Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0400/2007

Aussprachen :

PV 23/10/2007 - 16
CRE 23/10/2007 - 16

Abstimmungen :

PV 25/10/2007 - 7.9

Angenommene Texte :


Angenommene Texte
PDF 131kWORD 46k
Donnerstag, 25. Oktober 2007 - Straßburg
Anstieg der Lebensmittelpreise - Verbraucherschutz
P6_TA(2007)0480RC-B6-0400/2007

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Oktober 2007 zum Anstieg der Futtermittel- und Lebensmittelpreise

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf Artikel 33 des EG-Vertrags,

–   unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 26. September 2007(1) zur Flächenstilllegung für das Jahr 2008,

–   gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.   in der Erwägung, dass die Getreidepreise in den letzten Monaten weltweit dramatisch gestiegen sind und die öffentlichen und privaten Getreidebestände auf den niedrigsten Stand der letzten 40 Jahre zurückgegangen sind,

B.   in der Erwägung, dass den letzten Vorausschätzungen zufolge die Getreideernte 2007 in der Europäischen Union der 27 um ungefähr 8 Millionen Tonnen geringer ausfallen wird als im Jahr 2006,

C.   in der Erwägung, dass die Ernte 2006 lediglich 265,5 Millionen Tonnen betrug, womit 2007 lediglich 1 Million Tonnen für Interventionsbestände verblieb,

D.   in der Erwägung, dass die weltweite Getreideversorgung durch vermutlich mit dem Klimawandel in Verbindung stehende schwere Wetterbedingungen, insbesondere Dürren und Überschwemmungen, beeinträchtigt wurde,

E.   in der Erwägung, dass in den meisten Mitgliedstaaten kein direkter und langfristiger Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Preise für einzelne Produkte und der Nachfrage nach Biokraftstoffen zu erkennen ist, dass dennoch hervorgehoben werden sollte, dass in Ländern wie den Vereinigten Staaten der Anbau von Mais zur Erzeugung von Bioethanol aktiv gefördert wird, was unmittelbare Auswirkungen auf die Preise für Futtermittel und Lebensmittel hat, und dass dies von der OECD auch anerkannt wird,

F.   in der Erwägung, dass in der Studie der OECD vom September 2007 über die Auswirkungen der Produktion von Biokraftstoffen auf die weltweite Ernährungssicherheit und die biologische Vielfalt davor gewarnt wird, dass durch ein Wetteifern um Land und Ressourcen für die Lebensmittel- und der Futtermittelproduktion einerseits und die Kraftstofferzeugung andererseits die Nahrungsmittelpreise derart steigen könnten, dass die Versorgung der ärmsten Menschen und Regionen mit Lebensmitteln bedroht wäre,

G.   in der Erwägung, dass der weltweite Bedarf an Lebensmitteln rascher zunimmt als die Versorgung, nicht zuletzt weil wegen der steigenden Einkommen in Ländern mit sich rasch entwickelnden Volkswirtschaften wie Indien und China, in Kombination mit wachsenden Bevölkerungszahlen, die Nachfrage insbesondere nach Fleisch und Milchprodukten und damit auch nach Futtermitteln steigt,

H.   in der Erwägung, dass eine unsichere Nahrungsmittelversorgung für mehr als 854 Millionen Menschen, von denen etwa 820 Millionen in den Entwicklungsländern leben, weiter eine Realität ist,

I.   in der Erwägung, dass die Verbraucherpreise für Lebensmittel nicht mit den Lebenshaltungskosten Schritt gehalten haben und die Erzeugerpreise nicht mit den Einzelhandelspreisen Schritt halten konnten,

J.   in der Erwägung, dass die großen Vertriebsketten und eine kleine Anzahl von Supermarktketten in der Union einen großen Einfluss auf die Festlegung der Lebensmittelpreise nehmen und dass sie aufgrund ihrer hohen Konzentration eine dominante Position gegenüber den Erzeugern innehaben,

K.   in der Erwägung, dass die steigenden Kosten für Mischfutter die Produktionskosten für den Viehzuchtsektor in die Höhe treiben,

L.   in der Erwägung, dass sich die Gemeinsame Agrarpolitik in den letzten 15 Jahren infolge des Drucks der europäischen Gesellschaft und ihrer sich entwickelnden Wirtschaft bereits dramatisch verändert hat und dass die "Entkoppelung" den Landwirten die Gelegenheit bietet, auf Signale des Marktes zu reagieren,

M.   in der Erwägung, dass in Artikel 33 des EG-Vertrags als Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik genannt werden, die Versorgung sicherzustellen und für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen,

