Entschließung des Europäischen Parlaments zur Strategie der Europäischen Union für die Konferenz zum Klimawandel in Nairobi (COP-12 und COP/MOP-2)
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC), des Kyoto-Protokolls zum UNFCCC und der Durchführungsverfahren zu dessen Umsetzung, die auf den Konferenzen der Vertragsparteien von Bonn (Juli 2001), Marrakesch (Oktober und November 2001), Neu-Delhi (Oktober und November 2002), Mailand (Dezember 2003), Buenos Aires (Dezember 2004) und Montreal (November und Dezember 2005) angenommen wurden,
– unter Hinweis auf die bevorstehende zwölfte Konferenz der Vertragsparteien (COP-12) des UNFCCC und der zweiten Konferenz der Vertragsparteien, welche gleichzeitig als Treffen der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls dient (COP/MOP-2), die vom 6. bis zum 17. November 2006 in Nairobi, Kenia, stattfinden soll,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Klimawandel, insbesondere jene vom 16. November 2005 zur Strategie für eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Klimaänderung(1), vom 18. Januar 2006 zu den Ergebnissen der Konferenz von Montreal (COP-11 – COP/MOP-1)(2) und vom 4. Juli 2006 zur Verringerung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs(3),
– unter Hinweis auf die mündliche Anfrage B6-0440/2006 des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, eingereicht gemäß Artikel 108 der Geschäftsordnung, und in Kenntnis der Erklärungen des Rates und der Kommission,
– unter Hinweis auf die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, einschließlich der letzten Berichte über das Schmelzen des grönländischen Inlandeises und des arktischen Eises sowie das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien, und neue Erkenntnisse über den Anstieg des Meeresspiegels durch einen Klimawandel,
– unter Hinweis auf die von der finnischen Präsidentschaft veröffentlichte Priorität der Wälder,
– gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die umfassende Umsetzung des UNFCCC und des Kyoto-Protokolls durch alle Vertragsparteien für die Bekämpfung des Klimawandels ausschlaggebend ist, obgleich die Maßnahmen nicht voll wirksam werden, solange keine globale Lösung gefunden wird, die die großen Wirtschaftsblöcke einbezieht, die für den Großteil der Schadstoffemissionen verantwortlich sind,
B. in der Erwägung, dass bei der elften Konferenz der Vertragsparteien (COP-11) des UNFCCC und der ersten Konferenz der Vertragsparteien, welche gleichzeitig als Treffen der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls diente (COP/MOP-1) und im November und Dezember 2005 in Montreal stattfand, beschlossen wurde, einen Prozess zur Prüfung weiterer Verpflichtungen der in Anhang I genannten Vertragsparteien für den Zeitraum nach 2012 einzuleiten und in einen Dialog zum Austausch von Erfahrungen und zur Analyse der Strategien für eine langfristige Zusammenarbeit im Bereich des Klimawandels einzutreten, und in der Erwägung, dass auf dieser Konferenz ein UNFCCC-Workshop zur Reduzierung der Emissionen aus der Entwaldung in Entwicklungsländern geschaffen wurde,
C. in der Erwägung, dass neue Technologien wichtig sein werden, um gegen den Klimawandel kostenwirksam unter neuer Konzentration auf erhöhte Energieeffizienz anzugehen,
D. in der Erwägung, dass umgehend weitere Ziele gesetzt werden müssen, um einen Klimawandel zu verhindern, der außer Kontrolle gerät, und genügend Anreize für rasche Investitionen in die weitere Entwicklung und Einführung erneuerbarer Energien sowie in Energieeffizienztechnologien zu bieten, sowie in der Erwägung, dass Investitionen in Energieinfrastrukturen, die mit den klimapolitischen Zielen unvereinbar sind, vermieden werden müssen,
E. in der Erwägung, dass die Treibhausgasemissionen in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor zunehmen, was beweist, dass die Europäische Union strikte Maßnahmen treffen, bestimmte Vorgehensweisen neu definieren und neue Initiativen ergreifen muss, um ihren Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll nachzukommen,
F. in der Erwägung, dass der Beitrag des Luftverkehrs zum Klimawandel erheblich ist und rapide zunimmt, während der internationale Luftverkehr keinerlei Verpflichtung unterliegt, die sich aus dem Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderung (UNFCCC) und dessen Kyoto-Protokoll ergeben,
G. in der Erwägung, dass die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf hindeuten, dass eine Begrenzung der Erwärmung auf +2° C nicht ausreicht, um das Ziel des UNFCCC zur Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels zu erreichen,
H. in der Erwägung, dass es in seiner Entschließung vom 16. November 2005 festgestellt hat, dass die Industrieländer eine erhebliche Verringerung der Emissionen – um 30 % bis 2020 und um 60-80 % bis 2050 – erzielen müssen,
