Entschließung des Europäischen Parlaments zu Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit für alle – Eine Rahmenstrategie (2005/2191(INI))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, wonach die Gemeinschaft kraft der ihr übertragenen Zuständigkeiten geeignete Vorkehrungen treffen kann, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr(1),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft(2) sowie die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(3), die jede unmittelbare und mittelbare Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verbieten,
– gestützt auf Artikel 21 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, wonach Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verboten sind,
– unter Hinweis auf die im Rahmen der Vereinten Nationen und vom Europarat angenommenen unterschiedlichen Rechtsinstrumente, die jegliche Diskriminierung im Hinblick auf die durch sie garantierten Rechte verbieten, und besonders die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel "Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit für alle - Eine Rahmenstrategie" (KOM(2005)0224),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juni 2005 zum Schutz von Minderheiten und Maßnahmen gegen Diskriminierung in einem erweiterten Europa(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. April 2005 zur Lage der Roma in der Europäischen Union(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Januar 2006 zu Homophobie in Europa(6),
– unter Hinweis auf den Jahresbericht 2004 des Netzes der Sachverständigen für Grundrechte sowie seinen Bericht über Minderheiten, der im selben Jahr veröffentlicht wurde,
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0189/2006),
A. in der Erwägung, dass die Bekämpfung von Diskriminierungen ein wesentlicher Bestandteil jeder Integrationspolitik - die ihrerseits den sozialen Zusammenhalt stärkt - und ein unverzichtbares Mittel zur Bekämpfung von Ausgrenzung ist,
B. in der Erwägung, dass Diskriminierung zum großen Teil auf Unkenntnis oder Unverständnis und die daraus resultierende Angst vor anderen Menschen zurückzuführen ist, und dass das Problem deshalb an der Wurzel angegangen werden muss, durch gezielte Maßnahmen zur Förderung von Toleranz und Pluralismus von frühester Jugend an; in der Erwägung, dass die Programme Sokrates, Leonardo und Jeunesse in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen können,
C. unter Hinweis auf die Feststellung der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (Beobachtungsstelle), dass die Verbreitung praktischer Informationen über Nichtdiskriminierung auf nationaler Ebene durch die nationalen Behörden begrenzt ist und auf die Zielgruppen sowie die Nichtregierungsorganisationen (NRO), die diese unterstützen, ausgedehnt werden sollte; in der Erwägung, dass die Regierungen stärker der Tatsache Rechnung tragen sollten, dass die örtlichen und regionalen Behörden und die Zivilgesellschaft effiziente Partner bei der Bekämpfung von rassistisch motivierter Diskriminierung sein sollten und alle Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung unterstützen sollten,
D. in der Erwägung, dass Artikel 21 der Charta der Grundrechte, der in Artikel II-81 des Verfassungsvertrags übernommen wurde, eine größere Reichweite besitzt als Artikel 13 des EG-Vertrags, da in ihm Gründe für Diskriminierung aufgeführt sind, die in letzterem nicht genannt werden, wie Hautfarbe, soziale Herkunft, genetische Merkmale, Sprache, politische und andere Anschauungen, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen und Geburt; in um so größerem Bedauern darüber, dass diese erweiterte Definition des Begriffs bisher in keine praktisch anwendbare rechtsverbindliche Form umgesetzt wurde,
E. in der Erwägung, dass sich die Mitgliedstaaten, wie das Netz der Sachverständigen kürzlich festgestellt hat, bei der Annahme von Rechtsakten auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags zur Einhaltung der Grundrechte verpflichten müssen, die in den allgemeinen Grundsätzen des EG-Rechts verankert sind, einschließlich der in der Charta der Grundrechte genannten Rechte, Freiheiten und Grundsätze,
