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Verfahren : 2006/2214(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0003/2007

Eingereichte Texte :

A6-0003/2007

Aussprachen :

PV 12/02/2007 - 15
CRE 12/02/2007 - 15

Abstimmungen :

Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2007)0031

Angenommene Texte
PDF 156kWORD 72k
Dienstag, 13. Februar 2007 - Straßburg
Die Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei
P6_TA(2007)0031A6-0003/2007

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei (2006/2214(INI))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 8. November 2006 mit dem Titel "Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen für den Zeitraum 2006-2007" (KOM(2006)0649) und insbesondere den darin enthaltenen Fortschrittsbericht über die Türkei,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 9. November 2005 mit dem Titel "Strategiepapier 2005 zur Erweiterung" (KOM(2005)0561),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 27. September 2006 zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt(1),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Juli 2005 zur Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei(2),

–   unter Hinweis auf den Beschluss des Europäischen Rates vom 17. Dezember 2004 zur Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union am 3. Oktober 2005,

–   unter Hinweis auf den gemeinschaftlichen Besitzstand auf dem Gebiet der Frauenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter,

–   unter Hinweis auf die Empfehlung REC(2003)3 des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten vom 12. März 2003 zur ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern am politischen und öffentlichen Entscheidungsprozess,

–   unter Hinweis auf die Konvention Nr. 177 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) von 1996 über Heimarbeit,

–   unter Hinweis auf den am 14. Juli 2006 in Kayseri (Türkei) vorgelegten Bericht "Frauen und Beschäftigung" des Gemischten Beratenden Ausschusses EU/Türkei des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,

–   unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses des türkischen Parlaments zu Sitten- und Ehrenmorden und Gewalt gegen Frauen und Kinder von 2006,

–   unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 10. November 2005 zu den türkischen Vorschriften zum Tragen des islamischen Kopftuchs in Hochschuleinrichtungen(3),

–   unter Hinweis auf das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) von 1979 und das dazugehörige Fakultativprotokoll von 1999, die Bestandteile des internationalen Rechts sind und denen die Türkei 1985 bzw. 2002 beigetreten ist, sowie unter Hinweis auf Artikel 90 der türkischen Verfassung, wonach internationales Recht Vorrang vor nationalem türkischem Recht genießt,

–   gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0003/2007),

A.   in der Erwägung, dass die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands für Länder, die der Europäischen Union beitreten wollen, obligatorisch ist, sowie in der Erwägung, dass Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter Teil des gemeinschaftlichen Besitzstands sind,

B.   in der Erwägung, dass der in dem oben genannten Strategiepapier vom 9. November 2005 enthaltene Bericht der Kommission über die Fortschritte der Türkei auf dem Weg zum Beitritt bezüglich der Situation von Frauen unter anderem folgende Hauptkritikpunkte herausstellt: die Gewalt gegen Frauen, insbesondere häusliche Gewalt und Ehrenverbrechen, eine hohe Analphabetenrate, eine schwache Frauenpräsenz im Parlament und in kommunalen Gremien, die geringe Beteiligung von Frauen und ihre generelle Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, wobei zu bedenken ist, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit von entscheidender Bedeutung für die weibliche Emanzipation ist und der Türkei ein besonderes Anliegen sein sollte,

C.   in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Fortschrittsbericht 2006 über die Türkei zu dem Schluss gekommen ist, dass der Rechtsrahmen in Bezug auf die Frauenrechte insgesamt zufriedenstellend ist, seine Umsetzung jedoch noch eine Herausforderung darstellt,

1.   betont, dass die Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Frauenrechte, eine "conditio sine qua non" für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist, und fordert die Kommission auf, die Frauenrechte zu einem zentralen Thema der Verhandlungen mit der Türkei zu machen;

2.   begrüßt den Umstand, dass die aktive Phase der Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union begonnen hat; bedauert jedoch die Verlangsamung des Reformprozesses in der Türkei im vergangenen Jahr und die fortdauernden Probleme im Bereich der Frauenrechte;

