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Eingereichte Texte :

RC-B6-0095/2006

Aussprachen :

PV 15/02/2006 - 9
CRE 15/02/2006 - 9

Abstimmungen :

PV 16/02/2006 - 6.5
CRE 16/02/2006 - 6.5
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Angenommene Texte :


Angenommene Texte
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Donnerstag, 16. Februar 2006 - Straßburg
Perspektiven für Bosnien und Herzegowina
P6_TA(2006)0065RC-B6-0095/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Perspektiven für Bosnien und Herzegowina

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Bosnien und Herzegowina, insbesondere seine Entschließung vom 14. April 2005 zum Stand der regionalen Integration im Westbalkan(1), seine Entschließung vom 17. November 2004 zu der militärischen Operation "Althea" der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina(2) und seine Entschließung vom 7. Juli 2005 zu Srebrenica(3),

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat über die Fortschritte Bosniens und Herzegowinas bei der Umsetzung der Prioritäten aus der "Durchführbarkeitsstudie über die Fähigkeit Bosniens und Herzegowinas zur Aushandlung eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union (KOM(2003)0692)" (KOM(2005)0529),

–   unter Hinweis auf den Beschluss des Rates über die Grundsätze, Prioritäten und Bedingungen der Europäischen Partnerschaft mit Bosnien und Herzegowina (15267/2005) und besonders die kurz- und mittelfristigen Prioritäten im Bereich der politischen Anforderungen,

–   unter Hinweis auf das Strategiepapier 2005 der Kommission zur Erweiterung (KOM(2005)0561),

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel: Der westliche Balkan auf dem Weg in die EU: Konsolidierung der Stabilität und Steigerung des Wohlstands (KOM(2006)0027),

–   gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.   in der Erwägung, dass mit der Agenda von Thessaloniki eine klare Perspektive für die europäische Integration aufgezeigt und unzweifelhaft festgestellt wird, dass die Zukunft der Länder des westlichen Balkans in der Europäischen Union liegt, sobald sie die festgelegten Kriterien erfüllen, und dass als erste Phase des Prozesses der europäischen Integration ein Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess vorgesehen ist,

B.   in der Erwägung, dass die Europäische Union am 25. Januar 2006 mit Bosnien und Herzegowina Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) aufgenommen hat, und dass die Europäische Union sich ihren Nachbarstaaten weiterhin als verlässlicher Partner präsentiert, der sich für die Förderung stabiler Demokratien und florierender Marktwirtschaften mit der Perspektive der Aufnahme in die Europäische Union einsetzt, besonders für die westlichen Balkanländer,

C.   in der Erwägung, dass der Beginn der Verhandlungen die Notwendigkeit institutioneller Reformen und der Schaffung uneingeschränkt effizienter, transparenter und stabiler staatlicher Institutionen, die in der Lage sind, die notwendigen Entscheidungen bezüglich der Übernahme und Umsetzung der Normen und Werte der Europäischen Union in nationales Recht zu treffen, noch vordringlicher macht,

D.   mit Hinweis auf die dringende Notwendigkeit des Aufbaus einer effizienten staatlichen Verwaltung und eines ebensolchen Justizsystems, der Schaffung moderner, einheitlicher Bildungssysteme und der Förderung sozialer und wirtschaftlicher Integrationsmaßnahmen für die nach Bosnien und Herzegowina zurückgekehrten Flüchtlinge und allgemein auf die Notwendigkeit weiterer gezielter Reformanstrengungen, um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen,

E.   in der Erwägung, dass das Land trotz der großen Fortschritte, die auf vielen Gebieten erzielt wurden, nach wie vor unter tiefen ethnischen Spaltungen leidet, und der Versöhnungsprozess noch nicht abgeschlossen ist,

F.   in der Erwägung, dass zwischen den maßgeblichen bosnischen politischen Kräften Gespräche begonnen haben, um die Verfassung im Anschluss an die Gespräche von Brüssel vom 12. bis 14. November 2005 und der Erklärung von Washington vom 21. November 2005 im Einvernehmen mit dem US-Friedensinstitut zu ändern; in der Erwägung, dass diese Gespräche, die bis Ende März 2006 abgeschlossen werden sollen, zu einem konstitutionellen und institutionellen Modell führen müssen, das die ethnischen Trennlinien überwindet und individuelle Rechte anstelle von kollektiven Rechten anerkennt,

G.   in der Erwägung, dass Bosnien und Herzegowina mit seiner derzeitigen institutionellen Struktur nicht in der Lage wäre, die notwendige Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands und die Integration in die Europäische Union zu bewältigen, obwohl in diesem Bereich bedeutende Fortschritte gemacht wurden, einschließlich der Schaffung neuer Institutionen auf staatlicher Ebene,