I. in der Erwägung, dass 24 % der Treibhausgasemissionen im Jahre 2005 auf Waldbrände zurückzuführen waren und die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Amazonas-Raum die Auswirkungen der Reduzierung der Wälder und der Schwächung der "Forest pump" für das Klima deutlich machen; in der Erwägung, dass dies zur größeren Intensität der Hurrikans führt, die im südlichen Nordatlantik entstehen, sowie zur Reduzierung der Regenfälle im südlichen Brasilien, in Uruguay und Argentinien,
J. in der Erwägung, dass der Rat Schlussfolgerungen zu den Vorbereitungen der EU auf die anstehende Tagung des Waldforums der Vereinten Nationen (UNFF) ausarbeiten wird, auf der man sich hoffentlich auf ein globales Waldschutzinstrument einigen wird,
K. in der Erwägung, dass Energieversorgungs- und Klimasicherheit Hand in Hand gehen müssen und die europäische Energie- und Klimasicherheit in hohem Maße von Entscheidungen in großen Volkswirtschaften wie China und Indien abhängt; in der Erwägung, dass ferner eine Abschwächung des Klimawandels nur wirksam sein kann, wenn Entwicklungsländer – insbesondere große und rasch wachsende Volkswirtschaften wie China und Indien – aktiv an den Bemühungen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen beteiligt sind,
1. fordert die Europäische Union dringend auf, ihrer Führungsrolle bei den Verhandlungen bei der COP-12 - COP/MOP-2 in Nairobi auch in Zukunft gerecht zu werden sowie in künftigen Diskussionen mit ihren internationalen Partnern weiterhin großen Ehrgeiz zu beweisen;
2. fordert nachdrücklich, dass die Europäische Union bei dieser Gelegenheit eine anspruchsvolle Agenda für die Diskussionen über weitere Verpflichtungen für die in Anhang I genannten Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls, für die neuen Diskussionen im Hinblick auf die Revision dieses Protokolls sowie für den UNFCCC-Dialog über eine langfristige Zusammenarbeit vorlegt;
3. weist darauf hin, dass die EU-Strategie gegen den Klimawandel – wie in der oben genannten Entschließung vom 16. November 2005 gefordert – auf sieben Schwerpunkten beruhen sollte:
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Aufbau auf grundlegenden Kyoto-Elementen – verbindliche Emissionsziele für Treibhausgase, ein globales System für die ihre Höchstmengen und den Handel damit sowie flexible Mechanismen,
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erhebliche Senkung der Emissionen um 30 % bis zum Jahr 2020, mit Blick auf das Erreichen einer Reduzierung in der Größenordnung von 80 % bis 2050 durch Nutzung einer Kombination von Marktanreizen und Regelungen zur Ankurbelung der Investitionen in die Energieeffizienz und CO2-freie und CO2-arme Technologien,
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Annahme eines vorausschauenden Konzepts, um andere wichtige Akteure, insbesondere die USA, einzubinden,
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Entwicklung einer strategischen Energie-Partnerschaft mit Ländern wie China, Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko, um diesen bei der Entwicklung nachhaltiger Energiestrategien, die CO2-freie und CO2-arme Energiequellen nutzen, finanziell zu helfen und dadurch deren Beteiligung an den Bemühungen um die Abschwächung des Klimawandels sicherzustellen;
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nachdrückliche Förderung von Forschung und Innovation im Bereich nachhaltiger Energietechnologien durch Erleichterung des Austauschs bester Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten sowie den Universitäten, Forschungszentren und der Industrie, Beseitigung unsinniger Anreize wie Beihilfen für fossile Brennstoffe und Internalisierung externer Kosten in den Preis der Energieproduktion, einschließlich der Kosten des Klimawandels,
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Nutzung europäischer und einzelstaatlicher Rechtsvorschriften zur Förderung größerer Energieeffizienz und zur Senkung der Preise für Technik, die die Auswirkungen auf das Klima verringert,
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Förderung eines wesentlich stärkeren direkten Engagements der Bürger für Bemühungen um Emissionsreduzierung durch Sensibilisierungskampagnen, wobei als unabdingbare Voraussetzung ausführliche Informationen über den CO2-Gehalt von Produkten wie Kraftfahrzeugen, Flugzeugen, Häusern und Dienstleistungen bereitzustellen sind und ein System individueller, handelbarer Quoten eine zukünftige Option darstellt;
4. verweist auf seine Forderung, dass ein nahtloser Übergang vom ersten zum zweiten Verpflichtungszeitraum gemäß dem Kyoto-Protokoll stattfinden sollte und dass spätestens Ende 2008 eine Einigung über künftige Klimaverpflichtungen erzielt werden sollte;
5. verweist darauf, dass es dafür eintritt, weiterhin flexible Mechanismen zu nutzen und als langfristiges Ziel einen globalen auf Höchstmengen und Handel basierenden CO2-Markt anzustreben;