Umsetzung der Gesetze und Koordinierung

3.   stellt fest, dass der Rechtsrahmen für die Frauenrechte im Allgemeinen zufriedenstellend ist; vertritt jedoch die Auffassung, dass seine Umsetzung mangelhaft ist; bekräftigt daher seine Forderung nach vollständiger und wirksamer Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands auf dem Gebiet der Frauenrechte, insbesondere in den ärmeren Regionen des Landes;

4.   fordert die türkische Regierung dringend auf, die Umsetzung der neuen Gesetze zum Schutz der Frauenrechte zu beschleunigen und sicherzustellen, dass sie mit den Erfordernissen des gemeinschaftlichen Besitzstands vollkommen in Einklang stehen und wirksam in die Praxis umgesetzt werden;

5.   weist darauf hin, dass das im Juni 2005 in Kraft getretene neue türkische Strafgesetzbuch die Grundrechte der Frauen zwar wesentlich gestärkt hat, dass die europäischen Richtlinien zur Gleichstellung von Frauen und Männern jedoch noch immer nicht vollständig umgesetzt sind; nimmt besorgt die (erfolglos gebliebenen) Versuche zur Kenntnis, die Gesetze zum Schutz der Frauenrechte rückgängig zu machen;

6.   bedauert, dass in Teilen der Südosttürkei Mädchen bei der Geburt nicht registriert werden und dass dies den Kampf gegen Zwangsheiraten und Ehrenverbrechen erschwert, da die Opfer keine offizielle Identität besitzen; fordert die türkischen Behörden dringend auf, weiterhin alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass alle türkischen Kinder bei der Geburt registriert werden;

7.   betont, dass die türkische Regierung ihr landesweites gesetzliches Registrierungssystem für Eheschließungen weiterführen und, wo erforderlich, einrichten sollte, damit das uneingeschränkte Recht aller Männer und Frauen auf die mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Vorteile, u.a. Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge sowie gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, gewährleistet werden kann;

8.   begrüßt die Schaffung eines Beirates für den Status von Frauen ("Beirat") in der Türkei, der eine beratende Funktion bei der Planung und Durchführung staatlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Frauenrechte wahrnehmen soll;

9.   bekräftigt, dass es erforderlich ist, die Sozialpartner und die Vertreter von Einrichtungen und nichtstaatlichen Organisationen (NGO), die sich mit Fragen der Geschlechtergleichstellung befassen, sowie die Vertreter von Gewerkschaften in den Beirat einzubeziehen, was derzeit nicht der Fall ist, und fordert die betroffenen Behörden dringend auf, den Beirat auch tatsächlich zu nutzen, um eine effiziente Koordinierung zwischen allen Beteiligten zu verwirklichen;

Zivilgesellschaft

10.   verweist auf seine fortdauernde Besorgnis im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit zwischen NGO und der türkischen Regierung;

11.   fordert die Gleichbehandlung aller NGO, einschließlich der freien und autonomen Frauenorganisationen;

12.   hält das Treffen der amtierenden türkischen Ministerin für Frauenrechte mit Vertreterinnen von 55 Frauenorganisationen in der Türkei und den Beschluss, die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und den NGO stärker zu strukturieren und effektiver zu koordinieren, für gute Ansätze, die regelmäßig wiederholt werden sollten; erwartet, dass sich die Umsetzung dieses politischen Willens künftig in konkreten Initiativen und Maßnahmen ausdrückt;

13.   fordert die Kommission und die türkische Regierung auf, die Rolle von im Bereich der Frauenrechte tätigen NGO als wichtige und unersetzliche Partnerinnen durch offizielle und ständige Strukturen und Institutionen anzuerkennen und die NGO im Rahmen der festgelegten Verfahren am Prozess der EU-Beitrittsverhandlungen in geordneter Form zu beteiligen;

14.   fordert die türkische Regierung auf, eine breit angelegte Kampagne in die Wege zu leiten, um der gesamten Gesellschaft ein Bild der Frau als treibende Kraft der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu vermitteln;

