Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. März 2007 zu Nigeria
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Nigeria,
– unter Hinweis auf die von Nigeria ratifizierten internationalen Menschenrechtsübereinkommen,
– gestützt auf Artikel 115 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass trotz der in den vergangenen Jahren von der nigerianischen Regierung unternommenen Anstrengungen zur Förderung der Menschenrechte und der Bekämpfung der Korruption und trotz einiger Verbesserungen im Hinblick auf die Lage der Bürgerrechte und der politischen Rechte eine Reihe von dringenden und grundlegenden Menschenrechtsproblemen gelöst werden muss, sowie in der Erwägung, dass das Land weiterhin von Korruption, willkürlichen Verhaftungen und Folter, außerrechtlichen Tötungen und politischer Gewalt heimgesucht wird,
B. in der Erwägung, dass ethnische und religiöse Kontraste sowie eine weit verbreitete Armut die Hauptgründe für die anhaltende Gewalt zwischen den Bevölkerungsgruppen sind,
C. in der Erwägung, dass die islamischen Scharia-Gerichte in 12 der 36 nigerianischen Teilstaaten in Strafrechtsfällen urteilen; in der Erwägung ferner, dass diese Gerichte weiterhin Todesurteile verhängen sowie zu Auspeitschung und Amputation verurteilen, wenngleich Exekutionen und Amputationen nicht mehr durchgeführt werden, dass die Verhandlungen internationalen Standards nicht entsprechen, etwa im Hinblick auf das Recht auf Rechtsbeistand und Unterrichtung des Beschuldigten über seine Rechte, und dass diese Gerichte dazu neigen, Frauen zu diskriminieren,
D. in der Erwägung, dass Straffreiheit eher die Regel als die Ausnahme ist, da nur gegen einige wenige Gewalttäter oder Menschenrechtsverletzer ermittelt wird oder diese vor Gericht gestellt werden, und in der Erwägung, dass solche Straffreiheit an sich eines der bedeutendsten Hindernisse ist, Menschenrechtsverstöße und Gewalt in den Griff zu bekommen und zu beenden,
E. in der Erwägung, dass unzureichende Kapazitäten und Mangel an Ressourcen der nigerianischen Polizei deren Möglichkeiten zur Untersuchung von Verbrechen einschränken und dies auch dazu führt, dass eine große Zahl von Menschen unter Verletzung ihrer Rechte übermäßig lange in Untersuchungshaft bleibt,
F. in der Erwägung, dass die Polizei- und Sicherheitskräfte oft an Menschenrechtsverletzungen, einschließlich außerrechtlichen Tötungen, willkürlichen Verhaftungen und Folter, beteiligt gewesen sind,
G. in der Erwägung, dass Kinderarbeit und Kinderhandel weiterhin weit verbreitet sind,
H. in der Erwägung, dass die Meinungsfreiheit durch fortdauernde Einschüchterung von Journalisten und politisch Aktiven eingeschränkt bleibt,
I. in der Erwägung, dass das nigerianische Parlament gegenwärtig den Entwurf eines "Same Sex Marriage (Prohibition) Act" genannten Gesetzes prüft, das jedem eine fünfjährige Haftstrafe androht, der die Zeremonie einer gleichgeschlechtlichen Eheschließung vollzieht, dabei Zeuge ist, eine solche begünstigt oder ihr Vorschub leistet, aber auch jedem, der öffentlich oder privat für gleichgeschlechtliche Beziehungen eintritt,
J. in der Erwägung, dass die Wahlen in den Jahren 1999 und 2003 wegen der umfangreichen Betrügereien und Gewalttaten nicht als frei und fair betrachtet werden können,
1. fordert die nigerianische Regierung auf, unverzüglich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Bürger zu schützen, der Gewalt, der verbreiteten Korruption und der Straffreiheit für Menschenrechtsverletzer ein Ende zu setzen und die Achtung der Menschenrechte aktiv zu fördern;
2. fordert die nigerianische Regierung auf, die Todesstrafe abzuschaffen und in den Fällen einzugreifen, in denen Menschen nach der Scharia zum Tode, zur Amputation, zum Auspeitschen oder zu sonstiger unmenschlicher und entwürdigender Behandlung verurteilt werden, was gegen die nigerianische Verfassung sowie auch gegen internationale Menschenrechtsbestimmungen verstößt;
3. begrüßt die multilaterale Vereinbarung zwischen 26 west- und zentralafrikanischen Ländern gegen den Frauen- und Kinderhandel sowie die sonstigen Bemühungen der nigerianischen Behörden in diesem Bereich; fordert die nigerianische Regierung jedoch auf, weitere Maßnahmen in diesem Bereich sowie bei der Bekämpfung der Ausbeutung von Kindern durch Kinderarbeit zu unternehmen;
4. fordert alle Beteiligten an den anstehenden nationalen Wahlen im April auf, öffentlich ihre Verpflichtung zur Beendigung der politischen Gewalt, der Tötungen, der Einschüchterungen oder sonstiger Menschenrechtsverstöße sowie der Straffreiheit nach solchen Verbrechen zu bekunden;
5. fordert die nigerianische Regierung auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die im Vorfeld der Wahlen bestehenden Befürchtungen im Hinblick auf die Beschränkungen der Unabhängigkeit der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission (INEC), auf gesetzeswidriges Auftreten und Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte und auf jede andere Behinderung der Meinungsfreiheit und sonstiger Grundvoraussetzungen für freie und faire Wahlen zu zerstreuen;
6. fordert das nigerianische Parlament auf, den Entwurf des "Same Sex Marriage (Prohibition) Act" in der vorliegenden Form nicht anzunehmen, da er Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte und die Freiheit der Meinungsäußerung enthält, insbesondere seit der Androhung einer fünfjährigen Gefängnisstrafe für alle, die öffentlich oder privat für gleichgeschlechtliche Beziehungen eintreten;
7. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie der Regierung und dem Parlament von Nigeria zu übermitteln.