H.   in der Erwägung, dass der neu ernannte Hohe Vertreter der EU für Bosnien und Herzegowina, der ein Kenner des Landes ist, erklärt hat, dass die Vorbereitung von Bosnien und Herzegowina auf die europäische Integration und die gezielte Förderung seiner wirtschaftlichen Entwicklung nun von entscheidender Bedeutung sind,

I.   in der Erwägung, dass die NATO die Mission der Stabilisierungskräfte (SFOR) erfolgreich abgeschlossen hat und die Europäische Union am 2. Dezember 2004 die Verantwortung übernommen und die Operation "Althea" der EU-geführten Einsatzkräfte in Bosnien und Herzegowina (EUFOR) eingeleitet hat,

J.   in der Erwägung, dass der österreichische Ratsvorsitz den westlichen Balkan zu einem seiner prioritären Aufgabenbereiche gemacht hat und beabsichtigt, ihn bei einer informellen Tagung der Außenminister am 10. und 11. März 2006 in Salzburg zum Gegenstand eingehender Beratungen zu machen,

1.   begrüßt die Einleitung von Verhandlungen über ein SAA und weist nachdrücklich darauf hin, dass der Fortgang der Verhandlungen von der Fähigkeit der drei wichtigsten Gemeinschaften des Landes – Bosnier, Serben und Kroaten –, sich auf einen Zeitplan für Reformen zu einigen, und von der Fähigkeit des Landes, diese Reformen umzusetzen, abhängen wird;

2.   stellt fest, dass die auf Initiative einer amerikanischen Nichtregierungsorganisation begonnenen Gespräche zwischen den serbischen, kroatischen und bosnischen Parteiführern über bestimmte Verfassungsänderungen Mitte Januar 2006 zum Stillstand gekommen sind, obgleich eine partielle Einigung bezüglich der Stärkung der Befugnisse des Ministerpräsidenten und des Ausbaus der Zentralregierung erzielt wurde;

3.   fordert die Regierung, das Parlament und alle Parteien in Bosnien und Herzegowina auf, die Gespräche auf der Grundlage der bereits erzielten Vereinbarungen über mögliche institutionelle Reformen aktiv weiterzuführen, mit dem Ziel, Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Gleichstellung der Bürger von Bosnien und Herzegowina zu verankern, die staatlichen Strukturen zu vereinfachen und die Eigenständigkeit des Staates zu stärken und dabei ethnische Spaltungen unter Beherzigung des Grundsatzes der "Local Ownership" zu überwinden;

4.   fordert den Rat und die Kommission auf, sich aktiver an den gemeinsamen Überlegungen über institutionelle Reformen zu beteiligen und dazu die politischen Kräfte und die Bürger des Landes bei ihrer Suche nach einem Konsens zu unterstützen;

5.   begrüßt den Beschluss des Rates, Christian Schwarz-Schilling zum Hohen Vertreter für Bosnien und Herzegowina zu ernennen, und fordert ihn und die Kommission auf, Wege zu finden, um den bosnischen führenden Politikern bei ihren Bemühungen, die bestehende institutionelle Struktur zu reformieren, die erforderliche politische, technische und juristische Unterstützung zu gewähren;

6.   betont, dass das Tempo der Reformen und ihrer konkreten Umsetzung von der Fähigkeit der politischen Akteure im Land abhängt, Verantwortung für den politischen Prozess im Land zu übernehmen und diesen in zunehmendem Maße selbst zu gestalten; fordert den neuen Hohen Vertreter der EU auf, zurückhaltenden Gebrauch von seinen Befugnissen zu machen, um den Aufbau starker und demokratischer Institutionen im Land zu ermutigen;

7.   verweist auf die Notwendigkeit, dass Bosnien und Herzegowina mit Entschlossenheit den Übergang von friedensschaffenden zu staatsaufbauenden Maßnahmen vollzieht, zu denen auch die Verfassungsreform zählt; erinnert daran, dass das Tempo der Verhandlungen über das SAA besonders von den Fortschritten bei der Entwicklung eines funktionsfähigen rechtlichen Rahmens und einer effizienten öffentlichen Verwaltung abhängen wird;

8.   fordert insbesondere die zuständigen Behörden und Institutionen des Landes auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen, nach den vereinbarten inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben die Reformen in den Bereichen öffentlicher Rundfunk, Polizei, Verteidigung und Staatssicherheit durchzuführen und zu vollenden und alle dazu erforderlichen Rechtsvorschriften anzunehmen und umzusetzen;

9.   bekräftigt, dass die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien eine unverzichtbare Voraussetzung für engere Beziehungen zur EU und für die vollständige Aussöhnung zwischen den verschiedenen Gruppen der bosnischen Gesellschaft darstellt, damit die Wunden der jüngsten tragischen Vergangenheit heilen können,

