Entschließung des Europäischen Parlaments zu Tibet
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Tibet und zur Menschenrechtslage in China,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. September 2006 zu den Beziehungen zwischen der EU und China(1),
– unter Hinweis auf die ausbleibenden Fortschritte im Menschenrechtsdialog zwischen der EU und China,
– in Kenntnis der Grundsätze der Vereinten Nationen zur Anwendung von Gewalt und Schusswaffen durch Vollzugsbeamte, die auf dem 8. Kongress der Vereinten Nationen über die Verhütung von Verbrechen und über die Behandlung von Straftätern, der in Havanna, Kuba, vom 27. August bis 7. September 1990 stattgefunden hat, angenommen wurden,
– in Kenntnis des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen,
– in Kenntnis des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes,
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass am 30. September 2006 mehr als 70 Tibeter etwa zwei Stunden Fußweg entfernt von der nepalesischen Grenze versuchten, den vereisten Nangpa Pass in der Himalajaregion von Tibet zu überqueren, um in Nepal als Flüchtlinge anerkannt zu werden,
B. in der Erwägung, dass unter Verletzung des Völkerrechts die bewaffnete Volkspolizei Chinas (PAP) auf diese unbewaffneten tibetischen Zivilisten, unter ihnen Frauen und Kinder, geschossen hat; ferner in der Erwägung, dass Videos und Fotos von diesem Vorfall beweisen, dass die tibetische Gruppe sich langsam von den auf sie schießenden chinesischen Polizisten wegbewegte und weder auf sie zuging noch eine Gefahr für die chinesischen Polizisten darstellte,
C. in der Erwägung, dass Kelsang Namtso, eine siebzehnjährige Nonne, bei dem Beschuss durch die chinesische Volkpolizei getötet wurde, ferner in der Erwägung, dass es laut unbestätigten Augenzeugenberichten mehr als eine tote Person gegeben hat; in der Erwägung, dass eine Gruppe von Tibetern, zu der auch Kinder gehören, nach der Fortsetzung der Flucht inhaftiert wurden,
D. in der Erwägung, dass die chinesische staatliche Nachrichtenagentur, Xinhua, über diesen Vorfall in der Region als einen Fall der Selbstverteidigung berichtete, obwohl Video- und Fotomaterialien das Gegenteil belegen, ferner in der Erwägung, dass die chinesischen Behörden bisher weder offiziell bestätigt haben, dass der Vorfall am Nangpa Pass stattgefunden hat, noch dass irgendeine Person durch chinesische Polizisten getötet wurde,
E. in der Erwägung, dass seit September 2002 offizielle Kontakte zwischen den chinesischen Behörden und den Vertretern des Dalai Lama wiederaufgenommen wurden, um gegenseitiges Vertrauen und Respekt wieder herzustellen,
F. in der Erwägung, dass es trotz dieser Kontakte und der Bedeutung, die diesen Treffen durch die zentralen chinesischen Behörden beigemessen wird, in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle von Missbrauch und Verletzung von Menschenrechten der tibetischen Bevölkerung und insbesondere der tibetischen Mönche gegeben hat,
1. verurteilt die maßlose Gewaltanwendung durch die bewaffnete Volkspolizei Chinas, indem sie auf unbewaffnete tibetische Zivilisten, einschließlich Kinder, geschossen hat;
2. verurteilt auf das Schärfste die Tötung einer unbewaffneten Zivilistin, die, da sie jünger als 18 Jahre alt war, nach Völkerrecht auch noch ein Kind gewesen ist;
3. ist bestürzt über die Inhaftierung von tibetischen Zivilisten, von denen 9 Kinder sind;
4. fordert die chinesischen Behörden auf, zu gewährleisten, dass die während dieses Ereignisses inhaftierten Tibeter in der Haft nicht misshandelt und Menschenrechte und internationales humanitäres Rechts eingehalten werden;
5. fordert die chinesischen Behörden auf, unverzüglich alle nach dem Vorfall inhaftierten Kinder frei zu lassen;
6. fordert die chinesischen Behörden auf, eine umfassende Untersuchung der Ereignisse am Nangpa Pass durchzuführen und zu gewährleisten, dass die für die dort begangenen Verbrechen Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;
7. fordert den Rat und die Kommission auf, durch ihre Vertreter in Nepal die Lage der Tibeter aus der Gruppe, die Nepal erreicht haben, genauestens zu verfolgen und diese Angelegenheit den chinesischen Behörden gegenüber im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China anzuprangern;
8. fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Position zu bekräftigen, dass nur ein Dialog zwischen der Regierung der Volksrepublik China und den Vertretern des Dalai Lama zu einer friedlichen und nachhaltigen Lösung für Tibet beitragen kann, der beide Seiten zustimmen;
9. fordert die Regierung der Volkrepublik China auf, den Dialog mit den Vertretern des Dalai Lama fortzusetzen, um die Achtung der religiösen, kulturellen, sprachlichen und politischen Rechte in der Autonomen Region Tibet zu verbessern;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Regierung der Volksrepublik China zu übermitteln.