Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Darfur
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage im Sudan und in Darfur im Besonderen,
– in Kenntnis der einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, insbesondere der Resolution 1706 des UN-Sicherheitsrats vom 31. August 2006,
– unter Hinweis auf den Beschluss der Afrikanischen Union vom April 2004, die Afrikanische Mission im Sudan (AMIS) zu begründen,
– unter Hinweis auf den globalen "Tag für Darfur" vom 17. September 2006,
– unter Hinweis auf das am 5. Mai 2006 in Abuja, Nigeria, unterzeichnete Friedensabkommen für Darfur,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Konflikt zwischen Regierungstruppen, die Regierung unterstützenden Milizen und Rebellen in der Region Darfur trotz der Unterzeichnung eines Friedensabkommens für Darfur am 5. Mai 2006 in den vergangenen drei Jahren mehr als 200 000 Opfer gefordert hat und für über 2 Millionen Binnenvertriebene und Flüchtlinge verantwortlich ist,
B. in der Erwägung, dass das Friedensabkommen für Darfur die Grundlage für Stabilität, Frieden und Aussöhnung in Darfur bleibt, trotz der Aussage des UN-Sonderbeauftragten Jan Pronk, dass das Friedensabkommen für Darfur "nearly dead" (fast tot) sei,
C. in der Erwägung, dass Jan Egeland, dem UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, zufolge die humanitäre Situation und die Sicherheitslage in Darfur schlechter sind denn je seit 2004 und dass die Zugangsmöglichkeiten für humanitäre Hilfsorganisationen sich ständig verschlechtern, was soweit geht, dass einige Gegenden von Darfur nunmehr von Mitarbeitern humanitärer Organisationen überhaupt nicht mehr betreten werden können, was bedeutet, dass Tausende Menschen in Darfur keinen Zugang zu Hilfe haben,
D. in der Erwägung, dass der Waffenstillstand in der Region weiterhin von allen Parteien verletzt wird, wobei sich die Gewalt oft gegen die Zivilbevölkerung richtet, und dass die jüngst verzeichnete militärische Aufrüstung in Darfur und die Verstärkung der Regierungstruppen in der Region zu erneuten Kämpfen in Gegenden Nord - Darfurs geführt haben,
E. in der Erwägung, dass nach der "Verantwortung für den Schutz", wie sie die Vereinten Nationen verstehen, gilt, dass der UN-Sicherheitsrat ein militärisches Eingreifen nach Kapitel VII beschließen kann, wenn "die nationalen Behörden offensichtlich dabei versagen, ihre Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen",
F. in der Erwägung, dass der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1706 die Genehmigung erteilt hat, dass eine neue UN-Friedenstruppe von bis zu 22 500 Soldaten und Polizisten die Darfur - Operationen von der Afrikanischen Mission im Sudan (AMIS) übernimmt, gleichzeitig aber seine uneingeschränkte Achtung der sudanesischen Souveränität, Einheit, Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit bekräftigt hat,
G. in der Erwägung, dass die Regierung des Sudan weiterhin eine solche UN-Truppe daran hindert, in den Sudan einzureisen,
H. in der Erwägung, dass der Konflikt in Darfur – und die Nichtahndung von Straftaten – zunehmend die Stabilität der zentralafrikanischen Region gefährdet und Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene bedroht,
I. in der Erwägung, dass die UNO in Anbetracht des Beschlusses der Afrikanischen Union vom 20. September 2006, das derzeitige Mandat ihrer Friedenstruppe in Darfur bis Ende des Jahres zu verlängern, versprochen hat, weitere logistische und materielle Unterstützung für AMIS bereitzustellen,
J. in der Erwägung, dass der UN-Sicherheitsrat im März 2005 den Internationalen Strafgerichtshof mit der Lage in Darfur befasst hat,
1. fordert die Regierung des Sudan nachdrücklich auf, die UN - Friedenstruppe nach Kapitel VII der UN-Charta zu akzeptieren;
2. betont, dass der Sudan bei der "Verantwortung für den Schutz" seiner eigenen Bevölkerung versagt hat und deshalb verpflichtet ist, eine UN-Truppe gemäß der Resolution 1706 des UN - Sicherheitsrates zu akzeptieren; fordert den UN-Sicherheitsrat auf, dahingehend Druck auf die sudanesische Regierung auszuüben, dass sie die Stationierung der bereits genehmigten UN-Mission für Darfur mit einem klaren Mandat nach Kapitel VII und ausgeweiteten Kapazitäten für eine solche Mission auf der Grundlage der Resolution 1706 des UN-Sicherheitsrates akzeptiert;
3. fordert, dass die sudanesische Regierung nicht nur die Stationierung und die Tätigkeit der UN-Mission in Darfur nicht behindert, sondern auch die notwendigen Voraussetzungen für das effektive Funktionieren dieser Mission schafft; betont, dass künftig alle Versäumnisse der sudanesischen Regierung in dieser Hinsicht sanktioniert werden;
4. fordert die internationale Gemeinschaft und alle betroffenen Parteien auf, Wege zu ersinnen, um effektiv und rasch zu einer erfolgreichen Operation der UN-Mission in Darfur und einer Regelung der Krise beizutragen;