Flächenstilllegung

1.   begrüßt die vor kurzem getroffene Entscheidung des Rates der Landwirtschaftsminister, dem Vorschlag der Kommission zu folgen und die obligatorische Flächenstilllegung für 2008 auszusetzen(2);

2.   nimmt die Einschätzung der Kommission zur Kenntnis, wonach dadurch etwa 2,9 Millionen Hektar für die Getreideerzeugung frei werden und sich die Ernte 2008 um etwa 10 Millionen Tonnen erhöhen wird;

3.   bedauert, dass der Rat den Änderungen des Parlaments nicht gefolgt ist, die auf eine Aussetzung der Flächenstilllegung auch für das Jahr 2009 abzielten, und erwartet, dass dieses Thema bei dem anstehenden "Gesundheitscheck" der GAP erneut aufgegriffen wird;

Nahrungsmittelerzeugung und Einzelhandel

4.   nimmt die jüngste Bemerkung von Kommissionsmitglied Fischer Boel zur Kenntnis, wonach die Preise für Fleisch und Fleischerzeugnisse 2008 wegen gestiegener Futtermittelkosten um bis zu 30 % steigen könnten;

5.   stellt fest, dass die 2007 gestiegenen Milchpreise eine zwar geringe, jedoch dringend benötigte Erhöhung der Einkommen der Milchviehhalter bedeuten, jedoch für die Verbraucher ein Problem darstellen und die Sicherstellung der erforderlichen Versorgung mit Milcherzeugnissen, etwa für Schulen und Krankenhäuser, erschweren;

6.   fordert die Kommission auf, eine sofortige und zeitlich befristete Erhöhung der Milchquoten vorzuschlagen, um die Preise auf dem Binnenmarkt zu stabilisieren;

7.   stellt mit Sorge fest, dass die europäischen Geflügelerzeuger 40 bis 60 % mehr für Futtermittel aufwenden müssen als vor einem Jahr, wo die Futtermittelkosten doch etwa 60 % ihrer Gesamtkosten ausmachen;

8.   betont mit großem Nachruck, dass die Rohstoffkosten einen relativ geringen Teil an den Gesamtkosten vieler Nahrungsmittelerzeugnisse, insbesondere von Verarbeitungserzeugnissen, ausmachen und dass selbst nach den jüngsten Weizenpreiserhöhungen die Kosten für Weizen weniger als 10 % des Einzelhandelspreises für einen Laib Brot im Vereinigten Königreich und weniger als 5 % des Einzelhandelspreises einer "Baguette" in Frankreich ausmachen;

9.   fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Diskrepanzen zwischen den Erzeugerpreisen und den von den größeren Einzelhandelsketten geforderten Preisen zu untersuchen; weist insbesondere darauf hin, dass die Kommission die Folgen der Konzentration des europäischen Einzelhandelssektors untersuchen sollte, die vor allem die kleinen Erzeuger, die Kleinbetriebe und die Verbraucher treffen, und alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel einsetzen sollte, falls ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung festgestellt wird;

10.   legt der Kommission nahe, die Auszahlung von Vorschüssen auf die Direktzahlungen an Viehzüchter zu genehmigen, insbesondere an vom Ausbruch von Krankheiten (z. B. der Blauzungenkrankheit) betroffene Viehhalter, da sie wegen des Anstiegs der Futtermittelpreise in bedenkliche finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten;

Biokraftstoffe

11.   betont, dass nur ein sehr geringer Anteil der Getreideproduktion der Europäischen Union derzeit für die Erzeugung von Biokraftstoffen verwendet wird und dass selbst zur Erreichung der Biokraftstoffziele der Europäischen Union für 2020 lediglich 15 % der Ackerflächen der Europäischen Union dazu verwendet werden müssten;

12.   stellt fest, dass sich die Anbaufläche für Energiepflanzen in der Europäischen Union seit 2004 verzehnfacht hat und auf 2,84 Millionen Hektar angestiegen ist,

13.   hebt hervor, dass Biokraftstoffe derzeit der einzige Ersatz für fossile Brennstoffe sind, der in großem Umfang auf dem Markt verfügbar ist, und dass sie anders als fossile Brennstoffe erneuerbar sind und erheblich zum Abbau der Treibhausgasemissionen beitragen können;

14.   stellt fest, dass bei der Verwendung von 1 Tonne Getreide für die Herstellung von Bioethanol in der Europäischen Union bis zu 40 % davon in Form von Nebenprodukten in den Tierfuttermittelsektor zurückfließen;

