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Verfahren : 2006/2122(IMM)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0383/2006

Eingereichte Texte :

A6-0383/2006

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 14/11/2006 - 9.13

Angenommene Texte :

P6_TA(2006)0480

Angenommene Texte
PDF 120kWORD 37k
Dienstag, 14. November 2006 - Straßburg
Antrag auf Schutz der Immunität und der Vorrechte von Gabriele Albertini
P6_TA(2006)0480A6-0383/2006

Beschluss des Europäischen Parlaments über den Antrag auf Schutz der Immunität und der Vorrechte von Gabriele Albertini (2006/2122(IMM))

Das Europäische Parlament,

–   befasst mit einem von Gabriele Albertini am 28. April 2006 übermittelten und am 15. Mai 2006 im Plenum bekannt gegebenen Antrag auf Schutz seiner Immunität im Zusammenhang mit einem vor dem Bezirksgericht in Mailand anhängigen Strafverfahren,

–   nach Anhörung von Gabriele Albertini gemäß Artikel 7 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung,

–   gestützt auf die Artikel 9 und 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 und Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments,

–   in Kenntnis der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Mai 1964 und vom 10. Juli 1986(1),

–   unter Hinweis auf Artikel 68 der Verfassung der Italienischen Republik,

–   gestützt auf Artikel 6 Absatz 3 und Artikel 7 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A6-0383/2006),

A.   in der Erwägung, dass Gabriele Albertini in der 6. Direktwahl vom 10. bis 13. Juni 2004 zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde und sein Mandat vom Parlament am 14. Dezember 2004(2) geprüft wurde,

B.   in der Erwägung, dass während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht, dass aber bei Ergreifung eines Mitglieds auf frischer Tat die Unverletzlichkeit nicht geltend gemacht werden kann, und in der Erwägung, dass dies der Befugnis des Europäischen Parlaments nicht entgegensteht, die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben(3),

C.   unter Hinweis darauf, dass auf diesen Fall Artikel 68 Unterabsatz 2 der italienischen Verfassung anwendbar ist, der die Einleitung von Strafverfahren gegen Mitglieder des Parlaments ohne besondere Formalitäten zulässt, da in ihm vorgeschrieben wird, dass ohne die Zustimmung der Kammer, der das Mitglied angehört, kein Mitglied des Parlaments einer körperlichen Durchsuchung oder einer Hausdurchsuchung unterzogen werden darf und ein Mitglied nicht verhaftet oder auf andere Weise seiner persönlichen Freiheit beraubt oder in Haft gehalten werden darf, es sei denn, um ein rechtskräftiges Urteil zu vollstrecken oder falls das Mitglied beim Begehen einer Tat überrascht wird, für die im in flagranti-Fall die Festnahme verbindlich vorgeschrieben ist,

D.   unter Hinweis darauf, dass die gegen Gabriele Albertini von der Staatsanwaltschaft des Bezirksgerichts in Mailand vorgebrachten Anklagepunkte sich auf die Einreichung von Blanko-Änderungsanträgen im Rahmen des Haushaltsverfahrens des Stadtrats von Mailand beziehen, um diese später in Kenntnis der von der Opposition eingereichten Änderungsanträge auszufüllen, und so die Einreichung von Änderungsanträgen nach Fristablauf zu vermeiden, die unzulässig wären,

E.   in Erwägung der Tatsache, dass die Einreichung von Blanko-Änderungsanträgen als ein Aspekt der Politik und des politischen Lebens angesehen werden kann und dass solche Änderungsanträge – solange der endgültige Akt, auf den sie sich beziehen, nicht angenommen worden ist – rein verfahrensinterne Akte ohne Außenwirkung darstellen, insbesondere und vor allem vom strafrechtlichen Standpunkt aus, da die Einreichung solcher Änderungsanträge auf eine "unmögliche" und auf jeden Fall nicht existente Straftat hinausläuft,

F.   in der Erwägung, dass in einem anderen Verfahren (Rechtssache Nr. 9384/03 R.G.N.R.) eben dieses Bezirksgericht in Mailand, das damit befasst worden war, ähnliche, damals jedoch von Gabriele Albertini selbst gegen seine politischen Gegner vorgebrachte Anschuldigungen wie die gegen Gabriele Albertini erhobenen zu prüfen, befand, dass es keinen Grund für eine Verhandlung gebe und das Verfahren einstellte,

G.   unter Hinweis darauf, dass genau dasselbe Gericht in zwei im Wesentlichen vergleichbaren Fällen eine völlig gegensätzliche Haltung einnimmt, was einer unangemessenen Ungleichbehandlung gleichkommt und darauf hindeutet, dass Herr Albertini unrechtmäßig verfolgt wird,

H.   in der Erwägung, dass es sich hier um ein äußerst heikles Problem handelt und seine Auswirkungen auf die Vorrechte des Europäischen Parlaments nicht hinnehmbar sind, da es keinen Grund für eine Ungleichbehandlung von Gabriele Albertini gibt, was die Frage von "fumus persecutionis" aufwirft,

I.   unter Hinweis darauf, dass jeder Fall politischer Verfolgung eines seiner Mitglieder ein Angriff auf die Integrität des Europäischen Parlaments als von den Völkern Europas demokratisch gewählter politischer Institution ist und auf eine Missachtung des Parlaments hinausläuft,

J.   unter Hinweis darauf, dass die diskriminierende Haltung des italienischen Gerichts Gabriele Albertini schadet,

K.   in der Erwägung, dass – wenn das Statut für die Mitglieder des Europäischen Parlaments bereits in Kraft getreten wäre, was jedoch noch nicht der Fall ist, obwohl das Europäische Parlament es zweimal in seinen Entschließungen vom 5. Dezember 2002(4) und vom 17. Dezember 2003(5) gebilligt hat – das Verfahren gegen Gabriele Albertini hätte eingestellt werden können,

1.   bedauert, dass das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 in der jetzigen Fassung dem Europäischen Parlament nicht die Mittel an die Hand gibt, eine rechtsverbindliche Maßnahme zum Schutz von Gabriele Albertini zu ergreifen und beschließt deshalb, seine Immunität nicht zu schützen;

2.   beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses im Zusammenhang mit der Strafsache Nr. 8629/05 R.G. unverzüglich der Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht in Mailand zu übermitteln.

(1) Rechtssache 101/63, Wagner/Fohrmann und Krier, Slg. 1964, S. 419, und Rechtssache 149/85, Wybot/Faure und andere, Slg. 1986, S. 2403.
(2) Beschluss des Europäischen Parlaments über die Prüfung der Mandate (ABl. C 226 E vom 15.9.2005, S. 51).
(3) Artikel 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965.
(4) ABl. C 27 E vom 30.1.2004, S. 139.
(5) ABl. C 91 E vom 15.4.2004, S. 230.

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