15.   erkennt die zunehmende Besorgnis von im Bereich der Frauenrechte tätigen nichtstaatlichen Organisationen angesichts der Probleme an, vor die sie sich während der langwierigen Verfahren zur Beantragung von EU-Zuschüssen und bei der Abwicklung der Projekte gestellt sehen, für die ihnen Zuschüsse gewährt wurden; stellt fest, dass viele im Bereich der Frauenrechte tätige nichtstaatliche Organisationen zögern, sich zu bewerben, und infolgedessen nicht von einer äußerst wichtigen Einnahmequelle profitieren;

16.   begrüßt die Einrichtung des Zentrums für die Entwicklung der Zivilgesellschaft (STGM), das Hilfe bei der Entwicklung der Zivilgesellschaft leistet;

17.   fordert die Kommission auf, zusätzliche Unterstützung zu gewähren, u.a. durch die Steigerung der Kapazität anderer Hilfseinrichtungen;

Daten, Maßstäbe und Ziele

18.   nimmt zur Kenntnis, dass es nach wie vor einen Mangel an genauen Daten zur Situation von Frauen in der Türkei gibt und die vorhandenen Daten noch nicht alle Probleme im Zusammenhang mit der Situation, der Rolle und den Rechten von Frauen erfassen;

19.  begrüßt in diesem Zusammenhang die Anfang 2007 vom türkischen staatlichen Institut für Statistik auf den Weg gebrachte Initiative, nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Statistiken über das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Leben, einschließlich Daten über die geschlechtsspezifische Lohnkluft, zu liefern;

20.   begrüßt das gemeinsame Projekt der Europäischen Union und der Türkei mit dem Titel "Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern", in dessen Rahmen die Betroffenen verstärkt in die Lage versetzt werden sollen, Frauen vor häuslicher Gewalt zu schützen, und begrüßt als Teil dieses Projekts die Initiative unter der Überschrift "Nationale Studie zu den Ursachen und Folgen der Gewalt gegen Frauen", die den Aufbau einer Datenbank zur Gewalt gegen Frauen zum Ziel hat;

21.   fordert die türkische Regierung auf, konkrete und zuverlässige Daten zur Analphabetinnenrate, zum gleichberechtigten Zugang von Frauen zur Bildung, zu Problemen im Zusammenhang mit der Frauenerwerbsquote, zur Gewalt gegen Frauen, zu Ehrenverbrechen und Zwangsheiraten vorzulegen;

22.   fordert die Kommission auf, in ihren Berichten an den Europäischen Rat über das Tempo der Reformen klare Leitlinien vorzugeben und kurz-, mittel- und langfristige Ziele für die Frauenrechte zu präzisieren;

23.   fordert die türkische Regierung auf sicherzustellen, dass alle Frauen, ungeachtet ihrer Sprache, Rasse, ethnischen Zugehörigkeit, Hautfarbe, politischen Ansichten, Glauben und Religion, an den Frauenrechte-Programmen beteiligt werden;

24.   verweist mit Besorgnis auf die Feststellung der Kommission, dass das Recht betreffend den Schutz der Familie nur teilweise angewandt wird, und fordert die türkischen Behörden auf, dieses unverzüglich korrekt und effizient anzuwenden, da es zum Schutz der Lage und der Rechte von Frauen in der Familie beitragen wird;

Gewalt gegen Frauen

25.  25 nimmt zur Kenntnis, dass Gewalt gegen Frauen nach wie vor ein Problem darstellt, und verurteilt Fälle von Gewalt gegen Frauen, einschließlich Ehrenmorde, häusliche Gewalt, Zwangsehen und Polygamie;

26.   verweist auf die Feststellung der Kommission, dass in dem neuen Strafgesetzbuch "Ehrenmorde" zwar als erschwerender Umstand beim Straftatbestand des Mordes aufgeführt werden, dass aber die von den Gerichten gesprochenen Urteile, wie die Kommission bemerkt, ein gemischtes Bild widerspiegeln; fordert die Justizbehörden auf, die Bestimmungen des Strafgesetzbuches ordnungsgemäß und effektiv anzuwenden und auszulegen, um diese Art von Verbrechen zu verhindern und um zu gewährleisten, dass Verbrechen gegen Frauen nicht von Strafminderungen oder mildernden Umständen profitieren;

