Entschließung des Europäischen Parlaments zur Verringerung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs (2005/2249(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat, an das Europäische Parlament, an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und an den Ausschuss der Regionen mit dem Titel Verringerung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs (KOM(2005)0459),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. November 2005 zur Strategie für eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Klimaänderung(1),
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr (A6-0201/2006),
A. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union das Ziel gesetzt hat, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, und als Ziel auf globaler Ebene vorgeschlagen hat, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf 2°C gegenüber dem vorindustriellen Stand zu begrenzen,
B. unter Hinweis auf die Feststellung in seiner Entschließung vom 16. November 2005, dass die Industriestaaten weitreichende Emissionssenkungen – 30 % bis zum Jahr 2020 und 60-80 % bis zum Jahr 2050 – vornehmen müssen,
C. in der Erwägung, dass der Beitrag des Luftverkehrs zum Klimawandel erheblich ist und rasch zunimmt,
D. in der Erwägung, dass in dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen zu Klimaänderungen (UNFCCC) und des Kyoto-Protokolls hierzu sowie in anderen internationalen Vertragswerken im Bereich des Klimawandels keinerlei Verpflichtung für den internationalen Luftverkehr vorgesehen ist,
E. in der Erwägung, dass die Europäische Union bei der Bekämpfung des Klimawandels eine Vorreiterrolle spielen und durch regionale und frühzeitige Maßnahmen ein Beispiel dafür bieten sollte, wie die Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima bewältigt werden können,
1. begrüßt die Mitteilung der Kommission und ihre Auffassung, dass ein umfassendes Maßnahmenpaket einschließlich rechtlicher, wirtschaftlicher, technologischer und operativer Instrumente zur Bekämpfung aller Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima notwendig ist, wobei das "Verursacherprinzip" anzuwenden und eine umfassende Kosteninternalisierung sicherzustellen ist;
2. betont, dass das Gesamtziel der verwendeten Politikinstrumente darin bestehen muss, die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs in kostenwirksamer Weise zu verringern; ist der Ansicht, dass durch die Auswahl dieser politischen Instrumente sichergestellt werden muss, dass die Verringerung der Treibhausgasemissionen so umfassend wie möglich ausfällt, die Wettbewerbsverzerrung zwischen europäischen Luftverkehrsunternehmen und Luftverkehrsunternehmen von außerhalb der Europäischen Union minimiert und der unfaire Wettbewerb zwischen dem Luftverkehrssektor und anderen Verkehrssektoren innerhalb der Europäischen Union abgebaut wird;
3. betont, dass in dieser Hinsicht jede Form einer unnötigen bürokratischen Belastung ausgeschlossen sein muss, insbesondere mit Blick auf kleinere Luftverkehrsunternehmen, die auf dem Markt bestehen;
4. unterstützt nachdrücklich die Absicht der Kommission, die Einführung von Kerosinsteuern weiter zu verfolgen, und fordert sie auf, unverzüglich eine Abgabe auf alle Inlandsflüge und alle Flüge innerhalb der Europäischen Union anzustreben (mit der Möglichkeit einer Freistellung aller Fluggesellschaften auf Strecken, auf denen Nicht-EU-Fluggesellschaften operieren); fordert die Kommission auf, die Modalitäten für eine weltweite Einführung auszuarbeiten;
5. betont, dass bei der laufenden Neuaushandlung der Abkommen über Luftverkehrsdienstleistungen, insbesondere mit den USA, dringend Ergebnisse erforderlich sind, damit die Treibstoffsteuer bedingungslos und diskriminierungsfrei auf EU-Fluggesellschaften und Nicht-EU-Fluggesellschaften angewendet werden kann;
6. betont, dass die Steuerbefreiungen für den Luftverkehr und andere Ungleichgewichte zu einem äußerst unfairen Wettbewerb zwischen der Luftfahrt und anderen Verkehrssektoren führen;