F. in Kenntnis der Tatsache, dass man, indem man bestimmte Formen von Diskriminierung bei der Gesetzgebung vorrangig behandelt, eine Art Hierarchie der Diskriminierungsgründe schafft, die es nicht geben sollte,
G. in der Erwägung, dass der Begriff Diskriminierung unterschiedlich aufgefasst werden kann, je nachdem, ob man ihm eine individuelle oder kollektive Bedeutung beimisst, und dass der Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger als Einzelpersonen nicht die gleichen Maßnahmen erfordert wie der Schutz der Interessen von Personengruppen,
H. in der Erwägung, dass definiert werden muss, was unter positiven Maßnahmen zu verstehen ist, bevor eventuelle Beschlüsse über eine wie auch immer ausgestaltete Änderung von Rechtsvorschriften gefasst werden; in der Erwägung, dass positive Maßnahmen auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Ungleichbehandlung und rechtswidriger Diskriminierung umfassen und ein Instrument zur Förderung einer ausgewogenen Beteiligung der Personen in den Sektoren und auf den Ebenen darstellen, wo es von entscheidender Bedeutung ist, dass die gesamte Bevölkerung in ausgewogener Weise vertreten ist; unter besonderem Hinweis darauf, dass dies nicht auf den Bereich der Beschäftigung beschränkt werden darf und über die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern hinausgehen muss,
I. in der Erwägung, dass durch eine Erziehung, die Frieden, Gewaltverzicht und den Dialog zwischen den Kulturen fördert, auf eine Kultur der Nichtdiskriminierung hingearbeitet werden sollte,
J. in der Überzeugung, dass es sich, um weit in die Vergangenheit zurückreichende Ungerechtigkeiten oder Diskriminierungen auszugleichen, als notwendig erweisen kann, vorübergehend auf "positive Maßnahmen" zurückzugreifen, die auf einer "proaktiven" Auslegung des Gerechtigkeitsbegriffs basieren und ganz unterschiedliche Formen annehmen können; mit der Feststellung, dass die Einführung von Quoten als eine außerordentliche Maßnahme angesehen werden sollte, die nur in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angewandt werden darf,
K. in der Erwägung, dass für bestimmte besonders benachteiligte Gesellschaftsgruppen oder in ihren Rechten beeinträchtigte Gruppen die Annahme positiver Maßnahmen oder sogar spezifischer Gesetzgebung unerlässlich ist, um ihnen die Integration und dadurch eine echte Beteiligung am gesellschaftlichen Leben zu garantieren, damit sie Einfluss auf sie betreffende Entscheidungen nehmen können,
L. unter Hinweis darauf, dass die in bestimmten Mitgliedstaaten praktizierte Unterbringung von Roma - Kindern in gesonderten Schulklassen oder in Einrichtungen für geistig Behinderte einer Form von Rassentrennung gleichkommt, und dass eine Politik zur Aufhebung der Rassentrennung dringend erforderlich ist,
M. in der Erwägung, dass der Beratende Ausschuss des Rahmenübereinkommens die Einführung positiver Maßnahmen zugunsten der Angehörigen besonders benachteiligter Minderheiten empfiehlt,
N. in der Erwägung, dass die Unterzeichnerstaaten des Internationalen Übereinkommens über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte nach Ansicht des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verpflichtet sind, den Menschen mit Behinderungen eine bevorzugte Behandlung zu gewähren, um das Ziel der vollständigen Beteiligung und Gleichbehandlung innerhalb der Gesellschaft für alle Personen mit Behinderungen zu verwirklichen,
O. unter Hinweis auf die Feststellung der Beobachtungsstelle, wonach das wahre Ausmaß und die Natur des Problems des Rassismus nach wie vor schwer einzuschätzen sind, da in vielen Mitgliedstaaten darüber weder offizielle noch inoffizielle Statistiken geführt werden oder diese wenig Aussagekraft besitzen,
P. in der Erwägung, dass es, wie die Beobachtungsstelle betont, ohne offizielle Statistiken über ethnische und nationale Herkunft sowie Religion schwierig sein wird, das Phänomen der Diskriminierung und den Erfolg der Maßnahmen zu seiner Bekämpfung richtig einzuschätzen; in der Erwägung, dass das Fehlen ausreichender statistischer Daten zur Veranschaulichung und Bewertung der Diskriminierung es unmöglich macht, eine Strategie der Nichtdiskriminierung zu entwickeln, die insbesondere auf positiven Maßnahmen zugunsten solcher Gruppen aufbaut,