27.   ist zutiefst beunruhigt darüber, dass Frauen, insbesondere in den östlichen und südöstlichen Regionen des Landes, nach wie vor von ihren Familien in den Selbstmord getrieben werden; fordert die türkischen Behörden dringend auf, Frauen vor diesem Druck seitens ihrer Familien zu schützen sowie konkrete und zuverlässige Daten über Selbstmorde von Frauen – insbesondere in diesen Regionen – vorzulegen;

28.   fordert die öffentlichen Institutionen (Justiz, Verwaltung, Polizei, Gesundheitssysteme usw.) auf, den von Gewalt betroffenen Frauen in der Türkei jeglichen notwendigen Schutz zukommen zu lassen;

29.   hebt hervor, dass bei unterlassenem Opferschutz und unterlassener Hilfeleistung durch öffentliche Institutionen eine gerichtliche Untersuchung einzuleiten und Anstrengungen zu unternehmen sind, um Disziplinarmaßnahmen gegen die Verantwortlichen zu ergreifen;

30.   begrüßt das amtliche Rundschreiben des Ministerpräsidenten im Anschluss an den Bericht eines Ausschusses des türkischen Parlaments über Sitten- und Ehrenmorde und Gewalt gegen Frauen, worin alle Ministerien, öffentlichen Institutionen und lokalen Verwaltungen angewiesen werden, den Lösungsvorschlägen zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen Geltung zu verschaffen; fordert die türkische Regierung auf, verbindliche und konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung dieses amtlichen Rundschreibens zu formulieren, ausreichende Haushaltsmittel bereitzustellen, um die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, und konsequente Schritte für den Fall der Nichtbeachtung zu definieren;

31.   begrüßt das offizielle Rundschreiben des türkischen Innenministeriums vom 9. Januar 2007, das einen Aktionsplan für die Koordinierung politischer Maßnahmen auflegt, um Sitten- und Ehrenverbrechen zu verhindern, in dem eine entschlossene Umsetzung des Gesetzes über die Einrichtung eines Frauenhauses in allen Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern, die Einsetzung von Fachausschüssen in jeder Stadt zur Koordinierung der Bemühungen, den Opfern von Sitten- und Ehrenverbrechen zu helfen, und Maßnahmen, um psychologische und finanzielle Hilfe und Schutz für die Opfer bereit zu stellen, gefordert werden;

32.   begrüßt die Initiative, die darauf abzielt, Soldaten, die ihren Wehrdienst ableisten, in der Verhütung von Gewalt gegen Frauen zu schulen und Fragen wie Frauenrechte als Teil von Menschenrechten, Gleichstellung von Frauen und Männern, Gewalt gegen Frauen und Ehrenverbrechen in die Lehrpläne der Polizeischulen aufzunehmen;

33.   fordert die türkische Regierung und die Kommission auf, sich vorrangig mit der Gewalt im Allgemeinen und Ehrenmorden im Besonderen zu befassen und besonders geschützte Frauenhäuser zu errichten, und zwar auch in Regionen im Südosten der Türkei, sodass Frauen in der eigenen Nachbarschaft Zuflucht finden können; fordert die Stärkung und Unterstützung der freien Frauenberatungszentren im Südosten der Türkei wie z.B. KA-MER; fordert dringend eine wirtschaftliche Entwicklung, die sich auf Frauen in Regionen konzentriert, in denen sie besonders gefährdet sind; betont die Bedeutung systematischer Ermittlungen und einer wirksamen Bestrafung und daher die Notwendigkeit, Polizei und Justiz in Bezug auf Fragen der Gleichstellung der Geschlechter und der Bekämpfung der Gewalt zu schulen; hebt hervor, wie wichtig es ist, die Richter anzuweisen, die neuen Gesetze anzuwenden und Gewalt im Allgemeinen sowie Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen und Polygamie im Besonderen streng zu bestrafen, und hebt die Bedeutung des Zeugenschutzes hervor; fordert die türkische Regierung dringend auf, mit der Kommission eine besondere Vereinbarung zur Teilnahme an dem Programm zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen sowie zum Schutz von Opfern und gefährdeten Gruppen (Programm Daphne) zu treffen und die dafür notwendigen finanziellen Mittel im nationalen Haushalt bereitzustellen;