7. betont, dass dies insbesondere eine Belastung für den Eisenbahnverkehr darstellt, weil der Eisenbahnverkehr nicht nur steuerlich belastet wird, sondern auch dem Emissionshandelssystem der Europäischen Union unterliegt, wodurch die Kosten für diesen umweltfreundlichen Verkehrsträger erheblich steigen;
8. betont, dass diese Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Verkehrssektoren auch zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen touristischen Regionen führen und solche Regionen benachteiligen, zu denen die Anreise hauptsächlich per Auto, Bus oder Eisenbahn erfolgt;
9. betont, dass es notwendig ist, eine gerechte Lösung für die Umweltprobleme, die durch den Luftverkehr verursacht werden, zu finden;
10. befürwortet die Einführung von Abgaben als einen Schritt zu einer umfassenden Kosteninternalisierung, wobei ihre Rolle und ihr Umfang davon abhängig gemacht werden müssen, inwieweit ein Emissionshandelssystem den nachstehenden Anforderungen gerecht werden kann;
11. fordert, der Situation der am stärksten isolierten Gebiete, die besonders vom Luftverkehr abhängig sind, besondere Aufmerksamkeit zu schenken und dabei speziell den Inselgebieten oder den Gebieten in äußerster Randlage, für die es nur begrenzt alternative Lösungen gibt oder solche gar nicht bestehen;
12. begrüßt die Ausführungen des österreichischen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel in seiner Funktion als Vorsitzender des Europäischen Rates vor dem Europäischen Parlament am 18. Januar 2006, in denen er auf dieses Problem einging; fordert den amtierenden Vorsitz auf, konkrete Vorschläge in diesem Bereich auszuarbeiten;
13. betont, dass ein besseres Flugverkehrsmanagement dringend erforderlich ist, um die Entstehung von CO2-Emissionen, Kondensstreifen und Zirruswolken zu verringern; hält dies für eine kostenwirksame Maßnahme;
14. verlangt weitere Forschungsanstrengungen, um unser Wissen über die Gesamtauswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima zu vergrößern; hält es für besonders wichtig, die Auswirkungen von Flugzeugkondensstreifen (Wasserdampf) zu klären und herauszufinden, in welchem Maße Flüge in niedrigeren Höhen die Gesamtemissionen und somit die klimatischen Auswirkungen verringern würden, sowie den Wärmeeffekt in der Stratosphäre freigesetzter Aerosole zu bewerten;
15. fordert die Kommission dringend auf, die Einführung von Bio-Treibstoffen für den Luftverkehr als einen Beitrag zur Verringerung der Auswirkungen auf den Klimawandel zu fördern;
16. betont, dass die Forschung und Entwicklung sauberer Motor-Technologien und alternativer Kraftstoffe auch im Siebten Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Innovation (Siebtes FTE-Rahmenprogramm) Priorität erhalten müssen; ist der Auffassung, dass ein integrierter Ansatz verfolgt werden sollte, der sowohl auf der Ebene des Emissionshandels greift wie auch bei der Schaffung sauberer Motoren und Kraftstoffe ansetzt, um auch andere Emissionen als CO2 im Luftfahrtsektor zu senken;
17. hält es daneben für notwendig, die wissenschaftlichen und technischen Ziele einer Verbesserung der Energieeffizienz von Flugzeugen und Hubschraubern weiter zu verfolgen;
18. betont, dass Maßnahmen zur Förderung technologischer Innovationen in der Raum- und Luftfahrt im Siebten FTE-Rahmenprogramm sowie der Verbesserung des Luftverkehrsmanagements durch die Vorschriften über den einheitlichen europäischen Luftraum eine entscheidende Bedeutung bei der Emissionsreduzierung zukommt;
19. fordert die Kommission auf, unverzüglich Initiativen für eine Verbesserung der Flugverkehrskontrolle und des Flugverkehrsmanagements im Rahmen des Vorhabens SESAR (Single European Sky Air Traffic Research) und der Rechtsvorschriften über den einheitlichen europäischen Luftraum im Hinblick auf eine höhere Energieeffizienz der Flüge und eine Verringerung oder Vermeidung der Kondensstreifenbildung zu ergreifen;
20. ersucht die Kommission, dafür zu sorgen, dass Mittel aus dem Siebten FTE-Rahmenprogramm im Rahmen der Forschungszusammenarbeit für ökologische Fortschritte und die Verbesserung der Energieeffizienz bei den Motoren von Flugzeugen und Hubschraubern bereitgestellt werden;
