Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. September 2007 zum Thema "Güterverkehrslogistik in Europa – der Schlüssel zur nachhaltigen Mobilität" (2006/2228(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die neue Lissabon-Strategie, für deren erfolgreiche Umsetzung ein leistungsfähiges Logistiksystem eine wesentliche Grundlage darstellt, und die Schlussfolgerungen des Rates zum Beitrag des Verkehrssektors zur Lissabon-Strategie,
– in Kenntnis der Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001 (KOM(2006)0314), die ein Kapitel zur Verkehrslogistik als Mittel für intelligente Mobilität enthält,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission "Güterverkehrslogistik in Europa – der Schlüssel zur nachhaltigen Mobilität" (KOM(2006)0336),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Februar 2007 zum Beitrag zur Frühjahrstagung 2007 des Europäischen Rates im Hinblick auf die Lissabon-Strategie(1),
– unter Hinweis auf die Vorschläge und Leitlinien der Kommission und die Standpunkte des Parlaments zu den Strukturfonds und zum Kohäsionsfonds sowie zum Siebten Rahmenprogramm im Bereich Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 9. März 2007 zum Klimawandel,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel "Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union: eine europäische Vision für Ozeane und Meere" (KOM(2006)0275) und die diesbezügliche Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Juli 2007(2),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Mitteilung der Kommission über Güterverkehrslogistik in Europa,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Europäische Logistikpolitik"(3),
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (A6-0286/2007),
A. in der Erwägung, dass die seit 2001 im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Verkehrspolitik durchgeführten Maßnahmen nicht mehr ausreichen, um den neuen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu begegnen,
B. in der Erwähnung, dass sich der Transport- und Logistikbereich weiter als wichtiger Wirtschaftszweig im Dienstleistungsbereich entwickelt und neue Beschäftigungsperspektiven eröffnet,
C. in der Erwägung, dass eine leistungsfähige und effektive Güterlogistik als integraler Bestandteil des EU-Verkehrssystems für die wirtschaftliche Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit, die optimale Nutzung der Ressourcen, die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten, den Schutz der Umwelt, die Bekämpfung des Klimawandels und die Erhöhung der Sicherheit erforderlich ist,
D. in der Erwägung, dass der Logistiksektor für den sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt sowie für die bessere Einbindung der Randgebiete und -regionen in eine erweiterte Europäische Union von wesentlicher Bedeutung ist,
1. begrüßt die oben genannte Mitteilung zur Güterverkehrslogistik in Europa und befürwortet die Konsultationen mit den interessierten Kreisen zur Beseitigung der vorhandenen Engpässe;
2. unterstützt die Absicht der Kommission, im Herbst 2007 einen Aktionsplan für Güterlogistik vorzulegen, der dazu dienen muss, die Logistik auf die politische Tagesordnung zu setzen und ihr durch Herausstellung ihres Potenzials, ihrer Attraktivität und ihres Nutzens ein stärkeres öffentliches Profil zu verleihen;
3. erkennt die Bedeutung des von der Kommission hergestellten Zusammenhangs zwischen Logistik und Ko-Modalität durch gesonderte Betrachtung der einzelnen Verkehrsträger und ihre Einbeziehung in Logistikketten an und stimmt der Auffassung zu, dass für alle Verkehrsträger Anreize geschaffen werden sollten, ihre Dienste auf einem wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Niveau zu erbringen;
