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Verfahren : 2007/2196(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0454/2007

Eingereichte Texte :

A6-0454/2007

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 11/12/2007 - 9.15
CRE 11/12/2007 - 9.15
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2007)0592

Angenommene Texte
PDF 230kWORD 52k
Dienstag, 11. Dezember 2007 - Straßburg
Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern
P6_TA(2007)0592A6-0454/2007

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2007 zu dem Grünbuch "Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern" (2007/2196(INI))

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission vom 28. November 2006 mit dem Titel: "Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern" (KOM(2006)0712),

–   gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A6-0454/2007),

A.   in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten in Drittländern sehr ungleich vertreten sind,

B.   in der Erwägung insbesondere, dass lediglich drei Länder in der Welt (China, Russland und die USA) über eine diplomatische und konsularische Vertretung jedes EU-Mitgliedstaats verfügen, dass in 107 Ländern maximal zehn Mitgliedstaaten vertreten sind und dass es an manchen beliebten Reisezielen wie den Malediven keine Vertretung gibt,

C.   in der Erwägung, dass folglich angesichts des explosionsartigen Anstiegs der Reisen der Unionsbürger – 180 Millionen verkaufte Reisetickets im Jahr 2006 – bzw. der Zahl der Bürger, die ihren Wohnsitz außerhalb der Union haben, die europäische Präsenz durch die Delegationen der Kommission bei den gemeinsamen Bemühungen um eine gemeinsame Nutzung der Ressourcen berücksichtigt werden könnte, um einen Ausgleich für die begrenzten konsularischen und diplomatischen Netze der Mitgliedstaaten zu schaffen,

D.   in der Erwägung, dass der gemeinschaftliche Besitzstand auf diesem Gebiet nicht sehr weit entwickelt ist und sich auf den Beschluss 95/553/EG der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 19. Dezember 1995 über den Schutz der Bürger der Europäischen Union durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen(1) und auf den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Arbeitsgruppe "Konsularische Angelegenheiten" (COCON) des Rates der EU beschränkt, deren Zielsetzung darin besteht, den Informationsaustausch über bewährte einzelstaatliche Verfahren zu organisieren,

E.   in der Erwägung der Initiative der Kommission, die mit ihrem Grünbuch einen Beitrag dazu leisten möchte, den weitgehend unbekannten Artikel 20 des Vertrags bekannt zu machen, wonach jeder Unionsbürger auf der Grundlage des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates genießt, bekannter zu machen,

F.   in der Erwägung, dass die Kommission auf diese Weise

   Artikel 46 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rechnung trägt, in dem das Recht auf konsularischen und diplomatischen Schutz in den Stand eines Grundrechts der Unionsbürger erhoben wurde,
   ihrer Pflicht zur Überprüfung des im Mai 2002 in Kraft getretenen Beschlusses 95/553/EG nach fünf Jahren nachkommt,
   der Veröffentlichung des fünften Berichts über die Unionsbürgerschaft der Kommission vorausgreift, der eine günstige Gelegenheit bietet, um Initiativen anzukündigen, mit denen der diplomatische und konsularische Schutz weiter vorangetrieben werden kann,

G.   in der Erwägung, dass der bestehende Rechtsrahmen bislang jedoch restriktiv ausgelegt worden ist, indem der diplomatische oder konsularische Schutz streng dem Bereich der Regierungszusammenarbeit zugeordnet wurde, der durch das Wiener Übereinkommen von 1963 und nicht durch Artikel 20 des Vertrags geregelt wird,

H.   in der Erwägung, dass der diplomatische und konsularische Schutz insbesondere nicht mit den Aufgaben eines Standesbeamten oder Notars verwechselt werden darf, die den konsularischen Vertretern oft übertragen werden,

I.   in der Erwägung, dass sich diplomatischer Schutz und konsularischer Schutz in Bezug auf ihre Art, ihre Struktur und die Einleitung der jeweiligen Verfahren unterscheiden, da der konsularische Schutz zumindest in einigen Fällen zwingend vorgeschrieben sein kann, während der diplomatische Schutz immer eine Ermessensfrage ist, und dass daher in den jeweiligen Rechtsinstrumenten klar zwischen konsularischem und diplomatischem Schutz unterschieden werden sollte,

J.   in der Erwägung, dass mit dem Vertrag von Maastricht hingegen eine Unionsbürgerschaft geschaffen wurde, die sich von der Staatsbürgerschaft der Mitgliedstaaten ableitet, und es für die Ausgestaltung dieses Konzepts wünschenswert wäre, einen vergleichbaren Schutz aller Unionsbürger, zu erreichen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit,

K.   in der Erwägung, dass es in dieser Hinsicht dringend geboten ist, unverzüglich die Voraussetzungen für die Überprüfung des Beschlusses 95/553/EG im Sinne einer Ausweitung und eindeutigen Einbeziehung des diplomatischen Schutzes in den Geltungsbereich dieses Beschlusses zu schaffen,