Q. unter Hinweis darauf, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Gemeinschaft durch die Richtlinie 95/46/EG geregelt wird, und dass es, wie das Netz der Sachverständigen betont, insofern keinen Konflikt zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der Überwachung des Phänomens der Diskriminierung auf statistischem Wege gibt, als das Ziel dieser Überwachung darin besteht, zu einem besseren Verständnis der zu starken oder zu schwachen Vertretung bestimmter Gruppen in bestimmten Bereichen oder auf bestimmten Ebenen zu gelangen und den Fortschritt zu bewerten, um eventuellen Handlungsbedarf festzustellen und die wirksamsten Vorgehensweisen zu ermitteln,
R. in der Erwägung, dass zur Feststellung mittelbarer Diskriminierungen, die ausdrücklich durch das Gemeinschaftsrecht verboten sind, verlässliche Statistiken erforderlich sind, besonders über bestimmte Gruppen, die spezifische Merkmale aufweisen; in der Erwägung, dass mangels solcher Statistiken den potenziellen Opfern einer mittelbaren Diskriminierung ein wichtiges Mittel zur Anerkennung ihrer Rechte vorenthalten wird,
S. unter besonderem Hinweis darauf, dass die Interpretation von Fakten, die möglicherweise Aufschluss über das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung geben, in Übereinstimmung mit nationalem Recht oder nationalen Gepflogenheiten erfolgt, und dass zur Zeit der Rückgriff auf statistische Daten als Beweiselement zur Feststellung einer mittelbaren Diskriminierung ins Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt wird, was nicht nur auf eine unterschiedliche Handhabung hinausläuft, sondern auch bedeutet, dass es in den Mitgliedstaaten, wo diese Praxis nicht anerkannt wird, unmöglich ist, gegen bestimmte Formen mittelbarer Diskriminierung vorzugehen,
T. mit der Feststellung, dass Gleichheit und das Recht auf ein Leben frei von Diskriminierung und Rassismus Grundprinzipien einer Gesellschaft sind, in der alle Mitglieder ausreichend integriert sind; in der Erwägung, dass die Politiken der Europäischen Union im Bereich der Integration und Diskriminierung miteinander kompatibel sein sollten; in der Erwägung, dass "Integration" ungeachtet der Tatsache, dass die Traditionen und kulturellen Werte der Mitgliedstaaten geachtet werden müssen, auf einem einheitlichen Ansatz beruhen sollte, wie ihn die Mitgliedstaaten in den Gemeinsamen Grundprinzipien zur Integration aus dem Jahr 2004 vereinbart haben,
Allgemeine Erwägungen
1. vertritt die Ansicht, dass die Bekämpfung der Diskriminierung über die Gesetzgebungsinstrumente und Beschwerdemöglichkeiten hinaus notwendigerweise auf Erziehung und Bildung, der Förderung bewährter Methoden sowie auf Kampagnen, die sich an die allgemeine Öffentlichkeit und die Bereiche und Sektoren richten, in denen Diskriminierung statt findet, beruhen muss; betont, dass die Bekämpfung von Diskriminierungen ferner auf einem Bewusstsein der sozialen, aber auch der wirtschaftlichen Folgen dieses Phänomens beruhen muss, an dem alle Regierungsebenen, einschließlich der örtlichen und regionalen Ebene, und die NRO mitwirken müssen, die von den Mitgliedstaaten eng in ihre Politik zur Bekämpfung von Diskriminierungen einbezogen werden sollten;
2. vertritt die Ansicht, dass der Begriff "positive Maßnahmen" klar definiert werden muss und dass deutlich gemacht werden muss, dass positive Maßnahmen nicht gleichbedeutend mit positiver Diskriminierung sind; stellt fest, dass konkrete Beispiele für positive Maßnahmen beispielsweise folgende Maßnahmen umfassen können: Überprüfung von Einstellungspolitiken und Maßnahmen zur Identifizierung und Abschaffung derjenigen, die Diskriminierung Vorschub leisten; Maßnahmen, um benachteiligte Gruppen über ihre Chancen und Möglichkeiten zu informieren; Festlegung von Zielnormen, um die Vertretung benachteiligter Gruppen innerhalb der Arbeitnehmerschaft zu erhöhen oder Maßnahmen, um benachteiligten Gruppen eine Teilnahme in der Gesellschaft als Ganzes zu ermöglichen;