4. fordert, dem Verkehr, der Logistik und der Entwicklung der TEN in der neuen Lissabon-Strategie Priorität einzuräumen, und ersucht die Mitgliedstaaten, dieser Priorität in den nationalen Plänen, die auf dem nächsten Frühjahrsgipfel 2008 vorgestellt werden, Rechnung zu tragen;
Senkung des Verwaltungsaufwands
5. stellt fest, dass die Logistik zwar in erster Linie eine geschäftsbezogene Tätigkeit ist; vertritt jedoch die Auffassung, dass die staatlichen Stellen insbesondere bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen für den multimodalen Güterverkehr eine Rolle spielen und eine Mittlerfunktion einnehmen können;
6. anerkennt die Bedeutung des Aufbaus einer "Verwaltung aus einer Hand" in diesem Sektor, um die Effizienz zu erhöhen, Bürokratie abzubauen und die Kosten zu senken;
7. begrüßt die Absicht der Kommission, die Detailfragen und den zusätzlichen Nutzen der Einführung eines einheitlichen Beförderungsdokuments als EU-Modell zur Beförderung jeglicher Güter, unabhängig vom Verkehrsträger, zu prüfen; ist allerdings der Auffassung, dass ein derartiges Dokument den Transportunternehmen eindeutige Rechtssicherheit geben und die Vielfalt der bestehenden Beförderungsdokumente ersetzen muss;
8. fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Vereinfachung der Verfahren im Kurzstreckenseeverkehr zu verstärken und dem Gedanken des "Hochgeschwindigkeitsseewegs" stärker in der Praxis Geltung zu verschaffen; spricht sich in diesem Sinne für weitere Vorschläge für die Binnenschifffahrt auf der Grundlage der NAIADES-Initiative aus; fordert die rasche Benennung eines europäischen Koordinators für die Hochgeschwindigkeitsseewege, die zu den Schwerpunktprojekten im Rahmen des Transeuropäisches Verkehrsnetzes (TEN-V) gehören;
9. unterstützt die von der Kommission im Rahmen ihres Grünbuchs "Die künftige Meerespolitik der EU: eine europäische Vision für Ozeane und Meere" (KOM(2006)0275) angestellten Überlegungen zur Schaffung eines "Gemeinsamen europäischen Seeverkehrsraums" und fordert sie auf, Vorschläge zu unterbreiten, damit mittelfristig die innergemeinschaftliche Kabotage nicht mehr als internationaler Verkehr gilt;
Intelligente Verkehrssysteme
10. stellt fest, dass hoch entwickelte Informations- und Kommunikationssysteme sowie die Entwicklung "intelligenter Verkehrssysteme", insbesondere über Galileo und andere EU-Initiativen wie SESAR (Europäisches Flugverkehrsmanagementsystem), ERTMS (Europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem), RIS (Binnenschifffahrtsinformationsdienste) und SafeSeaNet ebenso wie innovative Ortungs- und Verfolgungssysteme für die Logistik von Bedeutung sind;
11. verweist auf die Bedeutung intelligenter Verkehrssysteme (ITS) für die Erhöhung der Leistungsfähigkeit sämtlicher Verkehrsträger und befürwortet den Einsatz dieser Systeme als Schwerpunktaufgabe der Europäischen Union unter besonderer Beachtung ihrer vollständigen Interoperabilität und der Gewährleistung gleicher Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere für KMU;
12. unterstreicht die Bedeutung des Ausbaus von E-Freight als Mittel zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands, Beschleunigung der Verfahren und Schaffung von Möglichkeiten zur rationellen Gestaltung und Verringerung der auszufüllenden Formulare, insbesondere beim grenzüberschreitenden Güterverkehr;
13. hält eine größere Kompatibilität und Interoperabilität alter und neuer Systeme als Voraussetzung für voll einsatzfähige ITS auf EU-Ebene für erforderlich;
14. erkennt an, dass die Entwicklung von ITS richtig finanziert und durch geeignete Schulungsmaßnahmen flankiert werden muss, wobei dem uneingeschränkten Zugang von KMU besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist;
Infrastrukturen und Investitionspolitik