15.   fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten dennoch auf, mehr für die Förderung des Einsatzes und der Herstellung von Bioenergie der zweiten Generation zu tun, was bedeutet, dass eher Dung und landwirtschaftliche Abfallstoffe verarbeitet werden als landwirtschaftliche Primärerzeugnisse;

16.   fordert die Kommission auf, eine Bewertung der Folgen für die Umwelt und die Ernährungssicherheit durchzuführen, bei der das bestehende Wetteifern der Produzenten von Nahrungsmitteln und pflanzlichen Brennstoffen um Land und Ressourcen berücksichtigt wird und auch die Auswirkungen des Klimawandels und mögliche Maßnahmen gegen eine weitere Erschöpfung der Ressourcen für die Nahrungsmittelerzeugung untersucht werden;

Einfuhren und Ausfuhren

17.   stellt mit großer Sorge fest, dass die Kosten von Mischfuttermitteln um EUR 75 pro Tonne gestiegen sind und wegen eines akuten Mangels an Futtergetreide weiter steigen und dass der Viehwirtschaft in der Europäischen Union dadurch zusätzliche Kosten von 10 Milliarden EUR entstehen;

18.   nimmt die in der Tagung des Rates der Landwirtschaftsminister im September 2007 gemachte Ankündigung der Kommission zur Kenntnis, dass ein Vorschlag zur Aufhebung der Einfuhrzölle für Getreide im Jahr 2008 formuliert werden soll, um damit auf die schwierige Lage im Nutzviehsektor, insbesondere dem Schweinefleischsektor, zu reagieren;

19.   weist darauf hin, dass die Verhandlungsposition der Europäischen Union bei den WTO-Verhandlungen über den Marktzugang durch solche Entscheidungen geschwächt werden könnte;

20.   unterstreicht, dass diese Entscheidung nicht als Präzedenzfall für andere Sektoren wie den Reissektor dienen sollte;

21.   lehnt alle Versuche ab, verbindliche Ausfuhrkontingente und Ausfuhrzölle für landwirtschaftliche Erzeugnisse der Europäischen Union einzuführen;

22.   fordert, dass Akteure in Drittländern denselben strengen Kontrollen unterworfen werden wie die Erzeuger in der Europäischen Union;

23.   fordert die Kommission auf, eine Bestandsaufnahme möglicher Maßnahmen zur Steuerung der Versorgung und zur Ernährungssicherheit vorzunehmen, mit denen eine weitere extreme Volatilität der Futtermittel- und Lebensmittelpreise sowie ein nicht durchzuhaltender Wettbewerb zwischen den Nahrungsmittel- und den Brennstoffproduzenten unterbunden werden kann;

Weltweit unsichere Nahrungsmittelversorgung

24.   ist sich dessen bewusst, dass eine Reduzierung der weltweiten Nahrungsmittelbestände besonders schwerwiegende Auswirkungen auf Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen und Nahrungsmitteldefizit haben, deren Gesamtaufwendungen für Getreideimporte vermutlich erheblich steigen werden – auf einen Rekordhöchststand von 28 Milliarden US-Dollar 2007/2008, womit das bereits hohe Vorjahresniveau noch um etwa 14 % übertroffen wird;

25.   stellt fest, dass die Entwicklungsländer 2007/2008 insgesamt die Rekordsumme von 52 Milliarden US-Dollar für Getreideimporte ausgeben werden;

26.   fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der Versorgungsengpässe bei Getreide und Ölsaaten auf die anfälligsten Erzeuger und Konsumenten von Lebensmitteln in der Europäischen Union und in Drittländern eingehend zu untersuchen und Mittel und Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen Störungen der Lebensmittelversorgung und die inflationären Effekte weiterer Preisanstiege verhindert werden können;

27.   fordert die Kommission auf, eine eingehende Analyse der Entwicklung des Weltmarkts vorzunehmen und dabei auch die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln in den Entwicklungsländern zu analysieren, um als Teil der Generalüberprüfung der GAP auch die Schaffung ständiger Mechanismen in Erwägung zu ziehen, mit denen künftig eine angemessene Marktversorgung sichergestellt wird;

28.   fordert die Kommission auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, um eine nachhaltige Landwirtschaft zu gewährleisten, die in der Lage ist, zu erheblichen Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen beizutragen und die Lebensmittelsouveränität der Mitgliedstaaten zu garantieren;

o
o   o

29.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P6_TA(2007)0411.
(2) Verordnung (EG) Nr. 1107/2007 des Rates vom 26. September 2007 zur Abweichung von der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpund mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe hinsichtlich der Flächenstilllegung für das Jahr 2008 (ABl. L 253 vom 28.9.2007, S. 1).

Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen