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Eingereichte Texte :

RC-B6-0024/2008

Aussprachen :

PV 16/01/2008 - 8
CRE 16/01/2008 - 8

Abstimmungen :

PV 17/01/2008 - 6.5
CRE 17/01/2008 - 6.5

Angenommene Texte :

P6_TA(2008)0018

Angenommene Texte
PDF 129kWORD 46k
Donnerstag, 17. Januar 2008 - Straßburg
Lage in Kenia
P6_TA(2008)0018RC-B6-0024/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Januar 2008 zu Kenia

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die am 1. Januar 2008 abgegebene Vorläufige Erklärung der Beobachtungsmission der Europäischen Union (EUEOM) für die Wahlen in Kenia,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzes im Namen der Europäischen Union vom 11. Januar 2008zu den Vermittlungsbemühungen der Afrikanischen Union in Kenia ,

–   unter Hinweis auf die Afrikanische Charta für die Menschenrechte und Rechte der Völker, 1981, die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung 2007 und die Leitlinien für die Durchführung demokratischer Wahlen,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Afrikanischen Union zu den Prinzipien für demokratische Wahlen in Afrika, 2002,

–   in Kenntnis der "Grundsatzerklärung für die internationale Wahlbeobachtung" und des "Verhaltenskodex für internationale Wahlbeobachter", die am 27. Oktober 2005 von den Vereinten Nationen feierlich angenommen wurden,

–   unter Hinweis auf das Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, das am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnet ("Abkommen von Cotonou") und am 25. Juni 2005 in Luxemburg geändert wurde, insbesondere dessen Artikel 8 und 9,

–   gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.   unter Hinweis darauf, dass am 27. Dezember 2007 in Kenia Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten wurden und neun Parteien Kandidaten für das Präsidentenamt aufgestellt hatten, darunter Präsident Mwai Kibaki von der Partei der Nationalen Einheit (PNU) und Raila Odinga für die Orange Demokratische Bewegung (ODM),

B.   unter Hinweis darauf, dass die beiden größten Parteien, PNU und ODM, 43 bzw. 99 Sitze von den insgesamt 210 Sitzen im kenianischen Parlament gewannen,

C.   in der Erwägung, dass die Präsidentschaftswahlen 2007 in Kenia die grundlegenden internationalen und regionalen Normen für demokratische Wahlen nicht erfüllt haben und Unruhen nach sich zogen, die mehr als 600 Bürger das Leben kosteten,

D.   in der Erwägung, dass laut Angaben des UN-Büros für die Koordinierung der humanitären Angelegenheiten (OCHA) die politische Gewalt nach den Wahlen zur Vertreibung von 250 000 Menschen führte und zwischen 400 000 und 500 000 Kenianer insgesamt betrifft, insbesondere Bürger der Städte Eldoret, Kericho und Kisumu,

E.   unter Hinweis darauf, dass die gegenwärtige politische Krise ihren Ursprung hauptsächlich in Spannungen der vorherigen Nationalen Regenbogenkoalition (NARC) hat, die die kenianischen Wahlen im Jahre 2000 gewann, als Mwai Kibaki und Raila Odinga die Teilung der Macht vereinbarten, wobei diese Vereinbarung jedoch nicht eingehalten wurde,

F.   in der Erwägung, dass die Empfehlungen der EUEOM von 2002, u. a. bezüglich der Größe und der Einteilung der Wahlkreise für die allgemeinen Wahlen, nicht hinreichend berücksichtigt wurden, ebenso wenig wie die Empfehlung, dass sich das Mandat der Mitglieder der kenianischen Wahlkommission (ECK) auch noch auf die sechs Monate nach den allgemeinen Wahlen erstrecken sollte, um die Unabhängigkeit und Professionalität der ECK zu stärken,

G.   unter Hinweis darauf, dass die Atmosphäre des Wahlkampfes im Jahre 2007 von einer starken politischen Polarisierung zwischen den Lagern von Kibaki und Odinga geprägt war, die zu Spannungen in ihren jeweiligen Volksgruppen führte,

H.   in der Erwägung, dass mit den Präsidentschaftswahlen die Hoffnungen und Erwartungen des kenianischen Volkes betrogen wurden, das sich eifrig an der Wahl beteiligte, wobei viele friedlich und geduldig ihre Stimme abgaben,

I.   in der Erwägung, dass trotz intensiver diplomatischer Bemühungen, u. a. durch den Vermittlungsversuch des Vorsitzenden der Afrikanischen Union und Präsidenten Ghanas, John Kofi Agyekum Kufuor, und der von vier ehemaligen Präsidenten unternommenen Anstrengungen die politische Krise nicht beigelegt werden konnte,