3. vertritt die Ansicht, dass in den Mitgliedstaaten angewandte beispielhafte und bewährte Methoden zur Bekämpfung von Diskriminierung, von denen einige weit reichender, tiefgreifender oder stärker verankert sind als andere, mittels eines Benchmarking - Verfahrens gesammelt und publik gemacht werden sollten; ist der Auffassung, dass das Netz der nationalen Gleichbehandlungsstellen ("Equinet") verstärkt werden könnte und alle Mitgliedstaaten ermutigt werden sollten, sich an diesem Projekt zu beteiligen; vertritt die Ansicht, dass diese Aufgabe der Sammlung und Verbreitung von Informationen, der Koordinierung und des Anstoßens von Maßnahmen langfristig der Agentur für Grundrechte übertragen werden könnte;
4. begrüßt die Initiative der Kommission, 2007 ein Europäisches Jahr für Chancengleichheit zu starten und wünscht, dass dieses zu einer Sensibilisierung des Bewusstseins für unterschiedliche Formen von Diskriminierung, Mehrfachdiskriminierungen und zu einer besseren Aufklärung über Beschwerdemöglichkeiten beitragen wird; hofft jedoch, dass solche Initiativen künftig längere Zeit im Voraus geplant werden; bekräftigt seinen Standpunkt, wonach die Kommission und die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass alle Formen von Diskriminierung gleichermaßen behandelt und angegangen werden und erinnert die Kommission an ihr Versprechen und ihre Verpflichtung, das Problem zu beobachten und dem Parlament Bericht zu erstatten; bedauert nach wie vor die Tatsache, dass für das Jahr gegen Diskriminierung angesichts der Bedeutung der Bekämpfung von Diskriminierungen nur unzureichende Mittel zur Verfügung gestellt wurden; fordert in Anbetracht der Tatsache, dass der Dialog zwischen den Kulturen auch den Aspekt der Diskriminierungsbekämpfung umfasst, dass im Rahmen des Europäischen Jahres des Dialogs zwischen den Kulturen (2008) die 2007 begonnen Maßnahmen fortgesetzt werden;
5. fordert die Kommission auf, eine Bildung und Erziehung im Sinne einer Pädagogik des Friedens, des Gewaltverzichts und des Dialogs zwischen den Kulturen zu fördern;
6. ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten nach der Erfassung von Daten nicht daran gehindert werden sollten, Maßnahmen im Interesse bestimmter Gruppen zu ergreifen, die nicht in Artikel 13 des EG-Vertrags aufgeführt werden und bei denen die Gefahr einer gesellschaftlichen Marginalisierung besonders hoch ist, beispielsweise Suchtkranke während einer Entzugstherapie, ehemalige Suchtkranke sowie Haftentlassene, d. h. Personen im Prozess der Reintegration in die Gesellschaft;
7. bedauert, dass die Charta der Grundrechte noch nicht rechtsverbindlich ist und fordert, dass dies geändert wird; fordert nachdrücklich, dass sich die Kommission bei ihrer systematischen und gründlichen Kontrolle, zu der sie sich im Hinblick auf die Vereinbarkeit ihrer Rechtsakte mit der Charta der Grundrechte verpflichtet hat, besonders darum bemüht, Diskriminierungen sowohl unmittelbarer als auch mittelbarer Art, die daraus für verschiedene Personengruppen entstehen könnten, aufzudecken; ist der Auffassung, dass die Kommission für jeden Gesetzgebungsvorschlag eine Abschätzung der Auswirkungen in Zusammenhang mit Diskriminierungen vornehmen sollte, um die Übereinstimmung der Politiken in allen Generaldirektionen der Kommission zu gewährleisten; vertritt die Ansicht, dass die Agentur für Grundrechte eng in die in diesem Rahmen durchgeführten Untersuchungen zur Folgenabschätzung einbezogen werden sollte;
8. ist wie die Kommission der Ansicht, dass es, um offenkundige Ungleichheiten zu beseitigen, die "endemischen", "strukturellen" oder "kulturellen" Charakter haben, und damit ein stark gestörtes Gleichgewicht wieder herzustellen, in einigen Fällen notwendig sein kann, zeitweilig von einem auf die Einzelperson bezogenen Gleichheitsverständnis abzukommen, zugunsten einer "Verteilungsgleichheit", die auf eine Personengruppe bezogen ist, indem so genannte "positive" Maßnahmen ergriffen werden;