10.   fordert die staatlichen Behörden auf, ihre Bemühungen erheblich zu verstärken, um den Prozess der Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen zu einem Abschluss zu bringen, besonders, was die Schaffung der Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Rückkehr anbelangt (Sicherheit der Rückkehrer, Zugang zu Wiederaufbauhilfe, Arbeit, Gesundheitsversorgung, Renten, Versorgungseinrichtungen sowie zur Bildung); äußert in diesem Zusammenhang Besorgnis über die Situation in der Region Posavina und fordert, dass Rückkehrwilligen ausreichende Unterstützung gewährt wird;

11.   betont, dass die Verfassungsreform an sich keine Bedingung ist und dem Land nicht vorgeschrieben werden kann, dass aber der Abschluss der Verhandlungen über das SAA es erfordert, dass wesentliche Fortschritte bei der Erfüllung der in dem europäischen Partnerschaftsdokument genannten Bedingungen erzielt werden;

12.   unterstützt die Initiative, eine Kommission für Wahrheit und Aussöhnung einzusetzen, die die jüngste Vergangenheit aufarbeiten und sich mit der Frage der Gerechtigkeit und Entschädigung befassen soll, um eine Versöhnung zwischen allen Gruppen der bosnischen Gesellschaft herbeizuführen;

13.   weist nachdrücklich darauf hin, dass die für Oktober 2006 vorgesehenen Parlamentswahlen für die Zukunft von Bosnien und Herzegowina und seinen Weg in die europäische Integration von entscheidender Bedeutung sein werden; fordert alle politischen Führer, Parteien und Behörden auf, die erforderlichen Reformen vorzubereiten und zu verabschieden und alles zu tun, um wieder faire, freie und demokratische Wahlen zu gewährleisten;

14.   begrüßt die Reformen in den Bereichen Polizei, Verteidigung, Mehrwertsteuer und öffentlich-rechtlicher Rundfunk; weist nachdrücklich darauf hin, dass ein umfassender Aktionsplan für eine Reform der öffentlichen Verwaltung erforderlich ist, mit dem die Reformen zügiger umgesetzt werden können; fordert die Zuständigen zur Vorbereitung und Umsetzung eines adäquaten Aktionsplans zur Bekämpfung der Korruption und zu einer raschen Umsetzung der Mehrwertsteuergesetzgebung und der Polizeireform auf;

15.   stellt fest, dass die von der Europäischen Union finanzierte Studie über das Polizeiwesen bestätigt hat, dass klassische Verbrechen in Bosnien und Herzegowina nur in sehr geringem Umfang zu verzeichnen sind, und dass der prozentuale Anteil der aufgeklärten Verbrechen sehr hoch liegt;

16.   fordert die Regierung auf, den besonderen Bedürfnissen der ländlichen Gebiete größere Aufmerksamkeit zu schenken und mit der Kommission bei der Durchführung der entsprechenden Reformen zusammenzuarbeiten, die für eine effiziente Landwirtschaftspolitik und Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums als notwendig befunden werden;

17.   begrüßt die neue Mitteilung der Kommission über den westlichen Balkan, die auf die Förderung des Handels, der wirtschaftlichen Entwicklung, des freien Personenverkehrs, der Bildung und Forschung, der regionalen Zusammenarbeit und des Dialogs mit der Zivilgesellschaft als weiteren Schritt hin zur Integration der Länder dieser Region in die europäischen Strukturen zielt;

18.   wiederholt seinen Aufruf für eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Ländern der Region in der Frage der Grenzkontrollen als Teil einer globalen Strategie der EU für die Region auf dem Gebiet Justiz und Inneres und ist zuversichtlich, dass dieser Prozess nach und nach Erleichterungen hinsichtlich der Visumsanforderungen mit sich bringen wird;

19.   begrüßt die kürzlich unterzeichnete Vereinbarung zwischen Kroatien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien und Montenegro über die Rückkehr von Flüchtlingen und Entschädigungsleistungen als wichtigen Schritt zur Auseinandersetzung mit dem Erbe von etwa drei Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen; dringt bei der Kommission und den Mitgliedstaaten darauf, ihre Beiträge zu Projekten zum Wiederaufbau von Häusern und für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit nicht weiter zu kürzen und Spenden, Kredite und Investitionen nach Möglichkeit von Beschäftigungsmöglichkeiten für Heimkehrer abhängig zu machen;

20.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, der Regierung von Bosnien und Herzegowina und den Regierungen von dessen Teilstaaten und dem Hohen Vertreter für Bosnien und Herzegowina zu übermitteln.

(1) ABl. C 33 E vom 9.2.2006, S. 565.
(2) ABL. C 201 E vom 18.8.2005, S. 77.
(3) Angenommene Texte, P6_TA(2005)0296.

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