15. bedauert die Auswirkungen des Standpunkts des Rates zur Finanzierung von TEN-V auf die Entwicklung der Güterverkehrslogistik in der Europäischen Union; fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die Debatte 2008-2009 über die Finanzierung der EU-Politik als Gelegenheit für eine endgültige Lösung des permanenten Problems der Unterfinanzierung der Gemeinsamen Verkehrspolitik – insbesondere bei TEN- und ITS-Projekten – zu nutzen; schlägt vor, bei künftigen Finanzierungsentscheidungen zu TEN-V den zusätzlichen Nutzen der Logistikkomponente zu berücksichtigen;
16. spricht sich für die baldige Behebung gravierender Engpässe für den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr, die aufgrund des historischen Mangels an geeigneten Übergängen in großen Gebirgsmassiven wie den Alpen und den mittleren Pyrenäen noch bestehen, durch die notwendigen gemeinschaftlichen Infrastrukturen (Eisenbahntunnel auf niedriger Höhe) aus, die reale und unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsträgers nachhaltigere Alternativen zu den wenigen, völlig überlasteten bestehenden Übergängen darstellen sollten;
17. fordert die Kommission auf, ein Schienenverkehrssystem mit speziellen Trassen festzulegen und zu entwickeln und entsprechende Initiativen vorzulegen, wobei sie besonderes Augenmerk auf die grenzüberschreitenden Korridore und auf die Entwicklung intermodaler Knoten legen sollte, um die Wiederankurbelung des europäischen Eisenbahnsektors zu verstärken und so seine Kapazität im Güterverkehr zu erhöhen; legt allen Mitgliedstaaten nahe, diese Initiative auf nationaler Ebene zu unterstützen;
18. unterstreicht, dass es dringend erforderlich ist, ko-modale Infrastrukturen zu entwickeln und Plattformen und Umschlagseinrichtungen, insbesondere zwischen der Binnenschifffahrt und dem Schienenverkehr, sowie Trockenhäfen im Hinterland zu schaffen und so eine europäische Binnenlogistik zu fördern; fordert in diesem Sinne, unter anderem die Verbindung zwischen Schienenverkehr und Flughäfen zu verstärken, um die Kapazität und Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrssektors sowohl bei innergemeinschaftlichen Flügen als auch auf Langstrecken außerhalb der EU unter besonderer Beachtung des Frachtverkehrs zu erhalten;
19. ersucht die Kommission, im Rahmen des Aktionsplans für die Verbreitung bewährter Verfahren für die Logistikfinanzierung zu sorgen, beispielsweise durch verschiedene Initiativen zur öffentlich-privaten Kofinanzierung, zum Einsatz von Mitteln der Europäischen Investitionsbank und des Europäischen Investitionsfonds sowie der strukturpolitischen Instrumente; fordert die Kommission auf, sich um die Ausweitung der derzeit entwickelten Lösungen für mittel- und langfristige EU-Projekte wie Galileo auf andere Infrastrukturvorhaben zu bemühen;
Ausbildung und Attraktivität der Logistikberufe
20. begrüßt die Tatsache, dass die Kommission Ausbildung und lebensbegleitendes Lernen als Schwerpunkte betrachtet, und befürwortet den Vorschlag, auf freiwilliger Grundlage einheitliche Standards und Richtwerte für die Ausbildung sowie für die gegenseitige Anerkennung der Qualifikationen, Kenntnisse und Kompetenzen des gesamten Verkehrs- und Logistikpersonals zu erarbeiten;
21. vertritt den Standpunkt, dass der derzeitige Mangel an logistischem Fachpersonal auf allen Ebenen und in allen Sektoren durch geeignete Ausbildungsangebote und eine dementsprechend größere Attraktivität des Berufs behoben werden könnte;
Stadtverkehr
22. unterstützt die Absicht der Kommission, ein Grünbuch über den Stadtverkehr zu verabschieden, und spricht sich für die Einbeziehung eines Kapitels zur Stadtlogistik mit besonderem Augenmerk auf die Verbreitung erfolgreicher Konzepte aus;
Normung
23. ermutigt die europäischen Normungsgremien, zur Ausarbeitung technischer Normen für die verschiedenen Verkehrsträger beizutragen und, sofern es sinnvoll und möglich ist, die intermodale logistische Perspektive unter Berücksichtigung der Standpunkte aller Beteiligten uneingeschränkt in ihre Arbeiten einzubeziehen;
