Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Juli 2008 zur Rolle des einzelstaatlichen Richters im europäischen Rechtsgefüge (2007/2027(INI))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 61 des EG-Vertrags, der den schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorsieht, darunter Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen,
– unter Hinweis auf das am 5. November 2004 vom Europäischen Rat in Brüssel verabschiedete Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union(1) und die Mitteilung der Kommission vom 10. Mai 2005 "Das Haager Programm: Zehn Prioritäten für die nächsten fünf Jahre" (KOM(2005)0184),
– unter Hinweis auf den Aufruf des Europäischen Rates von Laeken vom 14. und 15. Dezember 2001 zur Stärkung des Vertrauens zwischen den an der justiziellen Zusammenarbeit Beteiligten bald ein europäisches Netz für die Förderung der Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten zu schaffen,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 10. September 1991 zur Errichtung einer Europäischen Rechtsakademie(2) und vom 24. September 2002 zur Errichtung eines Europäischen Netzes für justizielle Ausbildung(3),
– in Kenntnis der Mitteilungen der Kommission vom 29. Juni 2006 über die Fortbildung von Vertretern der Justizberufe in der Europäischen Union (KOM(2006)0356), vom 5. September 2007 "Ein Europa der Ergebnisse – Anwendung des Gemeinschaftsrechts" (KOM(2007)0502) und vom 4. Februar 2008 über die Einrichtung eines Forums zur Erörterung der EU-Rechtspolitik und -praxis (KOM(2008)0038),
– in Kenntnis des Beschlusses 2008/79/EG, Euratom des Rates vom 20. Dezember 2007 zur Änderung des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs(4) und der sich aus der Einführung eines Eilverfahrens für Vorabentscheidungsersuchen ergebenden Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs,
– unter Hinweis auf die durch den Vertrag von Lissabon eingefügten Artikel 81 Absatz 2 Buchstabe h und Artikel 82 Absatz 1 Buchstabe c des künftigen Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die eine gesetzliche Grundlage für Maßnahmen zur Förderung der Weiterbildung von Richtern und Justizbediensteten bieten würden,
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A6-0224/2008),
A. in der Erwägung, dass eine im zweiten Halbjahr 2007 für die Zwecke dieser Entschließung durchgeführte Untersuchung ergab, dass
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in der Europäischen Union erhebliche Unterschiede im Kenntnisstand einzelstaatlicher Richter auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts bestehen(5) und dies bisweilen kaum erkannt wird,
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es dringend notwendig ist, generell die Fremdsprachenkenntnisse einzelstaatlicher Richter zu verbessern,
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einzelstaatliche Richter Schwierigkeiten haben, an spezifische und aktuelle Informationen zum Gemeinschaftsrecht zu gelangen,
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es erforderlich ist, die Ausbildung und ständige Fortbildung einzelstaatlicher Richter auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts zu verbessern und zu intensivieren,
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Richter unzureichend mit dem Vorabentscheidungsverfahren vertraut sind und der Dialog zwischen einzelstaatlichen Richtern und dem Gerichtshof verstärkt werden muss,
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das Gemeinschaftsrecht von vielen Richtern als übermäßig kompliziert und undurchsichtig angesehen wird,
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für eine bessere Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts durch einzelstaatliche Richter gesorgt werden muss,
