielle Unterstützung für Soforthilfemaßnahmen jedoch bedauerlicherweise nachzulassen scheint;

2.   fordert, dass der hyperendemische Charakter der Unterernährung in Niger anerkannt wird, um ein globales System der Verantwortung zu schaffen, das auch den Zugang zur Betreuung von Kindern unter fünf Jahren und die Bereitstellung therapeutischer Nahrungsmittel, deren Wirksamkeit bereits nachgewiesen ist, gehören;

3.   fordert, dass der Prävention Vorrang eingeräumt wird, indem die Abhängigkeit von den unregelmäßigen Niederschlägen verringert, die Bewässerung in der Landwirtschaft (kleine Stauwehre) weiterentwickelt, die Nahrungsmittelerzeugung durch den Einsatz von Stall- und Kunstdünger sowie Geräten verbessert wird und die Kapazitäten für die örtlichen Getreidereserven aufgestockt werden;

4.   begrüßt die Tatsache, dass die Kommission 4,6 Mio. EUR an humanitärer Hilfe für Niger bereitgestellt hat, sowie die Zusage, "zusätzliche humanitäre Mittel bereitzustellen, falls sich die Situation weiter verschlechtert", wie am 1. Juli 2005 angekündigt wurde;

5.   bedauert die unzureichende und langsame Reaktion der Regierung von Niger auf die entstehende Krise; bedauert, dass die Behörden nicht in der Lage waren, bereits in den Anfangsstadien der Krise kostenlose Nahrungsmittel zu verteilen;

6.   bedauert das unzureichende Eingreifen des Staates zur Verhinderung der Spekulation und der Krise und wünscht, dass die nigrische Regierung Mechanismen entwickelt, mit denen die Wiederholung derartiger Praktiken vermieden werden kann;

7.   bezweifelt, ob die vollständige Deregulierung der Agrarmärkte, die im Rahmen der vom IWF befürworteten Politik der "strukturellen Anpassung" eingeleitet wurde, sinnvoll ist;

8.   warnt gleichzeitig vor dem Risiko einer fehlgeleiteten Nahrungsmittelhilfe und fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Nahrungsmittelhilfe einzustellen, sobald sie der Auffassung ist, dass sich die Situation verbessert hat;

9.   bedauert die späte Reaktion der internationalen Geber auf die Appelle der Vereinten Nationen zur Bereitstellung von Finanzhilfe, von denen der erste bereits vor neun Monaten erging; unterstreicht in diesem Zusammenhang auch die Schwierigkeit, internationale Hilfe gerade zu dem Zeitpunkt zu mobilisieren, da die reichen G8-Länder vorgaben, Afrika zu ihrer wichtigsten Priorität zu machen;

10.   fordert, dass die verfügbaren Reserven des Hilfsfonds der Vereinten Nationen beträchtlich aufgestockt werden, damit bereits im Voraus genügend Mittel zur Verfügung stehen, um es den Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen zu ermöglichen, Hilfsaktionen rasch einzuleiten;

11.   bedauert zutiefst, dass Katastrophen in Afrika nur zu einer so mühsamen Mobilisierung führen, während der Tsunami und seine Opfer, unter denen sich westliche Touristen befanden, eine enorme Aufmerksamkeit in den Medien fanden;

12.   begrüßt die Koordinierung der ECHO-Soforthilfe mit den längerfristigen Maßnahmen im Bereich der Ernährungssicherheit, die von der Kommission verwaltet werden, sowie den eindeutigen Hinweis auf die Entwicklung des ländlichen Raums und die Ernährungssicherheit als Priorität im Länderstrategiepapier für Niger;

13.   fordert die internationalen Geber auf, sich auch auf Hilfe im Gesundheitssektor zu konzentrieren und beispielsweise den Zugang zu sauberem Wasser zu verbessern, Rehydrierungstabletten zu verteilen und bestehende Gesundheitsdienste zu unterstützen und auszuweiten, um einen Ausbruch übertragbarer Krankheiten zu verhindern;

14.   fordert die internationalen Geber auf, ihre Hilfsstrategien für Niger untereinander sowie mit der Afrikanischen Union, der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) und anderen regionalen und lokalen Akteuren abzustimmen; unterstreicht, wie wichtig es ist, diese Hilfe langfristig anzulegen und sie in eine regionale Strategie mit dem Ziel, dem Kreislauf von Armut und Unterernährung zu entkommen, einzubetten;

15.   zeigt sich besorgt über die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso und fordert eine eingehende Überwachung der Situation in der gesamten Region;

16.   fordert die Kommission und den Rat auf, das Frühwarnsystem zu verbessern, um anfällige Regionen, in denen eine Hungersnot entstehen kann, zu überwachen und damit ein schnelleres Vorgehen zu ermöglichen und Katastrophen zu verhindern;

17.   betont, dass das Hauptproblem in Niger eine chronische und weit verbreitete Armut ist und das Land keinen Spielraum hat, um Reservebestände aufzubauen und einen derartigen Bedarf im Krisenfall zu decken;

18.   fordert die Kommission und den Rat auf, die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die afrikanischen Länder südlich der Sahara anzuerkennen und in Europa darauf hinzuarbeiten, diese Auswirkungen abzumildern, indem strenge EU-Strategien zur CO2-Reduzierung beschlossen werden;

19.   ist der Auffassung, dass die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in den Handelsverhandlungen mit den afrikanischen Ländern berücksichtigt werden muss;

20.   fordert, dass der im Rahmen des G8-Gipfels angekündigte Erlass der Auslandsschulden von Niger tatsächlich wirksam wird;

21.   fordert die Kommission auf, dann, wenn die Krisensituation überwunden ist, eine umfassende Politik zu verwirklichen, um die Ursachen der Krise in Angriff zu nehmen, die zugrunde liegenden strukturellen Ursachen zu beseitigen und die Produktivität der Landwirtschaft in der Region zu verbessern;

22.   fordert die Regierungen in der Region auf, eine Politik der nachhaltigen Entwicklung im Agrarsektor umzusetzen;

23.   fordert, dass die Vereinten Nationen auf ihrer Vollversammlung im September 2005 die Formen und die Instrumente der internationalen Hilfe definieren, um die Armut und den Hunger in der Welt entsprechend den Millenniumszielen zu beseitigen;

24.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Afrikanischen Union, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU sowie den Regierungen von Niger, Mali, Burkina Faso und Mauretanien zu übermitteln.

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