9. betont, dass Begriffe wie "Positive Action", "Egalité Affirmative" oder "Verteilungsgleichheit" die gleiche Realität widerspiegeln und auf der Anerkennung der Tatsache beruhen, dass in bestimmten Fällen eine wirksame Bekämpfung von Diskriminierungen ein gezieltes Eingreifen seitens der zuständigen Behörden zur Wiederherstellung eines stark gestörten Gleichgewichts bedeutet; betont, dass diese Art der Intervention nicht mit einer Form von Diskriminierung, auch nicht einer "positiven" Diskriminierung gleichgesetzt werden darf, und dass das Konzept der positiven Maßnahmen nicht auf die Idee von Quoten reduziert werden darf; erinnert daran, dass diese Maßnahmen vielmehr verschiedenste Formen annehmen können, wie die Garantie von Einstellungsgesprächen, den bevorzugten Zugang zu Ausbildungsgängen, die den Zugang zu Berufen eröffnen, in denen bestimmte Gruppen unterrepräsentiert sind, die vorrangige Verbreitung von Stellenangeboten in bestimmten Bevölkerungsgruppen oder die Berücksichtigung von Berufserfahrung, statt nur Diplome anzuerkennen;
10. erinnert daran, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, spezifische Maßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, um Benachteiligungen im Zusammenhang mit einem der Diskriminierungsgründe gemäß Artikel 13 des EG-Vertrags zu verhindern oder auszugleichen, und betont, dass solche spezifischen Maßnahmen auf alle Sektoren ausgeweitet werden sollten, in denen gravierende Ungleichheiten festgestellt werden, unabhängig davon, ob es sich um den Bildungs- oder den Gesundheitsbereich, den Wohnungsbereich, den Zugang zu Waren und Dienstleistungen oder um andere Bereiche handelt;
11. ist sich der Tatsache bewusst, dass die geringe Vertretung bestimmter Gruppen in bestimmten Berufskategorien einen doppelt negativen Effekt haben kann, indem die Betreffenden entmutigt werden, sich um den Erwerb der für diese Berufe erforderlichen Kenntnisse zu bemühen, womit ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird; empfiehlt deshalb nachdrücklich, dass die hochrangige Arbeitsgruppe für ethnische Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt, die Ende 2006 ihren Bericht vorlegen soll, diesem Problem große Aufmerksamkeit widmet, und dass Bedingungen geschaffen werden, die allen Personengruppen den Zugang zu allen Formen und Ebenen des Studiums und der Ausbildung ermöglichen, und zwar in allen Altersgruppen, vom Kindesalter an, erforderlichenfalls durch positive Maßnahmen, um es benachteiligten Gruppen zu ermöglichen, Schul-, Hochschul- oder Berufsbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen, die ihnen ohne diese positiven Maßnahmen nicht zugänglich wären;
12. fordert die Mitgliedstaaten, die dies bisher versäumt haben, auf, eine Behörde zu schaffen, die auf Chancengleichheit und Bekämpfung von Diskriminierungen auf nationaler Ebene spezialisiert ist; betont nachdrücklich, dass diese Einrichtung unabhängig sein und mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet werden muss, um in der Lage zu sein, den Opfern von Diskriminierung bei ihren Beziehungen mit den Gerichten zu helfen; vertritt die Ansicht, dass diese Behörde auch mit Ermittlungsbefugnissen hinsichtlich der ihr übertragenen Fälle ausgestattet werden muss; vertritt die Auffassung, dass jede Herabstufung solcher Einrichtungen als eine nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinien gegen Diskriminierung betrachtet werden sollte; fordert die Kommission auf, die Situation in den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht sorgfältig zu bewerten, insbesondere den Beschluss der polnischen Regierung, das Amt des Regierungsbevollmächtigten für die Gleichstellung von Frauen und Männern abzuschaffen, eine Einrichtung, die für die Bekämpfung von Diskriminierung und die Förderung der Gleichstellung zuständig ist, wie dies im Bericht 2005 des EU-Netzwerks unabhängiger Sachverständiger im Bereich Grundrechte unterstrichen wurde;
Erhebung statistischer Daten
13. vertritt die Ansicht, dass die Richtlinie 95/46/EG keinesfalls ein Hindernis für die Erhebung von Daten insbesondere betreffend die ethnische Herkunft und Religion darstellt, sondern im Gegenteil einen notwendigen und wünschenswerten Schutz gegen jede missbräuchliche Verwendung solcher zu statistischen Zwecken erhobenen Daten bietet;
14. vertritt die Ansicht, dass ungeachtet kultureller, historischer oder verfassungsrechtlicher Erwägungen die Erhebung von Daten zur Lage von Minderheiten und benachteiligten Gruppen von wesentlicher Bedeutung ist, und dass Politiken und die Gesetzgebung zur Bekämpfung von Diskriminierung auf genauen und verlässlichen Daten beruhen müssen;