B. in der Erwägung, dass die Verantwortung für die Aus- und Fortbildung in den Justizberufen, einschließlich ihrer europäischen Dimension, in erster Linie bei den Mitgliedstaaten liegt; in der Erwägung, dass das oben genannte Haager Programm eine Erklärung des Europäischen Rates enthält, in der niedergelegt ist, dass "eine EU-Komponente [...] für Justizbehörden systematisch in die Ausbildung einbezogen werden [sollte]"(6), und in der Erwägung, dass die Ausbildung der Richter in allen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Anliegen der EU-Institutionen und der einzelnen Mitgliedstaaten darstellt,
C. in der Erwägung, dass das Gemeinschaftsrecht nicht als Domäne eines auserwählten Kreises von Spezialisten gelten darf und dass Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet nicht den Richtern höherer Gerichte vorbehalten bleiben dürfen, sondern auch auf Richter auf allen Ebenen des Justizsystems ausgedehnt werden müssen,
D. in der Erwägung, dass bestimmte von der Gemeinschaft geförderte Einrichtungen zunehmend Erfolge aufzuweisen haben und bereits in großer Zahl Richter und Staatsanwälte ausbilden,
E. in der Erwägung, dass Fremdsprachenkenntnisse für eine sachgerechte justizielle Zusammenarbeit, insbesondere in Zivil- und Strafsachen, in Bereichen von wesentlicher Bedeutung sind, in denen ein direkter Kontakt zwischen Richtern vorgesehen ist, sowie zur Inanspruchnahme von Austauschprogrammen für Richter,
F. in der Erwägung, dass das Vorabentscheidungsverfahren trotz kontinuierlicher Bemühungen des Gerichthofs im Durchschnitt sehr lange dauert, wodurch dieses Verfahren bei einzelstaatlichen Richtern deutlich an Attraktivität verliert,
G. in der Erwägung, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Schutz der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte gewährleistet werden kann(7),
H. in der Erwägung, dass nichts in der vorliegenden Entschließung so auszulegen ist, dass es die Unabhängigkeit der Richter und der nationalen Rechtsordnungen gemäß der Empfehlung Nr. R(94)12 des Ministerkomitees des Europarats, der Europäischen Charta von 1998 über das Richterstatut berührt,
Der einzelstaatliche Richter als erster Richter des Gemeinschaftsrechts
1. stellt fest, dass die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft(8) ist; stellt fest, dass das Gemeinschaftsrecht nur auf dem Papier steht, wenn es in den Mitgliedstaaten nicht sachkundig angewendet wird, auch von den einzelstaatlichen Richtern, die somit den Grundpfeiler der Rechtsordnung der Europäischen Union bilden sowie von grundlegender Bedeutung und unerlässlich für die Schaffung einer einheitlichen europäischen Rechtsordnung sind, auch unter dem Gesichtspunkt der jüngsten Leistungen des gemeinschaftlichen Gesetzgebers(9), um die einzelstaatlichen Richter stärker einzubeziehen und ihnen bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts mehr Verantwortung zu übertragen;
2. begrüßt den Standpunkt der Kommission, dass die einzelstaatlichen Richter bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts eine wesentliche Rolle spielen, beispielsweise durch die Grundsätze des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, die unmittelbare Anwendbarkeit, die einheitliche Auslegung und die Haftung des Staates für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht; fordert die Kommission auf, zusätzlich zu den bereits eingeleiteten sektoralen Initiativen ihre Bemühungen in diese Richtung zu lenken; fordert die Kommission des Weiteren auf, in Kürze einen Informationsvermerk zu Schadenersatzklagen bei Verstößen nationaler Behörden gegen das Gemeinschaftsrecht vorzulegen;
Sprachliche Fragen
3. erachtet die Sprache als das wichtigste Instrument von Angehörigen der Justizberufe; geht davon aus, dass das derzeitige Niveau der Fremdsprachenausbildung für einzelstaatliche Richter im Zusammenhang mit dem derzeitigen Kenntnisstand über das Gemeinschaftsrecht nicht nur die Möglichkeiten der justiziellen Zusammenarbeit bei einzelnen Instrumenten, sondern auch die Entstehung gegenseitigen Vertrauens, die richtige Anwendung der Lehre vom "acte clair" und die Teilnahme an Austauschprogrammen einschränkt; fordert alle an der Ausbildung von Justizangehörigen beteiligten Akteure auf, der Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen an Richter besondere Aufmerksamkeit zu widmen;