L.   in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten bereits Initiativen – wie etwa die Initiative "Pilotland" und gemeinsame Simulationsübungen – ergreifen, die eine bessere Reaktion auf Notfälle und/oder Ausnahmesituationen ermöglichen, zu denen die Kommission mit deren Bewertung einen Beitrag leisten könnte,

M.   in der Erwägung, dass es noch nicht ausgeschöpfte Netze gibt wie das der Honorarkonsuln, die gleichwohl eine beträchtliche Ressource darstellen und denen es die erforderliche Unterstützung zu gewähren gilt,

N.   in der Erwägung, dass durch den Vertrag von Lissabon ein Europäischer Auswärtiger Dienst mit eigenen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten geschaffen wird,

1.   befürwortet uneingeschränkt die Initiative der Kommission, die eine enge Auslegung des Artikels 20 EG-Vertrag ablehnt und dadurch die Grundlagen für ein echtes harmonisiertes Grundrecht auf diplomatischen und konsularischen Schutz für jeden Unionsbürger legt;

2.   fordert die Kommission auf, ihren Juristischen Dienst mit der Frage zu befassen, ob der EG-Vertrag oder der EU-Vertrag eine rechtliche Grundlage zur Angleichung der Regelungen der Mitgliedstaaten im Bereich des diplomatischen und konsularischen Schutzes enthalten;

3.   unterstützt die Kommission in ihren Bemühungen, eine langfristige ehrgeizige Strategie zu konzipieren, deren Kernelemente Information und Kommunikation sein werden;

4.   regt gegenüber der Kommission an, abgesehen von ihrer Pflicht, gemäß Artikel 22 des EG-Vertrags alle drei Jahre einen Bericht über die Unionsbürgerschaft zu erstellen, dem Rat unverzüglich vorzuschlagen, gemeinsame Konzepte und verbindliche Leitlinien anzunehmen, die geeignet sind, gemeinsame Standards im Bereich des konsularischen Schutzes zu schaffen;

5.   ermutigt die Kommission, nunmehr auf eine rationalisierte Architektur, die eine unverzügliche gemeinsame Nutzung der Ressourcen ermöglicht, hinzuarbeiten, ferner auf eine Intensivierung des Austausches bewährter Verfahren durch eine umgehende Bestandsaufnahme sämtlicher in dem Bereich verfügbaren und mobilisierbaren öffentlichen und privaten Ressourcen sowie schließlich auf die Einrichtung verschiedener Formen der Zusammenarbeit zwischen den zahlreichen Akteuren (Mitgliedstaaten, aber auch Honorarkonsuln, Gebietskörperschaften und NRO), die in ihren Beiträgen zur Konsultation der Kommission ihre Bereitschaft signalisiert haben, ihren Teil an der Arbeit zu übernehmen;

6.   ersucht die Kommission, ihre Anstrengungen in Bezug auf Kommunikation und Information zu intensivieren, insbesondere durch

   die Einrichtung einer einheitlichen europäischen Notrufnummer, die gemeinsam mit dem Wortlaut von Artikel 20 des EG-Vertrags im Reisepass der Unionsbürger steht und über die jeder Unionsbürger mit einem Informationszentrum Kontakt aufnehmen kann, von dem er in einem Notfall, der den Prozess des konsularischen Schutzes in Gang setzt, alle zweckdienlichen Informationen erhalten kann, insbesondere die aktuelle Liste mit den Daten der Botschaften und der Konsulate der Mitgliedstaaten, an die er sich wenden kann; für diese Nummer könnte es in Brüssel eine Zentralstelle geben;
   die Sensibilisierung der Personenkreise, die beruflich mit dem (kurz- oder langfristigen) Aufenthalt der Unionsbürger in Drittländern befasst sind, durch die Ausgabe von Broschüren, die auf ihren Tätigkeitsbereich abgestimmt sind;
   die Erarbeitung einer Empfehlung für bewährte Verfahren zur Abfassung von Reisehinweisen, damit diese klar und eindeutig formuliert sind;
   die Einrichtung einer unter ihrer Verantwortung stehenden harmonisierten Website mit Reiseinformationen, die eine Zusammenstellung und/oder Zusammenfassung der Reisehinweise der Mitgliedstaaten darstellen;
   die stärkere Sensibilisierung der Unionsbürger, die ins EU-Ausland reisen, insbesondere auf Flughäfen, in Häfen sowie durch Reisebüros und Reiseveranstalter, Reisetickets und durch nationale Stellen, die mit Reisen und Fremdenverkehr befasst sind;
   die Einrichtung einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der EU-Organe und hoch qualifizierten Diplomaten aus jedem Mitgliedstaat, die einen Informationsaustausch darüber, wie die einzelnen Mitgliedstaaten das Risiko von Reisen in Drittstaaten einschätzen, und die Entwicklung eines gemeinsamen Konzepts für Reisehinweise ermöglicht;