J.   in der Erwägung, dass Mwai Kibaki am 8. Januar 2008 vor Abschluss der internationalen Vermittlung 17 Mitglieder seines Kabinetts ernannt hat, wodurch er Dreierverhandlungen vorgegriffen und die ODM veranlasst hat, die Massenproteste wieder aufzunehmen,

K.   in der Erwägung, dass während der Wahlkampagne die Vereinigungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit im Großen und Ganzen respektiert wurde, die Kampagne allerdings auch geprägt war von ethnisch-politischen Spaltungen, die zu der instabilen Lage im Vorfeld der Wahlen beitrugen,

L.   in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft diesen latenten ethnischen Spannungen nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte und diesem Aspekt künftig bei allen weiteren Vermittlungsbemühungen in der gegenwärtigen kenianischen Krise Rechnung tragen muss,

M.   in der Erwägung, dass die ECK die logistischen und technischen Aspekte der Wahlen überwacht, den Zugang zu den Wählerregistrierungszentren verbessert und das Wahlpersonal geschult hat,

N.   in der Erwägung, dass die ECK jedoch nicht die erforderliche Unparteilichkeit, Transparenz und Geheimhaltung demonstrierte, die Voraussetzung für eine demokratische Wahl sind, was in den fehlerhaften Nominierungsverfahren der Mitglieder der ECK offensichtlich wurde,

O.   in der Erwägung, dass die EUEOM-Beobachter von den zuständigen Stellen in den Wahllokalen begrüßt wurden, wo die Stimmabgabe ordnungsgemäß durchgeführt wurde,

P.   in der Erwägung, dass die EUEOM-Beobachter jedoch keinen vergleichbaren Zugang zu den Auszählungslokalen erhielten und zum Schluss gelangten, der Mangel an Transparenz und geeigneten Sicherheitsverfahren habe die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen erheblich untergraben,

Q.   in der Erwägung, dass in bestimmten Wahllokalen eine Beteiligung von über 90 % festgestellt wurde und die ECK Zweifel an diesen unrealistisch hohen Zahlen geäußert hat,

R.   in der Erwägung, dass die EUEOM zum Schluss gelangte, dass der Wahlprozess im Großen und Ganzen vor der Ergebnisanzeige ordnungsgemäß durchgeführt wurde, und dass die Parlamentswahlen weitgehend als erfolgreich beurteilt wurden,

S.   in der Erwägung, dass die EUEOM jedoch zum Schluss gelangte, der Auszählung der Stimmen für die Präsidentschaftswahlen mangele es an Glaubwürdigkeit, weshalb sie Zweifel an der Korrektheit der Ergebnisse äußerte,

T.   in der Erwägung, dass der Beobachtungsstelle zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zufolge Mitglieder der "Kenyans for Peace with Truth and Justice Initiative (KPTJ)" bedroht wurden, wobei es sich bei dieser Initiative um eine Koalition unabhängiger NRO handelt, die nach den Wahlen gebildet wurde, um Fälle von Wahlbetrug anzuprangern und Rede- und Vereinigungsfreiheit im Land zu unterstützen,

U.   in der Erwägung, dass Kenia im Rahmen des Cotonou-Abkommens Verpflichtungen zur Achtung der grundlegenden Bürgerrechte, der Demokratie auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit sowie einer transparenten und verantwortungsbewussten Regierungsführung eingegangen ist,

1.   verurteilt den tragischen Verlust von Menschenleben und die kritische humanitäre Situation und fordert die zuständigen Behörden und beteiligten Personen daher nachdrücklich auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der Republik Kenia Frieden zu bringen sowie die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen;

2.   unterstützt die von der EUEOM in ihrer Vorläufigen Erklärung vorgelegten Schlussfolgerungen;

3.   bedauert, dass trotz der weitgehend erfolgreichen Parlamentswahlen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wegen der weit verbreiteten Berichte über Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen nicht als glaubwürdig betrachtet werden können;

4.   bedauert, dass Mwai Kibaki einseitig sein Kabinett ernannt hat, wodurch die Vermittlungsbemühungen ernsthaft untergraben wurden;