4. stellt fest, dass die Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch einzelstaatliche Richter die einzelstaatlichen Richter, insbesondere die in den Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union im Mai 2004 oder danach beigetreten sind, vor hohe Anforderungen stellt, und dass dementsprechend die Maßnahmen zur Förderung der Ausbildung der Richter in diesen Mitgliedstaaten verstärkt werden müssen;
5. vertritt darüber hinaus die Ansicht, dass der gemeinschaftliche Gesetzgeber durch die Verabschiedung einer Reihe von Verordnungen mit Kollisionsregeln eine politische Weichenstellung vorgenommen hat, die vermutlich die Anwendung ausländischen Rechts durch einzelstaatliche Richter und möglicherweise auch einen komparativen Ansatz zur Folge hat; geht davon aus, dass diese Elemente in ihrem Zusammenwirken eine verstärkte Fremdsprachenausbildung erst recht geboten erscheinen lassen;
6. ist der Auffassung, dass es im öffentlichen Interesse liegt, die Fremdsprachenkenntnisse der Justizangehörigen in den Mitgliedstaaten zu vertiefen; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Angebote kostenlos und problemlos in Anspruch genommen werden können, und zu prüfen, ob es möglich ist, dass Richter eine Fremdsprache in einem Mitgliedstaat erlernen, in dem sie gesprochen wird, beispielsweise im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Austauschprogramm für Richter;
7. erachtet den Zugang zu Fachliteratur in der Muttersprache des Richters als wichtige Voraussetzung für ein besseres Verständnis des Gemeinschaftsrechts und verweist auf den offenkundigen Mangel an Fachliteratur zum Gemeinschaftsrecht in bestimmten Amtssprachen der Europäischen Union, beispielsweise zu Fragen des internationalen Privatrechts, sowie auf die möglicherweise gravierenden Folgen, die sich daraus für die Gestaltung einer gemeinsamen, die Vielfalt der Rechtstraditionen widerspiegelnden Rechtsordnung ergeben; fordert deshalb die Kommission auf, die Erarbeitung der entsprechenden Literatur zu fördern, insbesondere in den weniger verbreiteten Amtssprachen;
Zugang zu einschlägigen juristischen Quellen
8. weist darauf hin, dass vielen einzelstaatlichen Richtern umfassende und aktuelle Informationen zum Gemeinschaftsrecht nicht systematisch und ordnungsgemäß zur Verfügung stehen und dass das Gemeinschaftsrecht bisweilen in inländischen Gesetzblättern, Gesetzessammlungen, Kommentaren, Zeitschriften und Lehrbüchern unzureichend vertreten ist und auf Übersetzungen von unterschiedlicher Qualität beruht; fordert die Mitgliedstaaten auf, in diesem Bereich verstärkte Anstrengungen zu unternehmen;
9. vertritt den Standpunkt, dass ein wirklicher europäischer Rechtsraum, in dem eine wirksame justizielle Zusammenarbeit erfolgen kann, nicht nur die Kenntnis des europäischen Rechts voraussetzt, sondern auch die gegenseitige allgemeine Kenntnis der Rechtssysteme der anderen Mitgliedstaaten; verweist auf die uneinheitliche Anwendung ausländischen Rechts in der gesamten Europäischen Union und spricht sich dafür aus, diese wichtige Frage in Zukunft anzugehen; nimmt in diesem Zusammenhang die geplante horizontale Untersuchung der Kommission zur Anwendung ausländischen Rechts in Zivil- und Handelssachen sowie die laufenden Studien im Rahmen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht zur Kenntnis;
10. begrüßt die Absicht der Kommission, sich dafür einzusetzen, dass Datenbanken über Urteile nationaler Gerichte zum Gemeinschaftsrecht besser zugänglich sind; ist der Auffassung, dass diese Datenbanken so umfassend und benutzerfreundlich wie möglich sein sollten; erachtet darüber hinaus die Übereinkommen und Verordnungen zu Fragen der Zuständigkeit und zur Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen als gutes Beispiel für eine europäische Datenbank, da diese Dokumente häufig von einzelstaatlichen Richtern herangezogen werden;
