Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Jahresbericht der Kommission an das Europäische Parlament über die Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen von Drittländern gegen die Gemeinschaft (2004) (2006/2136(INI))
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Jahresberichts der Kommission an das Europäische Parlament über Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen von Drittländern gegen die Gemeinschaft (2004) (KOM(2005)0594),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Oktober 2002 zu dem Neunzehnten Jahresbericht der Kommission an das Europäische Parlament über die Antidumping- und die Antisubventionsmaßnahmen der Gemeinschaft – Überblick über die Überwachung der Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen sowie der Schutzmaßnahmen von Drittländern(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 14. Dezember 1990 zur Antidumpingpolitik der Europäischen Gemeinschaft(2) und vom 25. Oktober 2001 zu Offenheit und Demokratie im Welthandel(3),
– in Kenntnis der Ministererklärung der 4. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Doha (Katar), wonach laut Ziffer 28 über die Reform der Abkommen über die Anwendung von Artikel VI des GATT von 1994 Verhandlungen zu führen sind, um die Bestimmungen über Disziplin zu klären und zu verbessern,
– in Kenntnis von Ziffer 30 dieser Erklärung, wonach die Streitbeilegungsvereinbarung (DSU) einer Verbesserung und Klarstellung bedarf,
– in Kenntnis der Ministererklärung der 6. WTO-Ministerkonferenz über die Entwicklungsagenda von Doha und insbesondere der Ziffern 28 und 34 sowie der Anlage D,
– in Kenntnis des 23. Jahresberichts der Kommission an das Europäische Parlament über die Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen der Gemeinschaft (2004) (KOM(2005)0360),
– gestützt auf Artikel 45 und Artikel 112 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für internationalen Handel (A6-0243/2006),
A. in der Erwägung, dass die Europäische Union einer der Hauptakteure des internationalen Handels und weiterhin eine Wirtschaftsgroßmacht ist, die im Jahr 2004 bei den Exporten weltweit führend war,
B. in der Erwägung, dass infolge der Entwicklung des internationalen Handels der Zugang zu ausländischen Märkten ebenso große Bedeutung erlangt wie der Schutz der eigenen Märkte vor unlauteren Handelspraktiken,
C. in der Erwägung, dass die Liberalisierung des Handels und das gestiegene Handelsvolumen dem internationalen Wettbewerb zwar durchaus förderlich sind, dass dadurch aber auch die Gefahr zunimmt, dass die Exporte eines bestimmten Landes unter Handelsschutzmaßnahmen fallen können, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen der Gemeinschaft beeinträchtigt,
D. in der Erwägung, dass die Gemeinschaft sich gemäß der kürzlich überarbeiteten "Strategie von Lissabon" zum Ziel gesetzt hat, die europäische Wirtschaft insbesondere dadurch zu stärken, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft in der Weltwirtschaft erhöht wird,
E. in der Erkenntnis, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft eng mit der Schaffung eines möglichst offenen und fairen Welthandelssystems zusammenhängt,
F. in der Erwägung, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der Europäischen Union darunter zu leiden hat, dass sowohl innerhalb der Gemeinschaft als auch außerhalb tarifäre und nichttarifäre Hemmnisse in den Weg gelegt werden, die nicht den WTO-Regeln entsprechen,
G. in der Erkenntnis, dass die Gemeinschaft in dem Ruf steht, die Instrumente zum Schutz des Handels "moderat" zu handhaben, und somit jegliches Interesse daran hat, dass ihre internationalen Partner Vorschriften und Vorgehensweisen entwickeln, die weitestgehend den WTO-Regeln entsprechen,
1. ist besorgt über den Anstieg der Fälle handelspolitischer Schutzmaßnahmen nicht nur von den Staaten, die "gewöhnlich" zu derartigen Maßnahmen greifen, sondern auch von anderen WTO-Mitgliedern, die zu den Schwellenländern gehören; ist der Auffassung, dass die Regeln der WTO in manchen Fällen nicht voll und ganz eingehalten worden sind; fordert alle europäischen Handelspartner auf, sich strikt an die WTO-Regeln zu halten, um ungerechtfertigten wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden;
2. fordert die Handelspartner der Gemeinschaft auf, die geltenden Abkommen und die Rechtsprechung der WTO in Bezug auf handelspolitische Schutzmaßnahmen in Geist und Buchstaben stärker zu respektieren und auf protektionistische Maßnahmen zu verzichten; fordert insbesondere, dass die Untersuchungen über Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen transparent und unparteiisch durchgeführt werden;
3. ist erfreut über die Unterstützung, die die Kommission den Mitgliedstaaten und der europäischen Industrie in den Fällen leistet, in denen von Drittländern handelspolitische Schutzmaßnahmen ergriffen wurden; fordert die Kommission auf, die von Drittländern eingeleiteten Verfahren ständig im Auge zu behalten, um festzustellen zu können, ob sie angemessen und korrekt sind;
4. ermuntert die Kommission, gemeinsam mit den betroffenen Mitgliedstaaten Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaftsindustrie zu ergreifen, wenn feststeht, dass die Regeln des internationalen Handels nicht eingehalten werden;