5.   fordert Mwai Kibaki auf, die in der Verfassung Kenias und den Leitlinien der Afrikanischen Charta für die Menschenrechte und Rechte der Völker sowie der Afrikanischen Charta für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung verankerten demokratischen Verpflichtungen seines Landes zu freien und fairen Wahlen einzuhalten und einer unabhängigen Überprüfung der Stimmenauszählung der Präsidentschaftswahlen zuzustimmen; fordert die kenianischen Behörden darüber hinaus nachdrücklich auf, eine solche Überprüfung zu erleichtern, um die Situation zu bereinigen und diejenigen, die für diese Wahlunregelmäßigkeiten verantwortlich sind, für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen;

6.   fordert die kenianischen Behörden nachdrücklich auf, unter allen Umständen die physische und psychische Integrität der Mitglieder der KPTJ und aller Menschenrechtsaktivisten im Land zu garantieren und sämtliche Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten in Kenia einzustellen;

7.   fordert beide Seiten auf, bezüglich dieser Situation dringend Abhilfe durch Verhandlungen zu schaffen; unterstützt in diesem Zusammenhang weitere Vermittlungsbemühungen einer Gruppe afrikanischer "Elder Statesmen" unter Führung des ehemaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan;

8.   fordert den Vorsitz der Europäischen Union und die Kommission auf, die Vermittlungsmission unter Führung von Kofi Annan aufmerksam zu überwachen und erforderlichenfalls eine unmittelbare Fortführung dieser Vermittlungsbemühungen durch eine hochrangige EU-Delegation, möglicherweise im Rahmen einer gemeinsamen Initiative der Europäischen und der Afrikanischen Union, sicherzustellen; fordert die Kommission auf, den kenianischen Behörden im Rahmen einer unabhängigen Überprüfung der Präsidentschaftswahlen sowie bezüglich der zur Bereinigung der Situation als notwendig erachteten Schritte jede notwendige technische und finanzielle Unterstützung anzubieten;

9.   begrüßt, dass das neu gewählte Parlament seine Unabhängigkeit demonstriert hat, indem es Kenneth Marende zum Präsidenten gewählt hat und betont die zentrale Rolle, die jenes Parlament bei der Wiederherstellung der bürgerlichen Freiheiten in Kenia spielen wird;

10.   fordert konkrete Maßnahmen zur Einsetzung einer wirklich unparteiischen Wahlkommission, die in Zukunft besser in der Lage wäre, freie und faire Wahlen durchzuführen;

11.   verweist auf die Erklärung von Samuel Kivuitu, Vorsitzender der ECK, der sich von den in den Medien veröffentlichten Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen distanziert und eine unabhängige Untersuchung der Betrugsvorwürfe gefordert hat;

12.   fordert neue Präsidentschaftswahlen, falls es sich als unmöglich erweist, eine glaubwürdige und faire Neuauszählung der bei den Präsidentschaftswahlen abgegebenen Stimmen durch ein unabhängiges Gremium zu organisieren;

13.   bedauert, dass bei den Präsidentschaftswahlen von 2007 die Gelegenheit versäumt wurde, den Wahlprozess und den umfassenderen Demokratisierungsprozess zu konsolidieren und weiter zu entwickeln;

14.   fordert die Führer der politischen Parteien auf, die Verantwortung für die Verhütung weiterer Gewalt im Land zu übernehmen, die Verpflichtung auf den Rechtsstaat unter Beweis zu stellen und die Achtung der Menschenrechte sicherzustellen;

15.   ist tief besorgt über die sozialen Folgen der derzeitigen Wirtschaftskrise, ihre schädlichen Auswirkungen auf die sozioökonomische Entwicklung des Landes sowie die wirtschaftlichen Konsequenzen für die angrenzenden Länder, die zu einem großen Teil von den kenianischen Infrastrukturen abhängig sind und deren humanitäre Lage durch diese Krise untergraben wird;

16.   fordert die kenianische Regierung und die Kommission auf, rasch humanitäre Hilfe für die Binnenflüchtlinge in die Wege zu leiten und alle erforderlichen humanitären Helfer bereitzustellen;

17.   fordert die zuständigen Behörden auf, eine freie und unabhängige Presseberichterstattung sicherzustellen und unverzüglich wieder Live-Sendungen zuzulassen;

18.   bedauert die Auszahlung der EEF-Haushaltszuschüsse für die Regierung Kibaki direkt nach den Wahlen, die als ein Zeichen politischer Voreingenommenheit missverstanden werden könnte, und fordert das Einfrieren aller weiteren Budgethilfen für die Regierung Kenias, bis eine politische Lösung der gegenwärtigen Krise gefunden worden ist;

19.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, der Regierung Kenias, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU, dem Präsidenten der Kommission und dem Vorsitzenden des Exekutivrates der Afrikanischen Union zu übermitteln.

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