24. fordert, dass die Kommission nach ausgiebiger Konsultation aller beteiligten Seiten eine gründliche Studie dazu vorlegt, ob die verschiedenen Normen für Maße und Gewichte im Güterverkehrssektor angesichts des technischen Wandels und der heutigen Gegebenheiten noch sinnvoll sind;
25. plädiert dafür, dass der Aktionsplan für Logistik innovative Logistikmodelle, die Ko-Modalität und eine sicherere und nachhaltige Mobilität fördert; schlägt vor, dass die Kommission 60-Tonnen-Lkw nur für bestimmte Straßen auf Antrag und innerhalb eines Mitgliedstaats zulässt; vertritt die Auffassung, dass bei der Bewertung dieser Anträge insbesondere Faktoren wie der vorhandenen Infrastruktur und Sicherheitserwägungen gebührend Rechnung getragen werden muss;
Sicherheit
26. stellt fest, dass die Verkehrssicherheit ein Thema ist, das die Kommission im Aktionsplan anzugehen beabsichtigt; spricht sich dafür aus, dass die zu ergreifenden Maßnahmen ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten und zugleich die EU-Position auf internationaler Ebene stärken sollten; unterstreicht aber gleichzeitig das auch von der Kommission angesprochene Erfordernis eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Sicherheitsverfahren und freiem Handelsverkehr;
27. merkt an, dass die Sicherheit von Ladungen im Güterverkehr vor Diebstahl, Raub und Entführung in dem Aktionsplan wahrscheinlich nicht in gebührendem Maße behandelt wird; fordert nachdrücklich, insbesondere in Grenzgebieten und im grenzüberschreitenden Güterverkehr, der auch durch Drittstaaten führt, Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu treffen;
Planung
28. fordert die Mitgliedstaaten auf, innerhalb des Gesamtrahmens des EU-Aktionsplans nationale Aktionspläne für die Güterlogistik zu erarbeiten;
29. befürwortet den Vorschlag der Kommission, "Anlaufstellen" zur Beseitigung von Engpässen einzurichten, betont aber, dass sich diese Maßnahmen nicht auf die getrennte Untersuchung der Verkehrsträger beschränken und nicht ohne fundierten Überblick erfolgen dürfen; unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass Managementstrategien zur stärkeren Auslastung der Flotten und reibungslosen Nutzung der Infrastruktur ein großes Potenzial für eine nachhaltige Güterverkehrslogistik beinhalten;
30. plädiert für eine enge und dauerhafte Zusammenarbeit aller einschlägigen Akteure des Verkehrs- und Logistikbereichs auf nationaler und europäische Ebene, die sich unter anderem mit der konkreten Beseitigung der bestehenden Engpässe befasst;
31. fordert die Kommission auf, auf einem jährlich stattfindenden Europäischen Logistikforum die künftigen Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten für die Güterverkehrslogistik in Europa zu diskutieren;
Statistik
32. fordert die Kommission auf, den Aufbau einer aktualisierten und leistungsfähigen statistischen Datenbank für die EU-Logistik, die auf effiziente und notwendige Daten beschränkt ist und keinen unnötigen Aufwand für die betroffenen Unternehmen bedeutet, möglichst schnell voranzutreiben, dabei aber darauf Bedacht zu nehmen, dass die europäische Wirtschaft nicht durch zusätzliche Meldepflichten belastet wird;
33. ruft insbesondere zu Fortschritten bei der Schaffung eines einheitlichen Bestands von Maßeinheiten und einer einheitlichen Terminologie für statistische Zwecke in den Mitgliedstaaten sowie bei der Erfassung von Informationen zu Containerbewegungen auf;
34. betont die Bedeutung des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft und fordert daher die Kommission auf, ihre Anstrengungen zur Förderung der ordnungsgemäßen Durchführung der bestehenden Verordnungen und Umsetzung der in Kraft befindlichen Verordnungen und Richtlinien zu verstärken;
35. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.