5. fordert China und Russland auf, bei den Bemühungen der Vereinten Nationen dahingehend, dass eine UN-Friedenstruppe stationiert werden kann, eine positive Rolle zu übernehmen und ihren Einfluss in der Region geltend zu machen, um die Stationierung dieser Mission zu erleichtern und jegliches Blutvergießen zu verhindern;
6. fordert China in diesem Zusammenhang auf, auf der gemeinsamen Erklärung Chinas und der Europäischen Union vom 9. September 2006 aufzubauen, in der die führenden Persönlichkeiten betonen, dass ein Übergang von einem Einsatz der Afrikanischen Union zu einem Einsatz der Vereinten Nationen dem Frieden in Darfur zuträglich wäre; fordert die chinesische Regierung nachdrücklich auf, sich im Sinne dieser Erklärung zu verhalten und ihren Einfluss auf den Sudan zu nutzen, um dessen Regierung zu veranlassen, eine UN-Friedenstruppe zu akzeptieren;
7. fordert die Arabische Liga auf, ihre Haltung gegenüber der andauernden Unnachgiebigkeit des Sudan gegenüber dem Erfordernis einer UN-Friedenstruppe, durch die sie sich mitschuldig macht, aufzugeben;
8. verweist auf die von den Vereinten Nationen im Anschluss an den Völkermord in Ruanda eingegangenen Verpflichtungen, um ihrer politischen Verantwortung in Afrika wirksamer gerecht zu werden;
9. fordert die Europäische Union auf, die dringende Durchsetzung des durch die Resolution 1591 des UN-Sicherheitsrats von 2005 verhängten Flugverbots über Darfur zu verlangen; fordert die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, sich mit dem Tschad in Verbindung zu setzen, um die Durchsetzung des Flugverbots vom östlichen Tschad aus zu erörtern;
10. verurteilt die anhaltenden Verletzungen des Waffenstillstands durch alle Parteien und insbesondere die gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Gewalt sowie die gezielten Angriffe auf humanitäre Hilfsorganisationen;
11. fordert alle Parteien, auch die sudanesische Regierung, auf, die Militäroperationen in Darfur unverzüglich einzustellen, das Waffenstillstandsabkommen einzuhalten und ihre im Friedensabkommen von Darfur eingegangenen Verpflichtungen zu respektieren und umzusetzen;
12. fordert die Nichtunterzeichner des Friedensabkommens für Darfur auf, das Abkommen zu unterzeichnen, einzuhalten und umzusetzen;
13. fordert vertrauensbildende Maßnahmen wie einen "Darfur - Darfur - Dialog" und eine Konsultation zwischen allen am Konflikt in Darfur beteiligten Parteien unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft;
14. nimmt Kenntnis von der Verlängerung des Mandats der AMIS bis zum Jahresende; unterstreicht die dringende Notwendigkeit, das Mandat und die Aufgaben dieser Truppe auszuweiten sowie ausreichende Finanzmittel und logistische und materielle Unterstützung für sie bereitzustellen, damit sie effektiv zur Umsetzung des Friedensabkommens für Darfur beitragen kann;
15. fordert die Europäische Union und die anderen internationalen Akteure auf, speziell mit den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union zusammenzuarbeiten, um zu gewährleisten, dass die Friedenstruppen in Darfur in der Lage sind, rasch auf Verletzungen des Waffenstillstands oder Provokationen seitens aller Parteien zu reagieren;
16. fordert die Europäische Union, die USA und die anderen internationalen Akteure auf, Sanktionen anzuwenden, die sich gegen alle Parteien - einschließlich der Regierung - richten, die den Waffenstillstand verletzen oder Zivilisten, friedenserhaltende oder humanitäre Organisationen angreifen, und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um durch die Durchsetzung der Sanktionsbestimmungen des UN- Sicherheitsrates dabei zu helfen, die Straflosigkeit zu beenden;
17. fordert die sudanesische Regierung und die internationale Gemeinschaft auf, umfassend mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten, um die Straflosigkeit zu beenden;
18. fordert alle ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf, ihrer globalen Verantwortung gerecht zu werden und keine Maßnahmen zu behindern, die Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region Darfur des Sudans fördern sollen, sondern vielmehr alle geeigneten Schritte im Hinblick auf eine nachhaltige Regelung des Konflikts zu unterstützen und zu fördern;
19. fordert alle Parteien, insbesondere die sudanesische Regierung, auf, dem humanitären Personal uneingeschränkten, sicheren und ungehinderten Zugang zu allen Menschen in Not in Darfur zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die humanitäre Hilfe auch ankommt, insbesondere bei den Binnenvertriebenen und den Flüchtlingen;
20. fordert, dass die humanitäre Hilfe der internationalen Gemeinschaft für die fast 3 Millionen Menschen, die für ihre Ernährung, Unterkünfte und medizinische Versorgung vollkommen von der internationalen Hilfe abhängig sind, erheblich aufgestockt wird;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem AKP-EU-Ministerrat, der Regierung des Sudan, der Afrikanischen Union und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.