6. fordert die Verhandlungsteilnehmer der COP-12-COP/MOP-2 auf, die Frage der Auswirkungen des internationalen Luftverkehrs auf den Klimawandel zu behandeln, und fordert eine Diskussion über eine globale Besteuerung von Flügen auf der bevorstehenden COP-12-COP/MOP-2-Konferenz in Nairobi;
7. ist der Ansicht, dass die Industrieländer bei der Bekämpfung des Klimawandels auf globaler Ebene weiterhin eine ausschlaggebende Rolle spielen müssen; fordert daher die in Anhang I genannten Vertragsparteien auf, ihre bestehenden Verpflichtungen einzuhalten und sich anspruchsvolle Ziele für den zweiten Verpflichtungszeitraum nach 2012 zu setzen; fordert ferner die Industrieländer, die das Kyoto-Protokoll noch nicht ratifiziert haben, auf, ihre Haltung zu überdenken, im eigenen Land energische Maßnahmen zu treffen und sich im Hinblick auf ihre Beteiligung an der künftigen Regelung im Zusammenhang mit dem Klimawandel aktiv an den künftigen internationalen Verhandlungen zu beteiligen;
8. unterstreicht, dass alle Entwicklungsländer ein Recht auf wirtschaftliche Entwicklung haben; betont jedoch, dass die Entwicklungsländer nicht die verschmutzenden Praktiken der Industrieländer wiederholen müssen, und fordert daher, der technologischen Zusammenarbeit und dem Aufbau von Kapazitäten im Bereich der nachhaltigen Energie erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen;
9. fordert den Rat und die Kommission auf, dem Zugang zu effizienten und CO2-armen Technologien in der Entwicklungszusammenarbeit der EU Priorität einzuräumen;
10. hält es für wesentlich, dass die Entwicklungsländer, die eine rasche Industrialisierung erleben, in eine künftige internationale Regelung im Zusammenhang mit dem Klimawandel einbezogen werden und dass gleichzeitig deren wesentliche Anliegen im Hinblick auf die Förderung des Wirtschaftswachstums und die Bekämpfung der Armut berücksichtigt werden;
11. begrüßt die Arbeit des UNFCCC-Workshops zur Reduzierung der Emissionen aus der Entwaldung in Entwicklungsländern, etwa jüngst auf dessen Tagung vom 30. August bis 1. September 2006 in Rom, und nimmt das erzielte breite Einvernehmen über die Notwendigkeit von Zahlungen für Ökosystem-Dienste zur Kenntnis; fordert die rasche Einbeziehung der Verhinderung der Entwaldung als einen Beitrag zum Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele im zweiten Verpflichtungszeitraum des Kyoto-Protokolls;
12. stellt fest, dass Afrika und anderen Entwicklungsregionen die Beteiligung an der Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen ermöglicht werden sollte und dass internationale Verhandlungen Anreize zur Vermeidung von Entwaldung einschließen sollten; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, sich an nachhaltigen forstwirtschaftlichen Vorhaben im Rahmen des Mechanismus für saubere Entwicklung (CDM) zu beteiligen;
13. ist der Auffassung, dass, um gegen den Klimawandel effektiv anzugehen, die globale Klimapolitik Chancengleichheit für die Industrie schaffen und somit Innovationen und Energieeffizienz fördern und CO2-Emissionen verhindern sollte; tritt dafür ein, dass globale Leistungsstandards und –ziele für verschiedene Aktivitäten, u.a. im Bereich der Verbrauchsgüter und des Verkehrs, auf globaler Ebene geschaffen werden;
14. unterstreicht, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesellschaft eingehender erforscht werden müssen; fordert daher die Kommission auf, zu untersuchen, wie diesbezügliche Workshops am besten veranstaltet werden können, und zwar in Europa und andernorts mit den relevanten Beteiligten, wie etwa Bürgergruppen, Industrie, Bauernverbänden, Sicherheitsfachleuten und Wirtschaftsexperten, um besseren und detaillierteren Einblick in die Folgen des Klimawandels zu erhalten;
15. fordert nachdrücklich, dass die einzelnen Mitgliedstaaten und die Europäische Union als Ganzes ihren bestehenden Verpflichtungen gemäß dem Kyoto-Protokoll und dem Übereinkommen über die Lastenteilung nachkommen, da die führende Position der Europäischen Union bei internationalen Gesprächen unglaubwürdig wird, wenn dies nicht erreicht werden kann;
16. ist der Ansicht, dass die EU-Delegation bei Verhandlungen über den Klimawandel ein wichtiger Akteur ist, und hält es daher für nicht hinnehmbar, dass bei der letzten Konferenz der Vertragsparteien die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die Teil der Delegation waren, nicht an den EU-Koordinierungssitzungen teilnehmen durften; erwartet, dass die Teilnehmer des Europäischen Parlaments in Nairobi zumindest mit Beobachterstatus mit oder ohne Rederecht Zugang zu derartigen Sitzungen erhalten;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und dem Sekretariat des UN-Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen mit der Bitte um Weiterleitung an alle Vertragsparteien, die keine Mitgliedstaaten der EU sind, zu übermitteln.