11. vertritt die Auffassung, dass alle einzelstaatlichen Richter Zugang zu Datenbanken mit Vorabentscheidungsersuchen aus allen Mitgliedstaaten erhalten sollten; erachtet es zudem als sinnvoll, dass Urteile vorlegender Gerichte, die eine Vorabentscheidung berücksichtigen, stärker publik gemacht werden, wie dies bereits in den Hinweisen des Gerichtshofs zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte zum Ausdruck kommt(10); 12. spricht sich angesichts des großen Angebots an Online-Informationen zum Gemeinschaftsrecht dafür aus, die Richter nicht nur mit inhaltlichen Fragen vertraut zu machen, sondern auch mit den Möglichkeiten der effektiven Nutzung aktueller juristischer Quellen; 13. begrüßt die Zusage der Kommission, Zusammenfassungen von Rechtsakten der Gemeinschaft für die Bürger zu veröffentlichen, und vertritt den Standpunkt, dass diese nicht juristischen Zusammenfassungen auch Juristen einen schnelleren Zugang zu einschlägigen Informationen ermöglichen würden; 14. spricht sich für die Entwicklung von Online-Werkzeugen und -Initiativen im Bereich des E-Learning aus, die zwar nicht allen Erfordernissen der Ausbildung genügen, aber die persönlichen Kontakte zwischen Richtern und Schulungspersonal ergänzen können; Ein besser geordneter Rahmen für die Ausbildung von Justizangehörigen in der Europäischen Union
15. spricht sich dafür aus, dass bei der innerstaatlichen Ausbildung aller Richter und Staatsanwälte die EU-Komponente
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in die Ausbildung und in Eignungsprüfungen für angehende Richter und Staatsanwälte systematisch einbezogen wird,
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vom frühest möglichen Stadium an weiter ausgebaut wird, wobei größeres Augenmerk auf praktische Fragen zu legen ist,
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Auslegungsmethoden und Rechtsgrundsätze berücksichtigt, die möglicherweise dem innerstaatlichen Recht fremd sind, aber im Gemeinschaftsrecht eine wichtige Rolle spielen;
16. nimmt den zunehmenden Erfolg des Austauschprogramms für Justizangehörige zur Kenntnis; spricht sich dafür aus, das Europäische Netz für justizielle Ausbildung einer möglichst großen Zahl von Richtern zugänglich zu machen und Richter für Zivil-, Handels- und Verwaltungssachen angemessen zu berücksichtigen; begrüßt die Aktivitäten des Netzes auf dem Gebiet der Fremdsprachenausbildung und die Ausweitung des Austauschprogramms auf den Gerichtshof, Eurojust und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte;
17. geht davon aus, dass die Entsendung von einzelstaatlichen Richtern zur Teilnahme an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für die Mitgliedstaaten eine wichtige logistische und finanzielle Frage darstellt; vertritt vom Grundsatz her die Auffassung, dass Richter nicht für die Kosten ihrer Unterweisung im Gemeinschaftsrecht aufkommen sollten; ersucht die Kommission, dem Parlament die Höhe der Kosten mitzuteilen, die den einzelnen Mitgliedstaaten schätzungsweise für die zeitweilige Ersetzung der am Austauschprogramm teilnehmenden Richter entstehen;
18. fordert die Kommission angesichts der Tatsache, dass die Kommission anerkannt hat, dass das Europäische Netz für justizielle Ausbildung praktisch ein Monopol für die Durchführung des Austauschprogramms für Justizbehörden hat, auf sicherzustellen, dass die Verfahren, nach denen dieses Netz Mittel für dieses Austauschprogramm beantragt, diese Monopolsituation widerspiegeln; fordert insbesondere, diese Verfahren zu straffen um zu gewährleisten, dass diese Mittel rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, um dem Europäischen Netz für justizielle Ausbildung zu ermöglichen, effiziente Programme zu organisieren und durchzuführen, die den Zusagen an die teilnehmenden nationalen Schulen, internationale Einrichtungen sowie Richter und Staatsanwälte und deren Erwartungen entsprechen; ist der Überzeugung, dass andernfalls die Glaubwürdigkeit des Austauschprogramms in Frage gestellt werden könnte, was zu Lasten der nationalen Richter und Staatsanwälte ginge, die an einer Teilnahme und der Förderung des gegenseitigen Vertrauens bei allen europäischen Justizbehörden interessiert sind;