5. hält es für möglich, dass viele der durch die Anwendung handelspolitischer Schutzmaßnahmen ausgelösten Konflikte zur gegenseitigen Zufriedenheit der Betroffenen gütlich beigelegt werden könnten; ist der Auffassung, dass die Kommission das Streitbeilegungsgremium der WTO nur als allerletzten Ausweg anrufen sollte;
6. gibt seiner Genugtuung über den Erfolg des Streitbeilegungssystems der WTO Ausdruck, wodurch eine konsequentere Anwendung der multilateralen Regeln des internationalen Handels möglich und das System somit sicherer und berechenbarer geworden ist;
7. fordert die Kommission jedoch auf, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass die Beschlüsse des Streitbeilegungsgremiums der WTO schneller und wirksamer umgesetzt werden, damit ungerechtfertigte Verzögerungstaktiken unterbunden werden und die Anwendung des internationalen Handelsrechts sicherer wird;
8. fordert die Kommission auf, innerhalb der WTO entschlossen die Verhandlungen fortzuführen, mit denen bei handelspolitischen Schutzmaßnahmen anderer WTO-Mitglieder mehr Effizienz erzielt werden und weniger Willkür herrschen soll, und dabei vor allem auf folgende Themenbereiche einzugehen:
a)
strengste Maßstäbe bei den alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungen, damit eine Verlängerung der Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen die Ausnahme bleibt;
b)
Vereinfachung der Antidumpingmaßnahmen und Senkung der damit verbundenen Kosten für die Unternehmen, die mit der Ermittlungsbehörde zusammenarbeiten;
c)
Prüfung des öffentlichen Interesses und der Folgenabschätzung der Maßnahmen ähnlich der in der Gemeinschaft üblichen Prüfung;
d)
mehr Transparenz bei den Ermittlungen, damit Missbrauch unterbunden und gewährleistet wird, dass die Betroffenen Rechtsbeistand in Anspruch nehmen können;
e)
Beschränkung der Maßnahmen auf das zur Beseitigung von schädlichem Dumping unerlässliche Maß;
f)
Bildung einer Ad-hoc-Schiedsinstanz aus ausgewiesenen Experten, die die Einleitung von Antidumping-Ermittlungen beschließen und empfehlen kann, die Untersuchung unverzüglich einzustellen, wenn sie feststellt, dass gegen die Regeln verstoßen wurde; dabei sollte die Ad-hoc-Schiedsinstanz über klare Leitlinien bezüglich der einschlägigen Kenntnisse ihrer Mitglieder in dem betreffenden Bereich verfügen;
9. bedauert, dass dieser Punkt trotz der festgestellten Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Schutzmaßnahmen nicht in die Entwicklungsagenda von Doha aufgenommen wurde;
10. fordert folglich die Kommission auf, sich bei der WTO für eine Reform der Regeln für die Verhängung von Schutzmaßnahmen einzusetzen, um eine übermäßige und ungerechtfertigte Inanspruchnahme dieser Maßnahmen zu begrenzen;
11. fordert die Kommission auf, zu erwägen, ob im Rahmen der WTO eine gründliche Überprüfung der Regeln über handelspolitische Schutzmaßnahmen (Antidumping, Antisubventionen) angezeigt ist, um die Nichteinhaltung von globalen Abkommen über den Sozial- oder Umweltschutz oder internationaler Übereinkünfte zu einer Form von Dumping oder Subvention zu machen;
12. ermahnt die Mitgliedstaaten, bei diesen Themenbereichen einen gemeinschaftlichen Ansatz im weiteren Sinne beizubehalten, mit dem derartige Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene besser abgestimmt und die gegen die Gemeinschaft gerichteten Maßnahmen zahlenmäßig verringert werden könnten, wobei beständig versucht werden sollte, das Bewußtsein für diese Themenbereiche zu schärfen; vertritt jedoch die Auffassung, dass gemeinschaftliche Maßnahmen im weiteren Sinne kein Vorwand für die Unterstützung unlauterer Handelspraktiken einzelner Mitgliedstaaten sein dürfen;
13. unterstreicht, dass mit einem einheitlichen gemeinschaftlichen Ansatz im weiteren Sinne die legitimen Interessen der kleinen und mittelständischen europäischen Exportunternehmen, die sich mit protektionistischen Praktiken der Importländer auseinandersetzen müssen, wirksam geschützt werden können;
14. empfiehlt der Gemeinschaft, zu überdenken, ob sie Handelspartnern, die sich nicht an die Regeln der WTO halten, eine Präferenzbehandlung einräumen soll, und dabei das Gemeinschaftsinteresse und den Grundsatz der Gegenseitigkeit in Handelsbeziehungen zu berücksichtigen;
15. unterstreicht, dass die neuen Regeln des internationalen Handels entsprechend dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft transparent und konsequent angewandt werden müssen, wenn sie die Unterstützung der Öffentlichkeit bekommen sollen;
16. spricht sich dafür aus, dass den ärmsten Entwicklungsländern, die am Beginn ihrer Industrialisierung stehen, Präferenz eingeräumt wird, damit diese ihre im Entstehen begriffenen Industriezweige ("infant industries") vor der Gefahr eines übermäßigen Wettbewerbs von außen schützen können, vorausgesetzt, diese Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen der WTO ist befristet und stellt einen echten Vorteil für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt dar;
17. unterstützt die Durchführung von Programmen für die technische Ausbildung im Bereich der Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen für alle beitrittswilligen Länder oder Entwicklungsländer, die sie beantragen; ermahnt die Kommission, den Entwicklungsländern, die sich ein System handelspolitischer Schutzmaßnahmen zulegen, das mit den WTO-Regeln vereinbar ist, Unterstützung und Hilfe angedeihen zu lassen;
18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.