Einbeziehung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem der Europäischen Union
21. erkennt an, dass der Emissionshandel in einem umfassenden Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs eine Rolle spielen kann, sofern er angemessen organisiert wird;
22. betont, dass die Umweltwirksamkeit eines Emissionshandelssystems davon abhängt, dass sein geografischer Geltungsbereich groß genug ist, die Höchstmenge streng gehandhabt wird, die ursprünglichen Zuteilungen in vollem Umfang versteigert werden, alle Klimaauswirkungen berücksichtigt werden und bei der Zuteilung das technologische Niveau und frühzeitige Maßnahmen sowie alle Klimaauswirkungen berücksichtigt werden;
23. fordert die Kommission auf, unverzüglich eine Folgenabschätzung der spezifischen Parameter ihrer Gestaltungsvorschläge vorzulegen, z.B. Höchstmenge für die Luftfahrt, Einhaltung, Wahl der beteiligten Stelle (Flugzeugbetreiber, Fluggesellschaften oder Flughäfen), und Vorschläge vorzulegen, die sicherstellen, dass das Emissionshandelssystem der Europäischen Union auf Fluggesellschaften von außerhalb der Europäischen Union anwendbar sein wird;
24. schlägt die Einführung eines gesonderten Systems für Emissionen des Luftverkehrs vor, da der Luftverkehrssektor deswegen keine Emissionen im Emissionshandelssystem der Europäischen Union verkaufen könnte, weil die Emissionen des internationalen Luftverkehrs nicht im UNFCCC und im Kyoto-Protokoll berücksichtigt sind;
25. stellt fest, dass die Buchführung durch ein gesondertes, geschlossenes System wesentlich erleichtert würde; ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der Fluggesellschaften, im Emissionshandelssystem der Europäischen Union Emissionsrechte zu kaufen, sorgfältig geprüft und nur beschränkt gewährt werden sollte;
26. betont, dass es für den Fall einer letztlichen Einbeziehung des Luftverkehrs in das erweiterte Emissionshandelssystem der Europäischen Union zumindest eine Pilotphase für ein gesondertes System im Zeitraum 2008-2012 geben sollte;
27. stellt fest, dass die mögliche Einbeziehung von Gutschriften aus Drittstaaten in ein gesondertes System (z.B. Sauberer Entwicklungsmechanismus und Gemeinsame Durchführung) oder von Gutschriften aus regionalen Emissionshandelssystemen in Ländern, die keine Parteien des Kyoto-Protokolls sind, auf ein Niveau begrenzt werden muss, das gewährleistet, dass der Sektor wirksam zur Erreichung des Gesamtziels der Eindämmung des Klimawandels beiträgt, und das den bürokratischen Aufwand verringert und die Transparenz verbessert;
28. schlägt vor, dass für den Fall, dass der Luftverkehr letztlich im erweiterten Emissionshandelssystem der Europäischen Union berücksichtigt wird, die darauf angewendeten Sonderbedingungen gewährleisten müssen, dass weniger geschützte Sektoren dadurch nicht diskriminiert werden: Begrenzung der Anzahl der Emissionsrechte, die auf dem Markt gekauft werden dürfen, und Verpflichtung, vor der Erteilung der Genehmigung zum Kauf von Emissionsrechten einen Teil der notwendigen Emissionsreduzierungen ohne Handel zu erreichen;
29. fordert die Kommission auf, zusätzlich zum Emissionshandelssystem der Europäischen Union andere politische Maßnahmen zur Bekämpfung der nicht durch CO2 bedingten Auswirkungen vorzuschlagen; glaubt, dass im Fall unklarer Auswirkungen das Vorsorgeprinzip angewendet werden sollte; ist der Ansicht, dass zusätzlich zu den Klimaauswirkungen der Luftverschmutzung und den Lärmemissionen von Flugzeugen bei Start und Landung besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte; fordert die Kommission auf, Forschungsprogramme zu fördern, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse über nicht durch CO2 bedingte Auswirkungen zu verbessern und die Bemühungen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation bei der Entwicklung von Normen für NOx zu unterstützen;