34.   weist auf die Notwendigkeit hin, den Frauen nicht nur Schutz, sondern vor allem psychologische Betreuung und Beratung anzubieten; fordert die Einrichtung solcher Dienste sowohl in den Frauenhäusern als auch vor Ort in den Regionen, in denen Frauen in großer Zahl Selbstmord begehen und Opfer von Gewalt werden;

35.   fordert die türkische Regierung auf, mit allen zivilen, sozialen und religiösen Gruppierungen der Gesellschaft Bündnisse zu schließen, um speziell auf junge Leute zugeschnittene Kampagnen einzuleiten, durch die allseits bewusst gemacht wird, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder eine schwere Verletzung der Menschenrechte darstellt, und die Ablehnung jeder Form von Gewalt hervorgerufen wird;

Frauenhäuser

36.   nimmt zur Kenntnis, dass die in der Türkei eingerichteten Schutzräume für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, in denen 469 Betroffene aufgenommen werden können sollen und deren Angebote bisher von 5 512 Frauen(4) in Anspruch genommen wurden, den Bedarf einer Bevölkerung von annähernd 70 Millionen Menschen nicht decken, solange nicht einmal die bescheidenen Möglichkeiten nach dem geltenden Gesetz befriedigend umgesetzt sind, nämlich in jeder Stadt mit mehr als 50 000 Einwohnern ein Frauenhaus einzurichten;

37.   fordert die türkische Regierung auf, die Effizienz, die Sicherheit und die Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl von Frauenhäusern sicherzustellen;

38.   begrüßt die Einrichtung des Telefonnotrufs "183 - Sozialdienste für Familien, Frauen, Kinder und Behinderte", über die Gewalttaten gemeldet werden können, sowie ferner die Einrichtung eines landesweiten SOS-Notrufs unter der Telefonnummer 157 für die Opfer von Menschenhandel, und ist der Ansicht, dass diese Notrufnummern auch für die Europäische Union eine nachahmenswerte Praxis sein können;

39.   fordert die Türkei erneut auf, das Zusatzprotokoll Nr. 12 zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu ratifizieren;

40.   fordert die türkische Regierung auf, staatliche Frauenhäuser strukturell und personell besser zu stellen und angeprangerte Missstände zu beseitigen;

41.   ermutigt die türkische Regierung, die Kooperation zwischen staatlichen Einrichtungen/ Lokalbehörden und unabhängigen Frauenorganisationen stärker zu fördern; fordert sie auch dringend auf, unabhängige und autonome Frauenhäuser finanziell zu fördern;

Politische Teilhabe

42.   nimmt zur Kenntnis, dass die politische Teilhabe von Frauen in der Türkei zu gering ist; hebt hervor, dass die Diskriminierung von Frauen manchmal am besten durch eine zeitweilige positive Diskriminierung beseitigt werden kann, wie sie unter anderem vom CEDAW erlaubt wird, und dass ein absoluter Bedarf nach weiblichen Rollenmodellen für Macht- und Entscheidungspositionen besteht;

43.   empfiehlt die Anregung von Maßnahmen zur Gewährleistung einer angemessenen Vertretung von Frauen auf Wahllisten als besten Weg, die Teilhabe von Frauen an der türkischen Politik kurzfristig zu verbessern;

44.   fordert die politischen Parteien in der Türkei auf, interne Vorschriften zu erlassen, die die Präsenz von Frauen in ihren Führungsgremien auf allen Ebenen gewährleisten;