19. nimmt die von der Kommission getroffene Einschätzung zur Kenntnis, dass die zweckmäßigste Form der Förderung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im europäischen Rechtsraum derzeit darin besteht, verschiedene Einrichtungen über das Rahmenprogramm Grundrechte und Justiz 2007-2013 finanziell zu unterstützen, und dass die Frage, ob die bisherigen Strukturen für die Weiterbildung von Vertretern der Justizberufe auf europäischer Ebene eine andere Form annehmen sollen, nach Ablauf des Programms neu diskutiert werden kann;
20. fordert die Kommission auf, eine eingehende Bewertung der Ergebnisse dieses Rahmenprogramms unter Berücksichtigung dieser Entschließung vorzunehmen und neue Vorschläge für die Entwicklung und Diversifizierung von Maßnahmen zur Förderung der Ausbildung von Richtern auszuarbeiten;
21. ist aber der Ansicht, dass die Zeit reif ist für eine pragmatische institutionelle Lösung der Frage der Ausbildung von Justizangehörigen auf EU-Ebene, bei der die vorhandenen Strukturen in vollem Umfang genutzt und zugleich unnötige Doppelungen bei Programmen und Strukturen vermieden werden; spricht sich daher für die Errichtung einer Europäischen Justizakademie aus, die das Europäische Netz für justizielle Ausbildung und die Europäische Rechtsakademie umfasst; fordert dazu auf, bei dieser institutionellen Lösung die einschlägigen Erfahrungen mit der Europäischen Polizeiakademie zu berücksichtigen;
22. vertritt den Standpunkt, dass einzelstaatliche Richter gegenüber dem Gemeinschaftsrecht keine passive Haltung einnehmen können, wie dies klar aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Frage, ob nationale Gerichte die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht von Amts wegen prüfen sollen, hervorgeht(11);
23. fordert, dass die Aus- und Fortbildung für Anwärter auf das Richteramt vom frühest möglichen Zeitpunkt analog zu den einzelstaatlichen Richtern, wie weiter oben dargelegt, intensiviert wird;
Vertiefung des Dialogs zwischen einzelstaatlichen Richtern und dem Gerichtshof
24. vertritt die Auffassung, dass das Vorabentscheidungsverfahren ein wesentlicher Garant für die Geschlossenheit der Rechtsordnung der Gemeinschaft und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist;
25. ersucht den Gerichtshof und alle beteiligten Seiten, die durchschnittliche Dauer des Vorabentscheidungsverfahrens weiter zu verkürzen, damit diese für den Dialog so wichtige Möglichkeit bei den einzelstaatlichen Richtern mehr Anklang findet;
26. fordert die Kommission auf zu prüfen, ob einzelstaatliche Verfahrensregeln ein tatsächliches oder potentielles Hemmnis für die Möglichkeit von Gerichten eines Mitgliedstaates darstellen, ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Artikel 234 Absatz 2 EG-Vertrag vorzulegen, sowie konsequent gegen die sich aus derartigen Hemmnissen ergebenden Vertragsverletzungen vorzugehen;
27. ist der Auffassung, dass Einschränkungen der Zuständigkeit des Gerichtshofs, wie sie insbesondere Titel IV des EG-Vertrags betreffen, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in diesen Bereichen unnötig beeinträchtigen und an die große Mehrheit der mit dieser Materie befassten Richter ein negatives Signal aussenden, indem es ihnen unmöglich gemacht wird, einen direkten Kontakt zum Gerichtshof herzustellen, was mit unnötigen Verzögerungen verbunden ist;