15. vertritt die Ansicht, dass die gemäß Richtlinie 95/46/EG einzusetzende Arbeitsgruppe nach Artikel 29 eine Stellungnahme ausarbeiten sollte, um die Bestimmungen der Richtlinie zu klären, die die Erhebung statistischer Daten in Bezug auf bestimmte Personengruppen erschweren könnten, und damit eine einheitliche Auslegung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten;
16. macht auf die Tatsache aufmerksam, dass, sobald personenbezogene Daten für ihre statistische Nutzung anonymisiert werden, die in diesen Statistiken enthaltenen Informationen nicht mehr als personenbezogene Daten anzusehen sind; erinnert daran, dass es außerdem zuverlässige Verfahren gibt, die die Anonymität wahren und traditionell in den Sozialwissenschaften Anwendung finden und somit die Ausarbeitung von Statistiken auf der Grundlage von als sensibel betrachteten Kriterien ermöglichen dürften;
17. begrüßt die Tatsache, dass die Kommission beabsichtigt, in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden und anderen interessierten Parteien Statistiken zur Bewertung von Diskriminierungsfällen auszuarbeiten; erwartet mit Interesse die Veröffentlichung des für 2006 angekündigten Handbuchs zur Datenerhebung;
18. erinnert daran, dass der Begriff der mittelbaren Diskriminierung untrennbar mit quantitativen Kriterien verbunden ist und dass es deshalb kontraproduktiv ist, die Erhebung von auf bestimmte Eigenschaften bezogenen statistischen Daten unter Berufung auf die Rechtsvorschriften für den Schutz personenbezogener Daten zu verhindern, da es ohne diese Daten nicht möglich ist, den Nachweis für das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung zu erbringen;
19. vertritt die Ansicht, dass es unabdingbar ist, die Beweisführung auf der Grundlage statistischer Daten zu erlauben, um wirksam alle Formen mittelbarer Diskriminierung zu bekämpfen und damit die Richtlinien der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen, durch die diese ausdrücklich verboten werden, ordnungsgemäß umzusetzen;
20. fordert die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die regionalen und örtlichen Behörden auf, ihre Statistikinstrumente so zu gestalten, dass Daten bezüglich Beschäftigung, Wohnung, Bildung und Einkommen für jede der Personengruppen verfügbar sind, die von einer Diskriminierung aufgrund eines der in Artikel 13 des EG-Vertrags genannten Kriterien betroffen sein könnten;
21. macht auf die Tatsache aufmerksam, dass eine Person, um in den Genuss einer bevorzugten Behandlung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer geschützten Gruppe zu gelangen, zunächst einmal als eine solche identifiziert werden muss, was voraussetzt, dass wichtige sie betreffende Daten verfügbar sind; erinnert daran, dass diese Daten insbesondere in Einklang mit den Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten und mit Artikel 3 Absatz 1 des Rahmenübereinkommens über den Schutz nationaler Minderheiten verarbeitet werden müssen;
Die Notwendigkeit ergänzender Gesetzgebung
22. bedauert, dass die Kommission ungeachtet der wiederholten Forderungen des Parlaments derzeit nicht beabsichtigt, einen umfassenden Rechtsakt auf dem Gebiet der Diskriminierungsbekämpfung auszuarbeiten; weist darauf hin, dass bessere Rechtsetzung nicht nur bedeutet, dass unnötige Rechtsakte eliminiert werden, sondern auch, dass Gesetzgebung als Antwort auf die starken politischen Signale des Europäischen Parlaments ausgearbeitet wird; plädiert nachdrücklich dafür, dass vor Mitte 2007 ein neuer Rechtsakt vorgelegt wird, der alle in Artikel 13 des EG-Vertrags genannten Diskriminierungsgründe abdeckt und den gleichen Anwendungsbereich hat wie die Richtlinie 2000/43/EG;
23. fordert die Mitgliedstaaten auf, in ihrer Gesetzgebung die in Artikel 21 der Charta der Grundrechte genannten verschiedenen Diskriminierungsgründe gebührend zu berücksichtigen, um der Charta die Glaubwürdigkeit zu verleihen, die ihr bislang durch ihren nicht rechtsverbindlichen Charakter vorenthalten blieb;
24. fordert die Mitgliedstaaten auf, ohne Vorbehalte oder einschränkende Erklärungen Verpflichtungen im Rahmen von Menschenrechtsübereinkommen im Bereich der Nichtdiskriminierung und des Schutzes von Personen, die Minderheiten und anderen sensiblen Gruppen angehören, zu übernehmen, und diesen Verpflichtungen gewissenhaft nachzukommen;