7.   fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten zu erarbeiten, in der sie aufgefordert werden, Artikel 20 des EG-Vertrags in den Reisepässen ihrer Staatsangehörigen abzudrucken;

8.   fordert die Kommission auf, ihm, sobald der Vertrag von Lissabon ratifiziert ist, einen Vorschlag für eine Änderung des Beschlusses 95/553/EG zu unterbreiten, in den Folgendes ausdrücklich aufgenommen werden sollte:

   - der diplomatische Schutz
   - die Identifizierung und Überführung von Leichen
   - die Vereinfachung der Modalitäten für finanzielle Vorleistungen;

9.   ermutigt die Kommission, den konsularischen Schutz auf die Familienmitglieder der Unionsbürger, die Drittstaatsangehörige sind, sowie auf anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose sowie andere Personen auszudehnen, die nicht die Staatsangehörigkeit irgendeines Landes besitzen, jedoch in einem Mitgliedstaat aufhältig und Inhaber eines Reisedokuments sind, das von diesem Mitgliedstaat ausgestellt wurde;

10.   fordert die Kommission auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Unionsbürger bei Festnahme oder Haft in einem Drittstaat rechtlichen Beistand erhalten und dieser wirksamer erfolgt;

11.   unterstützt in vollem Umfang die bereits im Bericht Barnier angekündigte Initiative zur Schaffung von "gemeinsamen Stellen" in den vier "Testgebieten" – Karibik, Balkan, Indischer Ozean und Westafrika – und ermuntert die Kommission, parallel zu der Einrichtung dieser "gemeinsamen Stellen" eine gezielte Informationskampagne für die Unionsbürger durchzuführen, die in diesen Gebieten wohnhaft sind, damit sie dort die für ihre Anmeldung erforderlichen Formalitäten erledigen;

12.   vertritt die Auffassung, dass die Kommission in der Zeit bis zur Einrichtung von gemeinsamen Stellen, die die wesentlichen konsularischen Aufgaben (Ausstellung von Visa, Beglaubigung von Dokumenten, usw.) übernehmen, ihren Beitrag zur Unterstützung der Anstrengungen leisten sollte, die die Mitgliedstaaten erbringen, um ihre Zusammenarbeit zu verbessern, insbesondere

   bei der Bewertung und Analyse der Übungen und Simulationen, die unter der Leitung von "Pilotländern" durchgeführt werden, um ihre Koordinierungs- und Reaktionsfähigkeit in Ausnahmesituationen noch zu verbessern, wobei gleichzeitig auf eine bessere Sichtbarkeit der im Rahmen der Umsetzung der Initiative Pilotland anwendbaren Verfahren sowie auf eine bessere Abstimmung mit betroffenen Dritten, insbesondere mit Fachleuten für Verkehr und Fremdenverkehr, hingearbeitet werden sollte;
   bei der Koordinierung und Bereitstellung ihrer logistischen Kapazitäten und ihrer Ressourcen im Bereich des Katastrophenschutzes;

13.   fordert die Kommission ebenfalls auf, so weit wie möglich mit Schulungsmaßnahmen und unter Einsatz von Technologie gewisse Mängel zu beseitigen und/oder noch nicht ausgeschöpfte Ressourcen besser zu nutzen; vertritt die Auffassung, dass die Kommission in dieser Hinsicht insbesondere ihre Mittel bereitstellen sollte, um spezifische Schulungen zu finanzieren, die von erfahrenen Diplomaten oder konsularischen Vertretern der Mitgliedstaaten durchgeführt werden und sich an Honorarkonsuln richten, die bereits in Drittländern tätig sind; ist der Ansicht, dass an diesen Schulungen später auch Vertreter der Europäischen Union teilnehmen sollten, sobald die "gemeinsamen Stellen'und dann die Delegationen der EU die konsularischen Aufgaben vollständig übernommen haben, die derzeit ausschließlich von den Vertretungen der Mitgliedstaaten wahrgenommen werden;

14.   stellt fest, dass die Verfahren für die Gewährung finanzieller Hilfen in vielen Fällen durch eine Vielzahl einzuholender Auskünfte behindert werden, was eine weitere Schwierigkeit zu einem Zeitpunkt darstellt, da den Unionsbürgern, die sich in einem Drittstaat in einer Notlage befinden, unkompliziert Hilfe geleistet werden sollte; ersucht die Kommission, die Möglichkeit zu prüfen, die Verfahren für die Gewährung von Hilfe zu vereinfachen und zu vereinheitlichen;

15.   fordert die Kommission auf, die Möglichkeiten und Auswirkungen zu analysieren, die sich durch die Schaffung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes, wie er durch den Vertrag von Lissabon vorgesehen ist, für den konsularischen und diplomatischen Schutz ergeben können;

16.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1) ABl. L 314 vom 28.12.1995, S. 73.

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