30. schließt nicht aus, dass in Zukunft auch flankierende (lokale) Maßnahmen ergriffen werden müssen;
Geltungsbereich eines Systems für den Luftverkehr
31. ist der Auffassung, dass ein System für den Luftverkehr als ersten Schritt alle Flüge von und zu einem Flughafen in der Europäischen Union erfassen sollte (nach Möglichkeit auch Interkontinentalflüge durch den Luftraum der Europäischen Union), unabhängig vom Herkunftsland des jeweiligen Luftfahrtunternehmens, um damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für Fluggesellschaften mit unterschiedlichen Streckenprofilen zu gewährleisten, Marktverzerrungen zu Gunsten von Bestimmungsorten außerhalb der Europäischen Union zu vermeiden, die Umweltwirksamkeit sicherzustellen, Quersubventionierungen zu vermeiden und den Flugzeugbau zu beeinflussen; betont, dass ein weltweites Emissionshandelssystem so rasch wie möglich eingeführt werden muss;
32. verweist darauf, dass die Kommission nach sorgfältiger Prüfung zu der Auffassung gelangt ist, dass ein solch breiter Geltungsbereich mit internationalen Übereinkommen, beispielsweise den WTO-Vorschriften, vereinbar ist; fordert die Kommission und den Rat auf, diese Position in internationalen Organisationen gegen mögliche Angriffe von Drittstaaten zu verteidigen;
Ursprüngliche Zuteilung
33. betont, dass das Gesamtniveau der ursprünglichen Zuteilung den Kyoto-Zielen entsprechen sollte und daher keinen Emissionsanstieg über das Basisjahr hinaus zulassen darf;
34. ist der Auffassung, dass das Volumen der ursprünglichen Zuteilung auf EU-Ebene festgelegt werden muss, weil die Mitgliedstaaten bei einer Festlegung auf nationaler Ebene übermäßig großzügige Zuteilungen vornehmen könnten, was den Markt verzerren und die Umweltwirksamkeit des Systems beeinträchtigen würde;
35. betont, dass das Zuteilungsverfahren weder direkt noch indirekt solche Unternehmen bestrafen sollte, die bereits effiziente Flugzeuge einsetzen, damit frühzeitiges Handeln unter allen Umständen anerkannt wird, und dass der Hauptdruck für Veränderungen auf Fluggesellschaften gelegt wird, deren Flugzeuge eine schlechte Treibstoffeffizienz haben;
Zuteilungsmethode
36. ist der Auffassung, dass sich Versteigerungen am besten für die Zuteilung von Emissionsrechten eignen, weil sie der Dynamik dieses Sektors entsprechen und neue Marktteilnehmer oder Regionen, die sich in diesem Sektor noch entwickeln müssen, nicht diskriminieren;
37. stellt fest, dass Versteigerungen auch den Anforderungen des "Verursacherprinzips" entsprechen und weiteren Umweltnutzen erbringen, wenn die Einnahmen angemessen belastet werden, und dass sie automatisch gute Leistungen der Fluggesellschaften in der Vergangenheit und in der Zukunft belohnen;
38. betont, dass eine letztliche teilweise freie Zuteilung von Emissionsrechten, sei es durch eine Bestandsschutzklausel oder durch Benchmarking, diejenigen Marktteilnehmer nicht diskriminieren sollte, die dem System nach der ursprünglichen Zuteilung beitreten; hält es deshalb für erforderlich, besondere Vorschriften für neue Systemteilnehmer vorzusehen;
39. verweist auf die Wahrscheinlichkeit, dass die freie Zuteilung von Emissionsrechten, sei es durch Bestandsschutzklauseln oder durch Benchmarking, zu überraschenden Gewinnen für den Sektor auf Kosten der Verbraucher führen würde, weil die Marginalkostenpreise trotz der freien Zuteilung auf dem Marktpreis der Emissionsrechte beruhen; betont, dass dies nicht das Ziel dieser Politik sein darf;
40. ist der Auffassung, dass die freie Zuteilung von Emissionsrechten durch eine Bestandsschutzklausel die schlechteste aller Möglichkeiten darstellt, weil sie frühzeitige Maßnahmen der Fluggesellschaften bestraft, und dass die freie Zuteilung durch Benchmarking zwar theoretisch einen besseren Ansatz bietet, jedoch das Risiko einer übermäßigen Kompliziertheit und Bürokratie beinhaltet, wobei sich das effektiv beste Ergebnis durch keine Berechnungsmethode genau bestimmen lässt;
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41. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.