25. vertritt die Ansicht, dass traditionelle nationale Minderheiten für ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen, die ihre Identität betreffen, dringend einen Regelungsrahmen benötigen und durch verschiedene Formen der Selbstverwaltung oder Autonomie geschützt werden müssen, um die durch die Kopenhagener Kriterien einerseits und das Fehlen diesbezüglicher Bestimmungen in den Mitgliedstaaten andererseits geschaffenen zweierlei Maßstäbe zu überwinden;
26. fordert die Kommission auf, ihren Verpflichtungen als Hüterin der Verträge aktiv nachzukommen und Sofortmaßnahmen gegen Mitgliedstaaten zu ergreifen, die Gemeinschaftsrechtsakte, welche Diskriminierung auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags verbieten, noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben, wie die Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG; erinnert daran, dass der Gerichtshof bereits mehrere Mitgliedstaaten wegen Nichtumsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien verurteilt hat und fordert diese Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachzukommen; vertritt die Ansicht, dass gegen neue Mitgliedstaaten, die die Antidiskriminierungsrichtlinien nicht umgesetzt haben, ebenso wie gegen alte Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden müssen; fordert die Kommission auf, unverzüglich Qualität und Inhalt der Gesetze zur Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien zu prüfen, unter anderem auf der Grundlage der vom Netz unabhängiger Sachverständiger für Diskriminierungsbekämpfung ausgearbeiteten Berichte, und gegen diejenigen Mitgliedstaaten, die die Richtlinien nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben, umgehend beim Gerichtshof Klage zu erheben;
27. fordert die Kommission auf, sich bei einer künftigen Neufassung der Rechtsakte im Bereich der Diskriminierungsbekämpfung besonders eingehend den Problemen der Mehrfachdiskriminierung und der Rassentrennung, die einer Form der Diskriminierung gleichkommt, zuzuwenden und sich noch einmal eingehend mit dem Problem der mittelbaren Diskriminierung zu befassen, in dem sie ausdrücklich die Beweisführung anhand von Statistiken über Diskriminierungen zulässt;
28. fordert nachdrücklich, dass die neue Agentur für Grundrechte, die im Jahr 2007 ihre Arbeit aufnehmen soll, eng in den neuen Rahmen für Diskriminierungsbekämpfungsmaßnahmen einbezogen wird und die politisch Verantwortlichen in der Europäischen Union mit aktuellen, zweckmäßigen, zuverlässigen, umfassenden und relevanten Informationen versorgt, auf deren Grundlage künftige Maßnahmen und Gesetze entwickelt werden können; vertritt die Ansicht, dass es in Anbetracht der Besorgnisse hinsichtlich der Aufgaben und Funktion der Agentur für Grundrechte von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Agentur in die Anti-Diskriminierungspolitik der Europäischen Union eingebunden wird und eine wichtige Rolle in diesem Rahmen übernimmt;
29. fordert den Rat auf, den Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit(7) anzunehmen, mit dem ein rechtlicher Rahmen für die strafrechtliche Verfolgung rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt geschaffen werden soll, da dieser Beschluss zur Förderung der notwendigen Erhebung von Daten über rassistisch motivierte Gewalt und Verbrechen in der ganzen Europäischen Union beitragen würde; ist überzeugt, dass der Rahmenbeschluss sich ausdrücklich mit Homophobie, Antisemitismus, Islamophobie und anderen Arten von Phobie oder Hass basierend auf der ethnischen Zugehörigkeit, der Rasse, der sexuellen Ausrichtung, der Religion oder anderen irrationalen Gründen beschäftigen sollte;
30. fordert die Kommission nachdrücklich auf, Vorschläge für ein Verbot der Diskriminierungen vorzulegen, die gleichgeschlechtliche – verheiratete oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebende – Paare in ihrem Alltag erleiden, besonders, wenn sie das im EU-Recht festgeschriebene Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen; fordert, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auch in diesem Bereich angewandt wird;
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31. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.