45.   fordert die Parteien in der Türkei dringend auf, bereits bei den anstehenden Wahlen im Jahr 2007 mehr weibliche Kandidaten in die Wahllisten aufzunehmen, Frauen in der Parteihierarchie einen angemessenen Platz einzuräumen und das Bewusstsein für die Bedeutung der politischen Teilhabe von Frauen zu stärken;

46.   bedauert außerordentlich, dass im türkischen Parlament immer noch kein ständiger Ausschuss für Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter eingesetzt wurde; hebt hervor, dass die Versprechungen, die von der türkischen Regierung und einigen Parteien in ihren Wahlprogrammen gemacht wurden, weiter gelten sollten, und betont, dass der Ausschuss so bald wie möglich geschaffen werden sollte;

47.   ist besorgt angesichts der Feststellung der Kommission, dass Frauen immer noch Opfer von Diskriminierungen werden, unter anderem auf Grund mangelnder Bildung und einer hohen Analphabetenrate im Land, und fordert die türkische Regierung auf, insbesondere in den südöstlichen Regionen die Gleichstellung von Männern und Frauen beim Zugang zur Bildung und zum Arbeitsmarkt sicherzustellen; fordert in dem Zusammenhang Maßnahmen im Bildungssektor, um das Lehrpersonal mit Kompetenz in Geschlechterfragen auszustatten und weiterhin ein Anreizsystem anzubieten, um Mädchen in den Schulen zu halten; fordert ferner die Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern in Bezug auf die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Recht der Frau auf Selbstbestimmung - Themen, die auch in Schulbüchern zu behandeln sind;

Bildung

48.   nimmt zur Kenntnis, dass nach Schätzungen von UNICEF jedes Jahr zwischen 600 000 und 800 000 Mädchen, die das schulpflichtige Alter erreicht haben, von ihren Familien vom Schulbesuch abgehalten werden oder wegen logistischer Schwierigkeiten keine Schule besuchen;

49.   begrüßt die Mädchenbildungskampagne mit dem Titel "Auf in die Schule, Mädchen!", in deren Folge 222 800 Mädchen in Schulen angemeldet wurden; begrüßt außerdem die "Nationale Bildungskampagne", mit der innerhalb von vier Jahren fast 5 Millionen Erwachsene erreicht wurden, meist Frauen aus ländlichen Gebieten und Mädchen, denen der Schulbesuch verwehrt war;

50.   hebt die Bedeutung von Bildung und ihres potentiellen Beitrags zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen hervor; fordert die türkischen Behörden auf, ein Kontrollsystem zu schaffen, um Mädchen im Bildungssystem zu halten; betont, wie wichtig es ist, dass Mädchen und Frauen in der Schule besseren Zugang zu weiterführenden Schulen und Hochschulen haben und vermehrt Fächer wie Psychologie belegen, um sie vorzubereiten und zu bilden, damit sie in der Lage sind, anderen weiblichen Missbrauchsopfern zu helfen;

Teilhabe am Arbeitsmarkt

51.   nimmt zur Kenntnis, dass die prozentuale Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt außergewöhnlich niedrig ist, nämlich unter 25%, und damit im Vergleich zu der durchschnittlichen Frauenerwerbsquote von 49 % in der EU-27 sehr gering ist und dass die Beschäftigungsquote von Frauen auf etwa 20 % gefallen ist, während der Frauenanteil im informellen Sektor zunimmt, was häufig auf das Zusammentreffen mehrerer Faktoren zurückzuführen ist, nämlich das niedrige Bildungsniveau vieler Frauen, das Fehlen eines institutionalisierten, flächendeckenden, zugänglichen und erschwinglichen Systems für die Betreuung von Kindern bzw. älteren und behinderten Angehörigen und die geschlechterspezifische Arbeitsteilung in der Gesellschaft;

52.   betont die Feststellung der Kommission, dass bezüglich der Gleichberechtigung eine Anpassung an den gemeinschaftlichen Besitzstand erforderlich ist, insbesondere im Hinblick auf Elternurlaub, gleiches Arbeitsentgelt, gleichen Zugang zu Beschäftigung und rechtlich und betriebsrechtlich verankerte soziale Sicherheit;