28. bedauert, dass nach Artikel 10 des Protokolls über die Übergangsbestimmungen, das dem Vertrag von Lissabon beigefügt ist, die Befugnisse des Gerichtshofs bei Rechtsakten im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, die vor dem Inkrafttreten dieses Vertrags angenommen wurden, während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren dieselben bleiben, wie seine Befugnisse nach dem derzeitigen EU-Vertrag; begrüßt allerdings die diesen Artikel des Protokolls betreffende Erklärung der Regierungskonferenz und fordert den Rat und die Kommission deshalb nachdrücklich auf, sich dem Parlament anzuschließen und diejenigen Rechtsakte im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon angenommen wurden, erneut anzunehmen;
29. teilt angesichts der Einführung eines Eilverfahrens für Vorabentscheidungsersuchen die Auffassung des Rates, dass Handreichungen des Gerichtshofs, die den einzelstaatlichen Richtern bei Entscheidungen über die Beantragung des Eilvorlageverfahrens als Orientierungshilfe dienen, sehr wichtig sind;
30. ersucht den Gerichtshof, alle denkbaren Verbesserungen des Vorabentscheidungsverfahrens in Betracht zu ziehen, die eine stärkere Einbeziehung des vorlegenden Richters in das Verfahren zur Folge hätten, wozu auch bessere Möglichkeiten zur Präzisierung der Vorlage und zur Teilnahme am mündlichen Verfahren gehören;
31. vertritt die Auffassung, dass in einer dezentralisierten und voll ausgeprägten Rechtsordnung der Gemeinschaft die einzelstaatlichen Richter nicht an den Rand gedrängt, sondern mit größerer Verantwortung ausgestattet und in ihrer Rolle als erste Richter des Gemeinschaftsrechts bestärkt werden sollten; fordert deshalb dazu auf, ein System zu prüfen, bei dem die einzelstaatlichen Richter den Fragen, die sie dem Gerichtshof vorlegen, die von ihnen selbst vorgeschlagenen Antworten beifügen, woraufhin der Gerichtshof innerhalb einer bestimmten Frist entscheiden könnte, ob er für die vorgeschlagene Entscheidung "grünes Licht" gibt oder im Sinne einer Rechtsmittelinstanz selbst entscheidet;
Stärker auf die Erfordernisse einzelstaatlicher Richter zugeschnittene Rechtsvorschriften
32. nimmt die Einrichtung eines Forums zur Erörterung der EU-Justizpolitik und -praxis zur Kenntnis und fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass die Beratungen des Forums auf transparente Weise erfolgen; stellt fest, dass die Kommission zugesagt hat, dem Parlament und dem Rat regelmäßig Bericht zu erstatten;
33. hält eine klarere Sprache in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und eine größere terminologische Einheitlichkeit der Rechtsinstrumente für zwingend notwendig; tritt insbesondere für das Projekt des Gemeinsamen Referenzrahmens im europäischen Vertragsrecht als Instrument für eine bessere Rechtsetzung ein;
34. unterstützt mit Nachdruck die Forderung der Kommission, dass die Mitgliedstaaten systematisch Korrelationstabellen bereitstellen, aus denen hervorgeht, wie die Richtlinien der Gemeinschaft ihren Niederschlag in den nationalen Rechtsvorschriften finden; teilt die Ansicht, dass derartige Tabellen zu geringen Kosten und mit geringem Aufwand wertvolle Informationen liefern; vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass die Korrelationstabellen zu größerer Transparenz bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts führen und den einzelstaatlichen Richtern sowie den jeweiligen Verfahrensparteien eine realistische Möglichkeit eröffnen zu erkennen, ob einer konkreten innerstaatlichen Vorschrift Gemeinschaftsrecht zugrunde liegt, und sich selbst zu vergewissern, ob die Umsetzung ordnungsgemäß erfolgt ist, und wenn ja, auf welche Weise;
o o o
35. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und den Bericht des federführenden Ausschusses dem Rat, der Kommission, dem Gerichtshof und dem Europäischen Bürgerbeauftragten zu übermitteln.
Siehe beispielsweise die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1).