53.   begrüßt vor diesem Hintergrund Projekte wie das gemeinsame niederländisch-türkische Projekt mit dem Titel "Stärkung der Gleichstellung im Bereich der Beschäftigung" und das geplante Projekt mit dem Titel "Förderung der Unternehmertätigkeit von Frauen" sowie die Zusammenarbeit zwischen der Garanti-Bank und KAGIDER (Vereinigung von Unternehmerinnen) betreffend die Kreditmöglichkeiten bis zu 30 000 USD und die kostenlose Fortbildung für Unternehmerinnen;

54.   fordert die türkische Regierung auf, eine oder mehrere Stellen im Sinne von Artikel 8a der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen(5) zu bezeichnen, die für die Förderung, Analyse, Beobachtung und Unterstützung der Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt, einschließlich der Berufsbildung, zuständig sind;

55.   fordert die Sozialpartner und die türkische Regierung auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft sicherzustellen; fordert die Kommission auf, die Unterstützung dieser Anstrengungen zu einer ihrer Prioritäten zu machen;

56.   ersucht die türkische Regierung, genaue Daten zur Diskriminierung von Frauen vorzulegen, einschließlich Daten zum Zugang von Kopftuchträgerinnen zum Arbeitsmarkt, um festzustellen, ob die Gefahr einer indirekten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts besteht;

57.   fordert die türkische Regierung auf, die Situation der überwiegend weiblichen Beschäftigten im Heimarbeitssektor zu verbessern; fordert die Türkei in diesem Zusammenhang dringend auf, die oben genannte IAO-Konvention Nr. 177 über Heimarbeit zu unterzeichnen und zu ratifizieren und das türkische Arbeitsgesetzbuch auf Heimarbeit auszudehnen;

58.   fordert die türkische Regierung erneut auf, befristete und mit konkreten Zielen versehene nationale Aktionspläne für Frauen und Beschäftigung auszuarbeiten und umzusetzen, wie dies gängige Praxis in den EU-Mitgliedstaaten ist;

59.   fordert das türkische Arbeitsministerium und die Sozialpartner auf, Fragen im Zusammenhang mit der Gleichstellung der Geschlechter in ihre Maßnahmen und die Tarifverträge einzubeziehen, und fordert die türkischen Gewerkschaften auf, die Arbeit im informellen Sektor zu organisieren sowie Gewerkschaftsvertreter und Gewerkschaftsvertreterinnen in Bezug auf Gleichstellungsfragen zu schulen; begrüßt in diesem Zusammenhang die Initiativen des Gewerkschaftsverbandes Türk-IS;

60.   betont die wichtige Rolle der Sozialpartner bei der Förderung der Frauenrechte und ihrer Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben; ermutigt die Sozialpartner, die Beteiligung von Frauen in Gremien des sozialen Dialogs verstärkt zu fördern;

61.   beschließt, im Zusammenhang mit dem jährlichen Fortschrittsbericht der Kommission, aber auch ergänzend zu diesem, die Fortschritte auf dem Gebiet der Frauenrechte in der Türkei regelmäßig zu beurteilen und die Fortschritte der Türkei auf dem Gebiet der Frauenrechte anhand der im Fortschrittsbericht festgelegten Maßstäbe zu bewerten;

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62.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, dem Generalsekretär des Europarates, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Gewalt gegen Frauen, dem Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation sowie der türkischen Regierung und dem türkischen Parlament zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P6_TA(2006)0381.
(2) ABl. C 157 E vom 6.7.2006, S. 385.
(3) Leyla Şahin gegen Türkei, Beschwerde Nr. 44774/98.
(4) Quelle: Nimet Çubukçu, amtierende türkische Staatsministerin für Frauenrechte.
(5) ABl. L 39 vom 14.2.1976, S. 40. Geändert durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 269 vom 5.10.2002, S. 15).

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